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Fruchtbringende Gesellschaft

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Die Kokospalme. Emblem der Fruchtbringenden Gesellschaft
Die Kokospalme. Emblem der Fruchtbringenden Gesellschaft

Die Fruchtbringende Gesellschaft (lat. societas fructifera), nach ihrem Emblem, dem "indianischen Palmbaum", auch bekannt als Palmenorden, war mit 890 Mitgliedern die größte literarische Gruppe des Barock.

Geschichte

"Der Name Fruchtbringend/ darum/ damit ein jeder/ so sich hinein begiebet/ oder zu begeben gewillet/ anders nichts/ als was fruchtmeßig/ zu Früchten/ Bäumen/ Blumen/ Kräutern oder dergleichen gehörig/ aus der Erden wächset/ und davon entstehet/ ihme erwehlen/ und darneben überall Frucht zuschaffen äußerst beflissen seyn solle." (Georg Neumark, Der Neu-Sprossende Teutsche Palmbaum, Nürnberg 1668.)

Anlässlich des Begräbnisses der Herzogin Dorothea Maria von Sachsen-Weimar am 24. August 1617 in Weimar trafen sich Familienmitglieder und Freunde zu einem Trauermahl auf Schloß Hornstein (jetzt Wilhelmburg) bei Weimar. Als beim Tischgespräch das Thema auf literarische Gesellschaften im Ausland und das Fehlen eines deutschen Pendants kam, regte Hofmarschall Kaspar von Teutleben die Gründung eines solchen Zirkels an. Spontan schlossen sich Fürst Ludwig I. von Anhalt-Köthen, die Herzöge Friedrich von Sachsen-Weimar, Johannn Ernst d. J. von Sachsen-Weimar, Wilhelm IV. von Sachsen-Weimar und der Freiherr Christoph von Krosigk dieser Idee an und gründeten noch am selben Tag die Fruchtbringende Gesellschaft. Es entstand eine Vereinigung nach dem Vorbild der italienischen Accademia della crusca und der niederländischen Rederijkerkamers.

Ihr Zweck war "bei dem bluttriefenden Kriegsjammer unsre edle Muttersprache, welche durch fremdes Wortgepränge wässerig und versalzen worden, hinwieder in ihre uralte gewöhnliche und angeborne deutsche Reinigkeit, Zierde und Aufnahme einzuführen, einträchtig fortzusetzen und von dem fremd drückenden Sprachenjoch zu befreien". Mit erstarkendem Patriotismus wandelte sich die Zielsetzung immer mehr hin zur Aufrechterhaltung, bzw. Wiederherstellung der alten teutschen Tugenden.

Das Oberhaupt der Gesellschaft wurde immer auf Lebenszeit gewählt und als Amtssitz der Hof des jeweiligen Oberhaupts. Alle Mitglieder übten das Recht aus, neue Mitglieder vorzuschlagen, doch nur dem Oberhaupt war es aber erlaubt, diese auch aufzunehmen. Zum überwiegenden Teil kamen diese natürlich aus dem Adel, doch es waren auch Nicht-Adlige zugelassen. Gerade Fürst Ludwig wollte ein moderne Gesellschaft, in der es keine Standesunterschiede gab. Ob Zufall oder nicht, unter den 890 Mitgliedern finden sich nur zwei Theologen: Johann Valentin Andreae und Johann Rist. Die Mitgliedschaften einiger Ausländer, z.B. Matthias Abele von und zu Lilienberg oder Cambises Bianchi del Piano dürften politisch begründet sein. Offiziell waren nur Frauen als Mitglieder nicht zugelassen. Aus dem Briefwechsel mehrerer Mitglieder ist aber ersichtlich, daß zumindest manche Ehefrau verschiedentlich bei Treffen anwesend war. Hier sei kurz auf die noble accademie des loyales hingewiesen, welcher als Pendant der Fruchtbringenden Gesellschaft gilt. Ein reiner Frauenzirkel, welcher von Fürstin Anna von Anhalt-Bernburg gegründet wurde.

Die Aufnahme neuer Mitglieder fand meistenteils am Hof des amtierenden Oberhaupts statt. Diesen Initiations-Ritus nannte man Hänselung, da dieser der Einführung in eine Hanse oder Innung einer Gesellschaft erinnerte. Der Ablauf war folgender: Alle anwesenden Mitglieder saßen in der Reihenfolge ihrer Aufnahme um einen langen Tisch, das Oberhaupt am Kopfende und der Neuling am Fußende. Nach dem Verlesen der Gesetze der Gesellschaft durch das Oberhaupt, versprach das neue Mitglied sich danach zu richten und diese nicht zu brechen. Anschließend wurde ihm durch das Oberhaupt ein Gesellschaftsname, eine Devise bzw. Sinnspruch und ein Emblem verliehen. Dieser Name stammt eigentlich immer aus der Pflanzenwelt und erschließt sich heute nur noch durch die barocke Ikonographie. Gerade hier hatte man versucht, mit den Eigenschaften der Pflanzen auf eine Affinität zum damit Ausgezeichneten hinzuweisen. Nach diesem offiziellen Teil, folgte ein gesellschatlicher, welcher immer aus einem Umtrunk bestand; meistens gefolgt von einem Diner.

Bei solchen und auch anderen Treffen, sollten die anwesenden Mitglieder sichtbar ihren Gesellschaftspfennig tragen. Dieses war eine kleine, meist goldene Medaille auf der ein Palmbaum zu sehen war; auf der obigen Hälfte ein Spruchband mit der Inschrift Alles zu Nutzen und auf der unteren Hälfte ein Spruchband mit der Inschrift Die Fruchtbringende Gesellschaft. Die Rückseite zeigte das Emblem des jeweiligen Mitglieds, seinen Gesellschaftsnamen und seine Devise. Nach aktuellem Stand der Forschung besaß aber nicht jedes Mitglied eine solche Medaille.

Die Fruchtbringende Gesellschaft wuchs schnell und ständig, obwohl allein ihr erstes Oberhaupt neue Mitglieder aufnehmen konnte. Den Höhepunkt erreichte sie Mitte des 17. Jahrhunderts. Doch schon wenige Jahre später begann der Niedergang durch die Ausrichtung zu einem repräsentativen rein höfischen Ritter-Orden. Als am 4. Juni 1680 Herzog August stirbt, ist man sich sehr schnell einig, kein neues Oberhaupt mehr zu wählen. Da aber nur dieses das Recht hat, neue Mitglieder aufzunehmen, stirbt die Fruchtbringende Gesellschaft nun langsam aus. Kaspar Stieler publizierte noch bis ins frühe 18. Jahrhundert unter seinem Gesellschaftsnamen der Spate und Anton Ulrich von Braunschweig und Lüneburg-Wolfenbüttel, der Siegprangende, starb erst 1714.

alle Oberhäupter der Gesellschaft

Noch am Gründungstag der Gesellschaft, dem 24. August 1617 wurde Fürst Ludwig in der konstituierenden Sitzung auf Lebenszeit zum ersten Oberhaupt der Gesellschaft gewählt. Nach seinem Tod am 7. Januar 1650 beschloßen die Mitglieder, erst nach einem Trauerjahr, ein neues Oberhaupt zu wählen. Herzog Wilhelm IV. ist deshalb erst am 8. Mai 1651 zum zweiten Oberhaupt gewählt worden; natürlich ebenfalls auf Lebenszeit. Nach dessen Tod am 17. Mai 1662 begann ein über fünfjähriges Interregnum, u.a. wegen der Türcken-Gefahr. Erst am 15. Juli 1667 konnte man sich zu einer Versammlung durchringen und wählte am 15. Juli 1667 Herzog Wilhelm August zum dritten (und letzten) Oberhaupt der Gesellschaft.

Mitglieder

A

B

C

D

E

F

G

H

I


J


K

L

M

N

O

P

Q

R

Sa

Sch

Se - Si

Sl - Sz

T

U

V

W

Z

Literatur

  • Barthold, Friedrich W.: Geschichte der Fruchtbringenden Gesellschaft. - Hildesheim : Olms, 1969 <Repr. d. Ausg. Berlin 1848>
  • Heinze, Johann M.: Erzählung von der Fruchtbringenden Gesellschaft. - Weimar : Glüsing, 1780
  • Im Garten der Palme / hrsg. von Martin Bircher. - Wolfenbüttel : Herzog-August-Bibliothek, 1991
  • Krause, Gottlieb: Der Fruchtbringenden Gesellschaft ältester Ertzschrein. - Hildesheim : Olms, 1973 <Repr. d. Ausg. Leipzig 1855>
  • Neumark, Georg: Der Neu-sprossende Teutsche Palmbaum. - München : Mösel, 1970 <Repr. d. Ausg. Nürnberg 1668>
  • Schulze, Robert: Ein vergessenes Kulturzentrum Mitteldeutschlands. - Köthen : Schettler, 1930
  • Stoll, Christoph: Sprachgesellschaften im Deutschland des 17. Jahrhundert. - München : List, 1973

Zur geschichtlichen Einbettung siehe auch: Lesegesellschaft, Sprachgesellschaft.