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Zwölf Artikel

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Die 12 Artikel gehören zu den bekanntesten Forderungen, die die Bauern im deutschen Bauernkrieg 1525 in Memmingen gegenüber dem erhoben hatten.

Geschehnisse

Am 6. März 1525 trafen sich in Memmingen etwa 50 Vertreter der oberschwäbischen Bauerngruppen (des Baltringer Haufens, des Allgäuer Haufens und des Bodensee-Haufens) um sich zu beraten um gemeinsam gegenüber dem Schwäbischen Bund auftreten zu können. Nach schwierigen Verhandlungen verkündeten sie einen Tag später die Christliche Vereinigung, eine oberschwäbische Eidgenossenschaft der Bauern. Am 15. und am 20. März 1525, trafen sich die Bauern wieder in Memmingen und verabschiedeten nach weiteren Beratungen die 12 Artikel und die Bundesordnung (s.u.).

Die beiden sind die Einzigen der vielen Programme des Bauernkrieges, die gedruckt wurden und besonders die 12 Artikel wurden innerhalb der nächsten zwei Monate mit einer für die damalige Zeit ungeheuren Auflage von insgesamt 25.000 Exemplaren gedruckt und verbreiteten sich in ganz Deutschland. Da die beiden Texte im Laufe des Bauernkrieges nicht weiterentwickelt wurden, wird an manchen Stellen von einer verfassungsgebenden Bauernversammlung in Memmingen gesprochen.

Die 12 Artikel

  1. Jede Gemeinde soll das Recht haben ihren Pfarrer zu wählen und ihn zu entsetzen [abzusetzen], wenn er sich ungebührlich verhält. Der Pfarrer soll das Evangelium lauter und klar ohne allen menschlichen Zusatz predigen, da in der Schrift steht, daß wir allein durch den wahren Glauben zu Gott kommen können.

  2. Von dem großen Zehnten sollen die Pfarrer besoldet werden. Ein etwatiger Überschuß soll für die Dorfarmut und die Entrichtung der Kriegssteuer verwandt werden. Der kleine Zehnt soll abgetan [aufgegeben] werden, da er von Menschen erdichtet ist, denn Gott der Herr hat das Vieh dem Menschen frei erschaffen.

  3. Ist der Brauch bisher gewesen, daß man uns für Eigenleute [Leibeigene] gehalten hat, welches zu Erbarmen ist, angesehen das uns Christus alle mit seinen kostbarlichen Blutvergießen erlöst und erkauft hat, den Hirten gleich wie den Höchsten, keinen ausgenommen. Darum erfindet sich mit der Schrift, das wir frei sind und sein wollen.

  4. Ist es unbrüderlich und dem Wort Gottes nicht gemäß, daß der arme Mann nicht Gewalt hat, Wildbrett, Geflügel und Fische zu fangen. Denn als Gott der Herr den Menschen erschuf, hat er ihm Gewalt über alle Tiere, den Vogel in der Luft und den Fisch im Wasser gegeben.

  5. Haben sich die Herrschaften die Hölzer [Wälder] alleine angeeignet. Wenn der arme Mann etwas bedarf, muß er es um das doppelte Geld kaufen. Es sollen daher alle Hölzer, die nicht erkauft sind [Gemeind sind ehemalige Gemeindewälder, die sich viele Herrscher angeeignet haben] der Gemeinde wieder heimfallen [zurückgegeben werden], damit jeder seinen Bedarf an Bau und Brennholz daraus decken kann.

  6. Soll man der Dienste [Frondienste] wegen, welche von Tag zu Tag gemehrt werden und täglich zunehmen ein ziemliches Einsehen haben [sie ziemlich reduzieren], wie unsere Eltern gedient haben, allein nach Laut des Wort Gottes.

  7. Soll die Herrschaft den Bauern die Dienste nicht über das bei der Verleihung festgesetzte Maß hinaus erhöhen [Eine Anhebung der Fron ohne Vereinbarung war nicht unüblich].

  8. Können viele Güter die Gült [Pachtabgabe] nicht ertragen. Ehrbare Leute sollen diese Güter besichtigen und die Gült nach Billigkeit neu festsetzen, damit der Bauer seine Arbeit nicht umsonst tue, denn ein jeglicher Tagwerker ist seines Lohnes würdig.

  9. Werden der große Frevel (Gerichtsbußen) wegen stets neuen Satzungen gemacht. Man straft nicht nach Gestalt der Sache, sondern nach belieben [Erhöhungen von Strafen und Willkür bei der Verurteilung waren üblich]. Ist unsere Meinung, uns bei alter geschriebener Strafe zu strafen, darnach die Sache gehandelt ist, und nicht nach Gunst.

  10. Haben etliche sich Wiesen und Äcker, die einer Gemeinde zugehören [Gemeindeland, daß ursprünglich allen Mitgliedern zur Verfügung stand], angeeignet. Die wollen wir wieder zu unseren gemeinen Händen nehmen.

  11. Soll der Todfall [eine Art Erbschaftssteuer] ganz und gar abgetan werden, und nimmermehr sollen Witwen und Waisen also schändlich wieder Gott und Ehre beraubt werden.

  12. Ist unser Beschluß und endliche Meinung, wenn einer oder mehr der hier gestellten Artikel dem Worte Gottes nicht gemäß wären ..., von denen wollen wir abstehen, wenn man es uns auf Grund der Schrift erklärt. Wenn man uns schon etliche Artikel jetzt zuließe und es befände sich hernach, daß sie Unrecht wären, so sollen sie von Stund an tot und absein. Desgleichen wollen wir uns aber auch vorbehalten haben, wenn man in der Schrift noch mehr Artikel fände, die wieder Gott und eine Beschwernis des Nächsten wären.

Die Bundesordnung

Auch die Bundesordnung erreichte hohe Auflagen und war wohl vor allem deshalb bei den Bauern populär, weil sie ein Modell für eine kommunale, föderative Gesellschaftsordnung bot. Im Schwarzwald, Elsaß und in Franken lassen sich Bauernschaften nachweisen, die danach organisiert waren.

Wurzeln der 12 Artikel

Wo die Wurzeln der 12 Artikel liegen ist umstritten. Oft werden sie dem Memminger Reformator Sebastian Lotzer zugeschrieben, der aber vermutlich zusammen mit Christoph Schappeler schon bestehende Texte erweitert hat.

Am 16. Februar 1525 begehrten etwa 25 zu Memmingen gehörige Dörfer auf und forderten angesichts ihrer wirtschaftlichen Lage und der allgemeinen politischen Situation beim Rat der Stadt deutliche Verbesserungen. Die Beschwerden berührten die Leibherrschaft, die Grundherrschaft, Nutzungsrechte am Wald und der Allmende und beinhalten breite kirchliche Forderungen. Die Bauern wollten Reformen auf breiter Front. Die Stadt ließ einen Ausschuß der Dörfler bilden und rechneten mit einem langen Katalog an spezifischen Forderungen. Sehr unerwartet gaben die Bauern baer eine einheitliche grundsätzliche Erklärung ab, die aus 12 Artikeln bestand. Viele dieser Forderungen wurden vom Rat in der Folge nicht durchgesetzt werden, aber es kann davon ausgegangen werden, daß die Artikel der Memminger Landschaft die Diskussionsgrundlage für die 12 Artikel der Oberschwäbischen Eidgenossenschaft vom 20. März 1525 waren.

Man kann auch davon ausgehen, daß auch die Forderungen von Joß Fritz, die dieser bei der Bundschuh-Verschwörung 1513 erhoben hat, die Artikel der Memminger Landschaft und dadurch widerum die 12 Artikel selbst beeinflußt haben.

Luther und die 12 Artikel

Die Bauern trugen schwer unter den vielen ihnen auferlegten Lasten und sahen in den Standpunkten Luthers und der Reformation die Bestätigung, daß viele davon nach Gottes Willen nicht vorgesehen waren.

Luther war aber nicht erbaut über die Aufstände der Bauern und deren Berufung auf ihn. Möglicherweise sah er darin schädliche Folgen für die Sache der Reformation. Er wandte sich an die Bauernschaft und ermahnte sie zum Frieden. Auch an die Herren schrieb er:

Sie haben zwölf Artikel aufgestellt, unter denen einige so gerecht sind, daß sie euch vor Gott und der Welt zur Schande gereichen. Doch sie sind fast alle auf ihren Nutzen und ihnen zugut abgestellt und nicht aufs beste ausgearbeitet. [...] Nun ist's ja auf die Dauer unerträglich, die Leute so zu besteuern und zu schinden.


Literatur

  • Die Geschichte der Stadt Memmingen, Hrsg. Joachim Jahn, Hans-Wolfgang Beyer, Uli Braun, Stuttgart 1997
  • Die Revolution von 1525, von Peter Blicke, München, Wien 1981