Zum Inhalt springen

Kinderpornografie

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 15. August 2004 um 11:26 Uhr durch Markus Schweiß (Diskussion | Beiträge) (Änderungen von 83.64.136.210 rückgängig gemacht und letzte Version von 80.178.183.94 wiederhergestellt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Kinderpornografie ist die pornografische Darstellung von Kindern. Entsprechend der üblichen Definition von Pornographie ist Kinderpornographie also die anreißerische Darstellung der menschlichen Sexualität, wobei die Geschlechtsorgane in ihrer sexuellen Aktivität betont werden, in Verbindung mit Kindern. "Darstellung" umfasst dabei nicht nur die Medien Fotografie und Film, sondern auch bildende Kunst (Malerei, Illustration, Grafik) und Literatur. In der Praxis wird jedoch hauptsächlich solche Kinderpornographie verfolgt, die unter der Mitwirkung echter Kinder entstanden ist (Film und Fotografie).

Gesetzeslage

Deutsches Recht

Nach deutschem Recht wird die Herstellung, Verbreitung sowie der Besitz von kinderpornografischen Schriften mit einer Gefängnisstrafe von 3 Monaten bis zu 10 Jahren bestraft. Der Versuch, sich kinderpornografische Schriften zu verschaffen oder Dritten zugänglich zu machen, steht ebenfalls unter Strafe. Geregelt wird dies durch die Paragrafen 184b, 176, 176a StGB Abs. 2 (Sexueller Missbrauch von Kindern zur Herstellung pornografischer Schriften). Pornografischen Schriften sind dabei Darstellungen in Bild, Ton und Schrift gleichgesetzt, unabhängig davon, ob sie ein tatsächliches oder nur ein wirklichkeitsnahes Geschehen (so genannte virtuelle Kinderpornografie) wiedergeben. Kinder im Sinne des Gesetzes sind Personen unter 14 Jahren, § 176 Abs. 1 StGB.

Paragraf 184b StGB definiert Kinderpornografie als pornografische Schriften, die "den sexuellen Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben". Dazu im Widerspruch werden in der gängigen Rechtsprechung die Kriterien für herkömmliche Pornografie (Isolierungs- und Stimulierungstendenz, Aufdringlichkeit und Anstandsverletzung) der Kinderpornografie zugrunde gelegt (Laufhütte). Somit wird auch bei sexuell aufreizenden Darstellungen ohne sexuellen Missbrauch von Kindern ebenfalls verurteilt. Dagegen ist bloße Nacktheit kein hinreichendes Kriterium für herkömmliche Pornografie (Schönke/Schröder), somit gelten Darstellungen nackter Kinder (z.B. FKK-Bilder) nicht als Kinderpornografie. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften kann diese jedoch indizieren. Sie begründet dies mit einer Wirkungsvermutung auf jugendliche Betrachter (siehe Indizierung).

Europäisches Recht

Nach einem Rahmenbeschluss der Europäischen Kommission und einer Grundsatzerklärung der EU-Außenminister (2002) werden für die Mitgliedstaaten rechtsverbindliche Mindestbestimmungen für die Herstellung und Besitz von Kinderpornografie erlassen.

Als Kinderpornografie gilt demnach pornografisches Material mit bildlichen Darstellungen echter oder realistisch dargestellter nichtechter Kinder, die an einer eindeutig sexuellen Handlung aktiv oder passiv beteiligt sind, einschließlich aufreizendem Zur-Schau-Stellen der Genitalien oder der Schamgegend von Kindern. Als Kind gilt jede Person unter 18 Jahren.

Dem einzelnen Mitgliedsstaat bleibt es überlassen, ob auch Darstellungen von Personen mit kindlichem Erscheinungsbild unter den Straftatbestand der Kinderpornografie fallen.

An dem Rahmenbeschluss wurde von deutschsprachigen sexualwissenschaftlichen Organisationen heftige Kritik geübt. Die Kriminalisierung von Abbildungen, auf denen Darsteller mit "kindlichem Erscheinungsbild" zu sehen sind, berge die Gefahr einer Kriminalisierung aller herkömmlichen Pornografie mit Darstellern unter 25 Jahren.

In Österreich ist die Umsetzung in nationales Recht bereits im Gange, in Deutschland wird sie in der Regierung bereits besprochen (Stand 2003).

Juristische Aspekte

Das geschützte Rechtsgut ist die "ungestörte sexuelle Entwicklung" bzw. die "von vorzeitigen sexuellen Erlebnissen geschützte Gesamtentwicklung des Kindes". Dabei gelten die Straftatbestände des Besitzes der Herstellung und Verbreitung von Kinderpornografie als Risiko- bzw. abstrakte Gefährdungsdelikte. Das Risiko einer Schädigung von Kindern wird dabei vom Gesetzgeber angenommen. Strafbar sind somit Taten, die ein Risiko bergen, auch wenn sie im konkreten Fall nicht zu einer Schädigung geführt haben. Die Einstufung als abstraktes Gefährdungsdelikt stammt aus der Pornografiedefinition. In der Pornografiediskussion liegt das Rechtsgut des Jugendschutzes zu Grunde. Bei herkömmlicher wie bei Kinderpornografie ist es im konkreten Fall unerheblich, ob die pornografischen Schriften einem Jugendlichen zugänglich gemacht wurden. Die alleinige Möglichkeit, dass dies hätte geschehen können reicht für das Vorliegen eines Straftatbestands aus (Schönke).

Herstellungsverbot

Durch das Herstellungsverbot möchte der Gesetzgeber verhindert wissen, dass Kinder durch die Herstellung von Kinderpornografie zu Schaden kommen. Es fallen auch freiwillige und selbstgemachte Aufnahmen darunter.

Verbreitungsverbot

Durch das Verbreitungsverbot will der Gesetzgeber den Zugang zu Kinderpornografie erschweren. Seit April 2004 gilt im Unterschied zu konventioneller Pornographie auch die Weitergabe in geschlossenen Benutzergruppen als Verbreitung.

Desweiteren steht zu vermuten, dass die meisten der Dargestellten keine Weiterverbreitung wünschen; das explizite Verbreitungsverbot stellt für die Abgebildeten einen weit wirksameren Schutz als den Schutz durch das Recht am eigenen Bild alleine dar.

Besitzverbot

Seit 1993 ist der Besitz kinderpornographischer Schriften in Deutschland verboten, wobei auch der Versuch, sich oder einen Dritten in den Besitz zu bringen, strafbar ist. Die Einführung des Besitzverbots wurde politisch damit begründet, dass in der Praxis der Nachweis der Verbreitung, Herstellung, Einfuhr etc. von Kinderpornographie selten gelinge. Vom aufgefundenen kinderpornographischen Material konnte nicht auf Verbreitung geschlossen werden, da es womöglich nur dem "privaten Konsum" diente. In diesen Fällen konnte die Polizei das kinderpornographische Material nicht beschlagnahmen und dadurch aus dem Verkehr ziehen.

Der Gesetzgeber nimmt auch an, dass Kinderpornografie den Konsumenten zu sexuellem Missbrauch verleiten können. In der Forschung stehen sich zu dieser These widersprüchliche Auffassungen gegenüber (Katharsis-Theorie: Abbau von Spannungen durch Betrachten der Darstellung; Stimulationstheorie: Betrachten führt zur Stimulation).

Politische Aspekte

Eine Diskrepanz zeichnet sich zwischen juristischer Bewertung und der öffentlichen Diskussion ab. Während sich die juristische Bewertung an rechtsstaatlichen Grundsätzen (geschützte Rechtsgüter) orientiert, zielt die öffentliche Diskussion auf sittenmoralische Betrachtungen ab. Dies führt bei Kontroversen über Verschärfungen des Sexualstrafrechts häufig zu unverstandenen Positionen zwischen Öffentlichkeit und Strafrechtsexperten.

Darstellungen

In der medialen Berichterstattung sind häufig Aussagen zu finden, nach denen bei kinderpornografischen Schriften eine Tendenz zu immer härter werdenden Darstellungen besteht. Dies ist jedoch bislang nicht mit hinreichend hoher Genauigkeit verifiziert worden. Fest steht aber, dass mit dem Internet eine Form der Verbreitung gewählt wurde, die den Umfang an kinderpornographischem Material sichtbar werden ließ.

Verbreitung erfährt Kinderpornographie durch Schriften, Fotografien (als Einzelaufnahmen, in Magazinen, im Internet) und Filmaufnahmen (in den 70er Jahren als Schmalfilme, später als Videos, auch im Internet). Ob eine literarische oder möglicherweise künstlerische Darstellung von Kinderpornographie die Kunstfreiheit des Artikel 5 Grundgesetz für sich in Anspruch nehmen kann, ist in Frage zu stellen und bedarf einer öffentlichen Disskusion. Da Kinderpornographie der Definition von Pornographie entsprechend anreißerische Qualität hat und somit der Abbildung oder dem Geschehen einen drastischen Charakter verleiht, sind Werke, die sich auf Andeutungen beschränken, kraft Definiton schon nicht erfasst. Aus der bildenden Kunst sind kinderpornographische Werke nicht bekannt. Im Fall des Romans Josefine Mutzenbacher, einem kinderpornographischen Erzeugnis aus dem Jahr 1906, wurde die Abwägung mit der Kunstfreiheit vom Bundesverfassungsgericht verpflichtend gemacht.

Kommerzielle Kinderpornografie

Der überwiegende Teil der Kinderpornografie stammt vermutlich aus privater Herstellung sowie aus kommerziellen Produktionen der 1960er und 1970er Jahre. Hinweise auf eine kommerzielle Produktion von Kinderpornografie in nennenswertem Umfang konnten trotz umfangreicher Ermittlungsbemühungen nicht gefunden werden. Die Aufgabe der Anonymität durch Bezahlung sowie das Angebot kostenloser Darstellungen erschweren einen kommerziellen Vertrieb von Kinderpornografie. Mediale Berichte über Kinderporno-Ringe beziehen sich überwiegend auf privaten, nicht-kommerziellen Austausch von kinderpornografischen Darstellungen.

Laut Schätzungen der UNO wird durch Handel und Herstellung von Kinderpornografie weltweit so viel Geld umgesetzt wie durch illegalen Waffenhandel. Eine Schätzgrundlage ist nicht vorhanden und entsprechende Geldströme konnten bisher nicht beobachtet werden.

Nach einem anfänglichen starken Anstieg der Ermittlungsfälle wegen Besitz von Kinderpornografie seit der Einführung des Besitzverbots im Jahre 1993 in Deutschland, verbleiben sie auf einem Niveau von etwa unter 4.000 pro Jahr. Davon entfallen etwa 2,7 Prozent der Fälle auf gewerbs- oder bandenmäßiges Handeln. Die Tatverdächtigen waren weit überwiegend allein handelnd (Polizeiliche Kriminalstatistik 2002).

Während Kinderpornografie bis in die 1980er Jahre in geringem Ausmaß "unter dem Ladentisch" verkauft wurde, erfuhr sie durch das Aufkommen des Internet eine deutlich höhere Verbreitung auch durch nicht-kommerziellen Tausch. Sie findet häufig durch Tauschbörsen, IRC und das Usenet statt. Um der Strafverfolgung zu entgehen, werden in z.B. Tauschbörsen Bilder mit kinderpornografischen Darstellungen als eine Art "Zugangsberechtigung" verlangt. Da ermittelnde Beamte dem nicht nachkommen dürfen (sie dürfen keine strafbare Handlung begehen) können sie also nicht direkt in den Tauschbörsen ermitteln.

Seit Mitte der 1980er und zunehmend im Laufe der 1990er Jahre geriet das Thema Kinderpornografie in das Interesse der Medien. Besonders groß angelegte Polizei-Operationen wie "Landslide" und "Marcy" fanden international ein großes Medienecho.

Über "Operation Landslide" wurde 1999 als "der größte Schlag gegen die kommerzielle Kinderpornografie aller Zeiten" berichtet. Die US-amerikanische Firma Landslide Inc. hatte auf rund 5.700 Websites auch kinderpornografisches Material über Kreditkartenbezahlungen angeboten und dabei nach Angaben von Interpol innerhalb von fünf Monaten 5,5 Millionen US-Dollar von rund 350.000 Abonnenten erhalten. Nach der Verhaftung der Betreiber betrieb das FBI die Webpräsenz von Landslide verdeckt weiter. Im Zuge dieser "Sting-Operation" kam es zu zahlreichen Ermittlungen gegen Interessenten dieses Angebots in über 60 Ländern, darunter vielen in Österreich, Deutschland sowie in Großbritannien mit rund 7.000 Fällen. Der Betreiber der Website, Thomas Reedy, wurde 2001 zu einer Gefängnisstrafe von 1.335 Jahren verurteilt. Dies war zu dem Zeitpunkt die zweithöchste jemals in den USA verhängte Haftstrafe.

"Marcy" war eine im September 2003 groß angelegte internationale Operation gegen private Tauschringe kinderpornografischer Darstellungen, in deren Verlauf gegen etwa 26.000 Verdächtige ermittelt wurden, davon etwa 530 in Deutschland.

Konsumenten

Über die Konsumenten von Kinderpornografie liegen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Über diese lassen sich lediglich Vermutungen anstellen. So steht zu vermuten, dass ein überwiegender Teil der Konsumenten Pädophile sind, die entsprechende Darstellung zur sexuellen Stimulation und zur Triebabfuhr benötigen. Ein weiterer Teil der Konsumenten konstituiert sich aus Heterosexuellen und Homosexuellen, die dieses Bildmaterial zur sexuellen Stimulation verwenden oder es aus dem Anreiz des "verbotenen Materials" sammeln. Einhellige Meinung ist, dass die Konsumenten aus allen gesellschaftlichen Schichten stammen und besondere Merkmale bei diesen nicht ausfindig zu machen sind. Das Sammeln kinderpornografischer Bilder kann einen ausgeprägten suchtartigen Charakter annehmen.

Literatur

  • Schönke/Schröder Strafgesetzbuch Kommentar, 25. Auflage Verlag C.H. Beck, C.H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung München 1997
  • Schetsche, Michael: Internetkriminalität. Daten und Diskurse, Strukturen und Konsequenzen. S. 307-329. In: Zwischen Autonomie und Inszenierung, Hrsg. Martina Althoff u.a., Baden-Baden: Nomos 2004

Siehe auch: Pornographie, Pädophilie, Heterosexualität, Homosexualität, sexueller Missbrauch von Kindern