Marseille

Marseille ist die wichtigste französische Hafenstadt und liegt am Golfe du Lion, einer Mittelmeerbucht. Sie ist die Hauptstadt des Départements Nr. 13, Bouches-du-Rhône in der französischen Region Provence-Alpes-Côte d'Azur. Die Stadt, deren Einwohner sich Marseillais nennen, ist mit 798.430 Einwohnern nach Paris die zweitgrößte Stadt Frankreichs. Das Ballungsgebiet Marseille hat sogar 1.349.772 Einwohner.
Geografie
Marseille liegt zwischen 0 und 160 m ü. NN hoch. Das Hinterland ist sehr gebirgig und findet seine höchste Erhebung im 710 m hohen Croix de Garlaban. Im Nordwesten grenzt die Stadt an die Chaîne de l'Estaque, einer aus Kalkfelsen bestehenden Bergkette hinter l'Estaque, die den Étang de Berre, ein großes salzhaltiges Binnengewässer, vom Meer abtrennt.
Geschichte

Um 600 v. Chr. gründeten Griechen aus Phokäa in Kleinasien eine Kolonie an der Mündung der Rhône und nannten sie Massalia oder Massilia, das heutige Marseille.Einer Legende nach ist die Stadt wie folgt entstanden:
Nachdem Protis an Land gegangen war, um sich mit der schönen Ligurerin Gyptis zu vereinen, ward Marseille gegründet. Protis war Phäake, und die Phäaken, dieses Seefahrervolk von der Insel Scheria, hatten nicht nur einen gastfreundlichen König namens Alkinoos, der den schiffbrüchigen Odysseus aufnahm, um ihn dann in seine Heimat Ithaka zu geleiten. Er hatte auch eine schöne Tochter. Nausikaa war es, die den gestrandeten Odysseus fand und ins Haus ihres Vaters führte. Marseille wurde also von der Liebe gegründet.
Um das Jahr 545 erfolgte - nach der Flucht aus Phokaia durch Harpagos (einen Meder bzw. Perser, Statthalter des Königs Kyros) - ein erneuter Zuzug aus der Mutterstadt. (Hdt. 1,163,1-1,165,4, Solin. II,77, Liv. V,34,7-8).
481 fiel die Stadt an die Westgoten, 511 an die Ostgoten, 536 an die Franken und 879 an Niederburgund. Nachdem die Sarazenen sie zerstörten, wurde die Stadt im 10. Jh. wiederaufgebaut und den Vicomtes de Marseille unterstellt. Zwischen 1216 und 1218 wurde Marseille zur selbstständigen Republik und schließlich 1481 mit Frankreich vereinigt.
1720 und 1721 wütete die Pest. Am 9. Oktober 1934 fielen der jugoslawische König Alexander I. und der französische Aussenminister Louis Barthou vor der Börse einem Mordanschlag zum Opfer. 1943 wurde ein Großteil der Altstadt von deutschen Truppen abgerissen. Den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Auguste Perret. 1993 erschütterte ein Skandal die Stadt, als der damalige Präsident des Fußballklubs Olympique Marseille, Bernard Tapie, wegen Bestechung zum Gewinn der Landesmeisterschaft eine Haftstrafe antreten musste.
Einwohnerentwicklung
1750 bis 1910 |
1920 bis 1962 |
1968 bis 1999 |
Politik
Bürgermeister
Bürgermeister von Marseille sind oder waren:
- von 1953 bis 1986 Gaston Defferre (war schon zwischen 1944 und 1946 Bürgermeister, wiedergewählt 1959, 1965, 1971, 1977 und 1983),
- von 1986 bis 1995 Robert Vigouroux (wiedergewählt 1989) und
- seit 1995 Jean-Claude Gaudin (wiedergewählt 2001).
Städtepartnerschaften
Seit 1958 unterhält Marseille eine Städtepartnerschaft mit Hamburg.
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Museen
Das Musée des Beaux-Arts mit seinen Malereien aus dem 18. und 19. Jahrhundert und das Musée d'Histoire Naturelle mit seinen zoologischen und geologischen Ausstellungen befindet sich in den Seitenflügeln des Palais Longchamp (siehe Bauwerke). Das Musée d'Archéologie Méditerrannéenne und Musée d'arts Africains, Océaniens et Amérindiens befinden sich im Vieille Charité.
Bauwerke
Südlich des Stadtkerns befindet sich die von Henri-Jacques Espérandieu entworfene Notre-Dame de la Garde, erbaut in den Jahren 1853 bis 1864. Sie befindet sich auf einem 160 m hohen Kalkfelsen und ist neben dem vor dem Hafen liegenden Château d'If das Wahrzeichen von Marseille.

Der im Zentrum gelegene Alte Hafen Vieux Port und der am Quai des Belges gelegene Fischmarkt ist entgegen den Berichten von Reisebüros und Journalisten nicht der zentrale Treffpunkt der Stadt. Hier findet zwar täglich ein Treffen zwischen Hausfrauen und Fischern bzw. deren fischverkaufenden Frauen insofern statt, als die einen einkaufen und die anderen verkaufen (vor allem an Samstagen, da an Wochenenden in der Familie gegessen wird), doch es sind höchstens vier bis fünf Tische, manchmal vielleicht auch sechs aufgebaut, an denen frische Mittelmeerfische verkauft werden. Die Marseillais wie die Pariser oder andere kaufen ihren Fisch sonst lieber im Supermarkt (frisch aus dem Atlantik oder sonstwoher, möglicherweise am Araber-Markt in der Rue Longue des Capucins) oder aber die Meeresfrüchte bei Toinou am Cours Saint-Louis.
Unweit des Vieux Port, etwa zur Mitte zum Cours Saint-Louis und gegenüber der Place du Général de Gaulle (ein paar Meter von der Stadtinformation Office du Tourisme) befindet sich auch die Börse (Bourse de Marseille) aus den Jahren 1852 bis 1860.
Vom Alten Hafen aus zieht sich die etwa ein km lange "La Canabière" (provenzal. Canabiero = Cannabis - Hanf wurde hier gehandelt, daher der Name), eine ehemalige Prachtstraße des 19. Jahrhunderts, zur Église Saint-Vincent de Paul, der Kirche der Reformierten, hin und findet mit dem Boulevard Longchamp, der zum Palais Longchamp mit seiner Brunnenanlage führt, ihre Fortsetzung. Sie wird von stattlichen Geschäftshäusern und Cafés gesäumt und wurde früher oft mit der Pariser Champs-Élysées verglichen. Die einstige Prachtstraße hat sich jedoch heute in eine unglaublich lärmende und stinkende Rennstrecke gewandelt, ohne den Charme von einst. Derzeit ist man seitens der Stadt bemüht, wieder ein wenig der alten Zeit zu rekonstruieren, etwa am Noailles, einem ehemaligen Hotel der einstigen Pracht, durchaus auch an anderen Orten. Nordöstlich von Noailles, und in diese Richtung verläüft die Canebières nun mal, besteht jedoch kaum Interesse an Rekonstruktionsarbeiten.

Im nördlich des Alten Hafens gelegenen Stadtteil Le Panier befindet sich das 1671 erbaute Armenhaus der Stadt, Vieille Charité, mit der von Pierre Puget entworfenen Barockkapelle. Zum Bummeln oder gar zur Einkehr laden die fünfstöckigen Reißbretthäuser zwischen dem Quartier du Panier und dem Vieux Port jedoch nicht gerade ein. Ihre Vorgänger aus dem 18. Jahrhundert wurden im Januar 1943 von den Deutschen geschleift, um so die sich dort versteckenden Juden und die Résistance gleich mit plattmachen zu können. Dies war übrigens den Stadtplanern von Marseille klammheimlich recht, denn die hatten hier bereits in den 1930er Jahren einen Kahlschlag vorgesehen (wie man ihn aus der französischen Tradition kennt, etwa aus Paris, als der Architekt und Städteplaner Hausmann kontra-revolutionär sanierte; man kann dessen Taten auch überall in Marseille sehen). So sieht die Architektur der hinteren der beiden Häuserreihen auch aus. Sie erinnert an deutsche Gebäude der dreißiger Jahre; verunglückte Bauhaus-Nachläufer, eine Art in die Länge und die Höhe gezogener Kleinteiligkeit, die sich in erkerförmigen Backsteinapplikationen ausdrückt. Es ist ein für das ganze Land ungewohnter Anblick. Ein paar hundert Jahre zuvor hatten die Marseillais allerdings selbst vorgemacht, wie man sogenannte Kriminelle wegsaniert, und zwar den über die Ufer getretenen Hafenstrich.
Ebenfalls nördlich des Alten Hafens befindet sich die wie die Notre-Dame de la Garde im neobyzantinischen Stil erbaute Cathédrale de la Major. Sie entstand zwischen 1852 und 1893 und besitzt zwei kuppelgekrönte Türme sowie eine 16 m hohe Vierungskuppel. Unweit westlich erstreckt sich der Neue Hafen (Port Moderne). Von der ab 1844 angelegten Anlage legen heute die meisten Schiffe ab, darunter auch die Passagierschiffe nach Korsika.
Naturdenkmäler
Ein beliebter Tagesausflug führt nach Cassis mit seinen malerischen Steilbuchten. Diese, südostlich von Marseille gelegene Ortschaft erreicht man auf dem Wasserweg auch mit Schiffen, die am Vieux Port ablegen.
Wirtschaft und Infrastruktur
Bedeutende Industriezweige sind die Fahrzeug-, Maschinen-, Metall- und Nahrungsmittelindustrie.
Verkehr
Marseille verfügt über einen umfangreichen industriellen Ballungsraum sowie den größten Hafen im Mittelmeer. Für den dadurch aufkommenden Eisenbahngüterverkehr dient der Bahnknotenpunkt mit Rangierbahnhof in der zwischen Marseille und Avignon gelegenen Kleinstadt Miramas.
Durch den TGV ist Marseille seit 2001 von dem fast 800 km entfernten Paris nur drei Stunden entfernt. Die U-Bahn Marseille verfügt über zwei Linien. Der Flughafen Aéroport Marseille-Marignane befindet sich 20 km nordwestlich der Stadt.
Durch die südliche Altstadt führt der mautpflichtige Straßentunnel St-Laurent.
Persönlichkeiten
- César Baldaccini, Bildhauer
- Désirée Clary, Verlobte von Napoléon Bonaparte
- Charles Crodel, Maler
- Jean-Claude Izzo, Schriftsteller
- Émile Ollivier, Staatsmann
- Adolphe Thiers, Staatsmann
- Zinedine Zidane, Fußballspieler