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Moorleiche von Windeby I

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Die Moorleiche von Windeby (auch Kind von Windeby oder Junge von Windeby) wurde 1952 von Torfstechern im Norden Schleswig-Holsteins nahe der Ortschaft Windeby im heute zum Gemeindegebiet der Stadt Eckernförde gehörenden Domslandmoor [1] (gelegentlich auch als Domlandsmoor bezeichnet) entdeckt. Aufgrund unzulänglicher Geschlechtsbestimmungen und einer falschen Deutung des Fundensembles war diese Leiche viele Jahre als Mädchen von Windeby bekannt.

Durch eine Pollenanalyse wurde festgestellt, dass es sich um eine Moorleiche aus der Eisenzeit handelte. Später konnte der Zeitraum dann mittels Untersuchung einer Knochenprobe aus dem Oberschenkel mit Hilfe der Radiokarbonmethode auf den Zeitraum zwischen 41 bis 118 n. Chr. genauer datiert werden.

Auf Grund des zarten Knochenbaus vermutete man den Fund einer Frauenleiche und gab ihr den Namen Mädchen von Windeby. Inzwischen hat die kanadische Anthropologin und Gerichtsmedizinerin Prof. Heather Gill-Robinson durch DNA-Untersuchungen in den USA und Israel nachgewiesen, dass es sich um eine männliche Leiche handelt [2].

Auf Röntgenaufnahmen eines Unterschenkelknochens stellte man Harris-Linien fest, die auf Wachstumsstörungen durch Unterernährung hindeuten. Unterernährt und an einer schweren Kieferinfektion leidend, starb der etwa 16-Jährige vor knapp 2000 Jahren.

Andere Forscher gehen von einer Hinrichtung aus. Als Indizien dafür werden die Frisur (das Kopfhaar ist rechts etwa 4 cm lang, während es links bis auf etwa 2 mm geschoren ist), eine Augenbinde sowie die Handhaltung in der so genannten Feigenform aufgeführt. Die rechte Hand der Leiche soll bei der Auffindung emporgereckt und der Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger hindurch gestreckt gewesen sein. Das symbolisiert die so genannte Feige, eine Gebärde, die in der Gegenwart sexuelle Aussagekraft hat. Diese Geste sowie eine Augenbinde veranlassten zur Vermutung, die junge Frau sei ihrem Ehemann untreu gewesen und zur Strafe ins Moor getrieben worden. Das obszöne Daumenzeichen war seinerzeit aber nicht bekannt gewesen, sondern erst seit dem Mittelalter. Bereits 1979 hat der Moorleichen-Forscher Michael Gebühr die Mär von der unsittlichen Missetäterin entzaubert. Er entkräftete vor allem das Indiz für das angebliche moralische Fehlverhalten des Moormädchens. Der Forscher hat nachgewiesen, dass die betreffende Hand des Mädchens nach der Ausgrabung 1952 bei der Einlagerung verformt wurde. Und bei der Augenbinde könnte es sich schlicht um ein verrutschtes Kopfband handeln.

Heute befindet sich der Leichnam neben anderen Moorleichen im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum Schloss Gottorf.

Nicht weit entfernt wurde 1952 eine zweite Moorleiche entdeckt, die jedoch deutlich schlechter erhalten war. Es handelt sich dabei um den Mann von Windeby, der lange in der Theorie von der hingerichteten Ehebrecherin eine wichtige Rolle spielte. Neueste Untersuchungsergebnisse datieren jedoch die beiden Moorleichen komplett verschieden.

Eines der Ergebnisse der Entnahme und Untersuchung des Torfprofils 1958 im Zusammenhang mit den Moorleichenfunden des Domslandmoores war die Erkenntnis, dass an dieser Stelle schon seit der Eisenzeit Torf gestochen wurde.

Literatur

  • Michael Gebühr: Moorleichen in Schleswig-Holstein. Verein zur Förderung des Archäologischen Landesmuseums e.V., Schleswig 2002, Wachholtz, Neumünster 2005. ISBN 3-529-01870-8
  • Wijnand van der Sanden Mumien aus dem Moor - Die vor- und frühgeschichtlichen Moorleichen aus Nordwesteuropa. Drents Museum / Batavian Lion International. Amsterdam 1996. ISBN 9067074160

Quellen

  1. http://www.eckernfoerde.de/suchen.phtml?such=domsland&opt1=2&La=1
  2. http://n-tv.de/645965.html