Liedbegleiter
Unter einem Liedbegleiter versteht man einen Musiker, insbesondere einen Pianisten, der Sänger des Kunstlieds an seinem Instrument begleitet.
Vorgeschichte des Liedgesangs
Aufgabe und Funktion des Liedbegleiters von heute lassen sich nur dann beschreiben und verstehen, wenn man zuvor einen Blick auf die geschichtliche Entwicklung des begleiteten Liedgesangs wirft.
Die instrumentale Begleitung des Liedgesangs gab es schon in frühgeschichtlicher Zeit. Mit Händeklatschen, Fußstampfen oder mit Schlagen und Trommeln auf Gegenstände aus Holz, Metall und Tierfellen ließ sich der Einzel- oder Gruppengesang rhythmisch unterstützen. Auch die Gesangsbegleitung mit Blas-, Zupf- und Streichinstrumenten hat eine lange Vorgeschichte. Vielfältige Möglichkeiten des begleiteten Singens boten sich bei und nach der Arbeit, bei der Brautwerbung, bei Volksfesten, beim Militär und schließlich auch bei kultischen Handlungen.
Im mittelalterlichen Europa löste sich die kunstvolle Musik, die im kirchlichen und im höfischen Bereich erklang, von der einfachen Volksmusik. Dies Trennung vollzog sich auch auf den Gesang, die Vokalmusik. Dabei blieb das Singen in der Kirche zunächst noch weitgehend unbegleitet - "a cappella". Im höfischen Bereich dagegen setzte sich der begleitete Gesang durch und führte schließlich zu immer kunstvolleren und stimmtechnisch komplizierten Formen, wie zum Beispiel bei der Koloraturarie.
Erst später, etwa gegen Ende des 16. Jahrhunderts, entstand aus dem schlichten, zumeist aus mehreren Strophen (Versen) bestehenden Volkslied eine eigene musikalische Gattung - das Kunstlied. Waren beim Volkslied Textdichter und Komponist meistens unbekannt, so traten beim Kunstlied die Autoren aus ihrer Anonymität heraus. Oft wurde der Name des Komponisten bekannter als der des Dichters, dessen zumeist lyrischen Verse vertont wurden.
Vom Cembalo zum Hammerklavier
Die Blütezeit des klassisch-romantischen Liedgesangs begann mit der Konstruktion eines neuen, modulationsfähigen Musikinstruments - dem Hammerklavier. Im Unterschied zur Spielweise auf dem herkömmlichen Spinett oder dem Cembalo wurde es nun möglich, mit einer neuen Anschlagstechnik den Liedgesang auf dem Klavier nicht nur zu "accompagnieren", sondern gleichwertig, partnerschaftlich, zu begleiten. Diese Entwicklung regte mit dem Wechsel vom 18. zum 19. Jahrhundert Komponisten an, Lieder für Singstimme und Klavier zu schreiben, die dem Klavier und damit dem Pianisten die Anwendung neuer Ausdrucksmöglichkeiten übertrugen und erlaubten. Gerade im deutschsprachigen Raum war zu Beginn des Zeitalters der Deutschen Romantik die Aufnahmebereitschaft groß.
Gleichzeitig entwickelte sich, vor allem nach dem Ende der Napoleonischen Kriege in der Zeit des Biedermeier die Hausmusik in den Bürgerstuben. Das Klavier hielt nun endgültig Einzug in die Wohnungen, die Salons der wohlhabenden Bürger. Genau in diese Zeit fiel das überreiche Liedschaffen eines jungen Wiener Komponisten - Franz Schubert. Seine Lieder wurden wegweisend für die weitere Verbreitung des Kunstliedes, wie zum Beispiel durch Robert Schumann, Johannes Brahms, Richard Strauss, Hugo Wolf und vielen anderen Komponisten.
Die Kunst der Liedbegleitung
Die Begleitung eines anspruchsvollen Kunstliedes erfordert also nicht nur einen exzellenten, technisch versierten Pianisten. Der Liedbegleiter braucht psychologisches Einfühlungsvermögen. Er sollte äußerst flexibel auf die Liedgestaltung des Gesangssolisten eingehen können, sollte Zurückhaltung üben, wenn die Singstimme dominiert, aber dabei die Stimmung des zu interpretierenden Liedes und des Textes aufnehmen und mitgestalten. Dagegen hat er in musikalischen Anfangs-, Überleitungs- und Schlussphrasen selbst als Klaviersolist die musikalische Führung zu übernehmen. Beim gemeinsamen Musizieren haben beide Partner musikalische Spannungsbögen auch gemeinsam zu gestalten, ja, sie sollten gemeinsam "atmen". Kurzum: Gesangssolist und Liedbegleiter am Klavier bilden ein gleichwertiges Duo, das zu einer Einheit zusammenwächst, um ein Lied im Sinne des Komponisten zu interpretieren.
Irwin Gage, ein bekannter Liedbegleiter unserer Zeit, hat einmal während seiner Lehrtätigkeit an der Saarbrücker Musikhochschule in einem Pressegespräch gesagt: "Ich spiele Worte". Dieses Spiel mit Worten, die Verbindung von Text und Musik, sei die Hauptaufgabe des Pianisten, der sein Können in den Dienst von Sängern stellt. Gage war als Liedbegleiter so gefragt, dass er in den 80er Jahren sogar viel beachtete Konzerte mit Liedern ohne Sänger gab. Er wollte das Publikum mit Klavierbegleitungen und -passagen ohne gesungene Melodie konfrontieren. Keine ganz neue Idee übrigens, denn schon Felix Mendelssohn Bartholdy hatte für das Klavier mehrere Sammlungen "Lieder ohne Worte" komponiert.
Als weitere Beispiele für die Kunst der Liedbegleitung am Klavier seien hier genannt: Die Pianisten Gerald Moore, Geoffrey Parsons, Michael Raucheisen, Norman Shetler, Günther Weißenborn, Erik Werba.
Erst in den letzten Jahrzehnten ist an deutschen Musikhochschulen "Liedbegleitung" als spezielles Lehr- oder Aufbaufach eingeführt worden, so an der Hochschule für Musik Detmold ("Klavierkammermusik und Liedbegleitung") und an der Hochschule für Musik Saar.
Weblinks und andere Quellen
Ausführliche Informationen sind abrufbar