Protonentherapie
Bei der Protonentherapie handelt es sich um eine Therapie zur Behandlung von Krebsgeschwüren (medizin.), also Tumoren. Obwohl die positiven Wirkungen der Protonenstrahlen seit Jahrzehnten bekannt sind, fehlt es in Deutschland nach wie vor an entsprechenden Einrichtungen, in denen diese schonende Strahlentherapie praktiziert wird. Das Verfahren wird insbesondere bei Patienten angewandt, bei denen die herkömmliche Röntgenbestrahlung nicht ausreichend genutzt werden kann, weil der Tumor entweder zu tief im Körper sitzt oder aber von empfindlichen Organen umgeben ist. Die Protonentherapie ermöglicht eine optimierte Dosisverteilung innerhalb der zu bestrahlenden Region. Mit der Einrichtung eines entsprechenden Zentrums in München sollen nun die neuesten technisch-physikalischen sowie radiobiologischen Erkenntnisse im Bereich der Radioonkologie genutzt werden.
Dieses Hochpräzisionsverfahren ermöglicht durch seine Zielgenauigkeit die Behandlung von Tumoren auch in sensiblen Körperregionen. Protonen sind geladene Teilchen, die in elektromagnetischen Feldern auf bis zu 60 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Dadurch kann der Strahl präzise auf den vorher berechneten Ort im Tumorgewebe gelenkt werden. Beim Auftreffen wird der Strahl so gebremst, daß die Protonen ihr Maximum an Energie direkt im Tumorherd entladen, die zellschädigende Energie wirkt auf den Tumor ein. Durch die Strahlentherapie kommt es zu einer Ionisation von Gewebemolekülen. Dies führt dann zu einer Schädigung des Zellkerns, der Kernmembran oder anderer Zellenbestandteile.
Die Wahrscheinlichkeit, daß dabei Tumorzellen zerstört oder in ihrem Wachstum behindert werden, ist durch die dreidimensional präzise Protonendeposition (Bragg-Peak) und die dadurch erreichbare höhere Strahlendosis im Target höher als beim Einsatz der konventionellen Röntgenstrahlung und der mittels Linearbeschleuniger erzeugten P'''h'''otonen. Im Gegensatz zu anderen Bestrahlungsformen sinkt bei der Protonentherapie deshalb auch das Risiko von Nebenwirkungen. Umgebendes, gesundes Gewebe wird weitgehend geschont.
Bisher fehlt der klinische Nachweis der Wirksamkeit beziehungsweise der Vorteilhaftigkeit gegenüber anderen Verfahren im Sinne von evidenzbasierten Studien (z.B. Doppelblindstudien), u.a. auch aus ethischen Gründen. Weltweit wurden in ca. 30 Jahren bisher immerhin über 40.000 Patienten mit verschiedenen Indikationen behandelt. Darüber ist in der einschlägigen Fachliteratur berichtet worden (s.u.a. [1]). Die gesetzlichen Krankenkassen in der Bundesrepublik Deutschland haben die Protonentherapie bislang nur bei drei Diagnosen in ihren Leistungskatalog aufgenommen. AOK: Übersicht zur Kostenübernahme von Protonentherapie in der gesetzlichen Krankenversicherung
In Deutschland existiert (noch! - die Schließung ist beschlossen)als einzige Therapieeinrichtung die Augentumortherapie am Ionenstrahllabor ISL des Hahn-Meitner-Instituts. Dort wurden seit 1998 fast 700 (Stand Ende 2005) Patienten behandelt.
Das erste Protonentherapie-Zentrum in West-Europa ist seit 1984 am Paul Scherrer Institut (PSI), Villigen, in der Schweiz in Betrieb. Bis Ende 2005 wurden dort mehr als 4400 Patienten mit Augentumoren mit Protonen behandelt. Am PSI steht auch die weltweit einzige Gantry für die Bestrahlung tief liegender Tumoren, die mit der sogenannten Spot-Scanning-Technik ausgerüstet ist. Die Tumoren werden dabei mit einem ca. 7 mm breiten Protonenstrahl 3-dimensional abgescannt. Bis Ende 2005 wurden damit mehr als 260 Patienten erfolgreich bestrahlt. Das PSI ist auch europaweit das einzige Zentrum, welches Erfahrung mit der intensitätsmodulierten Protonentherapie hat. Der erste Patient mit einem Chordom im Bereich der Wirbelsäule wurde mit dieser Methode bereits 1999 am PSI behandelt.
Das erste "hospital-based" Protonentherapie-Zentrum der Welt wurde im Jahre 1990 an der Loma Linda University Medical Center in Kalifornien eröffnet. Im klinischen Routinebetrieb wurden dort bislang über 12.000 Patienten mit 50 unterschiedlichen Tumorarten und anderen Krankheitsbildern behandelt. Mit jährlich ca. 1500 Patienten werden hier mit einem leistungsstarken Synchrotron (250 MeV, Optivus [2]) mehr Behandlungen durchgeführt als in allen anderen Protonentherapiezentren weltweit.
Zukünftige Standorte von Therapiezentren
Ursprünglich sollte im Jahr 2005 das erste kommerzielle Protonentherapiezentrum Europas an den Start gehen, das Rinecker Proton Therapy Center (RPTC) in München. Es ist seit November 2004 baulich weitgehend fertiggestellt. Die Inbetriebnahme ist aber nach Angaben des Betreibers "vorübergehend verschoben" (Stand Oktober 2006). An mehreren Standorten in Deutschland wird ebenfalls der Bau von Protonentherapiezentren in Betracht gezogen, beispielsweise im Rhein/Main-Gebiet durch die Horst-Schmidt Kliniken Wiesbaden, in Köln/Bonn und Leipzig durch die Pro Health AG, sowie in Berlin, Essen und in der Region Hamburg/Schleswig-Holstein.
Schleswig-Holstein und Hamburg haben sich auf Kiel als gemeinsamen Standpunkt geeinigt. Bis Ende November 2006 soll ein Firmenkonsortium aus den Anbietern ausgewählt werden, das die Anlage in Kiel baut.
Das Universitätsklinikum Essen wird im Rahmen einer Public-Private-Partnership (PPP) ab Herbst 2006 mit dem Bau eines Protonentherapiezentrums beginnen. Im Jahre 2009 soll das Westdeutsche Protonentherapiezentrum Essen (WPE) fertiggestellt sein.
Quelle(n) und Weblink(s)
C. Graf Hoensbroech - "Protonentherapie für Krebspatienten" ([3])
Protonentherapie am Paul Scherrer Institut (PSI) ([4])
Particle Therapy Co-operative Group (PTCOG) ([5])
Protonentherapie an der Loma Linda Universität in Kalifornien im klinischen Routinebetrieb ([6])
Zentrum für Ionen-Strahl-Techniken am Hahn-Meitner-Institut Berlin ([7])