Genueser Kolonien
Die Bedeutung der oberitalienischen Kaufmannsrepubliken ergibt sich nicht nur aus der Teilnahme an den iberischen Überseeunternehmen, sondern hängt mit den bereits im Hochmittelalter einsetzenden eigenen Aktivitäten zusammen, die den Mittelmeerraum sowie die atlantischen Inseln vor der westafrikanischen Küste betrafen und zu Genueser Kolonien führten. Als Gegenleistung für ihre unentbehrlichen Flotten- und Militärdienste während der Kreuzzüge sichern sich auch Pisa und Venedig, neben Handelsprivilegien und nationalen Kaufleutequartieren in den größeren Hafenorten Palästinas, bisweilen auch einige Dörfer und kleine stadtnahe Territorien, die vorrangig den spezifischen wirtschaftlichen Zielen des italienischen Kaufmannskapitals dienten.
Sardinien
Gegen den gemeinsamen sarazenischen Feind im Vorfeld der eigenen Küste schloss sich Genua Anfang des 11. Jahrhunderts mit Pisa zusammen, um im Auftrag des Papstes 1016 n. Chr. die Moslems von der Insel Sardinien zu vertreiben. Das erworbene Gebiet wurde in der Mitte geteilt, lieferte bald aber Gelegenheit für Eifersüchteleien zwischen den Verbündeten. Die Pisaner waren zunächst etwas geschickter und kamen durch Heirat in den Besitz der Gallura. Genua besaß schließlich nur noch das Judikat Torres und einen Teil von Arborea, also den Nordwesten der Insel. Der Kampf zwischen den Adelsfamilien Genuas (Doria, Malaspina und Spinola) und Pisas (Visconti und Gherardesca) wurde in der Seeschlacht bei Meloria 1284 zu einem für Pisa verheerenden Abschluss gebracht. Aber Genua erfreute sich nur noch bis zum Jahre 1297 seines Erfolges, als der Papst dem König (Jakob II.) von Aragon die Herrschaft über Sardinien zuspricht. Erst 1353 wird das Gebiet um Alghero, das bis dahin eine Kolonie Genuas blieb, von Admiral Bernat de Cabrera erobert und (ab 1372) von Einwanderern aus Katalonien, den Balearen und dem Reich Valencia besiedelt.
Korsika
Näher zu Genua hin gelegen war Korsika, das seit dem Jahre 1077 pisanische Kolonie war, aber von Papst Innozenz III. nach der Seeschlacht von 1284 n. Chr. zunächst zur Hälfte an Genua übertragen wurde. Wenig später wird es allerdings Aragon zugesprochen. Die Genueser widersetzen sich und können 1347 endgültig obsiegen, so dass die Insel bis 1768 bei Genua bleibt.
Zypern
Die Flottenexpedition einer privaten Kompanie genuesischer Kaufleute und Patrizier die seit der Thronbesteigung von Henri I. im Jahre 1232 Handelsprivilegien besaßen, verdrängte im Jahre 1373 die venezianischen Konkurrenten zwar aus einigen, keineswegs aus allen Positionen machte aber den Osten von Zypern zum genuesischen Protektorat. Mehrere Versuche des zypriotischen Königshauses, im Zusammenspiel mit Venedig und den Visconti die genuesische Herrschaft abzuschütteln, misslangen. In der Hafenstadt Famagusta auf Zypern (Famagusta, heute türk. Gazimağusa), setzten sie sich für 90 Jahre (1374–1464) fest und erhoben Tribut. Gleichzeitig war ein anderer Teil der Insel den ägyptischen Mamelucken tributpflichtig. Anders als die Venezianer verfügen die Genueser aber nicht über eine große Kriegsmarine und können den Besitz Zyperns nicht dauerhaft absichern. So übertragen sie die Verwaltung der Banco di San Giorgio.
Ägäis
Die den Sarazenen in der Periode der Kreuzzüge entrissenen ägäischen Inseln Chios (1304–29, und 1346-1566), Samos (1304-29, und 1346–1475) und Lesbos (1333-36 und 1355-1462) wurden Genueser Kolonien. Wegen des Sieges der Türken über Byzanz werden aber dann aber bis 1475 sämtliche genuesische Kolonien und Niederlassungen in der Ägäis und im Schwarzen Meer aufgegeben (mit Ausnahme von Chios, das erst 1566 von den Osmanen erobert wurde).
Stützpunkte
1162 errichten Genueser in Salé, südwestlich von Ceuta einen Stützpunkt an der afrikanischen Küste, zu dem 1253 das ebenfalls westlich der Meerenge von Gibraltar gelegene Safi kommt. 1277 eröffnen sie die ersten Seeverbindungen von Spanien mit Flandern und England. Ab 1251 genießen sie in Sevilla steuerliche Privilegien. Genueser Kaufleute haben schon vor dem Ende der Reconquista in Spanien den Handel mit Olivenöl, Wein, Thunfisch, Leder, Seife und Quecksilber in Cádiz, Granada, Lissabon, Málaga und Sanlucar zu ihrer Domäne gemacht. Die Eroberungen Gran Canarias, Las Palmas und Teneriffas werden finanziert durch genuesisches Handels- und Kreditkapital unter aktiver Teilnahme spanischer und portugiesischer Unternehmer, wie z.B. der Tuchfabrikanten. Auch in Valencia, Toledo und Cuenca hatten Genueser großen Anteil am kastilischen Handel. Zu den "alberghi ligures", den Genueser Familien, die in Andalusien dauerhaft ansässig wurden, zählen die Boccanegra, Cataño, Centurión, Espinola, Grimaldo, Pinelo, Rey, Riberol, Sopranis, Zaccaría u.a. Genuesisch-pisanischer Technologietransfer verhilft allmählich den iberischen Monarchien Portugal, Kastilien-León und Aragón-Katalonien nach und nach zu eigenen, leistungsfähigen Flotten, die von den eroberten Häfen entlang der Straße von Gibraltar die maurische Seesperre durchbrechen.
Der Banco di San Giorgio mit seinen großen Besitzungen hauptsächlich auf Korsika bildete während dieser Phase das stabilste Element im Staat, bis 1528 der Nationalgeist seine Kraft wiedergewann, als Andrea Doria die französische Vorherrschaft abschütteln und die alte Form der Regierung wieder herstellen konnte, die mittelalterliche Kolonialzeit war jetzt aber beendet.