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Nino Paula Bulling

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Nino Paula Bulling (*1986 in Berlin) ist eine nichtbinäre Person, die durch Comic-Veröffentlichungen bekannt wurde.

Leben und Werk

Bulling wurde 1986 in Berlin geboren und studierte Illustration an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle.[1][2] Zunächst galt Bullings Interesse der Keramik und kam erst während des Studiums zu Comics, nachdem der Comic-Künstler ATAK die Professur für Illustration übernommen hatte.[2]

Kürzere Comics und Illustrationen von Bulling erschienen in unterschiedlichen Anthologien und Zeitschriften.[1]

Die Bilder zu dem Dossier Sinti und Roma in Europa der Bundeszentrale für politische Bildung, das aus mehreren frei zugänglichen Beiträgen besteht und im Februar 2014 herauskam, stammen von Bulling.

In der Reihe mini kuš der lettischen Comic-Anthologie kuš erschien im Oktober 2017 der Kurzcomic Share The Love, der zusammen mit Nina Hoffmann in englischer Sprache entstand.[3]

Für die achtteilige Artikelserie Es ist Liebe, nur anders, die von März bis April 2018 im Süddeutsche Zeitung Magazin publiziert wurde, steuerte Bulling die ergänzenden Zeichungen bei.[4]

Mit Im Land der Frühaufsteher erschien Bullings erster langer Comic 2012 beim avant-verlag; als Titel dient ein gleichnamiger Werbespruch des Bundeslands Sachsen-Anhalt. Die Comic-Reportage widmet sich der Situation und dem Alltag von Asylbewerbern, die in in Halle und Umgebung in Flüchtlingsunterkünften untergebracht waren. Ausgangspunkt der gut sechsmonatigen Recherche vor Ort war eine Veranstaltung syrischer Menschenrechtsaktivisten, die Bulling im Sommer 2008 besuchte. Bulling betont, dass die dargestellten Szenen sich so ereignet hätten, wie im Comic dargestellt, für die gewählte Reihenfolge spielten aber auch dramaturgische Aspekte eine Rolle. Zu den behandelten Themen gehören unter anderem der schlechte Zustand von Unterkünften, Residenzpflicht (wodurch die Bewegungsfreiheit selbst für einfachste Erledigungen maßgeblich eingeschränkt wird), Isolation, mangelhafte Integrationsmaßnahmen, latenter Alltagsrassismus, eine drohende Abschiebung oder bürokratische Hindernisse und Vorbehalte. Bulling problematisiert ebenfalls die eigene „weiße“ Perspektive und den Umstand, nach den Gesprächen mit geflüchteten Menschen in ein privilegiertes Leben zurückkehren zu können. Das Alter Ego „Paula“ sollte im Comic auch keine rein deskriptive Position einnehmen. Für die Zeichnungen verwendete Bulling Bleistift, Filzstift, Ölkreide und Tusche. Bezüglich des Mediums Comic reizte Bulling der „Kontrast zwischen dem ernsten Thema und der scheinbar leichten Form“.[2][5][6][7]

Im Jahr 2017 folgte Bullings zweites Werk Lichtpause bei Rotopol. Der Kurzcomic schildert vom frühen Morgen bis in die späte Nacht einen Tag in Algier. In dem Reisebericht geht es beispielsweise um den Verkehr, das Meer, alltägliche Gewalt oder Architektur. Bulling arbeitete an Lichtpause während zweier Aufenhalte in der Hauptstadt von Algerien, die zwischen September 2016 und April 2017 stattfanden.[8] Der Comic setzt sich aus 38 Illustrationen im Kleinformat zusammen, die mit Buntstift gezeichnet und in Blau-, Gelb-, Orange- und Rottönen gehalten sind. Der Text, der einen Spaziergang durch Algier schildert, ist wie ein Brief an einen Freund als „grafisches Gedicht“ gestaltet. Ursprünglich sollten die Originalzeichnungen 2021 im Dieselkraftwerk Cottbus gezeigt werden, was aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht möglich war. Stattdessen wählte das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst 13 Motive aus, um sie als großformatige Unikatsplakate zu reproduzieren. Diese wurden vom 5. bis zum 30. März 2021 in der Altstadt von Cottbus präsentiert. Die Bilder waren in Schaufenstern von Gastronomien, die wegen der Pandemie geschlossen waren, sowie dem Rathaus zu sehen.[9][10]

Für Bruchlinien: Drei Episoden zum NSU arbeitete Bulling mit Anne König zusammen. Gemeinsam verfassten sie das Skript, Bulling verantwortete die Illustrationen. Der Comic wurde 2019 von Spector Books veröffentlicht und beschäftigt sich mit den Morden des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Im Mittelpunkt stehen drei Frauen, die in der Aufarbeitung rund um den NSU eher wenig beachtet wurden. Susann Eminger lieh Beate Zschäpe mehrfach ihre Krankenkassenkarte, als diese untergetaucht war. Eine Mitarbeiterin des Verfassungsschutzes, ihr Deckname lautet Sibylle, versuchte erfolglos zu verhindern, dass Akten über V-Männer vernichtet werden, nachdem der NSU aufgeflogen war. Als drittes stellt der Comic Gamze Kubaşık vor, die als Tochter eines der Mordopfer vor Gericht aussagte. Den Figuren, die mit einer feinen Linienführung in schwarz-weiß gezeichnet sind, stellt Bulling Farbflächen in klaren Blau-, Ocker- und Rottönen gegenüber. Die Flächen grenzt Bulling nicht durch Linien ab, sondern lässt diese offen. Für ihre Recherche führten Bulling und König 2018 und 2019 Interviews mit Beiteiligten und Beobachtern des NSU-Prozesses, die im zweiten Teil des Comics abgedruckt wurden. Für diese Hälfte wird ein etwas dunklereres Papier verwendet, das die beiden Teile auch optisch voneinander abhebt.[11][12][13]


Verschiedenes

Veröffentlichungen (Auswahl)

Kritiken

Am Ende von Bullings erstem Comic Im Land der Frühaufsteher bleibe „ein gutes Stück Desillusion“, schreibt Isabelle Daniel für n-tv, womit Leser und Bulling etwas gemeinsam hätten. Das Werk zeige „jede Menge Hoffnungslosigkeit […], aber auch den Kampf vieler Asylbewerber um die Bewahrung der eigenen Würde“.[6]

Für Laura Wösch bei AvivA zeichnet Im Land der Frühaufsteher „ein popkulturelles Bild unerträglicher Lebensumstände“. Der Werbeslogan von Sachsen-Anhalt wirke als Titel „über das Alltagsleben von AsylwerberInnen fast schon zynisch“. Das Leben in einer Asylunterkunft gleiche, wegen „dessen Abgeschiedenheit und der räumlichen Einschränkung, eher einem Gefängnisalltag“. Bulling stelle eindrucksvoll in Bildern „eben dieses Dilemma der Alltäglichkeit, das Leben in einer gesellschaftlichen Grauzone“ dar.[7]

Bruchlinien: Drei Episoden zum NSU von Bulling und König zeige, „wo die Bruchlinien der deutschen Demokratie und der damit verbundenen Rechtssicherheit liegen“: Ermittlungen und Aufarbeitung funktionierten so schlecht, „weil rechter Terror nicht für möglich gehalten wurde“. Weiterhin hält Andrea Heinze beim Rundfunk Berlin-Brandenburg fest, die Details des Comics seien gut recherchiert. Comic und Interviews könnten beide für sich alleine stehen, zusammen „entwickeln sie eine besondere Wucht“. Damit sei der Comic wie „ein emotionaler Schlüssel, der die Informationen des zweiten Teils noch interessanter werden lässt“.[11]

In ihrer Rezension auf kritisch-lesen.de schließt sich Rebkah Manlove der Einschätzung an, dass sich Comic und Interview gut ergänzten, „denn im einen wird die Empathielosigkeit des Richters bei der Verhandlung gezeigt, im anderen weiter ausgeführt“. Dabei unterliege der NSU-Prozess in allen drei Beiträgen Kritik, zum Beispiel durch die Einschätzung, dass sich der Richter „gegenüber der Situation der Neonazis empathischer zeigte als gegenüber den Angehörigen ihrer Opfer“ oder das häufig als gering wahrgenommene Strafmaß der Verurteilten. Auch wenn der Comic optisch ansprechend gestaltet sei, könne dieser ohne Vorwissen möglicherweise schwierig zu verstehen sein. Trotzdem gelinge es den Machern, „in den einzelnen Episoden jeweils eine eigene Atmosphäre zu kreieren“. Eine besondere Stärke sei die „Vielfalt der darin versammelten Perspektiven“.[13]

Antje Weber beschreibt Bruchlinien: Drei Episoden zum NSU in der Süddeutschen Zeitung als „hochpolitischen und hochinteressanten, auf den ersten Blick aber auch ein bisschen sperrig wirkenden Band“. Insbesondere die dritte Episode, die sich Gamze Kubaşık widmet, sei „besonders erschütternd zu lesen“. Angehörige der Mordopfer seien wegen ihres Migrationshintergrunds von der Polizei verunglimpft und tendenziös befragt worden, selbst vor Gericht mussten sie sich „offensichtliche Bemerkungen anhören, die sich nicht nur als herablassend, sondern als rassistisch einordnen lassen“.[12]

Auszeichnungen

2018 erhielt Lichtpause eine ICOM Independent Comic Preis in der Kategorie „Herausragendes Artwork“.

Bruchlinien: Drei Episoden zum NSU wurde im Januar 2020 bei rbbKultur im Themenbereich Literatur als „Comic des Monats“ prämiert.[11]

Einzelnachweise

  1. a b Nino Bulling. In: rotopolpress.de. Abgerufen am 24. April 2023.
  2. a b c Anette Selg: Paula Bulling: „Und dann war ich entflammt“. In: missy-magazine.de. 10. Oktober 2012, abgerufen am 29. April 2023.
  3. mini kuš. In: komikss.lv. Abgerufen am 30. April 2023 (englisch).
  4. Ines Schipperges: Es ist Liebe, nur anders. In: sz-magazin.sueddeutsche.de. Abgerufen am 30. April 2023.
  5. Jonas Engelmann: Interview „Die Isolation ist das Schlimmste“. In: tagesspiegel.de. 13. Juli 2012, abgerufen am 29. April 2023.
  6. a b Isabelle Daniel: Asylbewerberheime in Sachsen-Anhalt: Rassismus ist ständiger Begleiter. In: n-tv.de. 24. Juli 2012, abgerufen am 29. April 2023.
  7. a b Laura Wösch: Paula Bulling – Im Land der Frühaufsteher. In: aviva-berlin.de. 17. August 2012, abgerufen am 29. April 2023.
  8. Lichtpause. In: rotopolpress.de. Abgerufen am 29. April 2023.
  9. „Lichtpause“ in Cottbus. In: kunstforum.de. 5. März 2021, abgerufen am 29. April 2023.
  10. Nino Paula Bulling. Lichtpause. In: blmk.de. 2021, abgerufen am 29. April 2023.
  11. a b c Andrea Heinze: Comic des Monats Anne König. In: rbb-online.de. 7. Januar 2020, abgerufen am 29. April 2023.
  12. a b Antje Weber: Comic und Zeitgeschehen: Die Wahrheit übers Wegschauen. In: sueddeutsche.de. 10. Juli 2020, abgerufen am 30. April 2023.
  13. a b Rebekah Manlove: Opfer und Täterinnen. In: kritisch-lesen.de. 12. Oktober 2021, abgerufen am 30. April 2023.