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Kirchenglocke

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Datei:GlockeSchema.png
Glockenform schematisch.
Glocke von 1694.
Datei:Glocke von 2005.jpg
Glocke von 2005.
Glockengießer, Darstellung von 1568.
Fertige Glockenform vor dem Eingraben.
Gußstahlglocke vor dem Bochumer Rathaus.

Mit Glocke bezeichnet man meist ein selbsttönendes Musikinstrument (genauer Aufschlagidiophon) mit charakteristischer Haubenform (nach unten offene Halbkugel, die zunächst konkav und dann konvex gewölbt nach unten erweitert ist). Eine Glocke ist meist ein Rotationskörper, das heißt, sie besitzt Rotationssymmetrie um ihre Mittelachse.

Vorkommen

Unter anderem ist sie in Form von Kirchenglocken weit verbreitet.

Sind mehrere Glocken zu einem Instrument verbunden, so spricht man von einem Glockenspiel.

Geschichte

Der Begriff wurde dem Altirischen entlehnt:clocc, soviel wie „Schelle“, „Glocke“, da irische Mönche im 5. und 6. Jahrhundert n. Chr. die Glocken, zunächst eher Handschellen, in Europa verbreiteten.

Herstellung von Glocken

Glocken werden meist durch Gießen in eine Form hergestellt. Man unterscheidet das Lehmform-, Sandform- und Zementformverfahren. Das verwendete Gussmaterial heißt Glockenspeise und ist meist eine Zinnbronze aus 76-80% Kupfer und 20-24% Zinn. Dabei wird zuerst ein Glockenstumpf gemauert, der mit Lehm bestrichen wird. Die Lehmschicht wird mit einem rotierenden Schaber abgezogen. Auf die Lehmschicht wird eine Wachsschicht aufgebracht, welche die Form der Glocke darstellt. Alle Verzierungen und Schriften werden aus Wachs aufgebracht. Auf die Wachsschicht kommen mehrere Schichten Lehm in unterschiedlicher Feinheit. Das Wachs wird ausgeschmolzen und die Form getrocknet. Nach dem Eingraben kann der Guss ausgeführt werden. Als Termin hierfür wird traditionell der symbolträchtige Freitagnachmittag – die Sterbestunde Christi – gewählt.

Von 1851 bis 1970 wurden in Bochum vom Bochumer Verein im industriellen Rahmen Glocken aus Gussstahl gegossen. Bis Mitte der fünfziger Jahre wurden über 20.000 Glocken hergestellt und in alle Welt exportiert, darunter so exponierte Exemplare wie die Friedensglocken von Hiroshima. Diese Zahl sank bis Ende der sechziger Jahre so weit ab, dass der damalige Eigentümer Krupp die Produktion einstellen ließ. Vor dem Bochumer Rathaus erinnert noch eine 15.000kg schwere Gussstahlglocke mit einem Ringdurchmesser von 3,13m an diese Zeit. Sie wurde bereits 1867 für die Pariser Weltausstellung gegossen.

Stahlglocken wurden zumeist als Ersatz für in den Weltkriegen zu Kriegszwecken beschlagnahmte Bronzeglocken erworben. Bedingt durch ihre kürzere Lebensdauer (Korrosion) und das erheblich höhere Gewicht, das Glockenstuhl und Turm stark belastet, sind viele dieser Stahlglocken in den vergangenen Jahren wieder durch Bronzeglocken ersetzt worden.

Klangverhalten

Das Klangverhalten von Glocken weist einige Besonderheiten auf.

Ein Kunstmerkmal des Glockengießens besteht darin, die Tonhöhe vor dem Guss durch die Formgebung und die Legierung so festzulegen, dass ein Nachstimmen durch nachträgliches Schleifen nicht nötig ist.

Die charakteristische lebendige Geläutwirkung entsteht durch den akustischen Dopplereffekt, da durch das Schwingen der Glocke eine Relativbewegung zwischen Schallquelle und Ohr besteht. Das Anschlagen der Glocke erfolgt durch den an einem Leder frei schwingenden, am Glockenhelm angebrachten Klöppel.

Die Glocke hängt traditionell in einem Glockenstuhl aus Eichenholz, der üblicherweise in einem Turm untergebracht bzw. an einer erhöhten Stelle aufgestellt ist. Die beim Schwingen auftretenden Kräfte werden von ihm aufgenommen und an das umgebende Gebäude weitergegeben. Die Glocke ist an ihrer Krone mit Eisenbändern am so genannten Joch (Hölzerne Tragachse) befestigt. Abweichend von dieser traditionellen Form der Aufhängung haben sich in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts vielerorts Stahlglockenstühle und Stahljoche durchgesetzt. Zwischenzeitlich wird jedoch wieder meistens die traditionelle Form angewandt. Viele Stahlglockenstühle bzw. -joche werden wieder durch hölzerne ersetzt, da sich die moderne Form als nachteilig für das Gebäude erwiesen hat. Die Belastung des Glockenstuhls lässt sich durch das sog. Kröpfen verringern. Hierbei schwingt die Glocke nicht um ihre Krone, sondern um eine tiefergelegene Achse näher an ihrem Schwerpunkt. Dadurch wird jedoch der Dopplereffekt stark verringert und das Läuten wirkt weniger lebendig.

Feststehende Glocken, die durch eine Art Hammerschlag zum Klingen gebracht werden, heißen Schlagglocken und besitzen einen sterileren Klang.

Charakteristisch für das Klangverhalten von Glocken, Röhren, Gongs, etc. ist, dass neben den harmonischen Obertönen auch weitere oberton-fremde Frequenzen auftreten. Dies rührt daher, dass im Unterschied zu einer (eindimensionalen) Saite oder Orgelpfeife sich stehende Wellen auf der zweidimensionalen Oberfläche bilden, die sich gegenseitig frequenzmodulieren.

Die Tonhöhe einer Kirchenglocke wird durch den Schlagton (Nominal) charakterisiert, z.B. c' + 7 . Die ergänzende Zahlenangabe bezieht sich auf sechzehntel Halbtonschritte (also je 6,25 Cent) über oder unter dem Nominalton, der seinerseits auf ein Stimm-"a" bei 435 Hz bezogen wird. Die Tonhöhe ist also bei e + 8 dieselbe wie bei f - 8. Der Schlagton ist oft im Frequenzspektrum der Glocke nicht vorhanden. Er ergibt sich durch die akustischen Wahrnehmung beim Anschlagen der Glocke über das Residuumhören, indem aus den Obertönen der zugehörige Grundton abgeleitet wird.

Die von der Glocke ausgehenden Frequenzen werden in drei Gruppen unterteilt: Untertöne unterhalb des Schlagtons, bei einer Moll-Oktav-Rippe genau eine Oktave tiefer, in der ersten Oktave oberhalb des Schlagtons Prime, Mollterz, Quinte und Mixturtöne Oktave, Dezime, Undezime, Duodezime usw. für noch höhere Frequenzen.

Das Frequenzspektrum der Glocke wird durch die Glockenrippe - die Form, und die Dicke der Glocke - bestimmt. Hierbei ist die so genannte gotische Dreiklangrippe bis heute unübertroffen. Frühere Rippenprofile waren der Bienenkorb und der Zuckerhut. Neben der gotischen Dreiklangrippe fand auch die spätere französische Rippe eine große Verbreitung.

Das Erklingen der Glocke durch schnell aufeinanderfolgende Hammerschläge wird Beiern genannt.

Wichtig ist auch die Nachhallzeit einer Glocke. Bei der im Erfurter Dom installierten Gloriosa beträgt diese seit der letzten Reparatur im Jahre 2004 über sechs Minuten.

Berühmte Glocken

Glocken in Mythologie und Brauchtum

Mythologisch stehen Glocken für die Kommunikation mit übersinnlichen Wesen (Gottheiten oder Geister).

Aus vorchristlicher bzw. vorislamischer Zeit sind Skulpturen von Göttinnen in Glockenform erhalten.

Im 2. Buch Moses wird den Priestern des Jahwe geboten, sich mit Glocken zu schmücken. Im Buch Jesaja wird den Frauen dasselbe verboten.

Glocke im Myoshin-ji

Im tibetischen Buddhismus werden zur Symbolisierung des Übergangs zwischen den Welten, aber auch ganz weltlich zum Anzeigen der Gebetszeiten, heilige Glocken (ghanta) geläutet. Japanische Tempelglocken hängen häufig in eigenen Behausungen und werden von einem entsprechend großen Stück Holz (Baumstamm) von außen angeschlagen.

Auch im Christentum zeigt das Glockengeläut die Zeit zum Gebet an. Des Weiteren sollen sie die Ankunft des heiligen Geistes verkünden. Das Geläut von Kirchenglocken soll zudem Dämonen erschrecken und zum Flüchten bringen, wie Durandus im 14. Jahrhundert schrieb. Aus diesem Grund schmückten sich auch die Menschen in Europa - insbesondere die Kinder - mit Glöckchen: um böse Geister und den bösen Blick abzuwehren.

Auf dieselben Ursprünge gehen viele Bräuche im Alpenraum zurück, wie beispielsweise das Ausläuten des alten und Einläuten des neuen Jahres.

Europäisches Brauchtum, bei dem Glocken eine wichtige Rolle spielen:

Siehe auch

Commons: Glocken – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Glocke – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

  • Glocken. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 7, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 437.
  • Ellerhorst, Ellerhorst: Handbuch der Glockenkunde (Liste berühmter Glocken)
  • Lehr, André: Beiaardkunst in de Lage Landen (engl. Ausgabe: The Art Of The Carillon In The Low Countries). Tielt 1991
  • Lübke, Anton: Uhren, Glocken, Glockenspiele. Villingen Müllerverlag 1980, 286 S. ISBN 3920662032
  • Schilling, Margarete: Glocken. Gestalt, Klang und Zier. Dresden, Verlag der Kunst 1988, 369 S.
  • Schilling, Margarete: Glocken und Glockenspiele. Rudolstadt Greifenverlag 1982, 175 S.
  • Friedrich Schiller: Das Lied von der Glocke