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Der zerbrochne Krug

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Der zerbrochne Krug ist ein Lustspiel aus dem Jahre 1806 von Heinrich von Kleist. Die Uraufführung 1808 in Weimar durch Goethe war nicht von Erfolg gekrönt.

Handlung

Das Stück behandelt eine Gerichtsverhandlung in dem fiktiven niederländischen Dorf Huisum. Der Richter Adam muss die Beschädigung eines wertvollen Kruges aus dem Besitz der Marthe Rull aufklären. Sie hat am Vorabend den Bauernsohn Ruprecht Tümpel im Zimmer ihrer Tochter Eve ertappt. Vor Eves Fenster lagen die Scherben des Kruges. Ruprecht wiederum hat einen Fremden beobachtet, wie er Eves Zimmer durch das Fenster verließ und dabei den Krug vom Fensterbrett warf. Weder Marthe noch Ruprecht ahnen, dass es sich bei diesem Fremden um Adam selbst handelte.

Im Verlauf des Stückes versucht Adam, die Aufklärung des Falles möglichst unauffällig zu verhindern, zumal an diesem Tag der Gerichtsrat Walter aus Utrecht anwesend ist. Am Ende jedoch ist Adam gezwungen, die Zeugin Brigitte vorladen zu lassen, die schildert, wie sie eine Spur von Marthes Haus bis zur Hintertür des Gerichtshauses verfolgt hat. Angesichts dieser eindeutigen Indizien bleibt Adam nur noch die Flucht. Eve, die als einzige Anwesende neben Adam die Wahrheit kannte, erklärt zum Abschluss ihr Verhalten: Adam wollte, dass Eve ihm gefügig sei, und dafür Ruprechts angeblich drohenden Militäreinsatz in der Kolonie Niederländisch-Indien verhindern.

In der Literaturwissenschaft stellt sich das Problem der Gattungsfrage, da Der zerbrochne Krug eigentlich wenig Kennzeichen eines Lustspiels aufweist. Kleist bezeichnet es jedoch wörtlich so, verschiedene theoretische Ansätze haben dieses Problem zu lösen versucht. Vergleiche dazu Thomas Bernhards Roman Alte Meister, in dem es als „Komödie“ bezeichnet wird.

Konflikte

Allgemein: Diverse zwischenmenschlichen Konflikte und Beziehungskrisen sind vorhanden. Für sich alleine wirken die Konflikte nicht erheiternd, eine ständige Nähe zur Tragik ist spürbar. Als einzige der maßgeblichen Figuren steht Walter mit keinem in unmittelbaren Schwierigkeiten.

Konflikt Eve – Ruprecht: Die beiden sind verlobt. Sie scheren sich nicht allzusehr um den Krug, für sie geht es in diesem Prozess stattdessen um ihr Verlöbnis und die geplante Eheschließung (z.440ff). Ruprecht verhält sich ziemlich undiplomatisch und engstirnig, kennzeichnend für sein einfaches Gemüt. Er, wie auch Marthe Rull, repräsentieren die strengen Sittlichkeitsvorstellungen des Dorfes (z.1289ff). Die Tatsache, dass Eve einen fremden Mann in ihr Schlafzimmer gelassen hat (was damals wohl noch andere Bedeutung hatte) legt den Verdacht der vorehelichen Sexualität nahe, was für Ruprecht (für Marthe auch) eine untragbare Vorstellung ist. Dass Eve ihn nun noch vor allen Leuten anklagt, den Krug zerschlagen zu haben, ist zu viel für ihn. Auffallend ist, wie wenig Ruprecht Eve vertraut. In seinem einfachen Denken ist Eve bereits abgestempelt als Hure, ihrer Tugend und Keuschheit verlustig geworden. Er verweigert ein (klärendes) Gespräch mit Eve und stürzt die Beziehung so in eine schwere Krise. Ebenfalls auffallend ist seine begrenzte Vorstellung von Ehe. Der Entschluss, Eve heiraten zu wollen, fiel aufgrund ihrer offensichtlichen Tüchtigkeit (z.875ff). Ruprecht hat Eve mit einem fremden Mann in ihrem Zimmer gesehen und dies genügt ihm als Beweis für ihren Treuebruch. Er kann nur glauben, was er gesehen hat, und weigert sich, weiter zu denken. Eve hat eine völlig andere Auffassung von Beziehung. Für sie ist Beziehung Opferbereitschaft: sie geht das Risiko ein, ihren guten Ruf zu verlieren (ein ziemliches Risiko), um damit Ruprecht vor dem Armeedienst, der angeblich im Ausland stattfindet, zu retten. Dass sie das Spiel von Adam mitspielt, zeugt jedoch auch von einiger Naivität.

Konflikt Marthe – Eve: Auch Marthe verweigert Eve ein klärendes Gespräch, stattdessen zerrt sie den Fall in ziemlich riskanter Weise an die Öffentlichkeit. Dies zeugt von einer starken Bevormundung und der Zubilligung eines ziemlich bescheidenen Selbstbestimmungsrechts. In dieser hierarchischen Situation untersteht Eve auch den strengen Moral- und Sittenvorstellungen der Mutter, welche Eve eher vor die Türe stellen würde, als ihr einen Fehltritt zu verzeihen. Außerdem scheinen beide – Ruprecht und Marthe – eine Art Besitzanspruch an Eve geltend zu machen.

Konflikt Veit – Ruprecht: Auch hier liegt – wie bei Marthe-Eve – ein gestörtes Vertrauensverhältnis zwischen Vater und Sohn vor. Zwar scheint sich Veit anfänglich voll und ganz hinter Ruprecht zu stellen, doch als Marthe den Verdacht äußert, Eve und Ruprecht hätten gemeinsame Sache gemacht um dem Armeedienst zu entkommen (z.1360ff), belastet ausgerechnet er seinen Sohn mit schwerem Misstrauen. Das Vertrauen ist nur Fassade. In Wirklichkeit ist auch er dazu bereit, seinem Sohn schon im Verdachtsfall das Vertrauen zu entziehen.

Konflikt Adam – Eve: Hier besteht zwar keine Beziehungskrise im eigentlichen Sinn, da Adam und Eve lediglich eine oberflächliche Bekanntschaft pflegten, bis zur vorhergehenden Nacht. Dadurch jedoch, dass Eve Adam von ihren Heiratsplänen erzählt und ihn – wenn auch mit harmloser Absicht – in ihr Zimmer lässt (was bisher sogar Ruprecht vorenthalten blieb), eröffnet sie ihm zweimal einen Einblick in ihre Intimsphäre. Adam wiederum hat Eve sexuell genötigt (z.1938ff) und unter Druck gesetzt. Verheerend für Eve ist an der Sache vor allem der Standesunterschied, welcher sie Adam gegenüber praktisch wehrlos macht.

Konflikt Adam – Licht: Neben den familiären und partnerschaftlichen Krisen ist dies die dritte Form, nämlich die berufliche. Die Basis ist allerdings dieselbe wie bei den meisten anderen: ein Mangel an Vertrauen und Aufrichtigkeit. Trotz wiederholtem Beteuern sind sich Adam und Licht alles andere als kollegial gesinnt. Licht würde gerne endlich zum Richter befördert werden, was nach seinem langjährigen Dienst überfällig scheint. Er durchschaut wohl auch ziemlich bald mal das falsche Spiel von Adam, kann jedoch nicht offen gegen ihn auftreten, da er sich seinerseits ebenfalls vergangen hat durch illegales Abzweigen von Geldern zu seinen Gunsten. Adam besitzt darüber Informationen, deren Offenlegung er Licht androht, sollte dieser ihm in den Rücken fallen. So tritt Licht erst dann ganz offensichtlich gegen Adam auf, als mit dem Auftauchen seiner Perücke die Beweislast gegen Adam erdrückend wird (z.1859ff). Aufgrund seiner Hinterhältigkeit und Falschheit kann Licht jedoch nicht als positive Gegenfigur zu Adam gesehen werden, und so gehört es auch zum versöhnlichen Schluss, dass Licht nicht definitiv sein Ziel erreicht, sondern nur bis auf weiteres (z.1963) als Richter in Huisum walten darf.

Literatur

  • Erstdruck: Der zerbrochene Krug, ein Lustspiel, von Heinrich von Kleist. Berlin: Realschulbuchhandlung 1811, 174 S.

Aufbereitungen

Verfilmungen

  • Der zerbrochene Krug, 1937, Regie: Gustav Ucicky
  • Jungfer, Sie gefällt mir, 1969, Regie: Günter Reisch - frei bearbeitet von Jurek Becker
  • Der zerbrochne Krug, 2003 (in bairische Sprache gesetzt), Regie: Hans Klaus Petsch, Inszenierung Michael Lerchenberg

Oper

  • Der zerbrochne Krug, Komische Oper in sieben Szenen, 1968/69, Komponist: Fritz Geißler
Wikisource: Der zerbrochene Krug – Quellen und Volltexte