Zipser Sachsen


Die Zipser Sachsen[1], Zipser Deutschen oder kurz Zipser sind eine deutschsprachige Minderheit und eine Untergruppe der Karpatendeutschen in der Slowakei.[2] Sie gelangten im Rahmen der hochmittelalterlichen Ostsiedlung in die Zips und sprachen verschiedene deutsche Mundarten, die man unter Zipserdeutsch oder Zipserisch zusammenfasst.
Die Zipser Sachsen waren neben den Sudetendeutschen eine der beiden wichtigsten deutschen Gruppen in der ehemaligen Tschechoslowakei. Zusammen mit den Siebenbürger Sachsen im heute rumänischen Siebenbürgen bildeten sie eine der ältesten deutschen Siedlergruppen in Ostmitteleuropa.
Der größte Teil der Zipser Sachsen wurde zwischen 1944 und 1946 nach Deutschland und Österreich evakuiert und vertrieben; eine nennenswerte deutschsprechende Bevölkerung hat sich lediglich in den Orten Chmeľnica (Hopgarten) und Medzev (Metzenseifen) erhalten.
Geschichte
Herkunft und Ansiedlung

Die meisten Zipser Städte haben ihren Ursprung in deutschen Siedlungen, in der Unterzips vor allem Bergbausiedlungen. Die ursprünglich hauptsächlich slawisch-altslowakische Bevölkerung in diesem Gebiet war beim Mongoleneinfall 1241/42 deutlich dezimiert oder vertrieben worden. In der folgenden zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, zu geringem Anteil in der Unterzips schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, siedelten die ungarischen Könige deutschsprachige Siedler an. Die letzte Siedlerwelle folgte im 14. Jahrhundert.
Die Siedler waren zumeist Bauern und Bergleute, vorwiegend aus dem westmitteldeutschen (Rheinland) und ostmitteldeutschen Dialektbereich (Schlesien, Thüringen und der Markgrafschaft Meißen, die erst seit dem 14. Jahrhundert Sachsen genannt wurde); eine kleinere Ansiedlergruppe stammte aus dem bairischen Dialektgebiet.[3][4][5] Diese sogenannten Zipser Sachsen („Sachsen“ bedeutet wie bei den Siebenbürger Sachsen eine im ungarischen Feudalsystem mit autonomer Selbstverwaltung privilegierte deutschsprachige Minderheit) bildeten bis ins 19. und teilweise noch 20. Jahrhundert das wirtschaftliche und kulturelle Rückgrat der Zips, allerdings nie die einzige Bevölkerung. Die Zips war seither immer vielsprachig und multiethnisch.
Im Unterschied zu den Siebenbürger Sachsen, bei denen sich an der Ansiedlung neben Bauern auch zahlreich Städtebürger, Kleriker, kleinadelige Ritter und sogar Hochadelige an der Ansiedlung beteiligten, gab es unter den Zipser Siedlern anfangs wenig Standesunterschiede, die in Quellen als „einfache Leute“ bezeichnet werden. Ebenfalls geringer war die Beteiligung von latini, französisch- und italienischsprachigen Siedlern, die in der ersten Siedlungsphase im 12. Jahrhundert noch zahlreich unter den Neusiedlern waren, nur der Name von Spišské Vlachy (deutsch: Wallendorf) erinnert an die Beteiligung von Wallonen.[6]
Privilegien






Zu den im königlichen Zipser Freibrief von 1271 gewährten autonomen Privilegien gehörten ähnlich dem Goldenen Freibrief/Privilegium Andreanum von 1224 für die Siebenbürger Sachsen neben dem unbegrenzten Siedlungsrecht im Komitat/der Gespanschaft Zips, die Befreiung von einigen Sondersteuern und Zöllen, die Befreiung von Abgaben, Frondiensten und Leibeigenschaft für den ungarischen Adel und das Privileg, interne politische und juristische Angelegenheiten nach eigenen Rechtstraditionen (der 1370 erstmals niedergeschriebenen Zipser Willkür, die auf Magdeburger Recht und den Regelungen des Sachsenspiegel fußte, aber ständig weiter entwickelt wurde) selbst zu regeln.
Nur eine gemeinschaftliche Abgabe an den ungarischen König, dasterragium, auch „Martinszins“ genannt, weil die ungarischen Könige nach fränkischem Vorbild St. Martin als Schutzheiligen sahen, musste entrichtet werden. Im Gegenzug hatten die Zipser Sachsen dem König 50 Lanzenreiter zu stellen (die Siebenbürger Sachsen 100, im Fall der Landesverteidigung 500, bei Feldzügen ohne den König auch 50) und die Grenzsicherung in der Zips zu übernehmen. Ganz ähnliche kollektive autonome Privilegien erhielten im 13. Jahrhundert in Siebenbürgen die ungarischen Grenzsiedler der Szekler und die Siebenbürger Sachsen und in Zentralungarn zum Schutz der Hauptstadt die Jassen und Kumanen. Die ungarischen Könige verbanden in diesem komplexen Privilegiensystem somit das Motiv der Anwerbung von Siedlern aus dem im Hochmittelalter überbevölkerten Westmittel- und Westeuropa, die weiter entwickelte Landwirtschaftstechniken (z. B. Dreifelderwirtschaft, Wendpflug, Fischteiche) und Bergbautechniken zum Landesausbau mitbrachten, das alle ostmitteleuropäischen Herrscher für die hochmittelalterliche Ostsiedlung hatten, mit den Motiven der Grenzsicherung, der militärischen Stärkung und der Festigung ungarischer Herrschaft im Grenzgebiet durch aufgrund der Königsprivilegien loyale Bevölkerungsgruppen.
Ungarische Autonomien waren nach Tradition des ungarischen Gewohnheitsrechtes, das seine Anfänge in der Zeit mobiler Verbände von Reiter-Nomaden hat, eher personal, als territorial verfasst. Das bedeutet, dass diese Privilegien allen Mitgliedern der Gemeinschaft durch Herkunft/Geburt zustanden, selbst wenn sie außerhalb der Zips (oder des jeweiligen Ansiedlungsgebietes, in Siebenbürgen der Königsboden bzw. das Szeklerland, in Zentralungarn Jászság („Jazygien“) bzw. Groß- und Klein-Kumanien) lebten. Diese privilegierten Herkunftsgemeinschaften werden deshalb auch als „privilegierte Stände“ bezeichnet, denn wie bei sonst üblichen Ständen (Adel, Städtebürgertum usw.) waren nur Heiratsbeziehungen innerhalb des Standes sozial anerkannt, weil Kindern gemischter Ehen diese Privilegien nicht mehr zustanden und zu viele äußere Eheschließungen zu einer Schwächung des Standes gegen Einschränkungsversuche der Privilegien geführt hätte. Eine andere in ungarischen Quellen häufige Bezeichnung ist universitas nationorum, was oft wörtlich, aber missverständlich als „Nationsuniversität“ übertragen wird, gemeint ist aber die „Gesamtheit (lat. universitas) nach [gleicher] Herkunft/Geburt (lat. natio)“.
Wächter der Königsprivilegien sollte der Gespan/Graf auf der Zipser Burg sein, auch für die anfangs zahlreichen Zipser Sachsen in den benachbarten Regionen Scharosch und Liptau und im Slowakischen, ehemals Ungarischen Erzgebirge südlich der Zips, wo sie noch im 20. Jahrhundert. Die bis heute zahlreicher in Metzenseifen/slowakisch Medzev außerhalb, südlich der Zips lebenden Deutschsprachigen sind historisch Zipser Sachsen. Spätestens mit der Erbgrafschaft Zips der Magnatengeschlechter Zápolya (1464–1528), Thurzo (1531–1636) und Csáky (1636–Anfang 18. Jahrhundert) entwickelten einige Zipser Grafen aber ein Interesse, eigene Abgaben zu erheben, die Privilegien also einzuschränken oder aufzuheben.
Die Bezeichnung Provicia saxonum de Scepus (sächsische Provinz der Zips) ist deshalb nicht so zu verstehen, das die Zips exklusiv nur den Zipser Sachsen zustand, es gab auch viele nicht privilegierte slowakische u. a. Bauern und Stadtbewohner, sondern dass der Zipser Gespan/Graf die Aufsicht über die personalen Privilegien der Zipser Sachsen mit der Territorialverwaltung der gesamten Zips verband. Die autonomen Selbstverwaltungsinstitutionen der Zipser Sachsen saßen dagegen in Leutschau, dass sich allmählich zur zweiten Hauptstadt entwickelte.[7]
Ortschaften in der Slowakei
- Sabinov (deutsch Zeben)
- Spišská Belá (deutsch Zipser Bela)
- Spišská Nová Ves (deutsch Zipser Neu(en)dorf)
- Spišské Podhradie (deutsch Kirchdrauf)
- Kežmarok (deutsch Käsmark )
- Levoča (deutsch Leutschau)
Siehe auch
Weblinks
- Friedrich Gottas: Sachsen (Zips). In: Enzyklopädie des europäischen Ostens. 26. März 2019 .
- Die Slowakei und „ihre“ Deutschen von Rudolf Grulich
- Haus der Bayerischen Geschichte: Karpatendeutsche (Slowakei, Oberungarn - Zipser Sachsen, Hauerländer, Pressburger).
- Stanislava Kolková: Zips. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, 2019. (Stand 1.9. 2020).
- István Mayer (Ungarndeutsches Kultur- und Informationszentrum zentrum.hu): Deutsche Ansiedlung in Oberungarn: die Zipser Sachsen. (17. Juli 2015).
- Reinhard Scholz: Geschichte der Zips und des Ortes Rissdorf. in: Karpatenblatt, 19. Februar 2021.
- Zipser-Deutsche in der heutigen Nord-Ost-Slowakei (Hohe Tatra) 1930er Jahre
Einzelnachweise
- ↑ Die Zips. In: Deutsches Kulturforum östliches Europa
- ↑ Ernst Hochberger: Einführung in die Geschichte der Karpatendeutschen in der Slowakei. In: Karpatendeutsche Landsmannschaft Slowakei, Sinn 2002.
- ↑ Ernst Schwarz: Die Herkunft der Siebenbürger und Zipser Sachsen. Siebenbürger und Zipser Sachsen, Ostmitteldeutsche, Rheinländer im Spiegel der Mundarten. Verlag des Südostdeutschen Kulturwerks, München 1957.
- ↑ Katalin Gönczi, Wieland Carls: Sächsisch-Magdeburgisches Recht in Ungarn und Rumänien. Autonomie- und Rechtstransfer im Donau- und Karpatenraum. Berlin, Boston 2013, S. 48, 55–57.
- ↑ Juraj Valiska: Nemecké nárečia horného Spiša [Die deutschen Mundarten der Oberzips]. Stará Lubovna 1982; Peter Wiesinger: Deutsche Dialektgebiete außerhalb des deutschen Sprachgebiets: Mittel-, Südost- und Osteuropa. In: Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft. Band 1.2). Hrsg. von Werner Besch, Ulrich Knoop, Wolfgang Putschke, Herbert Ernst Wiegand. 2. Halbband. Walter de Gruyter, Berlin / New York 1983, S. 900–929, zur Zips S. 909 f.
- ↑ Katalin Gönczi, Wieland Carls: Sächsisch-Magdeburgisches Recht in Ungarn und Rumänien. Autonomie- und Rechtstransfer im Donau- und Karpatenraum. Berlin, Boston 2013, S. 48, 55–57. Der im 13. Jahrhundert entstandene Name von Wallendorf hat noch nichts mit den auf Mittelhochdeutsch und Slowakisch namensgleichen „Walachen“ zu tun, die erst seit dem 15. Jahrhundert in der Zips angesiedelt wurden. Das zeigt auch der ungarische Name Szepesolaszi, denn ungarisch „olasz“ bezeichnete im Mittelalter Französisch- und Italienischsprecher, heute Italiener, während im Mittelalter „oláh“ (heute: „vlachok“) rumänischsprachige Walachen meint.
- ↑ Katalin Gönczi, Wieland Carls: Sächsisch-Magdeburgisches Recht in Ungarn und Rumänien. Autonomie- und Rechtstransfer im Donau- und Karpatenraum. Berlin, Boston 2013, S. 12–13, 46–49, 55–57.