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Allerseelenschlacht

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Vorlage:Schlacht Die Allerseelenschlacht bezeichnet die zweite, verlustreichste Schlacht in einer Reihe von drei Abwehrschlachten (bekannt als Schlacht im Hürtgenwald) zum Ende des Zweiten Weltkrieges.

Landschaft

Ort der Schlacht ist der Hürtgenwald, ein 140 km² großes Waldplateau nord-östlich der belgisch-deutschen Grenze, südlich von der Linie Aachen-Düren und westlich der Rur gelegen. Es besteht aus den Forsten Merode, Wenau, Hürtgen und Roetgen mit dichten Wäldern, unbewaldeten Hügeln, tiefen Taleinschnitten und dünner Besiedlung.

Vorgeschichte

Durch das unerwartet schnelle Vorrücken der alliierten Streitkräfte nach der Landung am sog. D-Day konnte deren Nachschub nicht mehr sichergestellt werden und der Vormarsch geriet im Raum Aachen ins Stocken. Ziel der deutschen Verteidigung war es, einen alliierten Durchbruch zum Rhein zu unterbinden, um dadurch den Aufmarschraum für die geplante Ardennenoffensive zu bewahren. Die Alliierten wollten zwischen Aachen und Monschau in einem Waldgebiet bei der Gemeinde Hürtgen (heute Kreis Düren) durchbrechen und den entlang der Rurfront stehenden deutschen Verbänden in die Flanken fallen. Umgekehrt fürchtete man, im Falle eines schnellen Stoßes zum Rhein im Flachland weiter nördlich Flankenangriffen aus der Eifel ausgesetzt zu werden. Die Deutschen waren an dem Gebiet aus mehreren Gründen interessiert: es bot eine ausgezeichnete Verteidigungsstellung, und die Rurtalsperren ermöglichten es, das Rurtal unter Wasser zu setzen und einen amerikanischen Durchbruch in der Jülicher Börde zu durchkreuzen. Zudem wurde die Region als Aufmarschgebiet für die bereits geplante Ardennenoffensive benötigt und mußte in deutscher Hand bleiben, wollte man nicht die Geheimhaltung aufs Spiel setzen und sich der Gefahr von Flankenangriffen aussetzen.

Kampfhandlungen

Am Vormittag des 6. Oktober 1944 begann der Vormarsch der 9. US-Infantrie-Division gegen die deutsche 275. Infanteriedivision auf der gesamten Breite des Angriffsgeländes. In diesem Waldgebiet gelang es jedoch kaum, Ziele für die alliierte Artillerie und Luftwaffe auszumachen. Größtenteils machte das Gelände den Einsatz schwerer Fahrzeuge unmöglich. Weiteres Hindernis für die US-Truppen war die genaue Ortskenntnis der Wehrmacht. Die Verteidiger waren durch das ungünstige bergige und waldige Gelände im Vorteil, das die amerikanische Überlegenheit an Kriegsgerät weniger zur Geltung kommen ließ, außerdem standen ihnen die Befestigungen des Westwalls zur Verfügung. Zwar war der in den späten 1930er Jahren erbaute Westwall vielerorts verfallen. Dennoch bot das unübersichtliche deutsche Stellungssystem gute Verteidigungsmöglichkeiten und stellte für Angreifer ein schweres Hindernis dar.

Die US-Soldaten waren dazu gezwungen, einen erbitterten Grabenkrieg zu führen, der für beide Seiten sehr kräftezehrend war. Dabei wirkte sich erschwerend aus, daß die Amerikaner praktisch keine Erfahrung im Gebirgs- und Kleinkrieg besaßen, während die Deutschen damit sehr wohl vertraut waren. Im Wald- und bergland gab es nur wenig Ansätze für die Luftwaffe und gepanzerte Fahrzeuge, so daß die Infanterie die Hauptlast der Kämpfe trug. Die Deutschen verwandelten den dichten Wald in eine Festung, in den Bäumen versteckte Scharfschützen fordeten einen stetigen Blutzoll, und Baumkrepierer (d.h. Artilleriegranaten, die einen Baum in Fetzen rissen und eine Unmenge Splitter erzeugten) erwiesen sich als sehr gefährlich für beide Seiten. So blieb der Angriff im Wald stecken und die Höhen blieben in deutscher Hand, obwohl die Amerikaner sich den Gegebenheiten recht schnell anpaßten. Den Deutschen machten ihrerseits Nachschubschwierigkeiten zu schaffen, die kämpfenden Verbände hatten auf dem Rückzug durch Frankreich schwere Verluste erlitten und Ersatz war kaum verfügbar. Durch den Mangel an Treibstoff und Fahrzeugen mußte der Nachschub im unwegsamen Gelände oft mit Trägerkolonnen nach vorn gebracht werden. Nach zehn Tagen erbitterter Kämpfe waren beide Seiten so geschwächt, dass die Kampfhandlungen abflauten. Am Ende der erfolglosen Offensive betrug der Geländegewinn der Amerikaner 2,7 km, die Verluste beliefen sich auf 4500 Mann, während die Verluste der Deutschen 3200 Mann erreichten.

Ein amerikanisches Halbkettenfahrzeug bahnt sich den Weg durch die schlammigen Straßen des Hürtgenwalds

Die Allerseelenschlacht

Am Ende war die 9. US-Division durch die überaus harten Waldgefechte abgekämpft und wurde am 26. Oktober durch die 28. Division ersetzt. Dabei beeinträchtigte der Anblick der schmutzig und abgerissen aussehenden Abgelösten den Kampfgeist der weitgehend unerfahrenen Ersatztruppen. Das amerikanische Oberkommando wollte keine Zeit verlieren und plante einen Angriff auf das Dorf Schmidt, das als Kreuzungspunkt vieler Wege und durch seine Höhenlage im sogenannten Stolbergkorridor strategisch wichtig war. Der Angriffstermin wurde auf den 31. Oktober angesetzt, mußte aber wegen schlechten Wetters auf den 2. November verschoben werden. Die 28. Division wurde dabei um zusätzliche Pionier-, Panzer- und Artillerieeinheiten verstärkt, die beim Durchbruch helfen sollten. Die Deutschen waren währenddessen nicht untätig gewesen und hatten das Waldgebiet mit zahlreichen Feldbefestigungen und Minenfeldern in eine Festung verwandelt. Im deutschen Oberkommando war man der Ansicht, daß der amerikanische Stoß auf die Rurtalsperren zielte, um mit ihrer Kontrolle eine Überflutung des Rurtales zu verhindern, was einen amerikanischen Vorstoß in dieser Gegend aufgehalten hätte. Dies hätte die Pläne für die bereits in Vorbereitung befindliche Ardennenoffensive gefährdet, ganz abgesehen von der Gefahr eines Flankenangriffs, falls das Bergland in alliierte Hand gefallen wäre, so daß die deutsche Führung der Verteidigung der Talsperren und damit des Hürtgenwaldes hohe Bedeutung beimaß. Die Amerikaner dagegen hatten die Bedeutung der Talsperren noch nicht erkannt und wählten die Angriffsroute wohl hauptsächlich deshalb, um zu verhindern, daß ihre weiter nördlich kämpfenden Truppen bei einem Vorstoß auf den Rhein nicht durch Reserven aus dem Hürtgenwald behindert wurden; das Primärziel war somit das Festhalten des Gegners und das Binden seiner Streitkräfte. Im Bergland waren deutscherseits die 275. Infanteriedivision sowie die 89. Infanterie- und die 12. Volksgrenadierdivision eingesetzt, die 116. Panzerdivision stand als Reserve bereit.

Der amerikanische Angriff begann planmäßig und gelangte trotz schwerer Verluste schon am 3. November über Vossenack bis nach Schmidt und das benachbarte Kommerscheidt. Starkes gegnerisches Mörser- und Infanteriefeuer konnte im unwegsamen Gelände nicht ausgeschaltet werden, und die vorrückenden Truppen erlitten Verluste durch Minen und Baumkrepierer. Von besonderer Bedeutung war dabei der Weg durch die Kallschlucht, die als einzige Nachschubroute von Vossenack nach Schmidt führte. Wegen der schlechten Wege hatten die Angriffsspitzen große Probleme beim Vordringen, insbesondere war es fast unmöglich, Panzer über die schmalen Waldwege zu manövrieren. Dieselbe Schwierigkeit behinderte jedoch auch die Verteidiger beim Heranführen von Reserven, so daß der Fall von Schmidt nicht verhindert werden konnte. Allerdings sah die deutsche Führung nun die Talsperren bedroht und stellte ausreichende Kräfte für einen Gegenangriff bereit. Die Amerikaner blieben währenddessen unter ständigem Artilleriefeuer, und die undurchdringliche und unheimliche Waldlandschaft, die immer noch voller gegnerischer Scharfschützen und Kampfgruppen steckte, beeinträchtigte die Kampfmoral der Amerikaner, die sich in den eroberten Ortschaften eingruben. Die Deutschen führten am 5. November einen energischen Gegenangriff mit Artillerie- und Panzerunterstützung gegen Schmidt, der nach heftigen Gefechten die Amerikaner unter schweren Verlusten zum Rückzug zwang, der sich streckenweise zur unkontrollierten Flucht auswuchs. Dabei war die Nachschubroute der Amerikaner durch einen gleichzeitigen Angriff auf Vossenack und ständige gegnerische Aktivität auf der Route selbst stark bedroht, und es gelang nicht, alle vorgerückten Truppen wieder herauszuziehen – wer nicht dem feindlichen Feuer zum Opfer fiel, wurde gefangen. In den folgenden Tagen drängten die angreifenden Deutschen die Amerikaner nach und nach in ihre Ausgangsstellungen zurück, dabei erlitten die US-Truppen schwerste Verluste. Aber auch die Deutschen zahlten einen hohen Preis für die Verteidigung der Talsperren: der Angriff auf Vossenack schlug nicht durch und erst am 8. November konnten die Deutschen das von den Amerikanern geräumte Dorf teilweise besetzen. Zu diesem Zeitpunkt war die Schlacht weiter hinten allerdings längst geschlagen. Auch die Verteidiger entrichteten einen hohen Blutzoll und mußten wertvolle Reserven in die Schlacht werfen. Die Kämpfe waren von äußerster Härte, und zuweilen wurden von beiden Seiten keine Gefangenen mehr gemacht. Die Verlustzahlen sind umstritten, vermutlich lagen sie bei den Amerikanern um 20.000 - 25.000 und bei den Deutschen bei etwa der Hälfte davon. Schlechte Planung und ein unvermutet starker gegnerischer Widerstand trugen zum Scheitern des amerikanischen Angriffs bei, zusammen mit der Tatsache, daß die frisch eingetroffenen Soldaten der 28. Division in keinster Weise darauf vorbereitet wurden, mit was für Verhältnissen sie es zu tun bekommen würden. Die ausgeblutete 28. Division mußte nach diesem Mißerfolg aus der Front gezogen und aufgefrischt werden, und die Kämpfe flauten vorübergehend etwas ab.

Ende der Kämpfe

Am 16. November 1944 starteten die 1. (Hodges) und 9. US-Armee (Simpson) eine Großoffensive im Hürtgenwald (Operation Queen), die gleichzeitig an den Frontabschnitten weiter nördlich anlief. Auch jetzt waren die Kämpfe noch von äußerster Härte, jedoch kamen die Angreifer langsam voran, da die Deutschen ihre Reserven für die Ardennenoffensive benötigten. Ende November fielen die Ortschaften Hürtgen und Kleinhau, weitere folgten. Es gelang den Deutschen aber, die Amerikaner von den Talsperren fernzuhalten, bis die Ardennenoffensive am 16. Dezember 1944 beginnen konnte. Damit fand die Schlacht im Hürtgenwald ein vorläufiges Ende. Nach dem Scheitern der Ardennenoffensive am 10. Januar 1945 wurden die Kämpfe erneut aufgenommen. Die Reserven der Deutschen waren verbraucht, und sie hatten schwere verluste erlitten, weshalb die Intensität der Kämpfe etwas abnahm. Am 8. Februar 1945 fiel der Ort Schmidt, wodurch die Kämpfe im Hürtgenwald endgültig endeten. Fünf Monate nachdem die Amerikaner die Westgrenze des Hürtgenwaldes erreicht hatten, standen sie auf der anderen Seite. Jedoch gelang es ihnen nicht, die Talsperren in ihre Hände zu bekommen, bevor die Deutschen sie zur Überflutung des Rurtales öffneten, womit der amerikanische Vorstoß auf den Rhein um zwei weitere Wochen verschoben werden mußte. Die Kämpfe um den Hürtgenwald zählen zu den erbittertsten Kämpfen des Zweiten Weltkrieges.

Ausgang

Kreuzigungsgruppe in Vossenack in Erinnerung an die Opfer der Kampfhandlungen

Ernest Hemingway, der als Kriegsberichterstatter Augenzeuge der Schlacht im Hürtgenwald wurde, änderte völlig seine Meinung vom Krieg, den er bis zu diesem Zeitpunkt verherrlichte. In seinem Buch „Über den Fluß und in die Wälder“ verarbeitet Hemingway seine Erlebnisse im Hürtgenwald: „In Hürtgen gefroren die Toten, und es war so kalt, dass sie mit roten Gesichtern gefroren...“ Im Amerikanischen wurde der Hürtgenwald als „Hurt-genwald“ (Hurt = Schmerz) bekannt und bezeichnete treffend das verschneite Schlachtfeld. Sprengfallen in den Bäumen und Beschuss hatten den Wald in eine alptraumhafte Wüste verwandelt.

Über die Anzahl der Verluste (Gefallene und Verwundete) der US-Armee und der deutschen Wehrmacht gibt es kontroverse Schātzungen und Meinungen. Sicher ist, dass es sich um eine der verlustreichsten Schlachten in Westeuropa im zweiten Weltkrieg handelte. Die Behauptung, dass die US-Armee ähnlich viele Gefallene wie im Vietnamkrieg zu beklagen hatte, entspricht nicht den Tatsachen. Von September bis Anfang Dezember 1944 beliefen sich die amerikanischen Verluste im Raum Hürtgenwald laut MacDonald (Siegfried Line Campaign, 1963 S. 493) auf ca. 32.000 Soldaten. Quellen der US-Armee (Quelle) geben alleine für den 28. November 6000 Verluste an. Die 1. US-Armee verzeichnete zwischen dem 16. November und 15. Dezember 21.500 Verluste (Quelle). Das gesamte Gebiet der Allerseelenschlacht war nach dem Krieg auf Jahre nur schwer zugänglich; starke Verminung machte selbst das Bergen der Toten riskant, das anfangs nur auf Eigeninitiative Julius Erasmus' geschah.

Im Hürtgenwald sind heute noch Spuren der Kampfhandlungen zu entdecken. Vielerorts sind Panzersperren zu sehen, auch gibt es eine handvoll ungesprengter Bunker. Über diese Spuren sind mehrere Bücher, die Frontlinien und Überreste der Schlacht aufzeigen, veröffentlicht worden.

Noch heute werden jedes Jahr durchschnittlich sieben gefallene Soldaten aus dem Boden des einstigen Schlachtfeldes geborgen. Des weiteren werden mindestens 2,3 Millionen Tellerminen und über 4 Millionen sonstiger Explosivmittel im Gebiet rund um Hürtgen, Schmidt, Monschau und Kall vermutet.

Auf dem Kriegesgräberfriedhof „Hürtgenwald“ steht das einzige Denkmal für einen deutschen Soldaten, das von den ehemaligen Gegnern errichtet wurde: Im Eingangsbereich befindet sich ein Gedenkstein für den deutschen Leutnant Friedrich Lengfeld, der am 12. November 1944 beim Versuch, einen verletzten amerikanischen Soldaten aus dem Minenfeld „Wilde Sau“ zu retten, schwer verletzt wurde und noch am gleichen Tag im Verbandplatz Lukas-Mühle verstarb. Die Gedenktafel wurde von der Veteranenvereinigung der 4. (US-) Inf.-Div. aufgestellt.

Literatur

  • Charles B. MacDonald: The Battle of the Huertgen Forest. University Of Pennsylvania Press, ISBN 0-8122-1831-0
  • Charles B. MacDonald: The Siegfried Line Campaign. United States Army in World War II: The European Theater of Operations. Office of the Chief of Military History Department of the Army, Washington D.C. 1963
  • Adolf Hohenstein und Wolfgang Trees: Hölle im Hürtgenwald. Die Kämpfe vom Hohen Venn bis zur Rur Sept. 1944 bis Februar 1945. TRIANGEL Verlag, ISBN 3-922974-01-5
  • Heinz Guderian: Das letzte Kriegsjahr im Westen. Die Geschichte der 116. Panzer-Division - Windhund-Division. 1995, ISBN 3-932436-01-6 (Deutscher Alt-General schildert minutiös die Geschehnisse aus „deutscher“ Sicht. Viele militärische Details und Quellenzitate mit Fundstellenangaben)
  • Kurt Kaers: Das verstummte Hurra. 2004 (Bericht eines Überlebenden der Kämpfe im Hürtgenwald aus der Sicht einer amerikanischen und einer deutschen Einheit)
  • Hans Kramp: Rurfront 1944/45, Verlag Fred Gatzen, ISBN 3-923219-00-8