Holocaust im Film
Als Bezeichnung für eine Filmkategorie zeigt ein Holocaust-Drama (Neuer Kunstbegriff, der sich zusammensetzt aus: Holocaust und Drama) das Schicksal einzelner, in der Regel fiktiver Personen vor dem realen Hintergrund der deutschen Vernichtungs- und Konzentrationslager vor 1945. Die dargestelllten Einzelschicksale versuchen diesen historischen aber kaum nachzuempfindenden Hintergrund zu personifizieren. Sehr oft wird die Authenzität eines Teils der Geschichte betont. Mit der Bezeichung Holocaust-Drama betont der Film den Unterschied zu einer Dokumentation oder einem reinen Actionfilm.
Im Gegensatz zu einer Dokumentation kann durch diese Umsetzung die fiktive Lebensgeschichte (oder Teile davon) einer Person über längere Zeit bis zur Flucht vor dem, aus dem oder bis zum Untergang im Lager filmisch beobachtet werden. Bei einem Actionfilm stünden schnelle Schnitte und Überaschungsmomente stärker im Vordergrund als die hier betonte Gefühlsebene (durchaus gelegentlich im Sinne etwas überzogener, befreiender Komik).
Der Plot eines Holocaust-Dramas wird vom Wissen der Zuschauer um die realen realen Hintergründe in den Vernichtungs- und Konzentrationslagern der Zeit des Nationalsozialismus getragen. Einzelschicksale der Hauptdarstellenden versuchen persönliches Heldentum, unwillentliche Verstrickung und Schuld mit dem historischen Hintergrund zu verknüpfen. Der gute Deutsche (z. B. Schindler, Gerstein) wird moralisch überhöht. Um dem katastrophalen Ende der meisten Juden im Nazi-Machtbereich Europas als undarstellbarem Leid im Film auszuweichen, kommt es fast immer zu einer Flucht (einer Gruppe oder des Ich-Erzählers), die auf einer die Nazis irritierenden List basiert. Sehr oft wird die Authenzität eines Teils der Geschichte betont. Dem Drehbuch liegt oft ein bereits veröffentlichter Roman zugrunde.
Über viele Jahre hat das Thema in Literatur und Film-Dramaturgie als fast nicht darstelllbar gegolten. Dokumentarische Filme konnten andrerseits aufgrund fehlender biographischer Materialien nicht bebildert werden und standen deshalb in der Gefahr im Allgemeinen/Unpersönlichen einer summarischen Darstellung stehen zu bleiben.
Schon früh setzten sich einzelne Filme mit den Verbrecher der Nazizeit auseinander (so z.B. im deutschen Spielfilm Die Mörder sind unter uns von 1946) und thematisierten einzeln auch die Vernichtungs- und Konzentrationslager (z. B. Morituri von Eugen York). Eine breite Aufarbeitung begann jedoch erst viel später. Besondere Aufmerksamkeit fand die vierteilige US-Fernsehserie Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiß aus dem Jahr 1978, die auch zu einem allgemeinen Dialog über den Holocaust nicht nur in den USA sondern auch in deutschsprachigen Ländern führte. Starke Reaktionen rief die Zeitzeugen-Dokumentation Shoah von C. Lanzmann im Jahr 1985 und schließlich der bei Publikum und Kritik erfolgreiche Spielfilm Schindlers Liste von Steven Spielberg 1993 hervor.
Kritiken
Die Filme lösten immer wieder Diskussionen über die Themenwahl aus. Zum einen wurde auch von Holocaust-Überlebenden angeführt, ein solches Thema ließe sich nicht angemessen verfilmen. Durch die Darstellung etwa des Lebens im Ghetto und der KZs werde deren Schrecken banalisiert. Dramatisierung und geschichtliche Wahrheit würden kaum mit einander in Deckung zu bringen sein. Die Angreifbarkeit des Themas Holocaust durch Rechtsradikale oder Revisionisten würden dadurch unnötig erleichtert.
Dem ist entgegen gehalten worden, dass es gerade einem Spielfilm gelingen könne, Jugendlichen die Dimensionen des Geschehenen begreifbar machen. Dafür sei Schindlers Liste (1993) ein Beispiel.
Filme (Beispiele, Auswahl)
Frühe Beispiele
- Das siebte Kreuz, Anna Seghers' Roman verfilmt 1944 von Fred Zinnemann
- Morituri, D, 1948, von Eugen York, produziert von Artur Brauner
- Tagebuch der Anne Frank (als Film dramatisiert 1959, 1987, 2001)
- Der Pfandleiher, USA, 1965
- Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiß, Fernsehserie USA, 1978
- Sophies Entscheidung, USA, 1982
Neuere Beispiele
- Escape from Sobibor, 1987, ein Film über den Aufstand im Vernichtungslager Sobibor.
- Schindlers Liste, USA, 1993
- Das Leben ist schön, eine italienische Tragikkomödie, 1997 (italienischer Originaltitel: La Vita è bella)
- Zug des Lebens,Frankreich, Radu Mihaileanu, 1998
- Der Stellvertreter, USA, 2002
- Rosenstraße, Deutschland, Niederlande, 2002
- Der Pianist, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Polen, 2002; ein Film über den Pianisten Władysław Szpilman, der in in Warschau überlebte.
- Der letzte Zug, Deutschland, Tschechien, Vilsmeier, 2006
Dokumentationen
- Shoa, Frankreich, 1987
- Der unbekannte Soldat, Dokumentation, Deutschland 2006
Filmgenre oder Gruppe von thematisch ähnlichen Filmen?
Die Ansichten, was ein Holocaust-Drama ausmacht, können durchaus kontrovers sein, weil der Begriff relativ neu ist. Als Kategorisierung wird der Begriff erst etwa seit 2000 verwendet. Er beansprucht nicht, den Aufbau und Inhalt eines Dramas in der Literatur widerzugeben. Bei Filmkonsumenten, -produzenten und -wissenschaftlern gibt es verschiedene Definitionen eines Filmgenre.
Von seiner Erzählform her betrachtet, ähnelt das Holocaust-Drama oft dem Melodram. Je nach transportierter Stimmung kann es zwischen Actionfilm, Film noir oder Liebesfilm angesiedelt sein.
Siehe auch
| Politthriller | Rezeption | Dramaturgie |