Tötungsdelikt
Mord ist die von der menschlichen Gemeinschaft besonders verurteilte, ungesetzliche Tötung von Menschen.
Allgemein
Umgangssprachlich wird die Tötung eines Menschens generell als Mord bezeichnet.
Begriff
Die Bezeichnung Mord ist aus dem Indogermanischen *mer- entstanden (diese Wortform ist extrapoliert, da das Indogermanische nicht überliefert ist). Der deutsche Begriff Mord ist daher kein Lehnwort des lateinischen mors (Tod), sondern weist zu diesem gemeinsame Ursprünge auf. Auch der griechische Begriff βροτος (sterblich) zeigt durch die Lautverschiebung Bezüge zum Ursprung auf. Altgermanisch ist bereits die Tötungshandlung als „murdan’ überliefert. Das gotische "maurþr&" ist daher Ursprung sowohl des deutschen Wortes "Mord" als auch des englischen murder (hier ist aus dem altenglischen die sprachlich eng zum gotischen zu zählende Form morther; überliefert). Der Begriff des "Mordes" in seiner heutigen Schreibweise taucht 1224 in der Treuga Henrici auf.
Soziologie
Alle Staaten, Gesellschaften und Religionen verurteilen die Tötung von Menschen im allgemeinen Fall, unterscheiden jedoch nach den Umständen und machen Ausnahmen. Die Qualifizierung einer Tötungstat an einem Menschen als Mord ist mit einer starken Ausgrenzung der Täter aus der jeweiligen Gemeinschaft verbunden und deshalb oft Gegenstand heftiger emotionaler Auseinandersetzungen.
Recht
a) Normative Grundlage
§ 211 des Strafgesetzbuches (StGB) der Bundesrepublik Deutschland lautet:
- (1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
- (2) Mörder ist, wer
- aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
- heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
- um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
- einen Menschen tötet.
Im deutschen Recht unterscheidet sich der Mord vom Totschlag (§ 212 StGB) dadurch, dass bei der Tötung ein mindestens sog. Mordmerkmal verwirklicht wird, also aus einer besonders niedrigen Motivation (1. Gruppe), auf besonders abstoßende Weise (2. Gruppe) oder in Verbindung mit einer anderen Straftat (3. Gruppe) getötet wird. Ist ein Mordmerkmal erfüllt, ist nach dem Gesetz zwingend auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.
Auch Abtreibung wird von einigen religiöse Gruppierungen als Mord betrachtet. Da ungeborene Kinder aber keine natürliche Personen und damit keine Menschen im Sinne § 211 StGB sind, wird Abtreibung im StGB im Abschnitt Verbrechen und Vergehen wider das Leben extra aufgeführt, da es nach juristischer Auffassung nicht als Mord qualifiziert werden kann.
Die von Soldaten vorgenommenen Tötungen gegnerischer Soldaten werden vom Kriegs-Völkerrecht nicht als Mord angesehen. Es gibt jedoch Aussagen aus pazifistischen Kreisen innerhalb der Gesellschaft, die Soldaten als Mörder bezeichnen. Siehe auch Soldaten sind Mörder.
Genauso wird von den Kirchen und Menschenrechtsgruppen der Vollzug der Todesstrafe als Mord angesehen, auch wenn dies natürlich nicht unter die staatliche Definition von Mord fällt.
Die Mordtaten, die während des Dritten Reiches durch das nationalsozialistische Regime begangen wurden, werden allgemein als solche beurteilt und wurden dementsprechend als Völkermord in den Nürnberger Prozessen und in der DDR und der BRD verfolgt.
Durchaus umstritten ist das Verhältnis von Totschlag (§ 212 StGB) und Mord (§ 211 StGB). Von der Rechtsprechung werden beide Tatbestände als einzelne, eigenständige Tatbestände gesehen, während die rechtswissenschaftliche Lehre und Literatur eher dazu neigt, den Totschlag als Grunddelikt zu sehen und den Mord als Qualifikation.
b) rechtshistorische Betrachtung
Die rechtshistorische Entwicklung knüpft an die archaischen Überlieferungen aus dem Codex Hammurapi und an die Bibel an. Gemeinsames Prinzip ist dabei das oder die Talion. Der Tod wird mit dem Tod des Täters bestraft. Ein Rückgriff auf Vorsatzregeln wird noch nicht vorgenommen. Der Übergang vom Sippen- zum gesellschaftlichen Begriff des Mordes wird eindrucksvoll an der Lex Numae 16; ersichtlich: Wer einen freien Menschen tötet, soll wie ein Verwandtenmörder bestraft werden. (um 600 v. Chr.) In der spätrepublikanischen Zeit Roms (100 v. Chr.) zeigt die sullanische Gesetzgebung erste Stufungen eines moralischen Tötungstatbestandes nämlich des Giftmordes (veneficium) und des Gewaltmordes (sicarium). Später in der Regentschaft des Kaisers Hadrian werden subjektive Merkmale ausschlaggebend wie der Vorbedacht(propositum) und der Affekt (impetus). Diese annähernd 2000 Jahre alte Entwicklung wird heute noch im Schrifttum nachgezeichnet.
Die germanische Rechtslehre entwickelte die Dichotomie von Mord und Totschlag. Der Mord als Begriff bezeichnete generell zunächst die Tötung eines anderen. Bis ins 12. Jahrhundert hinein wurde von den Tätern nur ein gestuftes "Wergeld"; (lat. vir Mann) abverlangt oder aber der Täter wurde zum sog. "Werwolf", also einem geächteten, friedlosen und ohne an die Sippe gebundenen Menschen, der von jedermann erschlagen werden durfte. Diese todesstrafenähnliche Sanktion war jedoch - aus heutiger Sicht paradoxerweise - eher den Eigentumsdelikten vorbehalten. Im Hochmittelalter galt der Mord als verheimlichte Tötung, wobei der Täter die Leiche zwecks Verdeckung der Tat versteckte. Dieses Merkmal findet sich noch heute im Tatbestand wieder. Mit dem ausgehenden Mittelalter wurde die römische Lehre wieder rezipiert, sodass der Mord schließlich in der karolingischen Halsgerichtsordnung (Codex Carolina Criminalis [Art. 134, 137 CCC]) als Tötung mit Vorbedacht erschien. Der dort erwähnte "fursetz" war nicht der Vorsatz, sondern der Vorbedacht. Diese Regelung setzte sich über das preußische Allgemeine Landrecht hinweg in das Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes ("Thötung durch Überlegung") durch. Erst 1941 wurde diese Regelung durch das NS-Regime mit der heutigen Tatbestandsregelung (ursprünglich eine Schweizer Entwicklung unter Carl Stooß) geändert. Zahlreiche Stimmen der rechtswissenschaftlichen Literatur fordern inzwischen die Rückkehr zum alten Tatbestand der "Tötung mit Vorbedacht".
c) rechtsvergleichende Überlegung
Dem deutschen Recht am ähnlichsten kommt die Schweizerische Regelung. In Österreich ist Mord generell die vorsätzliche Tötung eines anderen. In den romanischen Ländern findet sich fast durchgängig die Tötung mit Vorbedacht als Qualifikationsmerkmal für den Mord. In Großbritannien ist der Begriff des Murder("...killing with intention...") gleichzusetzen mit der vorsätzlichen Tötung. Eine generelle Qualifikation findet sich nicht. Der manslaughter; ist dagegen die Tötung im Affekt oder aus Fahrlässigkeit. Die skandinavischen Fassungen sehen uneinheitliche Regelungen vor, die einerseits ein zweistufiges System (vorsätzliche Tötung und qualifizierte Tötung) vorsehen (Schweden, Finnland), andererseits auch ein dreistufiges System (privilegierte vorsätzliche Tötung, einfache vorsätzliche Tötung und qualifizierte vorsätzliche Tötung) wie in Dänemark. Island hat dagegen nur einen Tatbestand im Rechtssystem.
Die osteuropäischen Fassungen sind nach dem Umbruch aus dem sozialistischen System in liberale Fassungen überführt worden, die sich teilweise an die Dogmatik des deutschen Strafrechts anlehnen, andererseits auch Anleihen an die romanischen Fassungen suchen.
d) Pönologie
Durch die hervorgehobene Stellung des Mordes als Vernichtung eines Menschenlebens als verwerflichste Handlung ist in allen Strafrechtssystemen Europas auch die schwerste Strafandrohung vorgesehen. Selten einmal (z. B. Österreich) wird ein schwereres Strafmaß für den Völkermord vorgesehen. Da sämtliche Staaten Europas dem Europarat angehören, ist die Todesstrafe in annähernd allen dieser Länder abgeschafft (6. und 13. Fakultativprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)). Nur wenige Länder haben bereits die lebenslange Freiheitsstrafe abgeschafft (z. B. Portugal oder Kroatien). Die Lebenslange Freiheitsstrafe entspricht kaum der Rechtswirklichkeit. In England wird nach einer Studie die lebenslange Freiheitsstrafe durchschnittlich auf 9 Jahre vollstreckt, während in Deutschland im Mittel 21 Jahre vollstreckt werden.
- Referenzen:
- Arnd Hüneke, Der Mordtatbestand im Vergleich zu den anderen europäischen Normierungen, KFN, Hannover 2003 (mwN)
- Sven Thomas, Die Geschichte des Mordparagraphen, Eine normgenetische Untersuchung, Diss. 1985
- Günter Heine, Mord und Mordtatbestand..., Goltdammer’s Archiv 2000, S. 303 - 319