Paul Gerhardt
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Paul Gerhardt (* 12. März 1607 in Gräfenhainichen im Kurfürstentum Sachsen; † 27. Mai 1676 in Lübben (Spreewald) war ein Dichter von Kirchenliedern im deutschen Sprachraum.
Leben
Gerhardt, der Sohn eines Gastwirts, besuchte die Fürstenschule Grimma, bevor er 1628 sein Theologiestudium an der Universität von Wittenberg aufnahm. Nach dem er die Universität 1642 verlassen hatte, war er seit 1643 als Hauslehrer in Berlin tätig. 1651 erhielt er die Ordination und wurde Propst in Mittenwalde. 1657 nahm er eine Stelle an der Nikolaikirche in Berlin an und geriet in Konflikt mit dem reformierten brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, der per Edikt von den lutherischen Pfarrern verlangte, die reformierte Lehre zu tolerieren und die theologische Polemik einzustellen. Dazu war der auf die lutherischen Bekenntnisschriften ordinierte Theologe (lutherische Orthodoxie) nicht bereit, da er die Calvinisten genannten Reformierten „nicht für Christen“ hielt. 1667 gab Gerhardt sein Amt auf und wurde Archidiakon in Lübben (Spreewald), einer der damals wichtigsten Städte der zum lutherischen Sachsen gehörenden Niederlausitz, wo er bis zu seinem Tod blieb. Sein Grab befindet sich in der später nach ihm benannten Lübbener Paul-Gerhardt-Kirche.
Heimat und Jugend
Vorgeschichte
1586, gut 20 Jahre vor der Geburt Paul Gerhardts, wurde Christian I. Kurfürst von Sachsen. Seine Sorge galt weniger den Regierungsgeschäften als vielmehr einer wohlbesetzten Tafel. Im Gegensatz zu seinem Vater August, der ein Führer des lutherischen Lagers im Reich gewesen war, hatte sich Christian der reformierten Form des Protestantismus zugewandt (Kryptocalvinismus), denn er stand unter dem Einfluss seines reformierten Schwagers Joachim Friedrich von Brandenburg. 1591 kam es zu einem ersten Konflikt. Christian griff in die Formeln und Rechte der lutherischen Kirche ein. Die Lutheraner waren es gewohnt, bei der Taufe den „Teufel auszutreiben“, da nach lutherischer Lehre die Taufe den Übergang des Täuflings vom Reich des Teufels in das Reich Gottes bewirkt und der Täufling damit von der Herrschaft des Teufels befreit wird („Exorzismus“). Daran hielten Theologen und Gemeindeglieder der Klarheit des Evangeliums wegen fest. Die Calvinisten lehnten den Exorzismus ab, da sie ein anderes, d.h. symbolisches Verständnis der Taufe hatten (Taufe bezeichnet lediglich die Wiedergeburt, bewirkt sie aber nicht). Nach dem Tod Christians I. 1591 machte seine Gattin, die aufrechte Lutheranerin Sophie von Sachsen, viele der Neuerungen rückgängig und setzte einige der vertriebenen Pastoren wieder ein. (Für weitere Informationen siehe Geschichte Sachsens, besonders der Zeitraum von 1547 bis 1650.)
Jugendzeit
Paul Gerhardt wurde am 12. März 1607 in Gräfenhainichen geboren. Sein Vater, Christian Gerhardt, war neben seiner Tätigkeit als Bauer auch Gastwirt und Bürgermeister. Seine Mutter hieß Dorothea. Zum Besitz der Familie gehörten neben einem Brauhaus auch Scheune und Stall für die Ackerwirtschaft. Die Zeit, in der sie lebten, war voller kirchlichen Streits, der in den Konflikten von Calvinisten und Anhängern des Luthertums Ausdruck fand. Mit Unterstützung seines Vaters besuchte Gerhardt die Domschule in Grimma, wo er neben der lateinischen Sprache auch in Gesang geschult wurde. Die Schüler sangen Sonntags in der Marienkirche im Chor.
Pauls Vater Christian starb bereits 1619. Zwei Jahre danach, Paul war erst vierzehn Jahre alt, verloren er und seine Geschwister auch die Mutter. Die neunjährige Schwester Anna wurde zu Verwandten gebracht. Paul zog es an die Fürstenschule in Grimma, wo er am 4. April 1622 aufgenommen wurde. Am 15. Dezember 1627 verließ er die Schule, um am 2. Januar 1628 sein Theologiestudium an der Universität Wittenberg zu beginnen. 15 Jahre blieb er in Wittenberg und verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer.
Der Dreißigjährige Krieg erreichte auch Pauls Heimatstadt Gräfenhainichen, die niedergebrannt wurde und auch von Pest und Hunger nicht verschont blieb. Am 7. November 1637 starb sein Bruder.
Der Beginn des Dichtens
Andere Dichter im 30-jährigen Krieg
Notzeiten sind nicht nur Zeiten des Niedergangs, sondern auch des Neuanfangs. Viele evangelische Kirchenlieder stammen aus jener Zeit, darunter „Nun danket alle Gott“ (Martin Rinckart 1636), „Wer nur den lieben Gott läßt walten“ (Georg Neumark 1640) und „O Heiliger Geist, kehr' bei uns ein“ (Michael Schirmer 1640).
Paul Gerhardts erste Lieder

Erst im 17./18. Jahrhundert fanden Paul Gerhardts Lieder zunehmend Eingang in die Gottesdienste. Vorher gab es noch keine Liederbücher, da viele Menschen nicht lesen konnten und die Gemeinden die Lieder auswendig sangen. Im 17. Jahrhundert fand die Gelegenheitsdichtung immer stärkeren Anklang. Sie wurde bei Höhepunkten wie Hochzeiten, Kindstaufen und Begräbnissen angewendet. Später wurden manche Gelegenheitsdichtungen zu Liedern umgewandelt. Am 26. April verfasste Paul Gerhardt sein erstes Gelegenheitsgedicht für eine Feier anlässlich des bestandenen Magisterexamens eines Hamburger Professorensohns. Der Text lautet wiefolgt: „Gleichwie aus sonnenüberströmten Gärten die lieblich Flora goldener Blumen Kranz lächelnd aufs Haupt sich drückt, so erscheinest du uns, dem Freunde, jugendlich herrlich, mit der Krone geschmückt, die dir die 'Mutter' verlieh. Dass du allezeit so bliebest, möge Gottes Gnade dich kränzen: Freude kröne das Herz, ewiges Heil dir das Haupt“*
Erste Liedersammlung
Paul Gerhardt war nicht wie andere Dichter, denn er sammelte seine Lieder nicht, noch brachte er ein Liederbuch heraus. Bald wurde er zum Pfarrer der St.-Moritz-Kirche in Mittenwalde (Mark) berufen und folgte damit seinem Vorgänger Gallus Luther. Die davor zu bewältigende Amtsprüfung hatte er ohne Probleme bestanden. Noch heute kann man den ersten Eintrag von Paul Gerhardt im Kirchenbuch lesen.
Wie viele seiner Amtskollegen hatte Gerhardt eine schwierige Zeit zu überwinden. Von den etwa 1000 Mittenwalder Einwohnern hatten nur 250 den Dreißigjährigen Krieg überlebt. Weil er dadurch nur die nötigsten Abgaben, den Kirchenzehnt, erhielt, musste er sich selber von den Erträgen seines Acker, der neben der Kirche stand, ernähren. In dieser Zeit lernte er auch Anna Maria, die unverheiratete jüngste Tochter des Kammergerichtsadvokaten kennen. Am 11. Februar 1655 wurden Paul und Anna Maria im Bertholdschen Haus durch den Propst Vehr getraut. Zu dem Zeitpunkt war Paul 48 und Anna Maria 32 Jahre alt. Am 19. Mai des darauffolgenden Jahres, an Anna Marias Geburtstag, gebar sie ihrem Mann eine Tochter, die bereits ein halbes Jahr später, 28. Januar 1657, starb und in Mittenwalde begraben wurde. Den Tod der Tochter zum Anlass dichtete Gerhardt die Verse
- Ach, es ist ein bitteres Leiden
und ein rechter Myrrhentrank,
sich von seinen Kindern scheiden
durch den schweren Todesgang.
Hier geschieht ein Herzensbrechen,
das kein Mund recht kann aussprechen.
Als Pfarrer und Dichter in Berlin
Als er sechs Jahre als Pfarrer in Mittelwalde tätig gewesen war, erreichte Gerhardt der Ruf nach Berlin. Der alte Propst M. Petrus Vehr wurde mit 70 Jahren heimgerufen. Nun gab es Streit über den Nachfolger. M. Fromm sollte nach dem Brauch Propst werden, aber unter den drei Pfarrern war nur einer, der besonders fürsorglich war: Georg Lilie. Nach dem Tod Vehrs schlug der Kurfürst M. Georg Lilie als Nachfolger vor. Zwei Wochen nach seiner feierlichen Einführung starb er am 28. April 1657.
„Ein Pastor muss stehend sterben!“, hatte er einmal gesagt. Er starb wirklich stehend. M. Fromm wurde jetzt zum neuen Propst gewählt. Der Rat der Stadt, als Patron der Nikolaikirche, ernannte Paul Gerhardt zum zweiten Diakonus an der Kirche. „Die Stadt Berlin war im Aufblühen begriffen. Der Kurfürst Friedrich Wilhelm sorgte mit seiner ungewöhnlichen Tatkraft, dass die hässlichen Spuren des großen Krieges getilgt wurden. Die lange Brücke war schön erneuert, der Schlossplatz gepflastert, neben den alten Fachwerkbauten, die mit Stroh oder Schindeln gedeckt waren, erhoben sich neue Häuser, die mit edlem Geschmack ausgestattet waren. Weinstöcke und Obstbäume wurden vor den Häusern gepflanzt und als Spaliere an den Wänden hinaufgezogen. Ein Lustgarten wies den leuchtenden Schmuck von in Berlin noch nie gesehenen Tulipanen und wurde mit Hecken aus Kirchen- und Mandelbäumen umgeben. Die Zahl der Einwohner, die nach der Beendigung des großen Krieges auf schätzungsweise sechstausend herabgesunken war, hob sich zusehends. Man spürte das Wehen einer neuen Zeit, die den Stempel des weitschauenden Geistes des großen Fürsten trug“
Die Kirche, in der Paul Gerhardt wirkte, ist die älteste Kirche in Berlin. 1944 wurde die diese ausgebombt, nur noch die Umfassungsmauer war stehen geblieben. Die Einkünfte von Paul Gerhardt waren gut, deshalb hatte er keine wirtschaftlichen Sorgen. Eins seiner bekanntesten Lieder entstand in der Zeit, wo er von Mittelwalde nach Berlin zog( 1653). Der Titel lautete: „Praxis pietatis melica“*. 81 Lieder von Paul Gerhardt waren darin. Crüger komponierte die Melodie dazu. Kein anderer Melodieschöpfer ist so oft im Liederbuch vertreten wie Crüger. Gerhardt lebte so, wie er gesungen hat. Sein Glaubenslied wurde aus der lutherischen Botschaft herausgesungen: Gerecht durch den Glauben allein. Man sieht es an seinem Lied: Märtyrer seiner Überzeugung.
- Wer sich mit dem verbindet,
den Satan fleucht und haßt,
der wird verfolgt und findet
ein´ hohe schwere Last
zu leiden und zu tragen,
gerät in Hohn und Spott:
das Kreuz und alle Plagen,
die sind sein täglich Brot.
- Das ist mir nicht verborgen,
doch bin ich unverzagt:
Gott will ich lassen sorgen,
dem ich mich zugesagt.
- Es koste Leib und Leben
Und alles, was ich hab´:
An dir will ich fest kleben
Und nimmer lassen ab.
Der Kampf um Amt und Gewissen
Paul Gerhardts Sohn Andreas starb bei der Geburt. Als Zeichen seiner Trauer dichtete er folgenden Vers:
- Geduld ist euch vonnöten,
wenn Sorge, Gram und Leid
und was euch mehr will töten,
euch in das Herze schneid´t.
O auserwählte Zahl!
Soll euch der Tod nicht töten,
ist euch Geduld vonnöten:
ich sag es noch einmal.
- Geduld kommt aus dem Glauben
Und hängt an Gottes Wort:
Das läßt sie ihr nicht rauben,
das ist ihr Heil und Hort,
das ist ihr hoher Wall,
da hält sie sich verborgen,
lässt Gott den Vater sorgen
und fürchtet keine Fall.
Aber das größte Leid war der Streit zwischen dem Kurfürst und dem Geistlichen Ministerium. Das lutherische und das reformierte Bekenntnis wurden als verschiedene Religionen bewertet. Der Kurfürst Johann Sigismund nahm 1613 den reformierten Glauben an. Da aus Holland, Schweiz und anderen westlichen Gebieten Einwanderer kamen, wurde das reformierte Bekenntnis beeinflusst. Der Kurfürst wollte niemand zum reformierten Bekenntnis zwingen, deshalb blieben seine Frau und seine Tochter beim lutherischen Glauben. Da der Kurfürst Aufsichts- und Hoheitsrechte auf die lutherische Kirche ausübte, kam es zum Kriegszustand zwischen dem lutherischen und dem reformierten Glauben. 1614 wurde verboten, auf der Kanzel gegen die andere Konfession zu polemisieren, denn der Kurfürst wollte beide Seiten besänftigen. Professor Calixt wollte diesen Konflikt lösen und veranstaltete zwei Religionsgespräche, die allerdings nichts brachten. Nun wurde Calixt nicht mehr als Lutheraner angesehen. Man nannte ihn nun Synkretisten.
„Aber die lutherischen Theologen haben dies Wort, das im Grunde genommen ein sehr schönes Wort gewesen ist, zu einem bösen Schimpfwort umgewandelt. Synkretisten sind Leute, die aus lauter politischer Berechnung Gewissen und Wahrheit nicht mehr achten. Leute, die rufen: „Friede, Friede“, wo doch kein Friede ist! Sie verwischen den Ernst der Gegensätze und vermitteln, statt tapfer und unerschrocken zu bekennen. Sie machen schwarz aus weiß und weiß aus schwarz, und der Friede, den sie stiften, ist ein fauler Friede, der bei der ersten Probe, die er bestehen soll, zerbricht“. In Hessen- Kassel kam es zu einer Friedensbewegung durch reformierte Marburger (1661). Sie hofften auf das Übergreifen auf die Nachbarländer. Friedrich Wilhelm, der „Große Kurfürst“, war sehr klug und ein weitschauender Fürst. Sein Ziel war es, sein Land wieder zu vereinigen, denn es war „auseinander gerissen“. Nachdem er bereits das Ordinationsgelöbnis der lutherischen Pfarrer verändert hatte, um die als besonders anstössig empfundene Konkordienformel von 1577 (der letzte Teil der lutherischen Bekenntnisschriften, die im Konkordienbuch von 1580 gesammelt sind) herabzustufen, versuchte er Johann Sigismunds Erlass von 1614 auf mehr oder weniger freiwilliger Basis wieder einzuführen. Darüber hinaus rief er die Lutherischen und die Reformierten zu einem Religionsgespräch (1662-63), aber es brachte wieder nichts. Nun brachte er die Verordnung von 1614 nochmals heraus: Man darf keine theologische Polemik auf der Kanzel benutzen. Am 9. Februar 1666 erklärte Paul Gerhardt dem Konsistorium, dass er sich nicht dem Edikt unterwirft, weil er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Denn als auf das vollständige lutherische Konkordienbuch ordinierter Geistlicher wusste er, dass zur klaren Darstellung der Lehre sowohl die positive als auch die negative Seite gehört (man muss sagen, was wahr ist und was falsch ist). Darauf wurde er von seinem Amt abgesetzt. Am 14. Februar hatte er seine letzte Trauung. Paul Gerhardt war einer der hartnäckigsten Gegner der Reformierten. Die Berliner baten den Kurfürst, dass er die Forderung, dass Prediger die Reverse unterschreiben müssen, aufheben soll. Zu dem baten die Berliner, dass er Paul Gerhardt wieder in sein Amt einsetzten soll, denn er erwies sich als friedliebender Mensch. Der Kurfürst ließ sich umstimmen. Er schrieb einen Brief in dem stand, dass die Reversangelegenheit besprochen wird, wenn er wieder zurückkommt. Im Brief schrieb er allerdings nichts über Paul Gerhardt, denn er wollte sich wahrscheinlich noch Zeit lassen zum Überlegen. Früher gab es viele Pastoren, die bei der Unterschrift vom Revers Bedenken gehabt hatten. Die Kinder baten ihren Vater Paul Gerhardt darum, den Revers zu unterschreiben, damit er im Amt bleiben darf. Aber Paul Gerhardt war stur und unterschrieb nicht. Doch der Kurfürst ließ nicht locker: Er wollte für Paul Gerhardt eine Goldene Brücke bauen. Aber es nützte nichts. Am 3. Januar 1667 sagte Friedrich Wilhelm dem Magistrat von Berlin, dass er nachgedacht habe und zum Entschluss gekommen sei, dass er Paul Gerhardt wieder ins Amt einsetzen würde. Aber dieser Kompromiss hatte eine Bedingung: Er müsste sich in Gehorsam fügen.
Viel Leid, viele Lieder
Die Trauer um seine Kinder begleitete ihn ein Leben lang. Johann Crüger, der Melodiendichter zu Paul Gerhardts Liedern, starb am 23. Februar 1662. Seine Ruhestätte war in der St. Nikolaikirche. Sein Bild konnte man dort bis 1944 betrachten. Paul Gerhardt litt unter der Krankheit seiner Frau, die sie seit der Geburt ihres Sohnes Paul Friedrich hatte. Die Krankheit wuchs zu einem unheilbaren Brustleiden heran. Selbst der weitbekannte Hofarzt konnte sie nicht heilen. Paul Gerhardt wollte sie auf die Todesstunde vorbereiten: Er fragte sie, ob er in der Gemeinde um Fürbitte bitten sollte und ob er den Beichtvater um ein letztes, heiliges Abendmahl für sie bitten sollte. Sie stimmte beiden Vorschlägen zu. Kurz vor dem Tod bedankte sie sich bei allen Angehörigen für ihre Hilfe.
Dann nahm sie ihren Sohn Paul Friedrich und ihren Mann ans Herz und sagte zum Jungen: „Gehorche deinem Vater“. Nach dem Tod dichtete Paul Gerhardt ein Trauergedicht:
- Wenn ich einmal soll scheiden,
so scheide nicht von mir;
wenn ich den Tod soll leiden,
so tritt du dann herfür;
wenn mir am allerbängsten
wird um das Herze sein,
so reiß mich aus den Ängsten
kraft deiner Angst und Pein.
Am 5. März 1668 ist sie dann gestorben. Sie wurde in der St. Nikolaikirche , bei ihren Vorfahren, beigesetzt. Da das Haus nun fast leer war, zog die Schwägerin von Paul Gerhardt ein. Paul Gerhardt dichtete in der Zeit ziemlich selten. Johann Georg Ebeling, ein Sänger und als Organist Nachfolger von Crüger, war der neue Komponist, der zu Paul Gerhardts Liedern die Melodie komponierte. Sie wurden nach einiger Zeit gute Freunde. J. G. Ebeling brachte eine Sammlung mit Paul Gerhardts Liedern heraus, bei denen er die Melodie dazu komponiert hatte. Zu erst brachte er 10 Bände mit jeweils 12 Liedern heraus. Danach folgte ein Gesamtband namens: „Pauli Gerhardi Geistliche Andachten“. Neben Liedern waren auch Gebete im Buch vorhanden. Diese Gesamtausgabe erschien in den Leidens- und Kampfjahren Paul Gerhardts. 120 unveröffentlichte Lieder Paul Gerhardts wurden in dieser Sammlung untergebracht. Viele Lieder waren in Latein geschrieben. Man nannte sie auch „Salvelieder“, da sie immer mit „Salve“ begannen. Paul Gerhardt übersetzte ein solches Lied:
- Sei mir tausendmal gegrüßet,
der mich je und je geliebt,
Jesu, der du selbst gebüßet
das, womit ich dich betrübt.
Ach, wie ist mir doch so wohl,
dass ich knien und liegen soll
an dem Kreuze, da du stirbest
und um meine Seele wirbest.
„In der St. Moritz Kirche in Mittelwalde steht ein Schnitzaltar aus der katholischen Zeit. An der Predella (unterer Altarteil) ist das Schweißtuch der Veronika aufgemalt. Von dort schaut das Haupt voll Blut und Wunden zu den Geistlichen, wenn er zum Gebet an den Altar tritt“
Paul Gerhardt verfasste zu Pfingsten ein Gedicht:
- Du bist das heilig Öle,
dadurch gesalbet ist
mein Leib und meine Seele
dem Herrn Jesu Christ.
Du bist ein Geist, der lehret,
wie man recht beten soll:
dein Beten wird erhöret,
dein Singen klinget wohl.
Du bist ein Geist der Freuden,
von Trauern hältst du nicht,
erleuchtest uns im Leiden
Mit deines Trostes Licht.
Ach ja, wie manches mal
Hast du mit süßen Worten
Mir aufgetan die Pforten
Zum güldnen Freudensaal.
Und zu Weihnachten dichtet er Verse, die von den Kindern auf den Straßen gesungen wurden:
- Quem pastores laudavere,
quibus angeli dicere:
natus est rex gloriae
- (Den die Hirten loben sehre
und die Engel noch viel mehre:
Fürcht´ euch fürbass nimmer mehre,
euch ist geborn ein König der Ehrn).“
Die letzte Fahrt
1668 heiratete der Kurfürst die Prinzessin Dorothea. Sie war auch lutherisch orientiert. Ein neuer Diakonus kam nach Berlin. Nun wusste Paul Gerhardt, dass er nicht mehr lange in dieser Stadt bleiben kann. So war es dann auch. Er kam nach Lübben. Dort starb 1668 der Archidiakonus Konrad Cuisus. Deshalb musste ein neuer Prediger gewählt werden. Am 14. Oktober 1668 hatte Paul Gerhardt eine Probepredigt in der Lübbener Kirche gehalten.
Am 28. Oktober wurde Paul Gerhardt übereinstimmend zum neuen Prediger gewählt. Er wollte, dass das Pfarrhaus, in dem er wohnen sollte, erneuert wird. Aber die Bürger schimpften: „Für den Vorgänger war dieses Pfarrhaus gut genug, und zudem kostet es viel Geld“. Paul Gerhardt wollte seine Schwägerin, die Witwe Fromms mit ihrem Sohn, seinen eigenen Sohn und einige Dienstboten mit in der Wohnung leben lassen. Im Frühjahr 1665 erkrankte sein Sohn Paul Friedrich. Als Trauerlied sang er:
- Schwing dich auf zu deinem Gott,
du betrübte Seele!
Warum liegst du Gott zum Spott
- In der Schwermutshöhle?
Merkst du nicht des Satans Licht?
Er will durch sein Kämpfen
Deinen Trost, den Jesus Christ
Dir erworben, dämpfen
- Ich bin Gottes, Gott ist mein:
Wer ist, der uns scheide?
Dringt das liebe Kreuz herein
Mit dem bitteren Leide?
Laß es dringen, kommt es doch
Von geliebten Händen,
und geschwind zerbricht sein Joch,
wenn es Gott will wenden.
Am 26 Mai 1674 starb seine Schwägerin. 2 Jahre später, 27. Mai 1676, starb Paul Gerhardt selber. Er wurde in der Lübbener Kirche bestattet. Sein Leichnam liegt im Chorgewölbe in der Kirche.
Werke
Insgesamt sind 130 Lieder von Paul Gerhardt erhalten. 26 davon sind im allgemeinen Teil des Evang. Gesangbuches enthalten, weitere in den regionalen Anhängen zum Gesangbuch. Paul Gerhardts Lieblingsgetränk war Bier. Er scheute sich nicht, hart und derb im Alltag zu sein. Alles, was Paul Gerhardt gesungen hatte, kam auch von Herzen. Er schrieb nicht nur über sein Leid, sondern auch über seine Freude in am Leben. Er änderte manche Bibeltexte zu Gedichten um. Man nannte die Kirchenlieder im 16. Jhd. „Bekenntnislieder“, im 17. Jhd. „Glaubenslieder“ und im 18. Jhd. „Zeugnislieder“. Er hatte in seinem Leben wenig Bußlieder gedichtet, denn solche Lieder sind in den Hintergrund getreten. Nur die Lieder nach Lukas 15, Psalm 143 und Psalm 15 kann man als Bußlieder bezeichnen. Paul Gerhardt war, wie die meisten Pfarrer, aus dem Mittelstand gekommen. Er strahlte einen großen Optimismus aus.
Als einer der bedeutendsten Dichter von Kirchenliedern entfaltete Paul Gerhardt eine weltweite Wirkung in den protestantischen Kirchen, da seine Lieder in viele Sprachen übersetzt wurden. Sie haben auch Eingang in die Gesangbücher der reformierten und der katholischen Kirche sowie anderer christlicher Konfessionen gefunden.
Viele Forscher sehen Paul Gerhardt als einen Vorläufer des Pietismus an.
Paul Gerhardt schrieb etwa 130 Kirchenlieder, von denen einige von den Johann Crüger und Johann Georg Ebeling vertont wurden. Die ersten erschienen bereits 1647 im Druck. Zu den bekanntesten gehören
- Du meine Seele singe (EG 302)
- Geh aus mein Herz und suche Freud, Sommerlied (EG 503)
- Ich singe dir mit Herz und Mund (EG 324)
- Nun danket all und bringet Ehr (EG 322/GL 267)
- Auf, auf, mein Herz, mit Freuden nimm wahr, was heut geschicht, Osterlied (EG 112)
- Befiehl du deine Wege, basiert auf Psalm 37 „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl machen“; jeder Vers beginnt mit einem dieser Worte. (EG 361)
- Die güldne Sonne (EG 449)
- Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld, Passionslied (EG 83)
- Fröhlich soll mein Herze springen, Weihnachtslied (EG 36)
- Gib dich zufrieden und sei stille (EG 371)
- Herr, der du vormals hast dein Land (EG 283)
- Ich bin ein Gast auf Erden (EG 529)
- Ich steh an deiner Krippen hier (EG 37/GL 141), von Johann Sebastian Bach vertont.
- Ich weiß, mein Gott, daß all mein Tun (EG 497)
- Ist Gott für mich, so trete (EG 351)
- Kommt und laßt uns Christum ehren (EG 39)
- Lobet den Herren alle die ihn ehren (EG 447/GL 671)
- Nun laßt uns gehn und treten, Lied zur Jahreswende (EG 58)
- Nun ruhen alle Wälder, Abendlied (EG 477)
- O Haupt voll Blut und Wunden, Übersetzung des lateinischen „Salve caput cruentatum“ von Arnulf von Löwen (traditionell Bernhard von Clairvaux zugeschrieben), von Johann Sebastian Bach in der Matthäus-Passion verwendet (EG 85/GL 179)
- O Welt, sieh hier dein Leben, Passionslied (EG 84)
- Sollt ich meinem Gott nicht singen (EG 325)
- Wach auch mein Herz und singe (EG 446)
- Warum sollt ich mich denn grämen? (EG 370)
- Wer wohlauf ist und gesund (EG-Württemberg 674)
- Wie soll ich dich empfangen Adventslied, von Johann Sebastian Bach im Weihnachtsoratorium aufgenommen. (EG 11)
- Wir singen dir, Immanuel
- Zeuch ein zu deinen Toren, Pfingstlied (EG 133)
(EG = Evangelisches Gesangbuch; GL = katholisches Gotteslob)
Literatur (Auswahl)
Hier sind nur neuere Werke aufgeführt, da ältere Biografien häufig erbaulich-panegyrische Akzente aufweisen
- Christian Bunners: Paul Gerhardt. Weg - Werk - Wirkung, Berlin/München, 1993 (grundlegende neuere Biografie).
- Elke Axmacher: Johann Arndt und Paul Gerhardt. Studien zur Theologie, Frömmigkeit und geistlichen Dichtung des 17. Jahrhunderts (Mainzer Hymnologische Studien 3), Tübingen und Bern 2001.
- Befiehl du deine Wege und bleib nicht bei dir stehen, Lieder von Paul Gerhardt und Gedichte von Werner May. Mit Bildern von Cornelia Patschorke, Neufeld Verlag, Schwarzenfeld 2006, ISBN 3-937896-25-2, ISBN 978-3-937896-25-0
- Sven Grosse: Gott und das Leid in den Liedern Paul Gerhardts, Göttingen 2001.
- Jörg Erb: Paul Gerhardt und seine Lieder (Dichter und Sänger des Kirchenliedes, Bd. 3), Lahr 1974.
- Karl Hesselbacher: Paul Gerhardt. Sein Leben -- Seine Lieder (Bd. 1), Neuffen 1977.
- Hans-Joachim Beeskow: Paul Gerhardt 1607 - 1676. Eine Text-Bild-Biographie, Heimat-Verlag Lübben, 2006 Paul-Gerhardt-Biographie.
- Reinhard Ellsel: Du kommst und machst mich groß. Predigten zu Liedern von Paul Gerhardt, Luther-Verlag, Bielefeld 2006.
Werk- und Literaturverzeichnis
- Gerhard Dünnhaupt: „Paul Gerhardt (1607-1676)“, in: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock, Bd. 3. Stuttgart: Hiersemann 1991, S. 1589-98. ISBN 3-7772-9105-6
Organisationen und Einrichtungen mit dem Namen „Paul Gerhardt“
- Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde zu Bremen-Rönnebeck
- Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde Osnabrück & Wallenhorst (Haste-Rulle-Lechtingen)
- evangelische Paul-Gerhardt Kirchengemeinde Kiel, Neumühlen-Dietrichsdorf
- Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde Lueneburg/Neuhagen
- evangelische Paul-Gerhardt Kirchengemeinde Lichtenberg
- Ev.-luth. Paul-Gerhardt-Gemeinde Hamburg-Winterhude
- Ev. Grundschule [Paul-Gerhardt-Schule], Dülmen
- Gemeinschaftsgrundschule Paul-Gerhardt-Schule, Lüdinghausen
- Paul Gerhardt Kirche Hamburg-Bahrenfeld
- Paul-Gerhardt-Stadt Mittenwalde, dort lebte und arbeitete Paul Gerhardt als Probst (1651-1657)
- In Berlin gibt es eine Paul-Gerhardt-Gesellschaft, die als gemeinnütziger Verein das Andenken Paul Gerhardts pflegt.
- In Lübben (Spreewald) bereitet der Paul-Gerhardt-Verein den 400. Geburtstag Paul Gerhardts im Jahre 2007 vor.
- In der seit 1930 Paul-Gerhardt-Kirche heißenden Kirche in Lübben, in der er 9 Jahre seines Lebens wirkte, liegt Paul Gerhardt begraben.
- Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) schreibt 2007 zum 400. Geburtstag des Dichters den Paul-Gerhardt-Preis aus.
- Paul-Gerhardt-Schule in Dassel / Solling, staatl. anerkanntes Gymnasium in Trägerschaft der Ev. Landeskirche Hannovers
- Paul-Gerhardt-Schule in Kahl (Grund- Haupt- & Wirtschaftsschule)
- Eine Grundschule in Bonn-Beuel, die „Paul-Gerhardt-Schule“, welche direkt neben einer Kirche liegt.
- Gemeinschaftsgrundschule Paul-Gerhardt-Schule in Düren
- Der Paul-Gerhardt-Chor in München-Laim gibt Oratorien-Konzerte und gestaltet musikalische Gottesdienste an der dortigen Paul-Gerhardt-Kirche.
- Paul-Gerhardt-Kapelle in Gräfenhainichen
- Paul-Gerhardt-Gymnasium Gräfenhainichen
- Paul-Gerhardt-Haus in Gräfenhainichen
- Paul-Gerhardt-Kirche in Kassel
- Paul-Gerhardt-Gymnasium Lübben
- Paul-Gerhardt-Realschule Münster (Westf.)
- Paul-Gerhardt-Kirche zu Leipzig-Connewitz (Ev.-Luth.)
- Paul-Gerhardt-Stift in der Lutherstadt Wittenberg (Krankenhaus)
- Evangelisch-Lutherische Paul-Gerhardt-Kirche München-Laim
- Paul-Gerhardt-Kirche (Evangelisch-lutherisch) Nürnberg-Langwasser
- Paul-Gerhardt-Gymnasium Dassel
- Paul-Gerhardt-Kirche in Königsborn (Unna)
- Paul-Gerhardt-Kirche in Leverkusen
- Grund- und Hauptschule in Freising
- Paul-Gerhardt-Haus in Bielefeld-Sennestadt
- Paul-Gerhardt-Kirche in Düsseldorf-Unterbach
- Paul-Gerhardt-Kindergarten in Haßloch (Pfalz)
- Paul-Gerhardt-Straße in Bad Vilbel/Heilsberg (Hessen)
Weblinks
- Aktuelles Verzeichnis der Werke Gerhardts im VD17
- Vorlage:PND
- Biographie und Werkübersicht
- Über 110 Zitate von Paul Gerhardt
- Gedichte von Paul Gerhardt
- Hans-Joachim Beeskow: "Geh aus mein Herz und suche Freud..." - Zum historischen Kontext der Lieder von Paul Gerhardt
Personendaten | |
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NAME | Gerhardt, Paul |
KURZBESCHREIBUNG | Dichter von Kirchenliedern |
GEBURTSDATUM | 12. März 1607 |
GEBURTSORT | Gräfenhainichen bei Wittenberg |
STERBEDATUM | 27. Mai 1676 |
STERBEORT | Lübben |