Weltraumwaffe

Weltraumwaffen sind Waffen(-systeme), die im Weltraum stationiert sind oder dort eingesetzt werden können oder solche, die von der Erde aus Ziele im Weltraum angreifen können.
Existierende und geplante Waffensysteme
Im Orbit stationierte Waffen wären zum Beispiel Satelliten, die vom Orbit aus Ziele auf der Erdoberfläche oder im Luftraum angreifen könnten (z.B. Wolfram-Stäbe als Bunkerbrecher, so genannte Rods from God - das Metall Wolfram hat einen extrem hohen Schmelzpunkt und eine noch höhere Dichte als Blei; es könnte daher einen Wiedereintritt in die Atmosphäre überstehen, ohne zu verglühen, meinen die "Theoretiker" dieser Militär-Taktik (einer denkbaren Version des Orbital Bombardment), die damit in der Tat auf ein frühes Konzept des Luftkriegs im 1. Weltkrieg zurückgreifen: Auch damals wurden zunächst erst Metallstifte in großer Zahl statt Bomben auf gegnerische Truppen abgeworfen, die diese durch ihre Aufschlagwucht einfach durchschlugen und somit töteten, allerdings meist solche aus Stahl; vgl. In Stahlgewittern, Kinetische Energie).
Zu den Weltraum einsetzbaren Antisatelliten-Waffen rechnet man insbesondere sogenannte Killersatelliten, vor allem jene, die zu autonomen Annäherungsoperationen ("Autonomous Proximity Operations") fähig sind und so andere künstliche Trabanten angreifen, von ihrer Bahn abbringen, stören oder gar zerstören können.
Waffen, die von der Erde aus Ziele im Orbit angreifen können, könnten Raketensysteme, wie die Vought ASM-135 ASAT oder bodengestützte Hochenergie-Laserwaffen sein, wie das Starfire-Optical-Range-Observatorium des Directed Energy Directorate auf der Kirtland Air Force Base, New Mexico (Fotos eines Tests im Frühjahr 2006: [1]; alle technischen Angaben beziehen sich auf Projekte des US-Militärs). Auch raumgestützte Laser (Space Based Laser, SBL) befinden sich in der Entwicklung; führend ist hier u.a. der US-Rüstungs- und Luftfahrtkonzern Lockheed Martin (vgl. [2]; Laser).
Zu den Weltraumwaffen zählen zudem elektronische Kampfmittel wie spezielle Jammer, beispielsweise das Counter Satellite Communications System, mit dem der Funkverkehr von Kommmunikationssatelliten gestört oder blockiert werden kann (s. dazu: [3], [4]).
Im Frühjahr 2007 soll das Near Field Infrared Experiment (NFire) stattfinden, nachdem es bereits zweimal verschoben wurde.
Interkontinentalraketen gelten manchen nicht als Weltraumwaffen; in den USA jedenfalls werden sie hinzugerechnet, weil sie einen Teil ihrer Flugbahn im All zurücklegen. 1993 wurden die US-amerikanischen ICBM-Streitkräfte in das Air Force Space Command (AFSPC) eingegliedert; am 1. Oktober 2002 wurde das United States Strategic Command (USSTRATCOM) mit dem United States Space Command (USSPACECOM) zusammengelegt.
Geschichte: die vom Krieg stigmatisierte Raumfahrt

Der erste Test einer Antisatellitenwaffe erfolgte in den USA bereits im Oktober 1959, als eine zweistufige Booster-Rakete in großer Höhe von einer B-47 ("Stratojet") aus gestartet wurde, um den Satelliten Explorer-6 abzufangen. Damals war die Raumfahrt gerade einmal zwei Jahre alt. Schon kurze Zeit nach dem Start des Sputnik 1957 betonte der damalige US-Präsident Dwight D. Eisenhower: "Auf die Verteidigung bezogene Zielsetzungen im Weltraum sind jene, denen höchste Priorität beizumessen ist, weil sie zu unserer unmittelbaren Sicherheit beitragen" (zitiert nach [5]).
Zur Hochzeit des Kalten Kriegs stand die Weltraumpolitik sowohl der USA als auch die der Sowjetunion unter dem ideologischen Vorzeichen des Wettstreits der Systeme; nationales und internationales Prestige war für beide Supermächte von überragender Bedeutung (vgl. Wettlauf ins All). Schon deshalb war die Raumfahrt beider Staaten von Beginn an nicht unwesentlich auch ein militärisches Unterfangen - und nicht nur aus dem Grund, dass in der Regel nur die Streitkräfte (vor allem die jeweilige Luftwaffe) über entsprechende Ressourcen bzw. geeignetes Personal verfügten.
Als Reaktion auf den so genannten Sputnik-Schock, der dem Westen u.a. schlagartig klar gemacht hatte, dass sowjetische Interkontinentalraketen jederzeit US-amerikanisches Territorium erreichen hätten können, unterzeichnete Präsident Eisenhower am 29. Juli 1958 den National Aeronautics and Space Act, mit dem die US-Weltraumbehörde NASA ins Leben gerufen wurde. Schon am 7. Januar 1958 war die DARPA gegründet worden (damals noch als ARPA).
US-Monopol oder neues Wettrüsten?
Weltraumwaffen der unterschiedlichsten Art wurden und werden definitiv von den USA und der früheren Sowjetunion, jetzt von Russland gebaut und erprobt.
Vereinigte Staaten von Amerika
Besonders herausragend in den USA ist gegenwärtig das gemeinschaftliche Militärprojekt der US-Luftwaffe und der DARPA namens FALCON, ein Akronym für Force Application and Launch from CONtinental United States, während dessen alltaugliche Hyperschall-Maschinen z.B. zum Verbringen von Waffen oder anderem Gerät in den Weltraum, aber auch zum schnellen Eingreifen an beliebigen Punkten des Planeten gebaut werden sollen. In der Zielprojektion des in drei Phasen gegliederten Vorhabens sollen bis zum Jahr 2009 9000 nautische Meilen in weniger als zwei Stunden zurückgelegt werden können, was den heutigen Begriff von Rapid Deployment Forces (schnellen Eingreiftruppen) erheblich relativieren würde (siehe dazu auch: Boeing X-43A, Eugen Sänger). Aufgrund seiner Geschwindigkeit und Flughöhe benötigte eine solche Maschine in aller Regel noch nicht einmal eine Bewaffnung zur Selbstverteidigung: Es gäbe kein Geschoss, dass sie einholen könnte - mit Ausnahme vielleicht von hinreichend energiereichen Lasern. - Eine unbemannte Version dieses Hyperschall-Flugzeugs, das Hypersonic Cruise Vehicle (HCV), soll nach dem Willen des US-Verteidigungsministeriums bis 2025 einsatzbereit sein und vor allem Transportzwecken diesen, wie es in Berichten heißt (siehe dazu: [6], [7]).
Darüber hinaus wird in den Staaten mit zahlreichen weiteren Systemen experimentiert, von denen einige wesentliche schon angesprochen wurden (s.o.).
Sowjetunion/Russland
Während die Vereinigten Staaten seit Ende der 50-er Jahre des 20. Jahrhunderts nahezu ununterbrochen an militärischen Projekten im und fürs All arbeiten (wenngleich auch mit schwankendem Nachdruck), stellte die Sowjetunion ihre Bemühungen auf diesem Gebiet 1983 noch unter Generalsekretär Jurij Andropow beinahe vollständig ein - nicht zuletzt in der Hoffnung, die USA dadurch zur Aufgabe des seinerzeit gerade eben mit erheblicher Publicity eingeläuteten SDI-Programms zu bewegen, wie man mehrfach in der Literatur liest. In Moskau war man offenbar zu dem Schluss gekommen, den teilweise aberwitzige Auswüchse zeigenden Rüstungswettlauf mit dem potentiellen Feind - insbesondere wirtschaftlich - nicht länger durchstehen zu können, und in der Tat war damals die Floskel von "Totrüsten" der Sowjetunion ein vielverwendetes Schlagwort. Auch nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 blieb die militärische wie die zivile Raumfahrt in Russland im Niedergang begriffen; zahlreiche, teilweise mit erheblichen Aufwand initiierte Vorhaben (bekanntes Beispiel: die als Konkurrenz zum Space-Shuttle intendierte Raumfähre Buran) wurden sang- und klanglos aufgegeben und sind heute im günstigsten Fall museale Relikte.
In einem Kommentar der "Prawda" vom 9. April 2004 allerdings wurde Wladimir Popowkin, Chef der russischen Weltraumtruppen, mit der Äußerung zitiert, Russland habe schon seit der Zeit vor Ronald Reagans Strategic Defense Initiative mehr als einhundert Satelliten im Weltall stationiert, deren Aufgabe es sei, eigene und fremde Raumfahrzeuge zu überwachen (vgl. [8]). Es geht allerdings aus dem Artikel nicht hervor, ob und inwieweit diese Trabanten-Armada noch funktionsfähig ist bzw. ob sie mittlerweile modernisiert wurde. Im gleichen Beitrag wird dem russischen Verteidigungsminister Sergej Iwanow die Äußerung zugeschrieben: "Ohne die Militarisierung des Weltraums ist es gänzlich unmöglich, über die Erhöhung der Beweglichkeit der Streitkräfte zu sprechen oder Präzisionswaffen zu bauen." In der Tat scheint Russland bei der in hohem Maße von Satellitenkommunikation abhängigen elektronischen Kampfführung, die bei den US-Streitkräften schon längst (weltweit) Alltag ist, erhebliche Rückstände aufzuholen haben, was auch für China zutreffen dürfte. Gleiches gilt für satellitengestützte Waffenleit- und Zielerfassungssysteme, von denen z.B. Cruise Missiles abhängig sind.
Erst nach der Jahrtausendwende richtete die russische Luftwaffe ein Kommando für Weltraumtruppen ein, die nun ganz offensichtlich in einer gigantischen Aufholjagd den US-amerikanischen Vorsprung wenn nicht wettmachen, so doch zumindest hinreichend verringern sollen und wollen. Anders als zu Zeiten der Blockkonfrontation ist der Technologietransfer im Zeitalter der "Globalisierung" bedeutend erleichtert; schon das dürfte die Umsetzung dieser fundamentalen Zielsetzung erheblich einfacher gestalten als sie es während des Kalten Krieges gewesen wäre. Umgekehrt setzt das Russland unter Wladimir Putin gerade in jüngster Zeit geradezu (neo-)merkantilistisch auf den Schutz heimischer Schlüsselindustrien (ausländischen Investoren wurde der Erwerb von - nunmehr in der Regel begrenzten - Anteilen an bestimmten russischen Firmen erheblich erschwert oder gänzlich untersagt; strategisch besonders bedeutsame Unternehmen dürfen nicht mehr ohne weiteres, im Einzelfall überhaupt nicht mehr privatisiert werden), ohne dadurch etwa den Rüstungsexport zu verringern - ganz im Gegenteil.
China
Die Volksrepublik China, die offiziell stets ihre strikte Ablehnung einer Militarisierung des Weltalls unterstrichen hat, haben manche Beobachter seit Ende der 90-er Jahre im Verdacht, dennoch an diversen derartigen Systemen zu arbeiten, insbesondere vor dem Hintergrund der schon früher manifesten und nunmehr (seit 2006) unverhohlen angestrebten Vorherrschaft der Vereinigten Staaten im All (s. auch: Bush-Doktrin). "Während sowohl China als auch Russland für ein Verbot von Weltraumwaffen werben, ist für mich klar, dass die Chinesen sich gleichzeitig Wege überlegen, US-Anlagen im Weltraum Schaden zuzufügen", erklärte etwa die US-Weltraumrüstungsexpertin und Direktorin des Center for Defense Information Theresa Hitchens nach einem AFP-Bericht vom 18. Oktober 2006 (s. [9]). Wegen der - noch - begrenzten raumfahrerischen Kapazitäten und Erfahrungen sollen sich die chinesischen Militärs und Wissenschaftler dabei bislang überwiegend u.a. auf Konzepte der asymmetrischen Kriegsführung verlegen, etwa auf so genannte Parasiten-Satelliten, die einfach herzustellen und ins All zu befördern sein sollen und die, an "Wirtssatelliten" angedockt, diese zerstören oder funktionsuntüchtig machen würden (vgl. [10]). Auch beim Pentagon sollen derartige "Mini-Killersatelliten" auf der Wunschliste stehen (s. [11])
Die chinesische Raumfahrt macht allerdings große Fortschritte, so dass in Zukunft durchaus auch elaboriertere militärische Weltraumprojekte von Seiten Pekings denkbar sind: Der nächste bemannte Flug ins All ist bereits für 2007 angesetzt; bis 2010 sollen offiziellen Vertretern zufolge eine eigene Raumstation im Orbit installiert sowie eine unbemannte Mission zum Mond unternommen werden (s. dazu: [12]).
Am 22. September 2006 berichtete ([13]) die US-Website DefenseNews.com, eine in Fachkreisen gemeinhin als vertrauenwürdig (bisweilen aber auch als dem Pentagon und dem militärisch-industriellen Komplex allzu hörig) angesehene Quelle, dass China US-Spionage-Satelliten, die zum Zeitpunkt des Vorfalls (der nicht spezifiziert wird) gerade chinesisches Territorium überflogen, mit hochenergetischen Laserstrahlen markiert und punktiert hatte. Weder über die Absichten noch die Folgen des Manövers seien Einzelheiten bekannt. Offiziell sollen sich die Verantwortlichen in den USA unalarmiert gezeigt haben, wie es hieß, allerdings soll sich ein hochrangiger, namentlich nicht genannter Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums dahingehend eingelassen haben: "Die Chinesen sind sehr strategisch orientiert und extrem aktiv auf diesem Gebiet." Die Vorstellung jedoch, dass China offensive Weltraumtechnologien testet oder in naher Zukunft gar einsetzen könnte, ist nach Einschätzung von Beobachtern möglicherweise ein Grund für den schroff unilateralistischen Unterton der neuen National Space Policy (NSP) der USA (siehe weiter unten).
Indien und andere Aspiranten
Dass eines Tages auch andere Staaten, und nicht nur angehende Großmächte wie Indien, sich genötigt sehen könnten, sich vergleichbare militärische Optionen im All offenzuhalten wie China, wird vielfach befürchtet. Am 12. April 2006 hieß es in einer Meldung des Indo Asian News Service, dass Indien mit der Einrichtung eines "Weltraumwaffenkommandos" begonnen habe. Luftmarschall S.P. Tyagi, Oberkommandierender der indischen Luftwaffe (Indian Air Force, IAF), hob jedoch demnach hervor, man weite das Luftwaffen-Kommando aus, "aber das wird eine Weile dauern." Es sei ein "komplexer Vorgang", an dem drei Dienstleister und Anteilshaber beteiligt seien, zitierte ihn die Nachrichtenagentur. "Alle drei Dienstleister sind Nutzer. Die ISRO (Indian Space Research Organisation [die indische Weltraumforschungsorganisation]) ist ein Nutzer [der zu entwickelnden Systeme]." Zahlreiche Interessenten "werden unsere Einrichtungen im All nutzen". Das Luftfahrtkommando sei dafür vorgesehen, den effektiven Gebrauch der weltraumbasierten Anlagen für militärische Bedürfnisse sicherzustellen; eine gleichzeitig zu gründende Luftfahrtkommission solle den Schirm für die indische Luftfahrtindustrie bilden und eine Roadmap für zivile und militärische Interessenten ausarbeiten. Allerdings schränkte Tyagi dem Bericht zufolge ein: "Wir blicken [damit] eigentlich sehr weit voraus" (vgl. [14]).
Derzeit wird mehr als drei dutzend Staaten zugetraut, mittel- und langfristig zur Entwicklung, zur Dislozierung und zum realen Einsatz von Weltraumwaffen in der Lage zu sein, wobei es natürlich Unterschiede hinsichtlich der Einschätzung der technologischen Avanciertheit entsprechender Systeme gibt.
Europäische Union
Die Staaten der Europäischen Union hingegen beschränken sich gegenwärtig (Stand: Herbst 2006) weitestgehend auf im Weltall stationierte Aufklärungs-, Kommunikations- und Geodäsie-Satelliten (was gelegentlich scharf kritisiert wird); von dezidierten Planungen eines möglichen Baus und Einsatzes aktiver Weltraumwaffen ist derzeit nichts bekannt. Doch selbst am anvisierten, als Konkurrenz zum US-amerikanischen GPS (das ja militärischen Ursprungs ist) gedachten Galileo-System wird bisweilen dessen allzu "zivile" Ausrichtung bemängelt. Kritiker argwöhnen, dass die EU nicht zuletzt dadurch in Belangen der Verteidigungspolitik gegenüber den führenden Weltmächten noch weiter ins Hintertreffen geraten könnte, als sie dies nach allgemeiner Einschätzung ohnehin schon ist.
Anmerkung: Unterschiede in der Informationspolitik
Die Russische Föderation ist hinsichtlich ihrer Informationspolitik zu Verteidigungsprojekten jedweder Art inkl. der politisch-strategischen Vorgaben wesentlich zurückhaltender als die USA, was erst recht für den Einparteienstaat China gilt. Russland verfährt bei der Bekanntgabe von neuen Rüstungsvorhaben höchst selektiv nach den Maßgaben der vermeintlichen oder tatsächlichen (politischen wie kommerziellen) Opportunität (also entweder um potentielle Gegner einzuschüchtern oder um mögliche Kaufinteressenten zu umwerben). - Einzelheiten zu aktuellen militärischen Weltraumprojekten dieser Mächte zu recherchieren ist ungleich diffiziler als im Fall der Vereinigten Staaten, was natürlich nicht heißt, dass es nicht auch dort zahlreiche geheime Vorhaben gibt, über die die Öffentlichkeit zunächst einmal gar nichts erfährt. Zu erwägen ist allemal, dass militärische Quellen den - auch propagandistischen - Vorgaben der jeweiligen Regierungen verpflichtet sind. So ist etwa die gegenwärtige US-Regierung auch personell aufs Engste mit dem militärisch-industriellen Komplex (vor dessen Einfluss Dwight D. Eisenhower in seiner Abschiedsrede als Präsident eindringlich gewarnt hatte), insbesondere auch der Rüstungsindustrie verflochten (vgl. z.B. Stephen Hadley). In Russland kontrollieren große Konzerne wie Gazprom unterdessen bedeutende Teile der Medienlandschaft - allerdings nicht er einzige Grund, weshalb der Stand für unabhängige und kritische Berichterstatter dort immer schwieriger wird.
Die NSP: "Ein gefährlicher Schritt in Richtung Weltraumkrieg?"

Die Stationierung von Massenvernichtungswaffen, also z.B. atomarer Waffen, im Weltall ist durch internationale Abkommen wie etwa den Weltraumvertrag und die SALT-Verträge verboten worden. Die National Space Policy ("Nationale Weltraumpolitik") der US-Regierung unter Präsident George W. Bush, bekanntgegeben Anfang Oktober 2006, relativiert diese internationalen und bilateralen Verträge erheblich.
Russland, China und auch Kanada sowie verschiedene andere Länder wollen die Verbringung jedweder Waffen ins All seit Jahrzehnten im Rahmen eines Vertrags zum Schutz des Weltraums (Space Preservation Treaty, siehe die Weblinks) untersagen lassen; die USA unterlaufen diese Bemühungen jedoch beständig seit Ronald Reagans Star-Wars-Initiative Mitte der 80-er Jahre. Sie befürchten, dadurch nicht nur bei den unter George W. Bush wiederaufgenommenen Bemühungen um ihre nationale Raketenabwehr mit internationalem Recht in Konflikt zu geraten, sollte ein umfassendes Waffenverbot vereinbart werden.
Die Neuformulierung der National Space Policy (letztmals wurde sie unter Bill Clinton 1996 überarbeitet) von 2006 schreibt nun fest, dass sich die USA bei ihrer Weltraumpolitik künftig keinerlei supranationalen Instanzen bzw. Richtlinien unterwerfen werden. Zudem soll Staaten, die den Interessen der Vereinigten Staaten zuwiderhandeln, der Zugang zum All verwehrt werden. Unklar ist, ob damit die Androhung bzw. Anwendung militärischer Gewalt durch die USA - etwa zur Verhinderung von Raketenstarts anderer Nationen - verbunden ist, obgleich mehrere einschlägige Bekundungen in offiziellen US-Strategiepapieren dies zwingend nahelegen (siehe die Weblinks). Zahlreiche Medien sahen und sehen in der NSP daher "einen gefährlichen Schritt in Richtung Weltraumkrieg", wie etwa die renommierte "Technology Review" des MIT titelte (vgl. [15]).
Das USSTRATCOM hat, der National Space Policy folgend, am 11. Oktober 2006 anlässlich seiner Strategic Space and Defense Conference in Omaha (Nebraska) einen Space Control Plan beschlossen, der nach den Worten von Generalleutnant Robert Kehler (Nummer Zwei des Strategischen Kommandos der Vereinigten Staaten) "unsere Weltraumkontrollaktivitäten leitet und [ihnen] den Vorrang gibt". Der Plan strebe an, "offensive Systeme durch Forschung, Entwicklung und Experimente zu verbessern", ergänzte ihn Generalmajor William L. Shelton (offizielle Biografie: [16]), der seit Juli 2006 die Weltraumaktivitäten des zum USSTRATCOM gehörigen Joint Forces Component Command (JFCC SPACE, Sitz: Vandenberg Air Force Base, Kalifornien) befehligt. Vorrangig ist demnach die Verteidigung US-amerikanischer Satelliten gegen Angriffe, wobei es darauf ankomme, die situationsabhängige Lageeinschätzung ("situational awareness") zu verfeinern, also z.B. alle Objekte im All zu verfolgen und jene zu identifizieren, die eine Gefahr für US-Satelliten darstellen könnten (vgl. [17]).
Die NASA hatte schon vorher bei der Neufassung ihres Mission Statements folgerichtig den Schutz der Erde, der früher dezidiert genannt wurde, als ein Ziel ihrer Aktivitäten gestrichen, um den neuen Vorgaben aus Washington Rechnung zu tragen (vgl. [18]).
Galerie
- Weltraumwaffen
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Kinetische Anti-Satelliten-Rakete der US-Luftwaffe (ASAT)
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Ein Kampfflugzeug feuert in großer Höhe eine ASAT-Waffe ab (Zeichnung)
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Ein Flugzeug wird für Testzwecke mit einer ASAT (Antisatellitenwaffe) bestückt
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Militärische Laser der Sowjetunion im Orbit (vermutlich eine Phantasiezeichnung der USAF)
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Sowjetischer ASAT-Satellit, wahrscheinlich aus den 60-er Jahren des 20. Jahrhunderts
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Futuristische Antisatelliten-Waffe (ASAT), die andere künstliche Trabanten offenbar nach dem Verfahren "Kreissäge" zerstören soll... - Phantasiezeichnung
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Eine Boeing 747 "Jumbo-Jet" feuert einen Laserstrahl ins All (Grafik)
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ASAT-Weltraumlaser (Phantasiezeichnung)
Zitate
- In der Tat ist man versucht, wenn man die Literatur zum Thema Weltraumwaffen durchsieht, den Obersten Bundesrichter Potter Stewart und seine Ansicht zur Definition von Obzönität von 1964 zu paraphrasieren: "Ich erkenne sie, wenn ich sie sehe." (Theresa Hitchens, When is a Space Weapon Not a Space Weapon? - vgl. [19])
- Politisch ist es heikel, aber es wird passieren. Einige Leute wollen das nicht wahrhaben, und sicher ist es nicht en vogue, aber - wirklich - wir werden im Weltraum kämpfen. Wir werden vom Weltall aus kämpfen, und wir werden in den Weltraum kämpfen. Das ist der Grund, weshalb die USA Entwicklungsprogramme für gerichtete Energie und kinetische Vernichtungsvorrichtungen [hit-to-kill mechanisms] unterhalten. Wir werden eines Tages vom Weltraum aus irdische Ziele angreifen - Schiffe, Flugzeuge, Ziele an Land. (Joseph W. Ashy, damals Oberkommandierender des US Space Command am 9. August 1996, zitiert nach Karl Grossman, Master of Space, erschienen im "Progressive Magazine", Januar 2000; vgl. [20])
- Jetzt nach dem Kalten Krieg erkennen wir, dass sich der menschliche Weltraumflug letzten Endes als nicht so tiefgreifend erwiesen hat. [...] Der wichtigste Grund, weshalb so wenige Versprechen erfüllt wurden, ist, dass wir immer noch mit modernisierten Versionen deutscher Technologie aus den 1940-ern Leute und Sachen in den Orbit schießen. (Walter McDougall, 1997, zitiert nach Barry D. Watts; vgl. die Weblinks)
- Für Länder, die mit der Methode Panzer und Flugzeuge nie einen Krieg mit den Vereinigten Staaten gewinnen können, könnte ein Angriff auf das US-Weltraumsystem eine unwiderstehliche und höchst verführerische Wahl darstellen. (Wang Hucheng, The U.S. Military's "Soft Ribs" and Strategic Weaknesses, 2000, zitiert nach Phillip Saunders u.a.; vgl. die Weblinks, [21], [22])
- Sollten die Chinesen ein Annäherungsmanöver an einen US-Satelliten durchführen, käme die Reaktion einem Schlaganfall gleich. (Jeffrey Lewis, Space Weapons in US Defense Planning - siehe die Weblinks)
- Es ist im Interesse aller Länder, die Menschheit vor der Bedrohung durch Weltraumwaffen zu schützen. [...] Die Weltall-Anlagen aller Länder wären in Gefahr, die friedliche Nutzung des Weltraums durch die Menschheit bedroht, und der internationale Friede und die Sicherheit untergraben. [...] Die Geschichte der Entwicklung von Atomwaffen erinnert uns beständig, wie schwierig es wäre, sie zu kontrollieren und ihre Weiterverbreitung zu verhindern, ganz zu schweigen davon, sie zu eliminieren, werden Weltraumwaffen erst einmal zur Einsatzreife entwickelt. [...] Wir können es uns einfach nicht leisten, [entsprechende] Maßnahmen zu verzögern und zu warten, bis die Stationierung von Weltraumwaffen und ein Rüstungswettlauf im All Wirklichkeit werden. Der Preis wäre zu hoch. (Der chinesische Botschafter für Abrüstungsangelegenheiten bei der UNCD Cheng Jingye Anfang Juni 2006 nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Xinhua, zitiert nach [23])
- Die Aufrüstung im All zu verhindern ist von überragender Bedeutung für die Stabilität der Welt. Jedwede Stationierung von Waffen maßgeblicher Art im Weltraum, insbesondere solch höchst leistungsfähiger Systeme wie einer Weltraum gestützten Raketenabwehr, könnte Gegenmaßnahmen provozieren. Es gibt viele wichtige Anlagen im All, und es ist sehr wahrscheinlich, dass sie nur im gegenwärtigen Schonraum weiter gedeihen werden, der seit den Tagen von Eisenhower etabliert ist. Vor allem sollten wir nie auch nur die geringste Chance nutzen, Frühwarnsysteme zu beeinträchtigen, von denen der lange nukleare Frieden zwischen den Vereinigten Staaten und Russland weiterhin abhängig sein mag. (Thomas Graham, Jr., a.a.O., 2005 - vgl. die Weblinks. Graham, Sonderbeauftragter mehrerer US-Präsidenten, partizipierte an jeder wichtigen Abrüstungsverhandlung von 1970 bis 1997, an denen die USA beteiligt waren.)
- Die wichtigste Frage ist, was Russland der US-Politik entgegensetzen kann. [...] Wir haben es verlernt, strategisch zu denken. Es kann auch sein, dass die Amerikaner uns mit Absicht in ein Wettrüsten im All verwickeln wollen. (Ex-Kosmonaut Valentin Lebedew, Direktor des Instituts für Geoinformationssysteme der Russischen Akademie der Wissenschaften im Oktober 2006, zitiert nach [24])
- Wenn ausländische Staaten Angriffs-Waffensysteme für das Weltall entwickeln und dort installieren sollten, dann wird Russland angemessene Maßnahmen, sowohl defensive als auch offensive, ergreifen müssen. (Wladimir Popowkin, Befehlshaber der russischen Weltraumtruppen, im Oktober 2006, zitiert nach [25]; siehe auch die Weblinks)
- Die Vereinigten Staaten werden der große Verlierer sein, wenn wir mit Weltraumwaffen so weitermachen. (Laura Grego, Union of Concerned Scientists, im Sommer 2006, zitiert nach [26])
- Bei dieser Politik geht es nicht darum, Weltraumwaffen zu entwickeln oder zu dislozieren. Punkt. (Ein hochrangiger Vertreter der US-Regierung, der ungenannt bleiben wollte, im Oktober 2006 zur National Space Policy, zitiert nach [27])
- Das USSPACECOM ist die einzige Militärorganisation mit einsatzbereiten Streitkräften im Weltraum. Das All als Verantwortungsbereich einzuführen, ist lediglich die Feststellung einer operativen Realität. (United States Space Command: Vision for 2020; s. die Weblinks)
Siehe auch: Palme-Kommission, Strategic Defense Initiative, Rumsfeld Space Commission, Künstlicher Leitstern, Elektronische Kampfführung, Cyberwar, Network Centric Warfare, Galileo (Satellitennavigation), GMES, Rüstungswettlauf, Weltraumhaftung, Pax Americana, National Space Policy
Literatur
- Steven R. Petersen: Space Control and the Role of Antisatellite Weapons. University Press of the Pacific, März 2005. - ISBN 1-41022-183-0
- Thomas Kretschmer et al. (Hrsg.): Militärische Nutzung des Weltraums. Grundlagen und Optionen. - 1. Auflage. - Report Verlag, Dezember 2004. - ISBN 3-93238-518-7
- Loring Wirbel: Star Wars: US Tools of Space Supremacy. Pluto Press (UK), Februar 2004. - ISBN 0-74532-114-3
- Matthew Mowthorpe: The Militarization and Weaponization of Space. Lexington Books, Januar 2004. - ISBN 0-73910-713-5
Weblinks
Offizielle Dokumente und Institutionen
- National Space Policy (Office of Science and Technology, August 2006, PDF, 10 S. - siehe dazu [28], [29], [30], [31], [32])
- 2004 U.S. Air Force Transformation Flight Plan (Office of Force Transformation, DoD, 6. Januar 2005, PDF, 3,37 MB - vgl. [33])
- Strategic Master Plan FY04 and Beyond (US Air Force Space Command, PDF, 507 kB - vgl. [34])
- Statement of General Lance Lord at Hearings on FY 2006 Defense Authorization Budget Request for Space Activities (Senate Armed Services Committee, veröffentlicht am 17. März 2005 - Lance W. Lord war von 2002 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand am 1. April 2006 der Verantwortliche für die Entwicklung, die Akquisition und den Betrieb der Raketen- und Weltraumsysteme der US-Luftwaffe; vgl. [35])
- Air Force Space Battlelab (Schriever Air Force Base, Colorado - vgl. [36])
- Joint Vision 2010 (Grundlage und Rahmen jedweder gegenwärtigen US-Militärplanung; PDF, 1,67 MB)
- United States Space Command: Vision for 2020 (Federation of American Scientists, PDF, 0,97 MB)
- James C. Mulvenon et al., Chinese Responses to U.S. Military Transformation and Implications for the Department of Defense (RAND Corporation, National Defense Research Institute, Santa Monica, 2006 - PDF, 187 S., 676 kB - ISBN 0-8330-3768-4 - erstellt im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums)
- David O. Meteyer, The Art of Peace: Dissuading China from Developing Counter-Space Weapons (INSS Occasional Paper 60, August 2005, USAF Institute for National Security Studies, USAF Academy, Colorado - PDF, 110 S., 654 kB)
- Chinese Space Activities (Überblick der FAS mit Links zu zahlreichen Dokumenten, vgl. dazu: [37], Chinese National Space Administration: [38])
- Prevention of an arms race in outer space, United Nations General Assembly Resolution (A/RES/55/32, "PAROS", Januar 2001, dokumentiert von der FAS, vgl. UNOOSA - von den USA 2005 explizit abgelehnt, nachdem sie sich in den Abstimmungen zuvor lediglich enthalten hatten; Resolution zu friedlichen Nutzung des Weltraums von 1959: [39])
- Transparency and confidence-building measures in outer space activities (A/C.1/61/L.36, 11. Oktober 2006, PDF - russischer Entwurf einer UN-Resolution, der auch von Frankreich und Deutschland mitgetragen wird)
- Space Preservation Treaty (dokumentiert vom Institute for Cooperation in Space, ICIS, Kanada - die USA verweigern die Unterzeichnung)
- Green paper: European space policy (Europäische Kommission, 2003 - PDF, 768 kB; vgl. [40])
NGOs, dedizierte Friedensinitiativen
Kommentare, Berichte, Analysen
- Grant Henninger, Militarization and Weaponization of Space (umfangreicher Weblog zum Thema)
- Pia Kohorst, Europäische Weltraumpolitik und Sicherheitsstrategie im Kontext der US-amerikanischen Weltraumstrategie (Masterarbeit, Hamburg, Juli 2004 - PDF, 68 S., 1,82 MB)
- Gebhard Geiger, Europas weltraumgestützte Sicherheit: Aufgaben und Probleme der Satellitensysteme Galileo und GMES (Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik, September 2005)
- Wladimir Popowkin, Die russische Weltraumverteidigung - Zurück in die Zukunft (RIA Nowosti, 12. Oktober 2006 - Generaloberst Wladimir Popowkin befehligt die Weltraumtruppen des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation; Foto: [41])
- Phillip Saunders u.a., China's Space Capabilities and the Strategic Logic of Anti-Satellite Weapons (Center for Nonproliferation Studies, Monterey Institute of International Studies, 22. Juli 2002, überarbeitet am 27. Juni 2006 - dazu auch: [42])
- Florian Rötzer, Laserwaffe gegen Satelliten (Telepolis, 6. Mai 2006)
- Thomas Graham, Jr., Space Weapons and the Risk of Accidental Nuclear War (Arms Control Association, Dezember 2005) - vgl. Atomkrieg)
- Jeffrey Lewis, Space Weapons in US Defense Planning (International Network of Engineers and Scientists Against Proliferation, Bulletin 23, 2005)
- Barry D. Watts, The Military Use of Space: A Diagnostic Assessment (George Washington University, Februar 2001, PDF, 866 kB)
- U.S. Military Takes First Step Towards Weapons in Space (ABC News, 30. März 2004)
- Leonard David, U.S. Air Force Plans for Future War in Space (Space.com, 22. Februar 2004)
Foren
- Spacedebate.org - Expanding The Debate on Space Weaponizition (Diskussions-Wiki à la Pro & Kontra, USA)
Historisches
- Dwayne A. Day, The Cold War in space (The Space Review, 31. Juli 2006)
- Deepcold - Secrets of the Cold War In Space: 1959-1969 (vielfach ausgezeichnete Computergrafiken und -Videos)
- Photo Gallery - IS-A - Bilder historischer Antisatelliten-Satelliten und -waffen (ASATs)