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Alfred Hitchcock

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Alfred Hitchcock (1963)

Sir Alfred Joseph Hitchcock KBE (* 13. August 1899 in London; † 29. April 1980 in Los Angeles) war ein Filmregisseur und Filmproduzent britischer Herkunft. Am 20. April 1955 nahm Hitchcock zusätzlich die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an.

Mit einem Gesamtwerk von 53 Spielfilmen, einer Fernsehserie, die seinen Namen trug, und seinem Talent zur Selbstvermarktung hat es Hitchcock zu großem internationalen Ruhm gebracht.

Obwohl er sich in seiner Karriere in verschiedenen Genres versuchte und die meisten seiner Filme mit Humor gewürzt sind, verbindet man mit seinem Namen hauptsächlich Mord, Spannung und Nervenkitzel. Das hat ihm den inoffiziellen Titel des Master of Suspense eingebracht. Hitchcock war einer der einflussreichsten Regisseure überhaupt und inspirierte auf Jahrzehnte hinaus die Filme seiner Kollegen.

In vielen seiner Filme erzählte Hitchcock in immer neuen Varianten die Geschichte des unbedarften Durchschnittsbürgers, der aus seinem Alltagsleben gerissen und in gefährliche Abenteuer verwickelt wird.

Leben und Werk

1899 - 1939: England

Kindheit und Jugend

Alfred Hitchcock wurde am 13. August 1899 in Leytonstone, London, als jüngster Sohn des Gemüsehändlers William Hitchcock und dessen Frau Emma Jane Hitchcock, Tochter eines irischstämmigen Polizisten, geboren. Durch den Altersunterschied von sieben bzw. neun Jahren zu seinen Geschwistern, durch seine römisch-katholische Erziehung in einem protestantisch geprägten Land und nicht zuletzt durch sein Äußeres – er war klein und schon als Kind korpulent – hatte er eine einsame Kindheit. Seine Freizeit verbrachte er vor allem mit dem Lesen von Fahrplänen. Zwischen 1910 und 1913 besuchte er drei Jahre lang das St.-Ignatius-College, einer Londoner Jesuiten-Schule, die für ihre strenge Erziehung gefürchtet war. Hitchcock flüchtete in Romane, besuchte Theatervorstellungen und ging ins Kino. Er verfolgte Mordprozesse im Old-Bailey-Gerichtshof und besuchte gerne Kriminalmuseen.

Mit knapp 14 Jahren verließ er das St.-Ignatius-College. Er besuchte Abendkurse auf der Londoner Universität und diverse Handwerkskurse. Im Dezember 1914 starb sein Vater, zu dem er kein enges Verhältnis hatte. Von nun an war seine Mutter für mehrere Jahre die einzige Bezugsperson in seinem Leben. Hitchcock verließ die Schule und besuchte für wenige Monate die School of Engineering and Navigation und lernte dort vor allem Technisches Zeichnen.

Im Frühjahr 1915 nahm Hitchcock eine Stelle als Technischer Angestellter bei der W. T. Henley Telegraph Company an, die elektrische Leitungen herstellte. Die Arbeit langweilte ihn derart, dass er sich wieder in Abendkursen weiterbildete und Kunstgeschichte lernte. Er begann zu zeichnen und wurde auch prompt in die Werbeabteilung versetzt. Er ging oft ins Kino, vor allem in die Premieren deutscher und französischer Filme. Er war außerdem von den Werken von D. W. Griffith, Buster Keaton, Douglas Fairbanks sen. und Mary Pickford beeindruckt. Er begann, sich für die technische Seite der Filmproduktion zu interessieren, für Bildgestaltung, Kameraarbeit und Beleuchtung. Zudem las er in dieser Zeit viele Romane, vor allem Detektivromane von G. K. Chesterton, und John Buchan - und er entdeckte Edgar Allan Poe und Gustave Flaubert. Insbesondere Chesterton und Poe beeinflussten sein späteres Schaffen maßgeblich. Im Juni 1919 erschien in der Betriebszeitschrift von Henley eine von Hitchcock geschriebene Kurzgeschichte mit dem Titel „GAS“, in der ein albtraumhafter Zahnarztbesuch beschrieben wird. Unterschrieben war die Geschichte mit „Hitch“ – diesen Spitznamen behielt Hitchcock bis zum Ende seines Lebens.

Erste Schritte im Filmgeschäft

Im Frühjahr 1920 hörte Hitchcock von der Neugründung eines Studios der amerikanischen Produktionsgesellschaft Paramount Famous Players-Lasky im Londoner Stadtbezirk Islington. Er bewarb sich mit einer Mappe voller Illustrationen für einen geplanten Film, der allerdings nie gedreht wurde. Auf Teilzeitbasis zeichnete er Entwürfe für weitere Filme und bald darauf wurde er als Zeichner von Zwischentiteln angestellt. Er half aus, wo er konnte und übernahm freiwillig weitere Aufgaben: Er entwarf Kostüme, Dekorationen und Szenenbilder und schrieb Drehbücher um. Dabei machte er durch seinen Eifer auf sich aufmerksam.

Als 1923 der Regisseur des Films Always tell your wife gefeuert wurde, bat man Hitchcock, zusammen mit dem Autoren Seymour Hicks die wenigen fehlenden Szenen zu drehen. Nach dieser Feuerprobe war Hitchcock reif für seine erste Regiearbeit. Der Film Number Thirteen blieb jedoch aufgrund akuter finanzieller Schwierigkeiten des Studios unvollendet.

Anfang 1923 mietete der Produzent Michael Balcon das leerstehende Studio in Islington. Hitchcock wurde als Regieassistent eingestellt und kümmerte sich nebenbei noch um Szenenbild und Script. Er schrieb das Buch für den Film Woman to Woman. Balcon stellte auf Hitchcocks Bitte seine spätere Frau, die Cutterin Alma Reville an. Hitchcock und Reville kannten sich seit 1921, sie arbeiteten gelegentlich an denselben Filmen. Aber bis dahin hatte es keinerlei private Kontakte gegeben.

Bis 1925 entstanden vier weitere Filme mit Hitchcock als Regieassistent des Regisseurs Graham Cutts, bei denen er zum dessen wachsendem Unmut mehr und mehr Aufgaben übernahm. Er kümmerte sich neben dem Drehbuch um die Bauten, das Szenenbild, die Besetzung, die Kostüme und die Ausstattung. Mit entscheidend für Hitchcocks weiteres künstlerisches Schaffen war in dieser Zeit eine Reise nach Berlin. In einer englisch-deutschen Co-Produktion entstand The Blackguard bzw. Die Prinzessin und der Geiger, wie der vorwiegend mit deutschen Schaupielern gedrehte Film wegen der Beteiligung der deutschen Ufa auch heißt. In den Babelsberger Filmstudios - zu dem Zeitpunkt die modernsten der Welt - fand er die Zeit, neben seinen üblichen Aufgaben Friedrich Wilhelm Murnau bei den Arbeiten an Der letzte Mann zu beobachten und übernahm bereits für die Szenenbilder von The Blackguard einige von dessen Techniken. Hitchcock erfuhr in dieser Zeit viel über Licht und Schatten, über Perspektive und Spannungsaufbau. Er lernte, Geschichten über die Kraft der Bilder zu erzählen und diese Erfahrungen prägten sein späteres Schaffen als eigenständiger Regisseur.

Ab 1925 begannen regelmäßige Treffen der London Film Society, bei denen Literaten, Filmschaffende und Filmkritiker zusammenkamen, um über das aufstrebende Medium Film zu sprechen, das zu diesem Zeitpunkt dabei war, in England langsam als Kunstform anerkannt zu werden. Hitchcock traf dort auf wichtige und einflussreiche Persönlicheiten, unter anderem George Bernard Shaw und H. G. Wells. Mit vielen Mitgliedern sollte Hitchcock in den kommenden Jahrzehnten persönlich zu tun bekommen, zum Beispiel mit dem Filmkritiker Ivor Montagu, dem Cutter Angus McPhail, dem Verleiher und Theaterbesitzer Sidney Bernstein oder dem Kritiker Walter Mycroft.

Hitchcock als Stummfilmregisseur

1925 übertrug Michael Balcon Hitchcock die Regie für einen eigenen Film. Da für den Film eines unbekannten Regie-Debütanten in England kein Geldgeber gefunden werden konnte, wurde der Film von der deutschen Münchner Lichtspielkunst co-produziert und Hitchcock zu den Dreharbeiten in die Emelka-Studios nach München geschickt. Dort drehte er mit Irrgarten der Leidenschaft seinen ersten vollendeten Stummfilm. Drehbuchautor war Elliot Stannard, der bis 1928 die Bücher zu sieben von Hitchcocks insgesamt neun Stummfilmen schrieb.

Obwohl der Film von der britischen Verleihgesellschaft abgelehnt wurde und es nach der deutschen Uraufführung 1925 in England vorerst nicht zur Vorführung kam, hatte Hitchcock in Balcon einen Förderer gefunden. Dieser vertraute ihm die Regie für die beiden Filme Der Bergadler und Der Mieter an. Diese wurden 1926 gedreht, und kamen in kurzer Reihenfolge zusammen mit seinem Debütfilm Anfang 1927 heraus. Irrgarten der Leidenschaft und vor allem Der Mieter waren bei Kritikern und Publikum sehr beliebt. In der düsteren Kriminalgeschichte Der Mieter, die visuell stark vom Expressionismus im Stile Murnaus beeinflusst ist, hatte Hitchcock bereits sein Thema gefunden und er begann, sich selbst als Markenzeichen zu etablieren.

Alfred Hitchcock und Alma Reville heirateten im Dezember 1926. Beruflich und künstlerisch spielte Alma in Hitchcocks Leben bis zu seinem Tod im Jahr 1980 eine sehr wichtige Rolle. Sie wirkte bis 1949 an den Drehbüchern von 16 seiner Filme mit und war bis zum Schluss Hitchcocks engste künstlerische Beraterin. 1928 wurde ihre gemeinsame Tochter Patricia geboren, die später in drei Filmen ihres Vaters in Nebenrollen zu sehen war.

1927 drehte Hitchcock noch zwei weitere Filme für Balcon, bevor er, bei deutlich höherem Gehalt, zur neu gegründeten Firma British International Pictures des Produzenten John Maxwell wechselte. Sein erster Film für BIP, Der Weltmeister, war gleichzeitig auch sein erster Film nach einem Originaldrehbuch und wurde von der Presse hoch gelobt. Es folgten drei eher belanglose Stummfilme, die Hitchcock hauptsächlich als Fingerübung nutzte und in denen lediglich bei einzelnen Szenen seine eigene Handschrift erkennbar ist. Dennoch hatte sich Hitchcock in Großbritannien innerhalb kurzer Zeit einen Namen gemacht, seine Filme waren kommerziell erfolgreich und bei den Kritikern beliebt. Die junge britische Filmindustrie, stark darauf bedacht, sich von der amerikanischen abzuheben, war gerne bereit, ihn als aufkommenden Regiestar zu feiern.

Die ersten Tonfilme in Großbritannien

Mit Erpressung (1929), dem ersten britischen Tonfilm, kehrte Hitchcock wieder zum Thriller zurück. Das Drehbuch schrieb er selbst nach einem Theaterstück von Charles Bennett, der in den 1930er Jahren mehrere Drehbücher für die englischem Filme Hitchcocks schreiben sollte. Viele Regisseure konnten mit dem Aufkommen des Tonfilms nichts anfangen, sie hielten ihn für das Ende des künstlerischen Films. Nicht so Hitchcock: Die neu aufgekommene Verbindung der beiden Medien weckte seinen Spieltrieb und er erkannte früh das Potential und die Möglichkeiten, die der Ton dem Film bot. So setzte er in seinen ersten Tonfilmen schon Musik ein, obwohl ein nachträgliches Bearbeiten der Tonspur zu diesem Zeitpunkt technisch noch nicht möglich war. Daher wurde ein Orchester hinter den Kulissen versteckt, um die entsprechenden Stellen musikalisch zu untermalen. Hitchcock ließ die polnische Stummfilmschauspielerin Anny Ondra ihre Dialoge in Erpressung sogar stumm spielen und sie neben der Kamera von der englischen Schauspielerin Joan Barry simultan synchronisieren.

Erpressung wurde ursprünglich als Stummfilm gedreht, die Produzenten erlaubten Hitchcock jedoch, nachträglich eine Filmrolle mit Tonmaterial zu drehen, was Hitchcock insbesondere dazu nutzte, einzelne Schlüsselszenen, nun mit gesprochenem Dialog oder mit entsprechenden Toeneffekten, neu zu konzipieren. Erpressung wurde zu einem riesigen Erfolg, Hitchcocks Name war in aller Munde. Da er jedoch vertraglich noch gebunden war, konnte er sich seine Stoffe nicht selbst aussuchen und musste weiter vorwiegend Auftragsfilme drehen.

Hitchcock erkannte, dass der Weg in die Unabhängigkeit mit der Vermarktung seines Namens einhergehen würde. So stellte er einen Werbefachmann ein und gründete die Hitchcock Baker Prod., eine Gesellschaft, die ausschließlich dafür zuständig war, Öffentlichkeitsarbeit für und mit seiner Person zu betreiben.

Hitchcock musste 1930 zwei weitere, von der Produktionsgesellschaft verordnete Filme drehen und wurde sogar dazu verpflichtet, einige Szenen für den Musikrevuefilm Elstree Calling beizutragen. Erst mit Mord – Sir John greift ein! fand er wieder sein Thema und konnte dementsprechend glänzen. Wie viele der frühen Tonfilme wurde auch Mord – Sir John greift ein! in verschiedenen Sprachversionen mit unterschiedlichen Schauspielern gedreht. Hitchcock reiste dazu nach Berlin und inszenierte den Film unter dem Titel Mary ein zweites Mal mit deutschen Schauspielern. Es folgten drei weitere Filme, von denen Hitchcock nur die Komödie Endlich sind wir reich wirklich interessierte, in der Alfred und Alma Hitchcock unter anderem Erfahrungen ihrer noch jungen Ehe verarbeiteten.

Nach einem Einsatz für BIP als Produzent und sechs insgesamt unbefriedigenden Jahren endete Hitchcocks Vertrag mit British International Pictures. Die meisten der Filme, die Hitchcock für John Maxwells Produktionsgesellschaft gedreht hatte, waren Auftragsarbeiten gewesen, die ihm vom Produzenten und dessen Produktionsleiter, dem früheren Filmkritiker Walter Mycroft aufgedrängt worden waren. Er hatte keinerlei Interesse daran gehabt, weil ihn der Stoff nicht interessierte und sie keine Herausforderungen für seine kinematographischen Vorstellungen darstellten. Die Zusammenarbeit hatte zudem zunehmend unter Einmischungen und Bevormundungen und daraus entstehenden persönlichen Abneigungen gelitten.

Die Blütezeit des britischen Vorkriegskinos

Nach dem Auslaufen des Vertrags mit British International Pictures unternahm Hitchcock 1934 für den unabhängigen Produzenten Tom Arnold einen Abstecher in das Genre des Musicals, bevor er die fruchtbare Zusammenarbeit mit Michael Balcon wieder aufnehmen konnte. In den nächsten Jahren entstanden hintereinander sechs erfolgreiche und für das Filmvokabular Hitchcocks außerordentlich bedeutende Thriller: Der Mann, der zuviel wußte, Die 39 Stufen (1935), Geheimagent (1936), Sabotage (1936), Jung und unschuldig (1937), und Eine Dame verschwindet (1938). Der Thriller Der Mann, der zuviel wußte wurde von Kritik und Publikum enthusiastisch aufgenommen. Das Drehbuch erarbeiteten im Wesentlichen Hitchcock, seine Frau Alma und der Drehbuchautor Charles Bennett. Bei der Drehbucharbeit traf Hitchcock Angus McPhail wieder, den er zehn Jahre zuvor in der London Film Society kennen gelernt hatte. McPhail war es, der den Begriff des McGuffin als handlungsvorantreibendes Element erstmals verwendete. Hitchcock übernahm den Begriff umgehend und wird seither als "Erfinder" des McGuffin angesehen. Die 39 Stufen wirkt als leichter, spannender Film um einen zu Unrecht verdächtigten und gejagten Mann wie eine Blaupause späterer Meisterwerke, erreichte den Erfolg des Vorgängerfilms mühelos und wird heute häufig als der beste britische Hitchcockfilm angesehen. Eine ähnlich hohe Anerkennung genießt der Thriller Eine Dame verschwindet, dessen leichter, komödiantischer Ton zu einem Markenzeichen Hitchcocks wurde.

Hitchcock festigte mit diesen sechs Filmen seine Ausnahmestellung innerhalb des britischen Kinos. Er verstand es Mitte der 1930er Jahre bereits, mit leichter Hand virtuos spannende Geschichten zu erzählen und er verwendete schon damals all die Elemente, Motive und Erzählweisen, die auch für sein späteres Werk bestimmend waren: aus dem Nichts heraufziehendes Unheil, die Verkettung zweier Schicksale, Schuldübertragung, turbulente Verfolgungssituationen, Spionageringe, undurchsichtige Frauen, unschuldig Verdächtigte, charmante Schurken, herrische Mütter und nicht zuletzt MacGuffins.

Geprägt wurde diese Zeit auch durch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit verschiedenen Personen: Der Kameramann Bernard Knowles setzte von 1935 bis 1939 fünf Filme Hitchcocks ins Bild. Mit Die 39 Stufen begann auch die Zusammenarbeit mit dem Komponisten Louis Levy, der auch die Filmmusik zu vier weiteren dieser englischen Erfolgsfilme schrieb. Während der Vorbereitung zu Die 39 Stufen stellte Hitchcock zudem eine junge Frau als Sekretärin ein, die eine seiner langjährigsten Mitarbeiterinnen werden sollte: Joan Harrison wurde bald darauf zur persönlichen Assistentin befördert und bis 1942 schrieb sie an diversen Drehbüchern mit. Nach einer längeren Pause produzierte sie ab Mitte der 1950er Jahre Hitchcocks Fernsehserie.

Bereits nach Sabotage endete die zweite erfolgreiche Phase der Zusammenarbeit mit Michael Balcon, als die Produktionsfirma Gaumont British von deren Besitzern geschlossen wurde und Balcon kurzerhand entlassen wurde. Die weiteren beiden Filme drehte Hitchcock daher für Gainsborough Pictures.

Hitchcock bescherte mit diesen Filmen dem britischen Kino, das bis dahin nach wie vor künstlerisch keinen Vergleich mit Festlandeuropa oder den USA aushalten konnte, dessen bis dahin glanzvollste Zeit. Er stieß jedoch mit den in England zur Verfügung stehenden Mitteln an seine Grenzen. Außerdem war Hitchcocks Ruf mittlerweile auch nach Amerika und Hollywood gelangt und Hitchcock wusste zu diesem Zeitpunkt bereits, dass seine Zukunft in Hollywood liegen würde. Er beauftragte die Selznick-Joyce-Agentur, deren Mitinhaber Myron Selznick der ältere Bruder des Hollywood-Moguls David O. Selznick war, seine Interessen wahrzunehmen. Myron Selznick wurde bis zu seinem Tod 1944 ein enger Berater Hitchcocks. Nach einigem Hin und Her unterzeichnete Hitchcock 1938 auf einer Reise in die USA einen Vertrag für die Prdoduktionsesellschaft von David O. Selznick, der damals gerade mit der Vorproduktion zu Vom Winde verweht beschäftigt war.

In Gedanken bereits in Amerika, drehte Hitchcock in England noch einen letzten Film. Riff-Piraten war ein Kostümfilm um eine Strandpiratenbande im britischen Cornwall Ende des 18. Jahrhunderts. Der Film stand aufgrund der problematischen Zusammenarbeit mit dem exzentrischen Star Charles Laughton unter einem schlechten Stern und wurde von der Presse durchweg verrissen.

1939 - 1953: Erste Erfolge in Hollywood

Erste Erfolge in Hollywood – David O. Selznick

Aus dem Trailer für Der Auslandskorrespondent

1939 wanderte Hitchcock mit seiner Frau Alma und seiner Tochter Patricia in die USA aus. Hitchcocks Anfangsjahre in Hollywood waren gekennzeichnet durch Beschränkungen seiner Kreativität aufgrund der damals üblichen starken Einflussnahme des jeweiligen Produzenten auf die künstlerische Umsetzung. Insbesondere betraf dies Hitchcocks Zusammenarbeit mit dem Produzentenmogul David O. Selznick, bei dem er insgesamt acht Jahre lang unter Vertrag stand, jedoch in dieser Zeit nur drei Filme für ihn drehte.

Hitchcocks erster amerikanischer Film Rebecca hatte ein sehr britisches Gesicht. Gedreht nach dem Buch der Britin Daphne du Maurier, spielte das Melodram in einem englischen Herrschaftshaus im ausgehenden 19. Jahrhundert. Er fokussierte auf die Psychologie der Figuren und kam bis auf einzelne dramaturgische Höhepunkte ohne große Spannungsmomente aus, ein eher untypisches Hitchcock-Setting. Die Zusammenarbeit mit David O. Selznick erwies sich als äußerst schwierig. Selznick war ein „Kontrollfreak“, er bombardierte seine Regisseure mit seitenlangen Memos und mischte sich stark in ihre kreative Arbeit ein. Die Differenzen schienen dem Film jedoch nicht zu schaden: Rebecca gewann 1940 den Oscar als bester Film, den Selznick als Produzent von Rebecca erhielt. Einen weiteren Oscar erhielt der Kameramann George Barnes. Eine Oscar-Nominierung erhielt darüber hinaus der Komponist Franz Waxman, der im Jahr darauf auch für Verdacht nominiert wurde und später noch für zwei weitere Hitchcock-Filme die Musik schrieb.

Hitchcock wurde im Laufe der Jahre für große Summen, von denen er selbst nur einen Bruchteil erhielt, an andere Studios ausgeliehen. So entstanden im Jahre 1941 zwei Filme für RKO: Verdacht war der erste von insgesamt vier Filmen, die Hitchcock zwischen 1941 und 1959 mit Cary Grant drehte. Grant wurde innerhalb dieser Filme zu Hitchcocks Alter Ego auf der Leinwand, zu der Person, die Hitchcock im wirklichen Leben gerne gewesen wäre, wie es Hitchcocks Bieograph Donald Spoto formulierte. Der zweite Film für RKO war Mr. und Mrs. Smith nach einem Drehbuch von Norman Krasna. Diesen Film, einen einmaligen Ausflug in das klassische, aber für Hitchcock untypische Genre der Screwball-Komödie, drehte er ausschließlich der Hauptdarstellerin Carole Lombard zuliebe.

Sein Lieblingsmotiv des unschuldig Verfolgten variierte Hitchcock 1942 für Universal in Saboteure. Für dasselbe Studio drehte er ein Jahr später Im Schatten des Zweifels, einen sehr persönlichen Film mit eindeutigen autobiographischen Zügen, den Hitchcock später als seinen Lieblingsfilm bezeichnete. Der Film behandelt ein bei Hitchcock häufig wiederkehrendes Thema, den Einzug des Bösen und Dämonischen in die „heile Welt“.

Zwei weitere außergewöhnliche Werke aus dieser Schaffensperiode drehte Hitchcock mit Ingrid Bergman: In Ich kämpfe um dich (1945) experimentierte Hitchcock inhaltlich und formal mit dem Thema Psychoanalyse, für die damalige Zeit ein Wagnis. Die Traumsequenzen des Films wurden auf Wunsch von Hitchcock vom surrealistischen Maler Salvador Dalí umgesetzt. Dieser Film entstand erstmals nach Rebecca wieder unmittelbar für Selznick. George Barnes, der bereits für Rebecca den Oscar als bester Kameramann erhalten hatte, wurde erneut nominiert, ohne den Preis allerdings zu gewinnen. Das Drehbuch erarbeitete Hitchcock zusammen mit Ben Hecht und seinem alten Freund Angus McPhail.

Der Spionagethriller Berüchtigt (1946) konzentrierte sich für einen Hitchcockfilm ungewöhnlich stark auf die von Ingrid Bergman und Cary Grant dargestellten Hauptfiguren und ihre Gefühle. David O. Selznick verkaufte den Film als Gesamtpaket aus Drehbuch, Drehbuchautor, Regisseur Hitchcock sowie den Hauptdarstellern an RKO, die ihn anschließend produzierte. Im Zuge der Dreharbeiten zu diesen beiden Filmen entwickelte Hitchcock eine sehr persönliche, jedoch einseitige Beziehung zu Ingrid Bergman.

Das Gerichtsdrama Der Fall Paradin war 1947 Hitchcocks letzter Film für Selznick, der als Produzent wieder sehr stark Einfluss nahm. Er wählte nicht nur sämtliche Hauptdarsteller gegen Hitchcocks Vorstellungen aus, sondern schrieb auch noch selbst das Drehbuch. Während des Drehens veränderte er dieses überdies permanent, was Hitchcocks gewohnter Arbeitsweise und seinen Prinzipien diametral zuwider lief. Hitchcock nahm es in der Gewissheit hin, dass nach Ende der Dreharbeiten die schwierige Zusammenarbeit mit dem exzentrischen Produzenten endlich ein Ende haben würde.

Hitchcock und der Zweite Weltkrieg

Hitchcock vermied es Zeit seines Lebens, politische Statements abzugeben oder gar in seinen Filmen zu transportieren. Der in Europa wütende Zweite Weltkrieg und die Vorwürfe der Drückebergerei, die er sich von ehemaligen britischen Kollegen gefallen lassen musste, gingen jedoch nicht spurlos an ihm vorbei. So appellierte er 1940 in dem ansonsten eher unpolitischen Spionagethriller Der Auslandskorrespondent (United Artists) an das noch neutrale Amerika, in den Krieg einzutreten. Das Drehbuch schrieb ein letztes Mal Charles Bennett, mit dem Hitchcock in England wenige Jahre zuvor erfolgreich zusammengearbeitet hatte. Mit Der Auslandskorrespondent begann gleichzeitig die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor Ben Hecht, der herangezogen wurde, um den Schlussmonolog zu schreiben. Hecht wirkte bis 1951 an sechs weiteren Drehbüchern für Hitchcock mit.

Auch Das Rettungsboot (20th Century Fox, 1943), ein Film nach einer ausschließlich auf einem Rettungsboot spielenden Geschichte von John Steinbeck, hatte eine politische Botschaft: Nur gemeinsam hat der zusammengewürfelte, ideologisch zerstrittene Haufen britischer und amerikanischer Schiffbrüchiger eine Chance, gegen den entschlossenen Nazi vorzugehen. Hitchcock wurde für den Oscar nominiert, erhielt den Preis jedoch nicht.

Im Auftrag des britischen Informationsministeriums drehte Hitchcock 1944 zwei Kurzfilme: Mit Gute Reise und Aventure Malgache sollten Frankreichs Kriegsanstrengungen unterstützt werden. Im Rahmen dieser Arbeit traf er wieder auf seinen alten Bekannten Angus McPhail, der die Drehbücher für beide Filme schrieb. 1945 half Hitchcock als dramaturgischer Berater bei dem Dokumentarfilm The Memory of the Camps über die Konzentrationslager der Nazis.

Sein eigener Herr – Gründung der "Transatlantic Pictures"

Die 1940er-Jahre gelten als das „goldene Zeitalter“ des Kinos, viele Millionen Menschen strömten wöchentlich in die Lichtspielhäuser. Auch die meisten Filme Hitchcocks dieser Zeit waren erfolgreich, machten ihn und ihre Produzenten reich und Hitchcock auch in Amerika bekannt. Jetzt galt es, die völlige Kontrolle über die Filme wieder zurückzugewinnen, doch dazu musste er sein eigener Herr werden. 1948 lief der Vertrag mit David O. Selznick aus und Hitchcock gründete gemeinsam mit Sidney Bernstein, der zu diesem Zeitpunkt Besitzer einer großen britischen Kino-Kette war, die Produktionsfirma Transatlantic Pictures. Hitchcock war mit Bernstein bereits seit den 1920er-Jahren befreundet.

Der Film Cocktail für eine Leiche (1948) war für Hitchcock und Transatlantic Pictures der erste Farbfilm. In einer Art Kammerspiel, das nur in einer einzigen Wohnung spielt, experimentierte Hitchcock mit sehr langen Einstellungen. Dieser Film behandelte die typischen Hitchcock-Motive der Schuldübertragung und der latenten Homosexualität. Er ist ein Lehrbeispiel für den Hitchcockschen Suspense, blieb jedoch vor allem aus technischen Gründen in Erinnerung: Hitchcocks Umgang mit der Farbe und vor allem die bis zu zehn Minuten langen ungeschnittenen Szenen, die den Eindruck eines mehr oder weniger in einer Einstellung gedrehten Films hinterlassen. Mit zwei Ausnahmen war es Hitchcock gelungen, die Schnitte, die durch die Länge der verfügbaren Filmrollen und durch Umbauten in der Kulisse nötig waren, so zu verstecken, dass das Publikum selbst bei aufmerksamer Betrachtung Mühe hat, sie zu entdecken. Eine der Hauptrollen spielte James Stewart, mit dem Hitchcock bis 1958 drei weitere Male zusammenarbieten sollte. Stewart galt neben Cary Grant als das zweite Leinwand-Alter-Ego Hitchcocks. Im Gegensatz zu den charmanten, leichtfüßigen und humorvollen, wenn auch zuweilen unseriös erscheindenden Figuren Grants jedoch spielte Stewart ernste, eher ambivalente Rollen, instable Charaktere, Männer mit körperlichen Makeln oder psychischen Problemen. Figuren, mittels derer Hitchcock eines seiner Lieblingsthemen, die Brüchigkeit der heilen, bürgerlichen Welt, ideal umsetzen konnte.

Hitchcocks nächster Film Sklavin des Herzens (1949), ein für ihn untypischer melodramatischer Kostümfilm, war vor allem ein Vehikel für Ingrid Bergman. Trotz der Starbesetzung und obwohl der Film sehr ambitioniert war und verschiedene typische Motive Hitchcocks verwendete, wurde er ein Misserfolg. Nach diesen beiden kommerziellen Misserfolgen ging Transatlantic in Konkurs und Hitchcock und Bernstein mussten sich wieder trennen, blieben jedoch bis zum Ende befreundet.

Nachdem sein Berater und Agent Myron Selznick 1944 gestorben war, wurden Hitchcocks Interessen von mehreren anderen Personen wahrgenommen, bevor er 1948 mit Lew Wasserman zusammentraf. Wasserman war seit 1946 Präsident der weltgrößten Künstleragentur MCA, der sich Hitchcock 1948 anschloss. Von da an betreute Wasserman Hitchcock exklusiv. Hitchcock und Wasserman wurden enge Freunde und die Zusammenarbeit sollte sich in den folgenden Jahrzehnten für beide auszahlen.

Rückkehr zu Schwarzweiß – Die Zeit bei Warner Brothers

Hitchcock stand nun als Produzent vollständig auf eigenen Füßen. Er schloss einen äußerst lukrativen Vertrag mit Warner über vier Filme, bei denen er als Regisseur und Produzent bei der Auswahl der Stoffe und bei der künstlerischen Umsetzung völlig freie Hand hatte. Der erste dieser Filme war der Schwarzweiß-Thriller Die rote Lola (1950) mit Marlene Dietrich, der im Londoner Theatermilieu spielte, und für den Hitchcock in seine Heimat zurückkehrte. Hitchcock stellte in Die rote Lola sein Lieblingsmotiv des unschuldigen Verfolgten auf den Kopf, indem dieser sich am Ende doch als der wahre Mörder entpuppt. Der Film wurde kein großer Erfolg.

Erst Der Fremde im Zug (1951), ein klassischer Schwarzweiß-Thriller Hitchcockscher Prägung, brachte den angestrebten Erfolg. Mit diesem Film begann eine der längsten und fruchtbarsten Zusammenarbeiten in Hitchcocks Karriere. Der Kameramann Robert Burks filmte von da an bis 1964 alle Hitchcock-Filme mit Ausnahme von Psycho. Im Laufe dieser Zeit entwickelte sich ein beinahe blindes Verständnis zwischen den beiden. Burks' Name ist untrennbar mit Hitchcocks erfolgreichster Phase verbunden. Wie schon in Die rote Lola spielte Hitchcocks Tochter Patricia in dieser Patricia Highsmith-Verfilmung eine Nebenrolle. Der dritte Schwarzweiß-Film in Folge, Ich beichte (1951) handelt wieder einmal vom Thema Schuldübertragung. Er festigte künstlerisch Hitchcocks Ruf, war jedoch kommerziell ein Misserfolg.

Das Kino steckte seit Anfang der 1950er-Jahre in seiner ersten Krise, das Fernsehen hielt Einzug in die Wohnzimmer und lief der großen Leinwand den Rang ab. Mit neuen technischen Verfahren wie dem Breitbildformat Cinemascope oder dem auf räumliche Effekte bauenden 3D-Verfahren sollten wieder Zuschauer gewonnen werden. Bei Anruf Mord (1954) ist die Verfilmung eines damals sehr populären Theaterstücks, das auf Drängen von Warner Brothers im 3-D-Verfahren aufgenommen wurde. Über dieser Entscheidung war Hitchcock nicht glücklich, da sie die Bewegungsfreiheit der Kamera deutlich einschränkte und den Zuschauer als externen und neutralen Beobachter definierte, statt ihn in das Geschehen hineinzuziehen. Hitchcock nutze die ihm verbliebenen Möglichkeiten so gut es ging und setzte nur recht wenige Effekte ein, wegen derer es sich lohnt, die 3-D-Version anzuschauen. Bei Anruf Mord war der erste von drei Filmen in Folge, die Hitchcock mit Grace Kelly drehte. Hitchcock und Kelly verstanden sich persönlich sehr gut und waren bis zu Hitchcocks Tod befreundet. Einer noch weitergehenden Zusammenarbeit stand nur Kellys spätere Heirat mit Fürst Rainier von Monaco und ihr damit zusammenhängender Rückzug aus dem Filmgeschäft 1956 entgegen.

Alles in allem war die Zeit bei Warner Brothers für Hitchcock nach den Erfahrungen bei Selznick eine positive Zeit. Er versprach Warner daher, für sie so bald wie möglich ohne Gage einen weiteren Film zu drehen. Dieses Versprechen löste er zwei Jahre später mit Der falsche Mann ein.

1953 - 1980: Die Jahre der Reife

Die Filme bei Paramount

Vom Beginn seiner Karriere bis Anfang der 1950er Jahre hatte Hitchcock knapp 40 Spielfilme gedreht. Unter diesen waren etliche Meisterwerke, aber auch schwächere Werke oder gar Filme, die er nur auf Drängen des jeweiligen Produzenten drehte und für die er selbst wenig bis kein Interesse aufbringen konnte. Die Zusammenarbeit mit Warner Brothers bedeutete hier bereits eine Wende. Hitchcock konnte sich seine Stoffe aussuchen und hatte weitgehende künstlerische Freiheiten. Die Erfahrung mit Bei Anruf Mord und dem aufgezwungenen 3-D-Verfahren zeigte ihm jedoch auch hier seine Grenzen. Folgerichtig schloss Hitchcock 1953 einen neuen Vertrag mit Paramount ab, der ihm völlige künstlerische Freiheit bescherte und der dafür sorgen sollte, dass Hitchcock von nun an nur noch Wunschprojekte realisierte, was sich erst Mitte der 1960er Jahre wieder ändern sollte.

1954 begann somit Hitchcocks erfolgreichste Ära: In Das Fenster zum Hof ist neben Grace Kelly ein weiteres Mal James Stewart zu sehen. Wie schon in Cocktail für eine Leiche spielt die Handlung in einem einzigen Raum. Die Hauptfigur sitzt während des gesamten Films im Rollstuhl und beobachtet – sozusagen stellvertretend für den Zuschauer – durch ein Teleobjektiv das Geschehen in den gegenüberliegenden Häusern. Hitchcock ist in Das Fenster zum Hof in der Lage, mit geringsten Mitteln aus lediglich einem vagen Verdacht Spannung zu erzeugen und bis zum grandiosen Finale aufrecht zu halten. Das Fenster zum Hof wird von vielen Hitchcock-Fans als ihr Lieblingsfilm bezeichnet.

1955 folgte der nächste Film. Über den Dächern von Nizza ist ein leichter, romantischer Thriller, in dem neben Grace Kelly Cary Grant spielt, den Hitchcock nach zwei Jahren Filmpause reaktivierte. Um dem Glamour dieses an der Cote d’Azur angesiedelten Films etwas entgegenzusetzen, drehte Hitchcock im selben Jahr noch einen ungewöhnlich kleinen Film, die schwarze Komödie Immer Ärger mit Harry, in dem Shirley MacLaine neben John Forsythe ihren ersten Filmauftritt hatte. Edmund Gwenn, der schon zwischen 1931 und 1942 dreimal für Hitchcock gespielt hatte, spielte fast achtzigjährig eine seiner wenigen Filmhauptrollen.

1955 nahm Hitchcock - rund 10 Jahre nach seiner Frau - die amerikanische Staatsbürgerschaft an und begann mit Doris Day und James Stewart die Dreharbeiten zu Der Mann, der zuviel wußte, einem Remake seines gleichnamigen Films aus dem Jahre 1934. Wie Cocktail für eine Leiche, Das Fenster zum Hof, Immer Ärger mit Harry und Vertigo verschwand Der Mann, der zuviel wußte für viele Jahre komplett von der Bildfläche und ist erst seit Mitte der 1980er-Jahre wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Rechte an diesen Filmen lagen bei Hitchcock und waren Teil des Nachlasses an seine Tochter.

Mit Der falsche Mann wagte Hitchcock 1956 wieder einmal ein Experiment: In dem in Schwarzweiß gehaltenen Film mit Henry Fonda in der Hauptrolle wird an authentischen Schauplätzen die wahre Geschichte eines Mannes erzählt, der zu Unrecht verurteilt wird. Mit diesem Film löste Hitchcock sein Versprechen gegenüber Warner Bros. ein, einen weiteren Film für die Produktionsgesellschaft ohne Gage zu drehen. Nachdem Hitchcock mit dem ersten Drehbuchentwurf von Maxwell Anderson unzufrieden war, griff er wieder einmal auf seinen alten Freund Angus McPhail zurück, der das Drehbuch zur allseitigen Zufriedenheit fertigstellte.

Hitchcocks anhaltender Erfolg in den 1950er Jahren ist auch dem Umstand geschuldet, dass er es verstand, nach und nach Mitarbeiter um sich zu scharen, mit denen er im künstlerischen Bereich auf einer Linie lag. Diese Personen hatten einen großen Anteil an der gleichbleibend hohen Qualität der Filme in diesen Jahren. So stammten die Drehbücher der vier Filme von Das Fenster zum Hof bis Der Mann, der zuviel wusste von John Michael Hayes. Es ist allgemein anerkannt, dass sich Hitchcocks und Hayes' Erzählstil ausgezeichnet ergänzten. Die Zusammenarbeit beider endete jedoch 1956 in Missstimmung. Das Fenster zum Hof war auch der Beginn der Zusammenarbeit mit der Kostümbildnerin Edith Head, die bis zum Ende für fast alle seiner Filme die Kostüme entwerfen sollte, und der Anfang einer weiteren weiteren erfolgreichen Zusammenarbeit. Der Cutter George Tomasini war von da an bis zu seinem plötzlichen Tod 1964 für den Schnitt fast aller Hitchcock-Filme bis einschließlich Die Vögel verantwortlich. Tomasini verstand es, Hitchcocks Intentionen meisterlich umzusetzen und sein Anteil am Gesamterscheinumgsbild von Hitchcocks Meisterwerken der 1950er und frühen 1960er Jahre ist nicht zu unterschätzen. Ein weiterer Mitarbeiter stieß zu dieser Zeit zu Hitchcocks Team hinzu: Herbert Coleman, der zuvor bei Paramount als Regieassistent und künsterlischer Berater gewirkt hatte. Hitchcock setzte ihn von 1954 bis 1969 mehrfach als Second Unit Director und ab 1955 als Associate Producer ein und beide verband ebenfalls eine Freundschaft.

Immer Ärger mit Harry war die erste Zusammenarbeit Hitchcocks mit dem Komponisten Bernard Herrmann, der bis einschließlich Marnie (1964) alle Filmmusiken für Hitchcock kompononieren sollte. Herrmann gilt seitdem als der Hitchcock-Komponist. Er verstand es wie kein anderer, die Hitchcocksche Art der Spannungserszeugung in Form von Musik umzusetzen. Seine Filmmusiken für Vertigo und Der unsichtbare Dritte sind Klassiker und diese Filme ziehen eine großen Teil ihrer Wirkung aus Herrmanns Musik. Mit Der Mann, der zuviel wusste begann die erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem Art Director Henry Bumstead, der Hitchcock von John Michael Hayes empfohlen worden war und der maßgeblich die Ausstattung und damit das Gesamterscheinungsbild des Films bestimmte. Hitchcock war mit Bumsteads Arbeit so zufrieden, dass er ihn später bei drei weiteren Filmen verpflichtete, die ebenfalls durch ihre prächtige Ausstattung bestechen sollten: Vertigo, Topas und Familiengrab.

Suzanne Gauthier, eine Angestelle von Paramount, wurde 1955 Hitchcocks Assistentin und später, bis zu seinem Tod, seine Privatsekretärin und enge Vertraute. 1957 stellte Hitchcock Peggy Robertson ein, um die Szenenanschlüsse zu überwachen. Mit ihr hatte er bereits 1949/1950 zusammen gearbeitet, seinerzeit noch unter ihrem Mädchennamen Peggy Singer, und sie in guter Erinnerung behalten. Die Zusammenarbeit entwickelte sich positiv und Robertson stieg bald zu persönlichen Assistentin Hitchcocks auf, was sie bis 1979 bleiben sollte.

Hitchcock und das Fernsehen

Auf den Rat seines Agenten Lew Wasserman hin stieg Hitchcock 1955 in das Fernsehgeschäft ein. Er produzierte bis 1965 seine eigene wöchentliche Fernsehserie Alfred Hitchcock Presents, die ab 1962 The Alfred Hitchcock Hour hieß. Insgesamt entstanden mehr als 350 Fernsehfilme innerhalb dieser Reihen. Hitchcock gründete die Fernsehproduktionsfirma Shamley Productions und fungierte als Produzent der Serie, was ihm auch für seine Fernsehaktivitäten Unabhängigkeit und Kontrolle über die Produktionen sicherte. Das Tagesgeschäft legte er in die Hände von langjährungen Mitarbeitern: Joan Harrison, seine ehemalige persönliche Assistentin, produzierte die Serie bis 1963. Ihr Nachfolger wurde der Schauspieler Norman Lloyd, zuvor bereits Co-Produzent der Serie und seit Saboteure mit Hitchcock bekannt. Schließlich fungierte sein enger Vertrauter Herbert Coleman 1965 als Produzent. Hitchcock inszenierte 17 Folgen von Alfred Hitchcock Presents und einen Beitrag für The Alfred Hitchcock Hour selbst. In vielen Folgen übernahm er die Moderatorenrolle und begrüßte das Publikum am Anfang der Folgen, indem er mit ungerührter Miene makabre Ansagetexte sprach. Diese Auftritte steigerten seine ohnehin schon große Popularität und machen ihn zu einer nationalen Berühmtheit. Darüber hinaus drehte Hitchcock eine Folge für die ebenfalls von Shamley Productions produzierte Serie Suspicion sowie eine Folge der Fernsehserie Startime. Auch diese Folge wurde von Hitchcocks Produktionsgesellschaft produziert.

Vier Meisterwerke

Was das künstlerische Schaffen betrifft, besteht unter Kritikern weitgehende Einigkeit, dass die Jahre zwischen 1958 und 1963 den Höhepunkt in Hitchcocks Karriere darstellen. In diesen Jahren inszenierte Hitchcock vier inhaltlich sehr unterschiedliche Meisterwerke von außergewöhnlicher Qualität, die das Kino nachhaltig beeinflusst und verändert haben.

1958 drehte Hitchcock für Paramount Vertigo – Aus dem Reich der Toten. Das Drehbuch entstand in gemeinsamer intensiver Arbeit von Hitchcock und Samuel A. Taylor. Zu seiner Entstehungszeit war Vertigo nicht besonders erfolgreich. Inzwischen gilt dieser vielschichtige, geheimnisvoll wirkende Film um Obsessionen und Täuschungen jedoch für viele als sein bestes und tiefsinnigstes Werk. In der Abgründigkeit und Düsterkeit von Vertigo kündigte sich bereits Hitchcocks Spätwerk an.

Der unsichtbare Dritte, den Hitchcock 1959 für MGM drehte, wird allgemein als die Summe und Krönung des klassischen Hitchcock-Themas angesehen, bei dem ein Unschuldiger um seine Reputation und um sein Leben kämpft. Es ist Hitchcocks letzter Film mit Cary Grant und Grants wahrscheinlich bekanntester Film überhaupt. Hitchcock und sein Drehbuchautor Ernest Lehman konzipierten Der unsichtbare Dritte als eine Abfolge von Abenteuern, die der von Grant gespielte Held auf der Suche nach der Lösung des Rätsels überstehen muss. Der unsichtbare Dritte und die Leichtigkeit und Eleganz dieses Films haben sehr viele danach entstandene Filme beeinflusst, nicht zuletzt auch die in den 1960er Jahren entstandenen James-Bond-Filme oder die Indiana-Jones-Filme. Der unsichtbare Dritte ist für lange Zeit Hitchcocks letzter vorwiegend heiterer Film.

Es folgt Psycho (1960), Hitchcocks wohl nach wie vor berühmtester Spielfilm und sein letzter Film für Paramount. Psycho ist ein in schwarz-weiß gedrehter, für Hitchcocks Verhältnisse ungewöhnlich brutaler Low-Budget-Film, mit dem Hitchcock dem damals in den USA sehr populären Genre des Horror-B-Movies nachhaltig seinen Stempel aufdrückte und das Publikum über alle Maßen schockte. Die darin enthaltene Duschszene gehört zu seinen bekanntesten und den meistanalysierten Filmszenen überhaupt. Der Grafikdesigner Saul Bass, der für diesen und die beiden vorangegangenen Filme die Titelsequenzen schuf, entwarf nach Hitchcocks Vorgaben die gezeichneten Storyboards, nach der diese Szene gedreht wurde.

Mit Die Vögel drehte Hitchcock 1962 schließlich einen weiteren Horrorfilm, ein apokalyptisches und in Bezug auf Dramaturgie und Spannungsaufbau stilbildendes Werk, das zudem völlig ohne Filmmusik und nur mit elektronischen Geräuscheffekten auskommt, die von dem deutschen Komponisten Oskar Sala geschaffen wurden. Die Vögel entstand für Universal, für die Hitchcock von nun an alle Filme drehen sollte. Die weibliche Hauptrolle spielte Hitchcocks Entdeckung Tippi Hedren, die er mit einem langfristigen Vertrag an sich band.

Hitchcock und die Nouvelle Vague

Mit der Nouvelle Vague entwickelte sich seit den späten 50er Jahren in Frankreich eine neue Art und Weise, Filme zu machen. Viele Protagonisten dieser Bewegung begriffen sich nicht nur als Filmemacher, sondern als Cineasten, die zugleich „Filmpolitik“ betrieben, sich mit Film auf einer filmtheoretischen Ebene auseinandersetzten und ihre Vorstellungen vom Kino etwa in der Filmzeitschrift Cahiers du cinéma formulierten. Sie postulierten den Autorenfilm, in dem der Regisseur die alleinige küstlerische Gewalt über Stoffauswahl und -umsetzung hat. Hitchcock wurde von den Vertretern dieser Richtung wie beispielsweise François Truffaut als „auteur“ gefeiert und in Büchern und Artikeln dementsprechend gewürdigt. 1955 erschien das erste Buch überhaupt über Alfred Hitchcock, geschrieben von den damaligen Filmkritikern und späteren Regisseuren Eric Rohmer und Claude Chabrol. Hitchcock war in Frankreich sehr populär, spätestens nachdem 1956 ein Hitchcock-Sonderheft der Cahiers du cinéma erschien. Im August 1962 nahm sich Hitchcock eine Woche Zeit, um dem damals 30-jährigen französischen Filmkritiker und Regisseur François Truffaut ein 50-stündiges Interview zu geben. Truffaut befragte Hitchcock chronologisch zu dessen bisherigen 48 Filmen. Das Interview erschien 1966 in Buchform, Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? gilt seitdem als ein Meilenstein der Filmliteratur. Dieses Buch und das Engagement von Filmkritikern und -theoretikern trugen dazu bei, die Rezeption von Filmen allgemein zu verändern und auch Hitchcock verdankt ihnen, heute nicht nur als Regisseur von Unterhaltungsfilmen anerkannt zu sein, sondern als eigenständiger Künstler zu gelten.

Jahre der Krise

Nach Die Vögel gibt es in Hitchcocks Arbeit einen Bruch: Die folgenden drei Filme der 1960er-Jahre konnten künstlerisch und kommerziell an die vorangegangenen Erfolge nicht heranreichen.

Marnie (1964), wieder mit Tippi Hedren in der Hauptrolle, ist ein Psychogramm einer verstörten, traumatisierten Frau. Der Film gilt gegenüber den vier zuletzt entstandenen, bei Publikum und Kritikern gleichermaßen anerkannten Meisterwerken, vielen als schwächeres Werk. Dem Film wurden ursprünglich viele handwerkliche Fehler unterstellt, die so interpretiert wurden, dass Hitchcock kein allzu großes Interesse an dem Film gehabt habe. Erst Jahre später wurde die augenscheinliche Künstlichkeit mancher Schlüsselszenen als Stilmittel und als Ausdruck des geistigen Zustands der Titelfigur erkannt.

Bis 1964 hatte Hitchcock ein sehr hohes kreatives Output: Ein Film pro Jahr war üblich, in manchen Jahren waren es zwei. Nun ließ er es etwas langsamer angehen. Die Strapazen einer langen Karriere machten sich bemerkbar und er hatte mittlerweile Schwierigkeiten, neue Stoffe zu finden, die ihn interessierten.

Auch mit seinen nächsten beiden Filmen stieß er bei Kritikern und Publikum auf ein geteiltes Echo. In Der zerrissene Vorhang (1966) und Topas (1969) griff Hitchcock auf das Genre des Spionagefilms zurück, in dem er bereits in den 1930er-Jahren große Erfolge gefeiert hatte. Deutlicher als damals zeigte er nun das Spionagegeschäft von seiner härteren, illusionslosen Seite: Als ein Metier, in dem sich jeder die Hände schmutzig macht, sogar zum Mörder werden kann, und in dem es keine Helden geben kann. Der zerrissene Vorhang war Hitchcocks 50. Spielfilm, was von einer groß angelegten Marketingkampagne begleitet wurde. Der Film leidet jedoch unter dem wachsenden Desinteresse, das Hitchcock dem Projekt im Laufe der Zeit entgegen brachte. Er enthält manche erinnerungswürdige Szene, jedoch fällt er handwerklich und dramaturgisch deutlich hinter Hitchcocks Meisterwerke der 1950er Jahre zurück.

Die beiden folgenden Jahre verbrachte Hitchcock mit der Suche nach einem geeingneten Stoff, doch aus den verschiedensten Gründen bleib diese Suche erfolglos. Schließlich willigte Hitchcock unter dem Druck der langen Pause seit dem letzten Film, und der noch längeren Pause seit dem letzten Erfolg, ein, den Roman Topas von Leon Uris zu verfilmen. Mit der Drehbucherstellung gab es Probleme, so dass Hitchcock letztendlich auf seinen Freund Samuel A. Taylor zurückgriff, mit dem er erfolgreich das Drehbuch von Vertigo erarbeitet hatte. Taylor gelang es dann auch, unter zeitlichem Druck ein angesichtes der widrigen Umstände brauchbares Drehbuch zu erstellen. Mit dem fertigen Film war jedoch niemand so recht zufrieden, auch Hitchcock nicht. Erstmals nach Verdacht (1941) hatte man noch während des Drehens keinen brauchbaren Schluss für den Film gefunden. Das letztlich im Film verwendete Ende wurde ohne Hitchcocks Zutun mit Taylors Hilfe von Universal zusammengebastelt.

Die letzten Jahre

Die letzten Jahre von Hitchcocks Leben und Wirken stehen im Zeichen der Vollendung seines Werks, großer Ehrungen und gesundheitlicher Probleme: Zwischen 1969 und 1971 wurde Hitchcock mit diversen Preisen und Auszeichnungen geehrt. Unter anderem wurde er in Paris zum Ritter der Ehrenlegion geschlagen, außerdem erhielt er den Golden Globe Award. 1971 kehrte Hitchcock für die Dreharbeiten zu Frenzy (1972) nach England zurück. Frenzy ist ein harter, brtutaler, zum Teil bitterer und sarkastischer und mit tiefschwarzem britischen Humor durchzogener Film. Frenzy war Hitchcocks letzter großer Erfolg, was nicht zuletzt auch der Tatsache geschuldet ist, dass er einmal mehr das Thema des unschuldig Verfolgten behandeln konnte. Zudem ist Frenzy Hitchcocks humorvollster Film seit Der unsichtbare Dritte.

Von schwerer Arthritis und entsprechender Medikation gezeichnet, drehte er 1976 mit Familiengrab noch einen letzten Film. Familiengrab entstand nach einem Drehbuch von Ernest Lehman, mit dem Hitchcock bereits bei Der unsichtbare Dritte erfolgreich zusammen gearbeitet hatte. Hitchcock bricht hier mit einem seiner wichtigsten Prinzipien: Er erlaubte es den Schauspielern, eigene Vorschläge für ihre Texte und ihr Spiel zu machen und zu improvisieren. Besonders sinnfällig wird dies am Schluss des Films, wenn Barbara Harris in die Kamera blickt und zwinkert. Hitchcock entschloss sich, diese Einstellung in der Endfassung des Films zu belassen.

Bis 1978 arbeitete Hitchcock noch an seinem unvollendet gebliebenen Projekt The Short Night. Aufgrund wachsender gesundheitlicher Probleme – neben Arthritis auch noch Herzprobleme und Alkoholismus – sah er sich 1979 gezwungen, sein Büro auf dem Gelände der Universal-Studios zu schließen. Im März desselben Jahres ehrte ihn das American Film Institute für sein Lebenswerk. Am 3. Januar 1980 wurde Hitchcock seine Erhebung zum Knight Commander of the Order of the British Empire überreicht, die einem Ritterschlag gleichkommt.

Am 29. April 1980 starb Afred Hitchcock in seinem Haus in Los Angeles an Nierenversagen.

Inhalte und Formen – Das Hitchcock-Universum

In rund 50 Jahren hat Alfred Hitchcock 53 Spielfilme als Regisseur begonnen und beendet. Die weitaus größte Zahl dieser Filme gehört zum Genre des Thrillers an und weist ähnliche Erzählmuster und Motive auf, immer wiederkehrende Elemente, visuelle Stilmittel und Effekte, die sich wie ein roter Faden durch sein Gesamtwerk ziehen. Diese Elemente variierte und perfektionierte Hitchcock im Laufe der Jahre, sie sind jedoch für seine Arbeitsweise und sein Filmverständnis von Anfang an typisch und stilbildend.

Arbeitsweise

Einer der wichtigsten Aspekte der Arbeitsweise Alfred Hitchcocks war, dass er von der Stoffauswahl bis zum Endschnitt normalerweise nichts dem Zufall überließ, sondern die völlige Kontrolle über die Herstellung des Films beanspruchte. So war nach seinen (Wunsch-) Vorstellungen ein Film schon vor Beginn der Dreharbeiten insofern „fertig“, als Einstellung für Einstellung im voraus festgelegt war. Diese Arbeitsweise, die er seit Beginn seiner Regisseurtätigkeit pflegte, stand im Gegensatz zu der damals in Hollywood üblichen Methode, die einzelnen Szenen mehrfach durchgehend aus unterschiedlichen Kamerapositionen zu drehen, um später im Schneideraum die Möglichkeit einer Vielzahl von Schnittvariationen zu besitzen. Hitchcocks großes Talent, genau zu wissen, mit welchen Bildern, mit welcher Einstellungsgröße, in welchem Kamerawinkel, in welchem Rhythmus eine Figur, eine Szene oder eine Emotion am besten auszudrücken war, führten demgegenüber zu einer ökonomischen Arbeitsweise. Der Hauptgrund für dieses Vorgehen aber war, dass Hitchcock ein Regisseur war, der seine Filme über das Visuelle entwickelte: Ein wesentlicher Aspekt bei Hitchcocks Arbeitsweise ist die Entwicklung der einzelnen Szenen aus „Bildern“, die expliziten Kameraeinstellungen entsprechen, und die er bereits im Kopf hatte. Um diese „Bilder“ möglichst genau im fertigen Film wieder zu finden, benutzte er vorgezeichnete Storyboards, in denen sich jede Einstellung des Films gezeichnet wiederfand.

Hitchcocks Arbeitsweise, nur das zu drehen, was ihm nötig schien, um seine vorgefertigten Vorstellungen umzusetzen, erfüllte noch einen anderen Zweck: So hatte er mehr Kontrolle über den Film, ein Umschneiden war praktisch nicht möglich. Diese Arbeitsweise war somit auch ein Mittel im Konflikten mit Produzenten. So verärgerte er mit ihr in seinen ersten Hollywoodjahren einen Produzenten wie David O. Selznick, der dazu neigte, sich in die Dreharbeiten einzumischen. Auf der anderen Seite musste sich Hitchcock im Verlauf seiner Karriere immer wieder äußeren Rahmenbedingungen anpassen, zum Beispiel den Wünschen von Produzenten, engen Zeitplänen, den Terminplänen der Studios und der Stars, begrenzten Budgets oder unfertigen Drehbüchern bei Drehbeginn. In diesen Fällen musste Hitchcock improvisieren, was ihm normalerweise zuwider war.

Hitchcocks Filme basieren auf Kurzgeschichten, Romanen und Entwürfen von Autoren, zum Teil auf Bühnenstücken, gelegentlich auch auf eigenen Ideen. Hitchcock arbeitete dabei eng mit seinen Drehbuchautoren zusammen. Selten dagegen basierten seine Filme auf anerkannter, hochwertiger Literatur. Wenn Hitchcock existierende Vorlagen benutzte, übernahm er einzelne Grundzüge und Grundmotive der Handlung und entwickelte daraus oft eine völlig neue Geschichte, mit anderen Charakteren, Handlungsorten und Inhalten. Hochwertige, komplexe Literatur sperrte sich gegen diesen Umgang und Hitchcock scheute daher deren Verfilmung, auch aus Respekt gegenüber literarisch hochwertigen Vorlagen, blieb in der Regel doch von der Vorlage im fertigen Film nicht viel übrig. Hitchcock wurde nach 1932 bei keinem seiner Filme offiziell als Autor in Vor- oder Abspann erwähnt. Sein Anteil am Drehbuch war jedoch bei den meisten dieser Filme groß.

Hitchcock sah viele Filme anderer Regisseure, obwohl er nie viel Aufhebens darum machte. Er vermied es jedoch konsequent, vorhandene Stile zu kopieren oder andere Filme oder Regisseure zu zitieren. Abgesehen von seinen Anfangsjahren, als er zum Unwillen seiner Produzenten bzw. Geldgeber versuchte, Elemente des deutschen Expressionismus in den britischen Film einzuführen, sind in Hitchcocks Werk keine Filme, Szenen oder Einstellungen bekannt, von denen man sagen könnte, dass sie bewusste Zitate oder Kopien aus entsprechenden Filmen anderer Regisseure seien.

Auch vermied es Hitchcock, andere Filme explizit zu bewerten oder gar zu kritisieren. Er machte allerdings keinen Hehl daraus, dass er die meisten Filme uninteressant fand. Für ihn war Film immer eine artifizielle Kunstform, die nicht anstreben oder beanspruchen sollte, das wahre Leben darzustellen. Nur einmal - in Der falsche Mann - wich er von diesem Grundsatz ab, nicht ohne zu Beginn des Films selbst auf der Leinwand zu erscheinen, um das Publikum auf die Authentizität des nun Folgenden hinzuweisen. Ansonsten hielt er sich jedoch strikt an die von ihm konsequent beherzigte Regel, dass der Film einer anderen Dramaturgie folgt, als das Leben. Ironisch formulierte er es so: „For me, the cinema is not a slice of life, but a piece of cake.“ (Für mich ist das Kino keine Scheibe vom Leben, sondern ein Stück vom Kuchen).

Stilmittel

Die Tatsache, dass Hitchcock üblicherweise nur exakt die Einstellungen drehte, die er für den fertigen Fim benötigte, verweist auch auf seinen Umgang mit den Mitteln des Films.

Hitchcock hat die Entwicklung der Tricktechnik aufmerksam beobachtet und schon sehr früh - gelegentlich zum Missfallen seiner Produzenten - neue Trickverfahren eingesetzt, wie zum Beispiel das Schüfftan-Verfahren oder Matte Painting und er hat seit dem Aufkommen des Tonfilms mit Toneffekten, die die Dramaturgie unterstützen, gearbeitet und Musik nicht nur untermalend sondern dramaturgisch eingesetzt – am sinnfälligsten am Ende von Der Mann, der zuviel wußte.

In seinen Filmen tauchen immer wieder ungewöhnliche filmische Operationen auf, wie beispielsweise eine gegenläufige Zoom-Fahrtbewegung in Vertigo, lange Fahrten wie die aus einer Totale eines großen Raums bis in die Naheinstellung eines Schlüssels in einer Hand in Berüchtigt oder die aus ungefähr 70 Einstellungen bestehende 45-sekündige Mordszene unter der Dusche in Psycho und viele andere mehr. Eine von Hitchcocks Spezialitäten sind „Mini-Stummfilme“, Miniatiuren zu Beginn eines Spielfilms, die den Zuschauer ohne Worte in wenigen Sekunden oder Minuten in die Vorgeschichte oder die Umstände der folgenden Handlung einführen.

Solche Kameraeinstellungen, Fahrten, Schwenks und Schnitte sind wie die Verwendung von Ton und Musik nie beiläufig oder zufällig, aber auch in der Regel nicht Selbstzweck oder Ausdruck von Technikverliebtheit. Sie sind Mittel zum Zweck im Dienste der Dramaturgie. Ähnliches gilt für den Umgang mit Farbe, die häufig symbolisch oder dramaturgisch eingesetzt wird, etwa in Marnie oder in Vertigo.

Dutzende Hitchcockscher Szenen sind inzwischen in das kollektive Gedächstnis übergegangen. Vielleicht die berühmtesten: Die „Duschszene“ aus Psycho, der Flugzeugangriff auf Cary Grant in Der unsichtbare Dritte, die Versammlung der Vögel auf dem Klettergerüst in Die Vögel, der Mord mit der Schere in Bei Anruf Mord, die Suche nach der Krawattennadel im Kartoffellaster in Frenzy oder Cary Grant mit dem Milchglas auf der Treppe in Verdacht. Die Filme Hitchcocks sind in der Regel so reich an Einfällen und so bewußt kontruiert, dass sie sich immer wieder anschauen lassen und sich bei jedem Sehen neues entdecken lässt.

Hitchcock perfektionierte seinen Stil bis zum Ende. Vermeintliche schwächere Werke passen sich im Nachhinein gesehen in dieses Bild ein. Auch in Filmen wie Sklavin des Herzens oder Topas lassen sich unzählige Hitckcock-typische Elemente und Erzählmuster ausmachen. In praktisch jedem Hitchcock-Film lassen sich dutzende Elemente aus früheren Filmen wieder finden, jedoch in immer neuem Zusammenhang, nie wahrgenommen als Kopie oder als Abklatsch. Geübte Hitchcock-Zuschauer erkennen ähnliche Einstellungen in Filmen, die Jahrzehnte auseinander liegen. Dies alles macht den „Hitchcock-Touch“ aus.

Wiederkehrende Motive und Elemente

Typische Hitchcocksche Elemente kehren in seinen Filmen immer wieder. Sie dienen häufig dazu, Stimmungen zu transportieren: Vögel als Vorboten des Unglücks verwendet Hitchcock seit den 1920er-Jahren; Treppen in unterschiedlicher Form als Symbol für das Unbekannte und Gefährliche inszeniert Hitchcock in Dutzenden Filmen; Handschellen stehen für die Verkettung zweier Schicksale. Häufig geht eine diffuse Bedrohung von Spionen oder Spionageringen aus (nur selten spielt es eine Rolle für wen, für was oder mit welchem Ziel spioniert wird), er verwendet gerne Kirchen als Orte des Verbrechens und Priester als zwielichtige Figuren (ein eindeutiger Bezug zu seiner katholischen Erziehung). Hitchcock stellt in mehreren Filmen eindeutige Beziehungen zwischen Essen, Sex und Tod her, am plakativsten sicherlich in Frenzy, aber auch schon in seinen frühen Tonfilmen wie Erpressung oder Sabotage.

Auffällig ist auch, dass Hitchcck unheimliche, bedrohliche Szenen gegen das Klischee häufig nicht in unheimlichen, dunklen Räumen stattfinden lässt, sondern bei hellem Tageslicht und an scheinbar harmlosen Orten wie Marktplätzen (Der Mann, der zuviel wußte), menschenleeren Landschaften (Der unsichtbare Dritte), idyllischen Bergstraßen (Über den Dächern von Nizza) oder einem mit lauter freundlichen Menschen besetzen Eisenbahnzug (Eine Dame verschwindet).

Hitchcock behandelt ausgiebig Schuld und Sühne, er spielt mit den Motiven von der Schuldübertragung - er macht einzelne Personen zu Mitwissern und zwingt sie zu einer Gewissensentscheidung zwischen „richtig“ und (vermeintlich oder tatsächlich) „falsch“. Hitchcock macht sogar den Zuschauer zum Komplizen, indem er ihn zeitweise dazu führt, sich mit dem Schurken zu identifizieren. Und er verwendet in mehreren Filmen das „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“-Motiv der gespaltenen Persönlichkeit.

Methoden der Spannungserzeugung: Suspense und MacGuffins

Suspense als Markenzeichen Hitchcocks

Alfred Hitchcock war vor allem ein großer Bildererzähler. Seine Filme bestechen vor allem durch ihre Visualität. Nicht die dramatische Entwicklung der Charaktere, sondern die innere Entwicklung der Figuren stehen im Vordergrund. Hitchcock stellte die Form in den Vordergrund und strickte um diese Form eine Geschichte, in der Hitchcock dann in Form von Suspense die Nerven der Zuschauer strapaziert und Spannung erzeugte, die sprichwörtlich wurde („spannend wie ein Hitchcock").

Die landläufige Form der Spannnungserzeugung besteht darin, dass der der Zuschauer zusammen mit den im Film Beteiligten im Ungewissen ist und sich die Handlung bis zum überraschenden Schluss hin entwickelt. Die klassische Form des Kriminalfilms ist der Whodunit, in dem sich dem Zuschauer erst am Schluss die Täterschaft offenbart und er bis dahin, zusammen mit dem Detektiv, allerlei richtigen und falschen Fährten zu folgen hat. Diese Form des Spannungsaufbaus lehnte Hitchcock ab. In seiner gesamten Karriere drehte Hitchcock einen einzigen "echten" Whodunit, 1931 den Film Mord – Sir John greift ein!. In einigen anderen Filmen offenbart sich die Täterschaft zwar auch erst am Ende, der Zuschauer ist aber nicht auf der Suche nach dem Täter, da er ihn entweder (vermeintlich) bereits kennt oder weil die Tätersuche nicht im Mittelpunkt des Geschehens steht. Beispiele sind Psycho, Der Fall Paradin, Ich kämpfe um dich, Über den Dächern von Nizza und Die rote Lola.

Hitchcock arbeitet typischerweise mit sich entwickelnder und anhaltender Spannung, also damit, dass sich ein Geschehen abspielt, dessen mögliche Konsequenzen nicht als plötzlicher und unvorhersehbarer Schock eintreffen. Der Hitchcocksche Suspense besteht darin, dass dem Zuschauer in der Regel ein Geheimnis, eine Information verraten wird, von denen der Held nicht weiß, bzw. dass die Täterschaft von Anfang an oder ab einem gewissen Zeitpunkt dem Zuschauer, aber nicht dem Helden, bekannt ist. Durch diesen Informationsvorsprung wird der Zuschauer auf der einen Seite aus der Diegese und der ursprünglichen Identifikation mit den Figuren gerissen und zum distanzierten Beobachter einer Handlung aus einer Überblicksperspektive. Zugleich bringt dieser Informationsvorsprung den Zuschauer dazu, in besonderer Weise mit den Helden zu fiebern: Er wird zum Mitwisser, sieht Ereignisse kommen, möchte den Figuren „helfen“, kann es aber als Zuschauer nicht.

Beispiele für diese Art der Spannungserzeugung finden sich in fast allen Filmen Hitchcocks. Einige klassische Beispiele:

  • In Berüchtigt weiß der Zuschauer, dass die bei einem mutmaßlichen Naziverschwörer eingeschleuste Alicia Huberman (Ingrid Bergman) von diesem enttarnt wurde und langsam vergiftet wird. Ihre Schwäche und Geistesabwesenheit bei ihren Treffen wird von ihrem Partner Devlin (Cary Grant) aber als Alkoholismus missverstanden, sodass er die aufziehende Gefahr, im Gegensatz zum Zuschauer, zunächst nicht erkennt und ihre schleichende Ermordung weitergeht, wobei sich die Spannung, ob sie gerettet werden kann, immer mehr steigert.
  • In Vertigo lernt Scottie nach dem Tod von Madleine, die er beschattet hatte und deren „Selbstmord“ er nicht verhindern konnte, eine Frau kennen, die ihn an Madleine erinnert und die er in traumatischer Besessenheit in die „Verstorbene“ verwandeln will. Der Zuschauer erfährt schon zu Beginn ihrer Bekanntschaft, dass beide Frauen identisch sind und die folgende verhängnisvolle Entwicklung kann nur in ihrer Unausweichlichkeit und Tragweite wahrgenommen werden, weil der Zuschauer nicht wie die Hauptfigur durch die Auflösung am Ende des Films überrascht wird.

In einigen Filmen wird der klassischen Suspense – der Zuschauer weiß um etwas, von dem die Handelnden währenddessen nichts ahnen – variiert:

  • In Der Fremde im Zug versucht der Schurke, seinem Widerpart einen Mord in die Schuhe zu schieben, indem er einen belastenden Gegenstand, ein Feuerzeug, am Tatort hinterlegt. Der andere weiß jedoch davon, will es verhindern, muss aber, während der Schurke schon auf dem Weg zum Tatort ist, noch ein Tennisspiel bestreiten und möglichst schnell gewinnen, um den Schurken aufzuhalten. Das Geschehen bezieht seine Spannung daraus, dass sich das Tennisspiel in die Länge zieht, während der Schurke auf dem Weg zum Vollzug seiner Tat ist, und so die Gefahr für den Helden immer größer wird. Auf dem Höhepunkt der Spannungserzeugung wendet sich das Geschehen: Das Feuerzeug fällt dem Schurken in einen Gully und er versucht, während sein Verfolger sich dem Ende des Matches nähert, verzweifelt, das Feuerzeug aus dem Gully zu ziehen, um rechtzeitig am Tatort zu sein. In diesem Fall bezieht der Suspense nicht nur den Zuschauer als Mitwissenden ein, sondern auch die beiden Figuren, die sich, wissend von der gegenseitigen Bedrohung, sozusagen ein Rennen liefern. Überdies spielt Hitchcock hier mit dem Wechsel von Perspektiven und der Lenkung der Identifikation des Zuschuers und beweist, dass Suspense auch benutzt werden kann, um eine Identifikation mit dem Bösen herzustellen.
  • Einen Sonderfall in puncto Suspense gibt es auch in Das Fenster zum Hof zu sehen: Hier dringt Lisa (Grace Kelly) in die Wohnung des verdächtigen Nachbarn ein, um nach Beweisen für einen möglichen Mord zu suchen. Ihr Partner Jeff (James Stewart) beobachtet das Geschehen von der gegenüber liegenden Wohnung aus und sieht dabei den Nachbarn vorzeitig zurückkommen. Er vermutet sie in Lebensgefahr, kann ihr aber nicht helfen. Hier übernimmt der Held sozusagen die Rolle, die normalerweise bei dieser Form der Spannungserzeugung der Zuschauer innehat, als hilfloser Beobachter bedrohlicher Entwicklungen.

In Hitchcocks Werk finden sich demgegenüber aber auch zwei bemerkenswerte Fälle, in denen er Spannung durch Überraschung bzw. einen plötzlichen Schock erzeugte:

  • In Sabotage kombiniert er die Motive von klassischem Suspense und Schock beziehungsweise Überraschung: Ein kleiner Junge wird von einem Saboteur beauftragt, ein Paket zu einem Ort zu bringen. Der Zuschauer weiß, dass in dem Paket eine Bombe ist, die mit einem Zeitzünder vesehen ist, und es entstehet Suspense aus dem Wissen, dass das Paket, das der Junge transportiert, irgendwann explodieren wird. Als dies dann jedoch tatsächlich geschieht und der Junge getötet wird, ist dies zugleich ein unerwarteter Schock, denn vor allem aufgrund der Tatsache, dass ein Kind das Opfer der Bedrohung ist, war die Erwartung des Punlikums, dass es beim Suspense, in dem Fall der Bedrohung bleiben würde. Hitchcock hat die Tatsache, dass er die Bombe explodieren und das Kind töten ließ, im Nachhinein als „schweren Fehler" bezeichnet.
  • In Psycho ist es die berühmte Duschszene mit dem Mord an der Hauptfigur, die Hitchcocks üblichem Vogehen zuwiderläuft: Zunächst insofern, als er die mit verschiedenen Insignien einer typischen Hauptfigur eines Hitchcockfilms augestattete Marion Crane (Janet Leigh) bereits in der ersten Hälfte des Films sterben lässt. Und auch der Mord selbst kündigt sich nicht durch einem Spannungsaufbau im Sinne des Suspense an, sondern geschieht auch für den Zuschauer sehr überraschend, ein Umstand, dem diese Szene und der Film allerdings ihre Berühmtheit verdanken.

Eine bevorzugte Methode, um die Handlung voranzutreiben oder Suspense zu erzeugen, war für Hitchcock der MacGuffin: ein Detail, das die Handlung vorantreibt, die Neugierde weckt und die Figuren motiviert, sich auf die Reise zu machen, das aber für die Entwicklung der Charaktere und den Zuschauer eigentlich völlig bedeutungslos, da austauschbar ist. In Berüchtigt wird Ingrid Bergman von Cary Grant darauf angesetzt, im Hause der Nazikollaborateure herumzuschnüffeln. Im Keller findet sich schließlich Uranerz, abgefüllt in Weinflaschen. Es hätte auch irgendetwas anderes sein können, es hat für die Geschichte selbt keine Bedeutung sondern ist nur Vorwand für die Suche und die sich daraus ergebenden dramatischen Verwicklungen. Weitere Beispiele für McGuffins: Die „Geheimklausel“ in Der Auslandskorrespondent, die „Melodie“ in Eine Dame verschwindet und die „Weltfriedensformel“ in Der zerrissene Vorhang. Über Sinn und Wesen der mysteriösen „39 Stufen“ im gleichnamigen Film ist bis kurz vor Ende des Films überhaupt nichts weiter bekannt und der McGuffin in Der unsichtbare Dritte sind schlicht „Regierungsgeheimnisse“. In Psycho benutzt Hitchcock das unterschlagene Geld, das die Sekretärin zur Flucht treibt und so in Bates Motel führt, um das Publikum anfangs gezielt in die Irre zu leiten und für einen Kriminalfall zu interessieren, der mit der eigentlichen Handlung nur am Rande zu tun hat.

Die Figuren bei Hitchcock

In den Filmen Alfred Hitchcocks entwickelte sich im Laufe der Zeit eine Reihe typischer Figuren, Charaktäre und Rollenmuster heraus, die in seinen Filmen immer wieder auftauchten und die alle bestimmte Eigenschaften transportieren und ein bestimmtes Identifikatiospotential besitzen. Die bekanntesten dieser Rollentypen sind die Hauptfiguren, meist Männer, die in gefährliche Situationen hineingezogen werden, die kühlen "Hitchcock-Blondinen", die mitunter böse bis dämonisch gezeichneten "Hitchcockschen Mütter" und die oftmals charmant oder sogar sympathisch gezeichneten "Schurken".

Die Hauptfiguren

Die Protagonisten in Hitchcocks Filmen sind fast ausnahmslos „Normalbürger“, keine Polizisten, Abenteurer oder Berufsspione, die Zeit ihres Lebens mit kriminellen Machenschaften zu tun haben. Ohne darauf vorbereitet zu sein, wird ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen, werden sie durch Schicksalswendungen aus ihrem alltäglichen Leben in abenteuerliche Situationen hineingezogen, von Gangstern oder der Polizei verfolgt, unschuldig verdächtigt und mit Gefahr für Leib und Leben konfrontiert. Den Zuschauern wird auf diese Weise das beunruhigende Gefühl vermittelt, dass auch sie jederzeit in derartige Situationen geraten könnten.

Diese Konstellation bedingt, dass der klasssische "Held", der starke, unverletzliche Mann, der alle noch so schwierigen Situationen souverän meistert und der die schwache Frau beschützt, nur in wenigen von Hitchcocks Filmen zu finden ist, verkörpert etwa von Herbert Marshall in Mord – Sir John greift ein!, Michael Redgrave in Eine Dame verschwindet und Robert Newton in Riff-Piraten. Alle drei Filme basieren auf Stoffen, die sich Hitchcock nicht selbst aussuchte.

In einigen anderen Filmen ist es zwar so, dass die Hauptfigur positiv besetzt ist und innerhalb der Schwierigkeiten, in die sie kommt, wenig beschädigt wird. Doch wird das Rollenprofil des Helden beispielsweise dadurch variiert, dass die weiblichen Hauptfiguren dem Protagonisten ebenbürtig sind und somit der das Element des "Beschützers" der weiblichen Heldin wegfällt. Auch kommt es vor, dass diese Figuren Beispiele dafür sind die Figuren von Robert Donat in Die 39 Stufen, Joel McCrea in Der Auslandskorrespondent, Robert Cummings in Saboteure oder John Forsythe in Immer Ärger mit Harry. Der Schauspieler, der diesen Rollentypus ideal verkörpte, war Cary Grant in Über den Dächern von Nizza, und in Der unsichtbare Dritte. Mit seinem Charme und seiner Leichtfüßigkeit meistern die von ihm dargestellten Figruen die Herausforderungen, vor die sie gestellt werden. Die Ambivalenz der meisten Hauptfiguren Hitchcocks ist hier relativ gering ausgeprägt, aber zu der Tatsache, dass in diesen Fällen das klassische Rollenschema zwischen Mann und Frau variiert wird, kommt hinzu, dass auch die beispielsweise von Cary Grant dargestellen Figuren innerhalb der Schwierigkeiten, in die sie geraten, im Verdacht stehen, kriminell zu sein, zeitweise die Kontrolle über den Lauf der Dinge verlieren und somit keine ungebrochenen Helden sein können.

Den vergleichsweise positiven, ungebrochenen Helden bei Hitchcock steht jedoch eine Vielzahl von Hauptfiguren gegenüber, die zudem mit der Zeit stärker an Gewicht gewinnen: Ambivalente oder gar in manchen Aspekten negativ gezeichnete Figuren, die man als „Antihelden" bezeichnen könnte. Die Antihelden haben körperliche Makel, psychische Probleme oder charakterliche Schwächen, sind „Verlierertypen" oder wirken unsympathisch. Sie können beispielsweise Schaden durch Fehlverhalten oder dadurch anrichten, dass sie sich durch Obsessionen oder Traumata leiten lassen, sie wirken schwach und geraten in Situationen, in denen sie auf die Hilfe anderer angewiesen sind, und meist machen sie sich schuldig. Mit ihren Schwächen akzentuieren sie die Brüchigkeit der alltäglichen Welt. Während sie als Identifikationsfigur im Sinne eines makellosen, unantastbaren Vorbilds nicht taugen, tragen ihre Ambivalenz, ihre Schwächen und die Brüchigkeit ihrer Existenz dazu bei, dass das Massenpublikum sich in diesen Figuren wieder finden kann.

Der Prototyp des Antihelden bei Hitchcock sind die von James Stewart gespielten Figuren: In Cocktail für eine Leiche muss der von Stewart dargestellte Lehrer erkennen, dass zwei seiner Studenten eine seiner Theorien zum Anlass nahmen, einem Mord zu verüben und ihn zu rechtfertigen und steht am Ende hilflos vor diesem menschlichen Abgrund, in den er nicht nur hineingezogen wurde, sondern den er auch mit heraufbeschworen hat. In Das Fenster zum Hof stellt Stewart einen Figur dar, die körperlich beeinträchtigt, voyeuristisch veranlagt und bindungsscheu ist. In Der Mann, der zuviel wusste ist er als Vater nicht in der Lage, seinen Sohn aus den Klauen von Entführern zu retten (dies schafft am Ende seine Frau). Und in Vertigo schließlich lässt er sich zuerst unwissentlich und unter Ausnutzung seiner Höhenangst als Helfershelfer für einen Mord missbrauchen. Später macht er sich durch seine sich entwickelnden Obsessionen schuldig am Tod der Frau, die er liebt.

Ein weiterer typischer Anti-Held mit Schwächen und Makeln ist Gregory Peck. In Ich kämpfe um dich verursacht er als Kind den Tod des eigenen Bruders, was zu einem Schuldkomlex, zu Gedächtnisverlust und beinahe zu einer Verurteilung als angeblicher Mörder führt. In Der Fall Paradin verfällt er, als verheirateter Rechtsanwalt, einer Mörderin und setzt beim Versuch, sie gegen ihren Willen vor dem Galgen zu retten, Ruf, Ehe und Karriere aufs Spiel.

Die Figur des "Anti-Helden" zieht sich wie ein roter Faden durch Hitchcocks Werk: Ivor Novello in Der Mieter als unschuldig Verdächtigter und Beinahe-Lynchopfer; Leslie Howard als Vater in der ersten Fassung von Der Mann, der zuviel wusste; John Gielgud in Geheimagent als Spion, der keiner sein möchte; Derrick De Marney, der in Jung und unschuldig unter Mordverdacht steht und hilflos wäre ohne die Unterstützung der Tochter des Polizeichefs; Laurence Olivier in Rebecca als Gefangener seiner toten ersten Frau; Fast die gesamte Besatzung in Das Rettungsboot; Joseph Cotten als in Sklavin des Herzens (1949) von seiner Vergangenheit Gefangener; Farley Granger in Der Fremde im Zug als Mordverdächtiger, der von der Tat des anderen profitiert; Montgomery Clift als mordverdächtiger aber an das Beichtgheimnis gebundener Priester in Ich beichte; Robert Cummings, der in Bei Anruf Mord nicht in der Lage ist, den Mordverdacht gegen seine Geliebte zu entkräften; Henry Fonda, der in Der falsche Mann hilflos gegen die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen ist und dem letztlich nur der Zufall hilft, der aber zuschauen muss, wie seine Frau schweren Depressionen verfällt, ohne dass er dies verhindern könnte; Rod Taylor, der in Die Vögel in seiner Beschützerrolle kläglich versagt; Sean Connery, der in Marnie eine Frau liebt, weil sie eine Diebin ist, der sie erst erpresst und dann vergewaltigt; Paul Newman, der in Der zerrissene Vorhang als Wissenschaftler widerwillig zum Spion wird, seine Frau gegen ihren Willen in seine konspirativen Angelegenheiten hinein zieht und ihre Ehe aufs Spiel setzt und sogar zum Mörder wird, und schließlich Jon Finch als unsympathischer Verlierertyp in Frenzy.

Aber auch Cary Grant spielt in zwei seiner Hitchcockfilme Figuren, bei denen ihre Schattenseiten sich zweitweise vor den Charme und die anderen positiven Merkmale seiner Figuren schieben, Figuren mit explizit ambivalentem Charakter: In Verdacht ist er ein Hochstapler, der sich über beide Ohren verschuldet und von seiner Frau verdächtigt wird, sie ermordern zu wollen. In Berüchtigt erwartet er als Geheimdienstmitarbeiter von der Frau, mit der er eine Liebesbeziehung hat, dass sie aus Pflichtbewusstsein gegenüber dem Staat, in dem sie lebt, mit einem anderen Mann schläft. Als sie dies tut und den anderen sogar heiratet, übersieht er in seiner Eifersucht lange, dass sie dabei ist, vergiftet zu werden und wird beinahe schuldig an ihrem Tod.

Die Schurken

Je schwächer Hitchcock seine Helden zeichnete, umso mehr Gewicht gab er seinen Schurken. Diese wirken häufig charmant oder sogar sympathisch und übertreffen die Hauptfiguren mitunter an Sympathie und Ausstrahlung. Hitchcock gelingt es hierbei sogar, durch die Zeichnung der Figur und mit Hilfe der Dramaturgie, den Zuschauer dazu zu bringen, mit dem Bösen zu sympathisieren.

Hitchcocks erster sympathischer Schurke war Robert Young als Charmeur in Geheimagent (1935). Es folgten Herbert Marshall als kultivierter feindlicher Agent in Der Auslandskorrespondent (1940), Joseph Cotten als charmanter Witwenmörder in Im Schatten des Zweifels (1942), Walter Slezak als sympathischer Nazi in Das Rettungsboot (1943), Claude Rains als verliebter Spion in Berüchtigt (1946), Robert Walker als Psychopath in Der Fremde im Zug (1951), Ray Milland in Bei Anruf Mord (1954), James Mason als immer freundlicher Spion in Der unsichtbare Dritte (1959), Anthony Perkins in Psycho (1960) und Barry Foster in Frenzy (1972).

Weitere Nebenfiguren

Eigentlich positiv besetzte Figuren wie Priester, Polizisten oder andere Vertreter des Staates sind oft zwiespältige Figuren, stellen zuweilen sogar eine Bedrohung für die Protagonisten dar oder sind nicht in der Lage, sie zu beschützen - auch das trägt dazu bei, scheinbar feste Trennlinien zwischen Gut und Böse aufzulösen und ein Gefühl der Verunsicherung heraufzubeschwören.

Polizisten, die das Recht verdrehen, die aus persönlichen Motiven handeln und daher Fehler machen, die schlampig arbeiten oder sich allzu schnell mit einfachen Lösungen zufrieden geben, kommen vor in Der Mieter, Erpressung, Sabotage, Jung und unschuldig, Im Schatten des Zweifels, Sklavin des Herzens, Die rote Lola, Bei Anruf Mord, Das Fenster zum Hof, Über den Dächern von Nizza, Der falsche Mann, Psycho und in Frenzy vor.

Die Spione in Hitchcocks Agentenfilmen sind dies nicht immer von Berufswegen. In zwei Filmen werden "Normalbürger" zu Agenten umfunktioniert, was sie dann entweder widerwillig übernehmen (John Gielgud 1935 in Geheimagent und Paul Newman 1966 in Der zerrissene Vorhang, oder zuerst mit Abenteuerlust, die dann ins Gegenteil umschlägt (Madeleine Carroll ebenfalls in Geheimagent). Diesen "Hobby-Agenten" gegenüber stehen die Berufsagenten, die in Hitchcocks Filmen zumeist nur nur als Nebendarsteller fungieren, die er dennoch deutlich differenzierter zeigt. Die Palette reicht hierbei von Peter Lorre, der in Geheimagent einen Spion mit sadistischen und pädiphilen Neuigungen spielt, bis hin zu Claude Rains und James Mason, die in Berüchtigt und Der unsichtbare Dritte sehr charmante und galante Spione verkörpern. NUr zwei Mal sind bei Hitchcock Spione als Hauptaktuere zu sehen: In Berüchtigt (Cary Grant) und in Topas.

Die Blondinen

Das Frauenbild in Hitchcocks Filmen wird von der klassischen, meist jungen, immer schönen, kühlen und gelegentlich undurchsichtigen Blondine sowie der bissigen, oft direkt oder hintergründig bösartigen, wenn nicht gar dämonischen, und in der Regel alten Mutter dominiert.

Hitchcocks eigene Obsessionen galten den jungen, blonden Schauspielerinnen, die er engagierte und die dann nach seinem Gusto handeln mussten. In der Realität kam es immer wieder zu Zerwürfnissen, so verzieh er Vera Miles nicht, dass sie ungefragt schwanger wurde, als er sie in Vertigo besetzen und nach eigener Aussage zum Star machen wollte. Für Kim Novak ließ er von der Kostümbildnerin Edith Head eine komplette Garderobe schneidern, die nicht etwa für Vertigo, sondern für ihr privates Leben gedacht war. Hitchcock wollte die größtmögliche Kontrolle über seine weiblichen Stars ausüben. Vertigo und Berüchtigt gelten darum als stark autobiografische Filme. Beide handeln von den Obsessionen und Neurosen von Männern, die Frauen manipulieren.

In der Zusammenarbeit mit der letzten authentischen Hitchcock-Blondine Tippi Hedren kam es während der Arbeit an Marnie zu einer schweren Krise. Vom Regisseur bereits während des Drehs zu Die Vögel während der tagelangen Aufnahmen von auf sie einstürzenden, echten Vögeln stark beansprucht und körperlich verletzt, wies sie offenbar Hitchcocks Annäherungsversuche zurück (über diese Episode hat Hitchcock nie öffentlich gesprochen, und Hedren hat sich in Interviews nur Andeutungen gestattet). Fortan weigerte sich Hitchcock, mit seiner Schauspielerin direkt zu kommunizieren und ließ ihr seine Anweisungen über Mittelsmänner ausrichten. Es gilt als gesicherte Erkenntnis, dass der Regisseur sich von diesen Schwierigkeiten lange nicht erholen konnte und in seiner kreativen Schaffenskraft beeinträchtigt war. Keiner der späteren Filme wies eine Hitchcock-Blondine auf: Die zwanzigjährige Claude Jade ist in Topas dunkelblond und sogar die blonde Erpresserin (Karen Black – als Gegenpart zur dunkelblonden Barbara Harris) – in Familiengrab entpuppt sich rasch als eine dunkelhaarige Frau mit Perücke. In Hitchcocks letztem, unvollendetem Projekt The Short Night war jedoch offenbar wieder eine Hitchcock-Blondine vorgesehen, die mit Catherine Deneuve besetzt werden sollte.

Die Hitchcock-Blondine ist kein asexuelles, ätherisches Wesen, sondern eine Frau, deren oberflächliche Kühle nur die Folie für eine stark entwickelte Sexualität darstellt. Diese wiederum ist ein Mittel, die männlichen, meist bürgerlichen Hauptfiguren unvermittelt in Verwirrung zu stoßen und ihnen den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Besonders deutlich wird dies in Der unsichtbare Dritte, wenn Eve (Eva Marie Saint) zunächst gegenüber Roger O. Thornhill (Cary Grant) zweideutige Bemerkungen macht, dann plötzlich den völlig überraschten, sowieso schon desorientierten Fremden – gerade knapp mit dem Leben davon gekommenen und wegen Mordes gesucht – küsst, und ihn ohne Zögern in ihrem Schlafwagenabteil unterbringt. Nicht der Mann, sondern die blonde Frau spielt hier den aktiven Part, eliminiert hergebrachte soziale und sexuelle Hierarchien und akzentuiert die Fragilität des männlichen, bürgerlichen Weltbildes.

Die Mütter

Noch komplexer ist das von Hitchcock in seinen Filmen transportierte Mutterbild. In vielen seiner Filme - ab Mitte der 1940er-Jahre regelmäßig, davor vereinzelt - tauchen Mütter als herrschsüchtige, dämonische oder subtil unterdückende Wesen auf, gelegentlich zur Karikatur verzerrt, oft jedoch als Ursache oder Auslöser wesentlicher dramatischer Ereignisse. Auffallend ist, dass die betroffenen, unter dem Einfluss ihrer Mutter stehenden Söhne zumeist erwachsen, gelegentlich sogar schon deutlich über 30, 40 oder gar 50 Jahre alt sind und die jeweiligen Schauspieler in der Realität gelegentlich nur wenig jünger als ihre „Mütter“ waren, was die Schwäche der Söhne ihren Müttern gegenüber nur unterstreicht. Beispiele hierfür sind Leopoldine Konstantin als Mutter von Claude Rains in Berüchtigt (Sie war zum Drehzeitpunkt 60, er 56 Jahre alt), Marion Lorne (68) als Mutter von Robert Walker (33) in Der Fremde im Zug und Jessie Royce Landis (54) als Mutter des im wirklichen Leben soger ein Jahr älteren Cary Grant in Der unsichtbare Dritte.

Der extremste Fall des Hitchcockschen Mutterbilds ist in Psycho zu besichtigen, wo sogar noch die tote Mutter von ihrem Sohn (Anthony Perkins) Besitz ergreift und ihn zu ihrem mordenden Werkzeug werden lässt. Aber auch lebende Mütter ergreifen Besitz von ihren erwachsenen Söhnen und Töchtern: In Marnie überträgt Louise Latham ihren Schuldkomplex auf ihre Tochter Tippi Hedren. In Die Vögel erträgt Jessica Tandy nicht, dass ihr erwachsener Sohn Rod Taylor sich für eine andere Frau interessiert. In Der Fremde im Zug wird der Eindruck erweckt, dass Robert Walker unter dem Einfluss einer geisteskranken Mutter (Marion Lorne) steht. In Berüchtigt ist es die Mutter Leopoldine Konstantin, die ihren Sohn (Claude Rains) zum Mord an der Frau, die er liebt (Ingrid Bergmann), antreibt.

In weiteren Filmen treten bestimmende Mütter in Kurzauftritten auf oder werden gar nur erwähnt. Hier manifestiert sich die bedrohliche Seite unterschwellig, in einzelnen Blicken, Gesten oder Bemerkungen, oder nur aus dem Kontext. Ein Beispiel hierfür ist in Frenzy die Mutter von Barry Foster, die in einer Szene kurz am Fenster erscheint, jedoch weder zu sehen noch zu hören ist.

Selbstvermarktung

Schon am Anfang seiner Karriere, als er in Großbritannien mit den ersten Stummfilmen Erfolge feierte, war ihm bewusst, „dass der Name des Regisseurs klar im Bewusstsein des Publikums stehen sollte“. Wichtiger als der Name der Stars, die kommen und gehen, ist der Name des Regisseurs, denn er steht für eine Handschrift, ein Thema, ein Genre, selten jedoch für ein Gesicht. So begann er bereits Ende der 1930er-Jahre mit der öffentlichen Vermarktung seiner Person. Er beauftragte 1938 die Küstleragentur Selznick-Joyce, deren Mitinhaber Myron Selznick, der ältere Bruder des Hollywood-Moguls David O. Selznick war, seine Interessen wahrzunehmen. Nach Selznicks Tod Ende der 1940er-Jahre wechselte er zur Music Corporation of America (MCA), der damals weltgrößten Küstleragentur. Er wurde dort ab 1948 persönlich und exklusiv von deren Präsidenten Lew Wasserman vertreten, ab 1962 dann von einer neu gegründeten Gesellschaft unter Herman Citron.

Obwohl von den Filmgesellschaften üblicherweise für die Promotion eigene Abteilungen oder externe Agenturen beauftragt werden, trugen bei Hitchcocks Filmen die Werbekampagnen deutlich die Handschrift des Regisseurs. Hitchcock etablierte schon früh ein stilisiertes Selbstportrait als Logo. Die Kino-Trailer waren häufig nicht nur Zusammenschnitte des angekündigten Films, sondern stellten den Komiker Hitchcock in den Vordergrund, der in der Rolle eines „Master of Ceremony“ seine eigenen Filme vorstellte.

Hinzu kamen lukrative Lizenzverträge, zum einen die Fernsehserie Alfred Hitchcock Presents, die er selbst anmoderierte, zum anderen ein Krimi-Magazin (Alfred Hitchcocks Mystery Magazine) und eine Buchreihe von Kinderkrimis (The Three Investigators), aus der die erfolgreiche deutsche Hörspielreihe Die drei Fragezeichen entstand. Durch diese Promotions-Arbeit erhielt das Produkt „Hitchcock“ einen hohen Wiedererkennungswert und wurde dauerhaft in der öffentlichen Wahrnehmung installiert.

Hitchcocks bisweilen etwas heimtückischer Humor zeigt sich auch in der Auswahl der Titelmusik für die Serie Alfred Hitchcock Presents. Er verwendete dafür das Hauptthema von Charles Gounods Marche funèbre d'un marionette (Trauermarsch einer Marionette), das sich ebenfalls zu einer Erkennungsmarke für Hitchcocks Public Relations entwickelte, während der Komponist weitgehend unbekannt geblieben ist.

Hitchcock als filmisches Vorbild

Kaum ein Regisseur hat einen vergleichbar großen und weitreichenden Einfluss auf das Kino ausgeübt wie Alfred Hitchcock. Seine Filme und vor allem sein persönlicher Erzählstil, der ihn auszeichnete und mit dem er so nachhaltig identifiziert wurde, haben das Genre des Thrillers und seine Formen geprägt. Viele Elemente aus seinem Werk sind inzwischen in das Standardrepertoire des Kinos, besonders des Thrillers, eingegangen, ohne dass sie noch bewusst oder direkt mit Hitchcock in Verbindung gebracht werden. Insbesondere der Einsatz von Suspense als spannungserzeugendem Mittel oder die Verwendung von McGuffins als handlungsvorantreibendes Element ist in heutigen Thrillern eine Selbtverständlichkeit und gehört zum Standardhandwerkszeug des Filmemachens. Häufig werden Filme, die besonders spannend sind, mit Hitchcock in Verbindung gebracht oder (wenn es sich um ältere Werke handelt) von Laien sogar fälschlicherweise Hitchcock zugeschrieben; die Wendung „spannend wie ein Hitchcock" ist zu einer Art Redewendung geworden, die sogar über das Gebiet des Films und der Fiktion hinausreicht.

Es gibt diverse Beispiele für Thriller, teils von sehr namhaften Regie-Kollegen, die darüber hinaus einen weitergehenden Einfluss von Hitchcock zeigen, indem bewusst typische Motive Hitchcocks übernommen werden oder Hitchcocksche Stilelemente kopiert oder variiert werden. Manche dieser Filme sind als Hommage des jeweiligen Regissieurs an Hitchcock zu verstehen, in anderen Fällen wurde Hitchcocks Stil "nur" übernommen, da er sich als erfolgreich und wirksam erwiesen hat. Viele Regisseure hat Alfred Hitchcock mehr oder weniger direkt geprägt: Steven Spielbergs Filme sind nach eigener Aussage stark von Hitchcock beeinflusst. Auch wenn Spielberg nicht direkt stilistische Motive kopiert oder adaptiert oder nur wenige seiner Filme thematische Parallelen aufzeigen, hat Spielberg doch Hitchcocks visuellen Erzählstil verinnerlicht. Ein Film wie Schindlers Liste wäre in dieser Form ohne den Einfluss Hitchcocks nicht möglich gewesen. Zwei weitere Regisseure des zeitgenössischen amerikanischen Kinos, denen gelegentlich eine Stilverwandtschaft mit Hitchcock nachgesagt wird und die sich in ihren Werken mitunter auf Hitchcock berufen, sind David Fincher und David Mamet. Als Regisseur, der offensichtlich von Hitchcock geprägt ist, gilt vor allem Brian de Palma. De Palma arbeitet mit vielen Verweisen und Zitaten auf Hitchcock-Filme. Überdies übernimmt er in einigen Filmen deutlich Grundstrukturen aus Vertigo – Aus dem Reich der Toten, Psycho oder Das Fenster zum Hof. Auch Filme der Hitchcock-Bewunderer Francois Truffaut und Claude Chabrol zeigen den Einfluss von Hitchcock. Bei Truffaut betrifft dies einzelne Thriller, während Chabrol eine Vielzahl von Filmen gemacht hat, in dem eine scheinbar heile bürgerliche Welt angegriffen und durcheinander gebracht wird und der Thriller ein Mittel der Analyse und Kritik an der bourgeoisen Gesellschaft ist.

Eine Auswahl von Filmen, die stark durch Hitchcock beeinflusst sind, die sich eindeutig auf Hitchcock beziehen oder oder deren Stil deutlich an Hitchcock erinnert:

Jahr Film Regisseur Anmerkungen
1940 Gaslicht
(Gaslight)
Thorold Dickinson Gaslicht ist ein britischer Film über einen Mann, der versucht, seine Ehefrau systematisch in den Wahnsinn zu treiben. Er ist stilistisch und thematisch verwandt mit den zeitgleich bzw. ein Jahr später entstandenen Hitchcock-Thrillern Rebecca und Verdacht, so dass ein direkter Zusammenhang ausgeschlossen werden kann. Um so erstaunlicher ist die offenkundige Parallelität. Hervorzuheben ist, dass die Tatsache, dass der eigene Ehemann der Urheber der mysteriösen Vorfälle ist, dem Zuschauer schon früh bekannt ist, dass der Film also auf dem klassischen Hitchcockschen Suspense-Prinzip beruht.
1943 Ministerium der Angst
(Ministry of Fear)
Fritz Lang Der Film um einen Mann, der mit einer weiiblichen Zufallsbekanntschaft in eine Verschwörungsgeschichte und eine turbulente Verfolgungsjagd verwickelt wird, erinnert im Aufbau stark an Hitchcocks Die 39 Stufen und enthält weitere Elemente aus diversen Hitchcock-Thrillern der 30er Jahre.
1944 Das Haus der Lady Alquist
(Gaslight)
George Cukor Das Remake von Gaslicht enthält inhaltliche und stilistische Anleihen bei Rebecca, Verdacht und Im Schatten des Zweifels. Anders als in Gaslicht wird in Das Haus der Lady Alquist der Täter eher sympathisch gezeichnet, ein deutlicher Hitchcock-Bezug. Diesmal ist der Film jedoch als Whodunit angelegt, die Täterschaft des Ehemanns wird also erst kurz vor Schluss offenbart. Dies entspricht nicht Hitchcocks üblicher Methode des Spannungaufbaus, der in seiner Karriere nur einen wirklichen Whodunits drehte, und dies bereits 1931. Dennoch wird der Film aufgrund seiner Einordnung als Psychothriller gelegentlich Hitchcock zugeschrieben oder mit Hitchcocks Werk verglichen.
1945 Die Wendeltreppe
(The Spiral Staircase)
Robert Siodmak Psychothriller mit starken Anlehnungen an Rebecca. Insbesondere die Licht- und Schatten-Spiele und die Symbolik der Treppe sind deutliche Verweise auf Hitchcock.
1957 Zeugin der Anklage
(Witness for the Prosecution)
Billy Wilder Die Grundkonstellation einer geheimnisvollen schönen Frau als Schlüsselfigur in einem spektakulären Mordprozess ähnelt der in Der Fall Paradin; die Gerichtsszenen sind vom Aufbau her ähnlich angelegt.
1958 Es geschah am hellichten Tag Ladislao Vajda Der Film enthält einige beispielhafte Suspensemotive und erinnert im Hinblick auf Spannungsaufbau und Figurenkonstellation an Hitchcock.
1960 Mitternachtsspitzen
(Midnight Lace)
David Miller Der Film wirkt vom Thema und vom Aufbau her wie ein in die Neuzeit versetztes Remake von Das Haus der Lady Alquist. Er enthält ebenfalls Anlehnungen an die bereits oben erwähnten Filme. Außerdem tauchte das Motiv der Frau, die in den Wahnsinn getrieben werden soll, bei Hitchcock inzwischen auch in Berüchtigt, Sklavin des Herzens und Bei Anruf Mord auf, so dass Mitternachtsspitzen, der zudem eine ähnlich alptraumhafte Grundstimmung wie Vertigo aufweist, zwangsweise mit Hitchcock in Verbindung gebracht wurde. Problematisch im Hinblick auf den Zusammenhang mit Hitchcock ist auch hier die Anlage des Films als Whodunit, so dass der Hitchcock-Vergleich bei genauer Betrachtung nicht passt.
1962 Botschafter der Angst
(The Manchurian Candidate)
John Frankenheimer In einigen Besprechungen des Films wird The Manchurian Candidate als Stilmischung aus Hitchcock und Orson Welles gesehen. Der Film verwendet einerseits Motive der Figurenanlage, die an Hitchcock erinnern – Frank Sinatra spielt einen all-american Durchschnittsbürger, der in eine Verschwörung verwickelt wird und versucht, diese aufzuklären, Angela Lansbury eine dämonische, besitzergreifende Mutter und die Figur von Janet Leigh ist als geheimnsivolle Blondine angelegt (die sich jedoch als harmlos entpuppt). Andererseits finden sich in ihm Hitchcocksche Motive der Schuldübertragung und der Persönlichkeitsspaltung. Die Schlusszene im Madison Square Garden orientiert sich in Dramaturgie und Spannungsaufbau sehr stark an der Royal-Albert-Hall-Szene in den beiden Der Mann, der zuviel wusste.
1963 Charade Stanley Donen Leichter, amüsanter und romantischer Thriller mit deutlichen Anlehnungen an Über den Dächern von Nizza und Der unsichtbare Dritte sowie Die 39 Stufen.
1964 Die 27. Etage (Mirage) Edward Dmytryk Gregory Peck variiert seine Rolle als Mann mit Gedächtnisverlust in Ich kämpfe um dich
1966 Arabeske (Arabesque) Stanley Donen Variation von Charade vom gleichen Regisseur und mit komödiantischem und parodistischem Unterton- angelehnt vor allem an den Rhythmus und Stil von Der unsichtbare Dritte.
1967 Warte bis es dunkel ist
(Wait until dark)
Terence Young Variation des Motivs der existenziellen Bedrohung einer harm- und scheinbar wehrlosen Figur, wie es bei Hitchcock in unterschiedlichsten Formen in einer Vielzahl von Filmen, beispielsweise in Bei Anruf Mord, Der Fremde im Zug oder am Ende von Das Fenster zum Hof zu sehen ist. Dieses Motiv wird dadurch auf die Spitze getrieben, dass die Hauptfigur blind ist, ein Umstand, der eine ideale Folie für Spannungsaufbau im Sinne des Suspense darstellt. Außerdem enthält der Film einen klassischen Mc Guffin, der die Bedrohung der Hauptfigur auslöst. Zudem stammt die Vorlage vom selben Autor wie Bei Anruf Mord, Frederick Knott.
1968 Rosemaries Baby (Rosemary's Baby) Roman Polanski Variation der Bedrohung unschuldiger Figuren einer heilen bürgerlichen Welt als Horrorfilm. Hitchcock war ursprünglich als Regisseur vorgesehen.
1968 Die Braut trug schwarz
(La mariée était en noir)
Francois Truffaut Eine Frau rächt den Tod ihres Ehemanns und bringt nach und nach die fünf Mörder um. Der Film ist in vielerlei Hinsicht eine Hommage an Hitchcock.
1969 Das Geheimnis der falschen Braut
(La sirène du Mississippi)
Francois Truffaut Die Geschichte eines Mannes, der sich in eine Betrügerin und Mörderin verliebt, ihr verfällt und der auch nicht von ihr lassen kann, als sie ihn selbst betrügt und zu töten versucht, ist stark von verschiedenen inhaltlichen und stilistischen Motiven aus Vertigo - Aus dem Reich der Toten, Marnie und Verdacht beeinflusst.
1970 Der Schlachter
(Le Boucher)
Claude Chabrol Eine Variation des Einbruchs von Bedrohung und Schrecken in einer scheinbar heilen bürgerlichen Welt.
1975 Der weiße Hai (Jaws) Steven Spielberg Der Thriller um einen agressiven Hai, der einen Urlaubsort am Meer zunehmend in Angst und Schrecken versetzt, ähnelt in Spannungsaufbau und Dramaturgie Hitchcocks Die Vögel.
1976 Schwarzer Engel (Obsession) Brian De Palma Jahre nach dem spurlosen Verschwinden von Frau und Tochter glaubt ein Mann in einer fremden Frau seine Frau wiederzuerkennen und verliebt sich in sie. Starke Anlehnungen an Vertigo - Aus dem Reich der Toten.
1977 Höhenkoller
(High Anxiety)
Mel Brooks Überdrehte Persiflage auf diverse Hitchcock-Filme.
1978 Das unsichtbare Auge (Someone's Watching Me!) John Carpenter Eine Frau wird zum Objekt der Beobachtung eines Fremden aus dem gegenüberliegenden Haus, der sich ihr auf unheimliche Weise immer mehr nähert. Umkehrung des Prinzips aus Das Fenster zum Hof.
1980 Dressed to Kill Brian De Palma Übernahme und Weiterentwicklung des Grundmotivs aus Psycho – eine Frau wird bestialisch ermordet, ihr Sohn macht sich mit einer Zufallsbekanntschaft auf die Suche nach dem Täter. Mit Zitaten aus diversen weiteren Hitchcock-Filmen.
1986 Masken (Masques) Claude Chabrol Variation des Hitchcock-Motivs des "sympathischen Schurken" mit diversen Hitchcock-Zitaten.
1984 Der Tod kommt zweimal
(Body Double)
Brian De Palma Stark angelehnt an Grundmotive aus Das Fenster zum Hof und Vertigo - Aus dem Reich der Toten: die Beobachtung eines Mordes in einem anderen Haus, die faszinierende Begenung mit einer Frau, die dem Mordopfer sehr ähnelt, Klaustrophobie und ihre Überwindung als dramaturgisches Motiv.
1988 Frantic Roman Polanski Der Film um einen Mann, der mit der Hilfe einer Fremden in Paris seine verschwundene Frau sucht, erinnert an das Grundmotiv aus Der Mann, der zuviel wusste und an den Stil unterhaltsamer, handlungsreicher Thriller wie Der unsichtbare Dritte.
1991 Schatten der Vergangenheit
(Dead Again)
Kenneth Branagh Deutliche Parallelen zu Vertigo - Aus dem Reich der Toten mit Zitaten und Motiven aus weiteren Hitchcock-Filmen.
1993 Manhattan Murder Mystery Woody Allen Heitere Variante von Das Fenster zum Hof - ein Paar beginnt seinen Nachbarn zu verdächtigen, seine Frau umgebracht zu haben, wobei vor allem die Frau die treibende Kraft der anschließenden Nachforschungen ist.

Cameo-Auftritte

Aus der Not geboren, nämlich dem Mangel an Statisten in seinen ersten britischen Filmen, sah man den Regisseur immer wieder im Hintergrund auftauchen. Daraus entwickelte er eine weitere Spezialität, auf die das Publikum seiner Spielfilme später gespannt wartete: Hitchcocks obligatorischen Cameo-Auftritt. Diese Art der Selbstpräsentation hat viel zu seinem Ruhm beigetragen, ist sie doch eine der wenigen Möglichkeiten, die ein Regisseur hat, sich selbst dem Publikum zu präsentieren. Dennoch wurde dieser Running Gag im Laufe der Zeit zu einer lästigen Pflicht, da das Publikum zu Anfang des Films immer weniger auf die Handlung achtete als vielmehr auf Hitchcock lauerte. Aus diesem Grund hat er in späteren Filmen seinen Auftritt möglichst weit an den Filmanfang gelegt. Da Hitchcock erst später seine Cameoauftritte zu einem offiziellen Markenzeichen machte, ist bei seinen frühen Filmen teilweise nicht geklärt, ob und wann Hitchcock tatsächlich auftritt.

Alle bekannten Hitchcock-Cameos (chronologisch):

Film Auftritt/Rolle
Der Mieter In einer Büro-Szene sitzt er mit dem Rücken zur Kamera. Ob Hitchcock auch zu dem lynchwütigen Mob am Ende des Films gehört, oder ob der betreffende Herr Hitchcock nur recht ähnlich sah, konnte nie geklärt werden.
Easy Virtue Mit einem Stock ist er bei einem Tennisplatz zu sehen.
Erpressung Er liest in der U-Bahn eine Zeitung und wird dabei von einem Jungen gestört.
Mord – Sir John greift ein! Hitchcock geht an dem Haus vorbei, in dem der Mörder arbeitet.
Die 39 Stufen Er geht über die Straße.
Jung und unschuldig Mit einer winzigen Kamera steht er als Reporter vor dem Gerichtsgebäude.
Eine Dame verschwindet Er taucht kurz in einer Szene auf einem Londoner Bahnhof auf.
Rebecca Er geht hinter der Telefonzelle vorbei, in der George Sanders gerade telefoniert.
Der Auslandskorrespondent Auf der Straße geht er an Joel McCrey vorbei.
Mr. und Mrs. Smith Auf der Straße geht er an Robert Montgomery vorbei.
Verdacht Er wirft einen Brief in einen Briefkasten.
Saboteure Er steht an einem Kiosk.
Im Schatten des Zweifels Er sitzt im Zug und spielt Poker.
Das Rettungsboot Hitchcock konnte unmöglich als Passant erscheinen, da der Film ausschließlich in einem kleinen Rettungsboot auf dem Meer spielt. Er ist daher in einer zufällig im Boot liegenden Zeitung in einer Werbeanzeige für eine Diät auf einem "Vorher-Nachher-Foto" zu sehen. (Laut Hitchcocks Aussage in einem späteren Interview wäre die erste Idee gewesen, ihn als Leiche am Rettungsboot vorbei treiben zu lassen, dies sei jedoch verworfen worden.)
Ich kämpfe um dich Er kommt aus einem Hotelfahrstuhl.
Berüchtigt Er ist Gast auf einer Party.
Der Fall Paradin Er trägt einen Cello-Kasten.
Cocktail für eine Leiche Am Anfang des Films geht er die Straße entlang.
Sklavin des Herzens Er ist auf dem Empfang des Gouverneurs zu sehen, außerdem auf der Treppe im Regierungspalast.
Die rote Lola Auf der Straße dreht er sich nach Jane Wyman um.
Der Fremde im Zug Mit einem Kontrabass besteigt er einen Zug.
Ich beichte Am Kopf einer langen Freitreppe ist er als Fußgänger zu sehen.
Bei Anruf Mord Er erscheint auf dem Foto der Abschlussfeier des Cambridge-Colleges, wo er am selben Tisch mit Swan sitzt.
Das Fenster zum Hof Als Diener zieht er in dem Appartement des Komponisten eine Uhr auf.
Immer Ärger mit Harry Bei der Ausstellung von John Forsythe (in jener Szene, in der der spätere Bilder-Käufer eingeführt wird) überquert er hinter einer parkenden Limousine die Straße.
Über den Dächern von Nizza Er sitzt neben John Robie Cary Grant im Bus.
Der Mann, der zuviel wusste von 1956 Er steht auf dem Markt von Marrakesch.
Der falsche Mann Am Anfang des Films tritt Hitchcock persönlich auf und spricht den Prolog. Dieser Auftritt ist somit seine einzige Sprechrolle in seinen Kinofilmen.
Vertigo - Aus dem Reich der Toten In der Nähe des Büros von Gavin Elster, der die Beschattung seiner Frau in Auftrag gibt, überquert er eine Straße.
Der unsichtbare Dritte Unmittelbar nach dem Vorspann verpasst er einen Bus.
Psycho Er steht, vom Inneren von Marions Büro aus sichtbar, auf der Straße und trägt einen Hut.
Die Vögel Gezogen von zwei kleinen angeleinten Hunden verlässt er eine Tierhandlung.
Marnie Als Hotelgast verlässt er ein Zimmer.
Der zerrissene Vorhang Er ist als Hotelgast zu sehen, der ein Baby unterhält.
Topas Am Flughafen steht er aus einem Rollstuhl auf und begrüßt jemanden.
Frenzy Am Anfang des Films, als die Leiche in der Themse gefunden wird, steht er in der Menge und ist der einzige, der dem Redner nicht applaudiert.
Familiengrab In seinem letzten Film sieht man seine Silhouette hinter der Milchglasscheibe einer Türe mit der Aufschrift: „Registratur für Geburten und Sterbefälle“.

Langjährige Zusammenarbeit

Hitchcocks Laufbahn ist auch geprägt durch die zum Teil langjährige Zusammenarbeit mit Schauspielern, Kameramännern, Komponisten und Autoren, mit denen Hitchcock eine gute gemeinsame Arbeitsebene gefunden hatte und die zu ihrer jeweiligen Zeit den „Hitchcock-Stil“ mit prägten. Gleiches gilt für weniger im Rampenlicht stehende, jedoch nicht weniger wichtige Mitarbeiter im technischen, künstlerischen oder administrativen Bereich. Die folgende Auflistung enthält (alphabetisch sortiert) eine Auswahl derjenigen Mitarbeiter, die in dieser Hinsicht besonders herauszuheben sind.

Preise und Ehrungen

  • 1941: Oscar-Nominierung für Rebecca
  • 1944: Oscar-Nominierung für Das Rettungsboot
  • 1945: Oscar-Nominierung für Ich kämpfe um dich
  • 1951: Oscar-Nominierung für Der Fremde im Zug
  • 1954: Oscar-Nominierung für Das Fenster zum Hof
  • 1958: Golden Globe für "The best TV-Show: Alfred Hitchcock Presents"
  • 1960: Oscar-Nominierung für Psycho
  • 1965: Milestone-Award
  • 1966: Ehrung durch die Association of Cinematography, Television and Allied Technicians (ACTT).
  • 1968: Irving G. Thalberg Memorial-Preis
  • 1968: Ehrendoktorwürde der Universität von Kalifornien
  • 1968: D.W. Griffith Award
  • 1969: Officier des Arts et des Lettres
  • 1971: Ehrenmitgliedschaft der Society of Film and Television
  • 1971: Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion bei der Cinémathèque Francaise
  • 1972: Golden Globe, Cecil B. DeMille Award
  • 1972: Ehrendoktorwürde der Universität von Columbia
  • 1973: Motion picture showmanship der Theatrical Stage Employees
  • 1974: Würdigung durch die "Film Society of Lincoln Center" in New York
  • 1979: Life Achievement Award des Amerikanischen Filminstituts
  • 1979: Knight Commander of the British Empire
  • 1994: Award der Academy of Science Fiction, Fantasy & Horror Films, USA

Filmografie

Legende:

1 Jahr der ersten öffentlichen Aufführung
2 Produktionsland (Ländercodes siehe hier)
3 Beteiligung Hitchcocks: Produktion, Regie, Co-Regie, Buch, Darsteller (Statist)
* ohne namentliche Nennung

Die britischen Filme

Vorlage:Filmographie3

Die US-amerikanischen Filme

Vorlage:Filmographie3

Hitchcocks Regiearbeiten für Fernsehserien

Vorlage:Filmographie1

Literatur

Sortiert in der chronologischen Reihenfolge der jeweiligen Originalausgabe.

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