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Benutzer:Ernst Kausen/test

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Uralische Sprachen (dunkelgrün dargestellt) neben den anderen Sprachfamilien der Welt

Die uralische Sprachfamilie umfasst etwa 30 Sprachen, die von rund 25 Mio. Menschen gesprochen werden. Sie erstreckt sich über weite Teile des nördlichen Eurasiens von Skandinavien bis über den Ural auf die Taimyr-Halbinsel. Außerdem gehört das Ungarische als ein nach Westen versprengter Ausläufer zu dieser Familie.

Hauptsprachen

Die wichtigsten und sprecherreichsten uralischen Sprachen sind:

  • Ungarisch oder Magyar (14,5 Mio Sprecher) Nationalsprache Ungarns
  • Finnisch oder Suomi (6 Mio) Nationalsprache Finnlands
  • Estnisch (1,1 Mio) Nationalsprache Estlands
  • Mordwinisch (1,1 Mio) Russland, Mordwinische Republik (Varietäten Erzya und Moksha)
  • Mari auch Tscheremissisch (600 Tsd) Russland, ASSR Mari
  • Udmurtisch (550 Tsd) Russland, ASSR Udmurtien
  • Komi (400 Tsd) Russland, ASSR Komi (Varietäten Syrjänisch und Permjakisch)

Hauptzweige, Siedlungsgebiete und Urheimat

Die beiden Hauptzweige

Das Uralische zerfällt in zwei klar definierte Hauptzweige, die sich vor mindestens 6000 Jahren getrennt haben: (1) den größeren westlichen Zweig Finno-Ugrisch mit heute über 99% der uralischen Sprecher und insgesamt 24 Sprachen und (2) den kleineren nördlich und östlich des Urals beheimateten Zweig des Samojedisch mit noch vier lebenden Sprachen, die von nur 30.000 Menschen in riesigen dünn besiedelten Gebieten Nordsibiriens gesprochen werden.

Der sprachliche Abstand zwischen Finnisch und Ungarisch - beide Mitglieder des finnisch-ugrischen Zweigs - kann mit dem zwischen Deutsch und Russisch verglichen werden, die Unterschiede zwischen einzelnen finno-ugrischen und samojedischen Sprachen sind noch erheblich größer.

Die finno-ugrische Sprachen

Die bekanntesten finno-ugrischen Sprachen sind das Ungarische (14,5 Mio Sprecher), das Finnische (6 Mio) und das Estnische (1,2 Mio). Diese drei sind auch die einzigen uralischen Sprachen mit dem Status einer Nationalsprache.

Das Samische oder Lappische bildet eine Gruppe von 10 Sprachen mit rund 35.000 Sprechern, die hauptsächlich in Norwegen und Schweden, aber auch in Finnland und Russland auf der Kola-Halbinsel gesprochen werden. Das Livische ist eine fast ausgestorbene dem Finnischen eng verwandte Sprache in Lettland. Alle anderen uralischen Sprachen haben ihre Verbreitungsgebiete im heutigen Russland.

Zunächst schließen sich dem Estnischen in Russland in einer breiten Zone bis zur Kola-Halbinsel die Sprachen Wotisch, Ingrisch (beide fast ausgestorben), Wepsisch (8 Tsd Sprecher) und Karelisch (70 Tsd, Autonome Republik Karelien) an. Im zentralen Wolgagebiet finden wir in eigenen Autonomen Republiken das Mordwinische (mit 1,1 Mio Sprechern die größte uralische Sprache Russlands), das Mari oder Tscheremissische (600 Tsd Sprecher) und das Udmurtische (600 Tsd). Weiter nördlich schließt sich das Komi mit den Varietäten Syrjänisch und Permjakisch an, die zusammen etwa 500 Tsd Sprecher haben.

Östlich des Urals werden im Ob-Gebiet die beiden ob-ugrischen Sprachen Chanti (oder Ostjakisch, 15 Tsd Sprecher) und Mansi (oder Wogulisch, 5 Tsd) in einem eigenen Autonomen Bezirk (Okrug) gesprochen. Sie sind die nächsten Verwandten des weit nach Westen vorgedrungenen Ungarischen.

Die samojedische Sprachen

Die trotz sowjetischer Ansiedlungspolitik meist nomadisch gebliebenen Samojeden bewohnen im Norden Russlands ein riesiges Gebiet vom Weißen Meer bis zur Halbinsel Taimyr. Die wichtigste Gruppe sind die Nenets oder Nenzen (auch Juraken genannt); mit 27 Tsd Sprechern machen sie den weitaus größten Teil der Samojeden aus und leben in einem Autonomen Bezirk. Ihr Gebiet reicht vom Weißen Meer im Westen bis über die Mündung des Jenissej hinaus. Die nahverwandten Enets an der Jenissej-Mündung zählen nur noch etwa 100 ältere Sprecher.

Zahlenmäßig wesentlich geringer sind die nördlich und östlich anschließenden Nganassen (etwa 1.000) und die südöstlich im Gebiet des mittlerem Ob lebenden Selkupen (2.000). Die süd-samojedischen Sprachen Mator und Kamas sind ausgestorben. Mator wurde im frühen 19. Jhdt. durch eine Turksprache ersetzt (es wurde vorher durch intensive linguistische Feldarbeit erschlossen), der letzte Kamas-Sprecher starb 1989.

Urheimat

Die Heimat der gemeinsamen Muttersprache aller uralischen Sprachen, also des Proto-Uralischen, lag wahrscheinlich im zentralen oder südlichen Uralgebiet. Diese angenommene Urheimat war natürlich bestimmend für die Namensgebung dieser Sprachfamilie. Der Prozess der Ausbreitung der einzelnen Gruppen in ihre heutigen Gebiete wird unten ausführlicher behandelt.

Die uralischen Sprachen und ihre Klassifikation

Die Geschichte und aktuelle Diskussion der Klassifikation der uralischen Sprachen wird unten ausführlich dargestellt. Nach Abondolo 1998 wird hier innerhalb des Finno-Ugrischen nur das Samisch-Finnische zu einer engeren genetischen Gruppe zusammengefasst, dem die Einheiten Mordwinisch, Mari, Permisch, und Ugrisch gleichrangig zur Seite gestellt werden. Insbesondere entfallen damit die Einheiten Finnopermisch und Wolgafinnisch der älteren Klassifikationen, die sich linguistisch nicht rechtfertigen lassen. Man erhält dann folgende Klassifikation:

Strukturübersicht

  • Uralisch
    • Fino-Ugrisch
      • Finnisch-Samisch
        • Ostseefinnisch
        • Samisch
      • Mordwa
      • Mari
      • Permisch
      • Ugrisch
        • Ungarisch
        • Ob-Ugrisch
    • Samojedisch
      • Nordsamojedisch
      • Südsamojedisch

Klassifikation aller uralischen Sprachen

Fettdruck für genetische Einheiten, Normaldruck für Einzelsprachen, Dialekte und Varietäten werden kursiv dargestellt. Die Sprecherzahlen entstammen ETHNOLOGUE 2005 und aktuellen Länderstatistiken.

  • Uralisch 31 Sprachen, davon 3 †, insgesamt 24 Mio. Sprecher
    • Finno-Ugrisch 25 Sprachen, 1 †, 24 Mio Sprecher
      • Finnisch-Samisch (18 Sprachen, 1 †, 7,2 Mio)
        • Ostseefinnisch (7 Sprachen, 7,2 Mio)
          • Finnisch (Suomi) (6 Mio) Dialekte: Südwest, Häme, Süd-, Mittel-Nord- und Ober-Pohjanmaa, Savo, Südost
          • Karelisch (130 Tsd) Dialekte: Nord = Viena, Süd, Aunus = Livvi = Olonetsisch, Lüdisch
          • Wepsisch (6 Tsd)
          • Ingrisch (Ishorisch) (300, ethnisch 15 Tsd)
          • Estnisch (1.1 Mio) Dialekte: Tallinn, Tartu, Mulgi, Vöru, Seto
          • Wotisch (fast †)
          • Livisch (fast †)
        • Samisch (11 Sprachen, 1 † ; 23 Tsd Sprecher)
          • Westsamisch
            • Nord-Samisch (Norwegisch-Samisch) (20 Tsd, ethnisch 40 Tsd)
            • Lule (2 Tsd)
            • Pite (fast †)
            • Süd-Samisch (600)
            • Ume (fast †)
          • Ostsamisch
            • Inari (300)
            • Skolt (300)
            • Akkala (fast †)
            • Kildin (1.000)
            • Ter (fast †)
            • Kemi †
      • Mordwa
        • Mordwinisch (1,1 Mio) Varietäten: Erzya (700 Tsd), Mokscha (400 Tsd)
      • Mari
        • Mari (Tscheremissisch) (600 Tsd)
      • Permisch
        • Udmurtisch (Wotjakisch) (550 Tsd, ethnisch 750 Tsd)
        • Komi (400 Tsd) Varietäten: Syrjänisch, Permjakisch, Yaz'va
      • Ugrisch
        • Ob-Ugrisch
          • Chanti (Ostjakisch) (12 Tsd, ethnisch 20 Tsd)
          • Mansi (Wogulisch) (3 Tsd, ethnisch 8 Tsd)
        • Ungarisch
          • Ungarisch (Magyar) (14,5 Mio)
            • Dialekte: West-Ungarisch, Transdanubisch, Süd-Ungarisch, Theiß, Paloczen, Nordost-Ungarisch, Mezöseg, Szekely
    • Samojedisch (6 Sprachen, davon 2 †, 30 Tsd Sprecher)
      • Nordsamojedisch
        • Nganasan (Tawgy-Samojedisch) (1.000)
        • Enets (Enzisch, Jenissei-Samojedisch) (100)
        • Nenets (Nenzisch, Jurak-Samojedisch) (27 Tsd) Dialekte: Tundra-Nenets (25 Tsd), Wald-Nenets (2.000)
      • Südsamojedisch
        • Selkup (Ostjak-Samojedisch) (1.600)
        • Kamas (Koibalisch) †
        • Mator (Motor; Taigi, Karagas) &dagger

Uralische und finno-ugrische Wortgleichungen

Einen Eindruck von der Verwandtschaft einzelner uralischer Sprachen liefert die folgende Tabelle mit ausgewählten uralischen Wortgleichungen. Sie zeigt auf den ersten Blick, dass Finnisch und Estnisch sehr eng verwandt sind und dass das samojedische Nenzisch - trotz erkennbarer Verwandtschaft - davon stark abweicht. Die besondere Nähe des Chanti zum Ungarischen - beides sind ugrische Sprachen - erschließt sich nicht ohne Weiteres, sondern setzt den Einsatz subtilerer linguistischer Techniken voraus. Man erkennt auch, dass uralisches /p/ zu ungarischem /f/ wird, uralisches /k/ zu ungarischem /h/ werden kann, konsonantische uralische Anlaute im Ungarischen entfallen und andere Lautgesetzte.

Die Quelle dieser Tabelle ist der unten angegebene Weblink und das Uralische Wörterbuch von Károly Rédei 1988. In der zweiten Zeile sind die häufig verwendeten alternativen Sprachnamen bzw. deren Abkürzungen angegeben. Die Angabe (FU) hinter der rekonstruierten Form bedeutet, dass diese Wortgleichung nur im Finno-Ugrischen belegt ist, es sich also nur um eine rekonstruierte proto-finno-ugrische Form handelt.

Bedeutung Finn. Estn. Sam. Mordw. Mari Udmurt Komi Chanti Mansi Ungar. Nenets Selkup Proto-
altern. Suomi   Lapp.   Tscher. Wotjak Syrjän. Ostjak Wogul Magyar Jurak   Ural.
Baum,Holz puu puu . . pu pu pu . -pe fa pa po *puwe
Fisch kala kala guolle kal kol . . kul kol hal χale kel *kala
Haus,Hütte kota koda goatte kudo kuδə ka,ko ka,ko kat . ház . . *kota (FU)
Ader,Sehne suoni soon suodma san šün sen sen jan tεn ín ten čen *sene
Auge silmä silm čalbme sel'me činca . sin sem šäm szem sew sai *silmä
Herz sydän süda tšade sedej šüm sulem selem šem šäm szív sej sid' *sidä-mз
Kopf pää pea . . puŋ pom . päŋ fej,fö . . *päŋe (FU)
Hand käsi käsi gietta ked kit ki ki köt,ket kät kéz . . *käte (FU)
Blut veri veri varra ver wər ver vir wer wür vér . . *wire (FU)
Fuß,Bein jalka jalg juolge jalgo jal . . . . g-yalog . . *jalka (FU)
wer ken ke(s) gi,kä ki ke,kü kin kin . . ki . . *ke,ki (FU)
gehen mene mine manna . mije min mun men min mën min men-da *mene
fühlen oä tunte tunde dow'da . . todi ted . . tud tumta (tymne) *tumte
geben anta anda . ando . ud ud . . ad . . *amta (FU)
eins yksi üks ok'ta vejke ik(te) ok et it ük ëgy (?) . . *ikte (FU)
zwei kaksi kaks guokte kavto kok kik kik kät kit két . . *kakta (FU)
drei kolme kolm golbma kolmo kəm kwin kujim koləm korəm három . . *kolme (FU)
vier neljä neli njaelje nile nəl nil nol nelə nili négy . . *neljä (FU)
fünf viise viis vitta vete wəc vit vit wet ät öt . . *witte (FU)
sechs kuusi kuus gut'ta koto kut kwat' kvat kut kat hat . . *kutte (FU)
hundert sata sada čuotte sado šüδə su so sat šat száz . . *sata (FU)

Auf eine außeruralische Verwandtschaft weisen folgende protouralische Formen hin:

  • *kwala Fisch, german. *hwala
  • *kota Hütte, indogerm. *kata
  • *sene Sehne, Ader, german. *sinwo
  • *ki wer, latein. qui
  • *sata hundert, indogerm. *satem

Älteste Belege und Schriftsprachen

Das Ungarische ist die uralische Sprache mit den ältesten schriftlichen Belegen. Nach ersten verstreuten Einzelwörtern in anderssprachigen Texten ist eine Leichenrede aus dem Ende des 12. Jahrhunderts der früheste Textbeleg. Er besteht aus 38 Zeilen und hat einen Umfang von 190 Wörtern. Es folgt um 1300 eine altungarische Marienklage, eine künstlerisch wertvolle Nachdichtung eines lateinischen Textes, gewissermaßen das erste ungarische Gedicht. Das älteste karelische Sprachdenkmal stammt aus dem 13. Jhdt. und ist ein sehr kurzer auf Birkenrinde geschriebener Text. Altpermisch, die früheste belegte Form des Komi, erhielt im 14. Jhdt. durch den Misssionar Stephan ein eigenes Alphabet, das auf dem griechischen und altslawischen Alphabet basiert. Das älteste estnische Buch wurde 1525 gedruckt, blieb aber nicht erhalten; der erste erhaltene estnische Text sind 11 Seiten eines 1535 gedruckten religiösen Kalenders. Die finnische Literatur beginnt 1544 mit den Rukouskirja Bibliasta des Mikael Agricola, 1548 folgt seine Übersetzung des Neuen Testaments. Die ältesten samischen Texte stammen aus dem 17. Jhdt.

Außer den erwähnten Sprachen mit frühen Sprachdenkmälern haben inzwischen fast alle uralischen Sprachen eine schriftliche Form gefunden, wenn auch eine eigentliche literarische Produktion nur bei den größeren Sprachen stattgefunden hat. Die uralischen Sprachen in Russland benutzen geeignete Modifikationen des kyrillischen Alphabets, die westlichen Sprachen das lateinische.

Externe Beziehungen des Uralischen

Ural-Altaisch: eine aufgegebene Hypothese

Es gibt zahlreiche Versuche, die Verwandtschaft der uralischen Sprachen mit anderen Sprachgruppen wie dem Indogermanischen und Altaischen, aber auch einzelner kleinerer sibirischer Sprachfamilien nachzuweisen. Längere Zeit wurde die Hypothese einer ural-altaischen Sprachfamilie diskutiert. Sie findet heute in dieser Form keine noch Anhänger in der Wissenschaft, ist aber in popilären Darstellungen und Schulbüchern noch weit verbreitet.

Uralisch im Kontext von Nostratisch und Eurasiatisch

Allerdings wird intensiv an Hypothesen gearbeitet, das Uralische zusammen mit dem Indogermanischen, Altaischen (Turkisch, Mongolisch, Tungusisch) und weiteren Gruppen zu sogenannten Makrofamilien zusammenzufassen, eine nicht leichte Aufgabe, wenn schon die Rekonstruktion des Proto-Uralischen wegen seines hohen Alters äußerst schwierig ist. Zu nennen sind hier die Arbeiten von Ahron Dolgopolsky zur nostratischen Makrofamilie, die neben Indogermanisch, Altaisch und Uralisch auch noch das Drawidische und Afroasiatische umfasst, und Joseph Greenberg zur Eurasiatische Makrofamilie, die sich auf Indogermanisch, Uralisch, Altaisch, Japanisch, Koreanisch, altsibirische Sprachen und Eskimo-Aleutisch 'beschränkt'.

Uralisch und Jukagirisch

Eine ernst zu nehmende Hypothese ist die der Verwandtschaft des Uralischen mit der sonst als isoliert eingestuften paläosibirischen Sprache Jukagirisch. Jukagirisch wird von einigen hundert Menschen in Nordost-Sibirien gesprochen. Nach Ruhlen 1991 beweisen die Arbeiten von Collinder 1965 und Harms 1977 jenseits jeden Zweifels die Verwandtschaft des Jukagirischen mit den uralischen Sprachen. Collinder 1965 stellt fest: Die Gemeinsamkeiten des Jukagirischen und Uralischen sind so zahlreich und charakteristisch, dass sie Überreste einer ursprünglichen Einheit sind. Das Kasus-System des Jukagirischen ist fast identisch mit dem des Nord-Samojedischen. Der Imperativ wird mit den selben Suffixen gebildet wie im Süd-Samojedischen und den konservativsten finno-ugrischen Sprachen. Jukagirisch hat ein halbes Hundert gemeinsamer Wörter mit dem Uralischen, und zwar ohne die Lehnwörter. Man sollte bemerken, dass alle finno-ugrischen Sprachen in der Kasus-Flektion mehr vom Samojedischen abweichen als das Jukagirische. Es wäre danach durchaus möglich, von einer uralisch-jukagirischen Sprachfamilie zu sprechen.

Geschichte und aktuelle Diskussion der Klassifikation

Historischer Überblick

Frühe Ansätze

Die frühesten Wahrnehmungen verwandtschaftlicher Beziehungen von Sprachen, die wir heute als uralisch bezeichnen, gehen bereits auf das Ende des 9. Jhdts. zurück. Der Wikinger Othere berichtet von der Ähnlichkeit des Karelischen und Samischen. Im 15. Jhdt. werden Beziehungen zwischen dem Ungarischen und dem Chanti-Mansi erkannt, allerdings wohl weniger auf linguistischer Basis als vielmehr durch die Namensähnlichkeit 'Ugria' und 'Hungaria'. Weitere wichtige Stationen: 1671 bemerkt der Schwede G. Stiernhielm die enge Verwandtschaft des Estnischen, Samischen und Finnischen, außerdem sieht er eine entferntere Beziehung dieser Gruppe zum Ungarischen. 1717 konstatiert J.G. von Eckhart in Leibniz' Sammelwerk Collectanea Etymologica darüber hinaus die Relation des Samojedischen zu den finnischen und ugrischen Sprachen.

Strahlenberg und Schlözer

1730 klassifiziert P. J. von Strahlenberg die finnisch-ugrischen Sprachen bis auf das Lappische, 1770 ergänzt der deutsche Historiker A. L. von Schlözer Strahlenbergs Klassifikation um die lappische Komponente. Somit ist die im wesentlichen heute noch akzeptierte Gliederung der finno-ugrischen Sprachfamilie bereits sechs Jahre vor William Jones' berühmter Rede vorhanden, die die Grundlage für eine indogermanische Sprachwissenschaft legt.

Sajnovics und Gyarmathi

Weitere konsolidierende Schritte sind die Arbeiten der Ungarn J. Sajnovics und vor allem von S. Gyarmathi 1799. Er zeigt, dass das Ungarische der nächste Verwandte des Chanti und Mansi ist und diese drei einen eigenen Zweig, das Ugrische, ausmachen; er belegt durch gültige Etymologien die Beziehungen des Ugrischen zu den finnischen Sprachen und fasst die damals bekannten samojedischen Sprachen zu einer eigenen Gruppe zusammen.

Castrén und Halasz

1840 erschließt der Finne M.A. Castrén durch Feldstudien das Samojedische systematisch, klärt die interne Nord-Süd-Gliederung des Samojedischen und etabliert die Zweiteilung der Gesamtfamilie in einen samojedischen und finno-ugrischen Zweig. Die Arbeiten Castréns werden durch den Ungarn I. Halasz 1893 durch 245 gesamt-uralische Wortgleichungen endgültig auf sicheren Boden gestellt.

Aktuelle Gliederungsthesen

Trotz dieser frühen Klassifikationsleistungen sind auch heute keineswegs alle Probleme der internen Gliederung des Uralischen gelöst. Gerade in den letzten Jahren wurden scheinbar sichere Erkenntnisse - wie die Zweiteilung des Finnisch-Ugrischen in eine Finnische und Ugrische Komponente - in Frage gestellt. Ein weiteres Problem ist die Einordnung des Samischen. Als allgemein akzeptiert können folgende Aussagen gelten:

  • Das Uralische bildet eine Sprachfamilie, die primär in einen finno-ugrischen und einen samojedischen Zweig zerfällt.
  • Gültige genetische Untereinheiten des Finno-Ugrischen sind das Ostseefinnische (Finnisch, Estnisch, Karelisch, Wepsisch, Ingrisch, Wotisch, Livisch), das Samische (mit 10 Sprachen oder Dialekten), das Permische (Udmurtisch und Komi) und das Ugrische (Ungarisch und Ob-Ugrisch mit Chanti und Mansi). Der linguistische Nachweis der ugrischen Einheit hat sich dabei als äußerst schwierig herausgestellt.

Häufig - aber nicht von allen Forschern - wurden Mari und Mordwinisch zu einer Einheit Wolgaisch und das Ostseefinnische mit dem Samischen zu Samisch-Finnisch zusammengefasst. Die finno-ugrischen Sprachen, die nicht zu den ugrischen gehören, wurden von den meisten Forschern als eine genetische Einheit Finnisch betrachtet. Solche Klassifikationen gehen also von folgender Grundstruktur aus:

  • Uralisch
    • Finno-Ugrisch
      • 'Finnisch
      • Ugrisch
    • Samojedisch

Sie unterscheiden sich nur durch die Feingliederung der finnischen Gruppe. So ziemlich alle möglichen Varianten sind vorgeschlagen worden, wichtige Arbeiten zur Gliederung des FINNISCHen kamen zu folgenden Ergebnissen:

Collinder, Austerlitz, Harms und Voegelin

Collinder 1965

  • Finnisch
    • Ostseefinnisch
    • Samisch
    • Mordwinisch
    • Mari
    • Permisch

Austerlitz 1968

  • Finnisch
    • Samisch-Finnisch
    • Wolgaisch
      • Mordwinisch
      • Mari
    • Permisch

Harms 1974

  • Finnisch
    • Westfinnisch
      • Samisch-Finnisch
      • Mordwinisch
    • Mari
    • Permisch

Voegelin 1977

  • Finnisch
    • Finno-Wolgaisch
      • Samisch-Finnisch
      • Wolgaisch
        • Mordwinisch
        • Mari
    • Permisch

Janhunen

Janhunen 1992 berücksichtigt die Reihenfolge der Abspaltungen vom Finno-Ugrischen, was auf einen binären Stammbaum führt, der nur zweigliedrige Verzweigungen besitzt. Er geht von der Abspaltungsfolge 1. Ugrisch, 2. Permisch, 3. Mari, 4. Mordwinisch und 5. Samisch aus. Als Rest bleibt 6. das Ostseefinnische.

Abondolo

Dagegen nimmt Abondolo 1998 gerade das umgekehrte Abspaltungsszenario an und verneint damit die Existenz einer genetischen Einheit FINNISCH gegenüber dem Ugrischen. Er sieht folgende Abspaltungsfolge vom Finno-Ugrischen: 1. Samisch-Finnisch, 2. Mordwinisch, 3. Mari, 4. Permisch. Übrig bleibt als Kern 5. das Ugrische. Man erhält folgende binäre Abstammungsstruktur:

  • Finno-Ugrisch
    • Samisch-Finnisch
      • Ostseefinnisch
      • Samisch
    • Mordwinisch-Mari-Permisch-Ugrisch
      • Mordwinisch
      • Mari-Permisch-Ugrisch
        • Mari
        • Permisch-Ugrisch
          • Permisch (Udmutisch und Komi)
          • Ugrisch
            • Ob-Ugrisch (Mansi, Chanti)
            • Ungarisch

Zusammenfassung

Die verschiedenen aktuellen Ergebnisse zusammenfassend, scheint es momentan sinnvoll zu sein, innerhalb des Finno-Ugrischen nur das Samisch-Finnische zu einer engeren genetischen Gruppe zusammenzufassen, dem die Einheiten Mordwinisch, Mari, Permisch und Ugrisch gleichrangig zur Seite gestellt werden. Die traditionellen Einheiten Finnisch oder Finno-Permisch und Wolgafinnisch entfallen damit. Man erhält dann folgende Struktur, die auch diesem Artikel zugrunde gelegt wird:

  • Uralisch
    • Finno-Ugrisch
      • Finnisch-Samisch
        • Ostseefinnisch
        • Samisch
        • Mordwinisch
        • Mari
        • Permisch
        • Ugrisch
          • Ob-Ugrisch
          • Ungarisch
    • Samojedisch
      • Nordsamojedisch
      • Südsamojedisch

Die künftige Forschung wird zeigen, ob die hier wegen der neueren Resultate nicht aufgenommene Untereinheit Finnisch linguistisch relevant ist. Wolgaisch (also Mordwinisch und Mari zusammengefastt) scheint als eigenes Taxon in der neueren Diskussion kaum noch Anhänger zu finden.

Die Klassifikation des Uralischen ist neuerdings wieder sehr in der Diskussion (vgl. A. Marcantonio 2002), bis hin zur Aufgabe der genetischen Einheiten Ugrisch, Finno-Ugrisch und Uralisch insgesamt. Auch wird die Frage diskutiert, ob das Uralische überhaupt durch ein Stammbaummodell beschreibbar ist. Der hier präsentierte Standpunkt entspricht im wesentlichen Abondolo, The Uralic Languages, 1998.

Urheimat und Ausbreitung

Wie gerade gezeigt, korrespondiert eine bestimmte Klassifikationsvariante eng mit einer Hypothese über die Ausbreitung der jeweiligen Sprachgruppe von einer angenommenen Urheimat in ihren heutigen geographischen Raum. Die Festlegung der Urheimat des Proto-Uralischen ist wegen des hohen Alters der Proto-Sprache eine schwierige Aufgabe. Man nimmt allgemein an, dass sie im zentralen oder südlichen Uralgebiet mit einem Zentrum westlich des Gebirgszuges zu lokalisieren ist. Als erste trennten sich die Vorfahren der heutigen Samojeden und zogen ostwärts. Diese Trennung erfogte vor mindestens 6000, wenn nicht 7000 Jahren, was aus der relativ geringen Zahl (ca 150) gesamt-uralischer Etymologien zu schließen ist. Die Aufspaltung des Samojedischen in die heutigen Sprachen begann wohl erst vor etwa 2000 Jahren.

Die finno-ugrische Gruppe war von Anfang an die bei weitem größere. Erste Aufspaltungen dieser Gruppe gehen mindestens auf das 3. Jt. vC zurück. Wie schon oben erwähnt, ist die Reihenfolge der Abspaltungen und damit der Verlauf der Ausdehnung der finno-ugrischen Sprachen inzwischen (seit etwa 1970) strittig. Seit Donner 1879 wurde allgemein akzeptiert, dass sich das Ugrische als erste Gruppe vom Finno-Ugrische trennte und als Rest die 'finnische' Einheit zurückließ. Die neueren Resultate (Sammallahti 1984 und 1998, Viitso 1996) sehen dagegen die samisch-finnische Gruppe als eine periphere Einheit an, die zuerst und zwar schon im 3. Jt. vC vom finno-ugrischen Kern abrückte. Es folgten das Mordwinische und das Mari (etwa um 2000 vC) und schließlich das Permische in der Mitte des 2. Jt. vC. Als Kern blieben die Sprachen zurück, aus denen sich das Ugrische entwickelte. Wohl bereits 1000 vC kann man die Trennung des Ungarischen von den ob-ugrischen Sprachen ansetzen. Die Ungarn (Selbstbezeichnung Magyaren) zogen seit 500 nC zusammen mit türkischen Stämmen westwärts und erreichten und eroberten das schwach besiedelte Karpatenbecken 895 nC. (Der Name Ungar stammt aus dem Bulgar-Türkischen oder Tschuwaschischen von 'on-ogur' = 'zehn Ogur-Stämme').


Sprachliche Charakteristik der uralischen Sprachen

Typologisch haben die uralischen Sprachen eine große Bandbreite. Allerdings sind einige Eigenschaften vorherrschend oder doch weit verbreitet: eine reiche agglutinative Morphologie mit monosemantischen Suffixen, insbesondere ein reichhaltiges Kasus-System mit bis zu 20 'Fällen', Wortstellung SOV (in den westlichen uralischen Sprachen durch Fremdeinfluss oft SVO), Negation durch ein flektierbares Hilfsverb, ursprünglich eine geringe Neigung zur Numerus-Markierung, Vokalreichtum, Vokalharmonie und Konsonantenstufung. Diese Merkmale werden unten ausführlicher erläutert.

Das Proto-Uralische konnte mit den Methoden der komparativen Linguistik bis zu einem gewissen Grade rekonstruiert werden. Besondere Schwierigkeiten macht dabei der große Abstand des Finno-Ugrischen vom Samojedischen, also letztlich das hohe Alter des Proto-Uralischen, das auf mindestens 7.000 Jahre geschätzt wird. Nicht alle Gemeinsamkeiten der uralischen Sprachen können als Erbgut aus dem Proto-Uralischen angesehen werden: einige spiegeln Sprachuniversalien wieder, andere den Einfluss benachbarter nicht-uralischer Sprachgruppen. Hier kommen vor allem das Indogermanische (insbesondere Iranisch, Germanisch, Baltisch und Slawisch) aber auch die Turksprachen in Frage. Im folgenden werden ausgewählte Merkmale uralischer Sprachen zusammengestellt, die im Vergleich zu indogermanischen Sprachen besondere Aufmerksamkeit verdienen. Eine umfassende Darstellung des Proto-Uralischen enthält Hajdú 1987.

Phonologie

Phoneme

Für die Darstellung des rekonstruierten Konsonanten- und sehr reichhaltigen Vokalsystems des Proto-Uralischen verweise ich auf die weiterführende Literatur (Abondolo 1998, Hajdú 1987, Harms 1979). Als Beispiel sei das Phoneminventar des Finnischen herangezogen:

Konsonanten: p,t,d,k; v,j,s,h; m,n,ŋ; l,r Vokale: i,e,?,a,o,ö,u,y in kurzer und langer Form

Die lange Form der Vokale wird im Finnischen durch Doppelsetzung, im Ungarischen durch einen Akzent (z.B ház) ausgedrückt.

Vokalharmonie und Vokalassimilation

Vokalharmonie ist die qualitative Abhängigkeit eines Suffixvokals vom Wurzelvokal, im weiteren Sinne die qualitative Angleichung zwischen Vokalen eines Wortes. Beides kommt in den uralischen Sprachen weitverbreitet vor. Ob es sich um ein proto-uralisches Merkmal handelt, ist umstritten: hier könnte turkischer Einfluss vorliegen. Die Beispiele stammen aus dem Finnischen und Ungarischen. Der Suffixvokal richtet sich nach der Qualität des Wurzelvokals; hierbei bilden a,o,u einerseits und ä,ö,ü andererseits disjunkte Klassen:

Finn. tallo Haus tallo-ssa im Haus kynä Feder kynä-ssä in der Feder

Ung. asztal Tisch asztal-ok Tische föld Land föld-ök Länder

Ähnliche Regeln gelten nicht nur im Finnischen und Ungarischen, sondern auch in manchen Dialekten des Mordwinischen, Mari, den ob-ugrischen Sprachen und dem samojedischen Kamas. In anderen uralischen Sprachen fehlt dagegen die Vokalharmonie völlig. Streng genommen von der Vokalharmonie zu trennen ist die Vokalassimilation. Z.B. assimiliert unbetontes Suffix-e im Finnischen zum vorhergehenden Vokal:

Finn. talo+hen > taloon in das Haus (das h entfällt) talo+i+hen > taloihin in die Häuser

Im Ungarischen assimiliert der Suffixvokal der Endung -hez qualitativ (in seiner Rundung) zum vorhergehenden Vokal:

Ung. ház-hoz = zum Haus; kéz-hez = zur Hand; betu-höz = zum Brief

Konsonantenstufung (Stufenwechsel)

Im Samisch-Finnischen werden 'harte' Konsonanten durch stimmhafte, frikative oder liquide Varianten ersetzt, Doppelkonsonanten zu Einfachkonsonaten entschärft, wenn die folgende Silbe durch ein Suffix geschlossen wird (z.B. beim Genetiv-Suffix -n).

Finn. mato Wurm madon des Wurmes matto Decke maton der Decke poika Junge pojan des Jungen lintu Vogel linnun des Vogels

Im Finnischen gelten allgemein folgende Übergangsregeln:

pp > p, tt > t, kk > k; mp > mm; t > d, p > v, k > 

Ob auch in den samojedischen Sprachen Spuren der Konsonantenstufung zu finden sind, ist umstritten. Gäbe es sie, würde das auf einen proto-uralischen Ursprung hinweisen. Die meisten Forscher gehen von einer samisch-finnischen Innovation aus.

Agglutinative Morphologie

Die uralischen Sprachen benutzen zur Bildung der Formen der Nomina und Verben die Agglutination (lat. Anleimung). Jedem Morphem (Wortbildungselement) entspricht dabei eindeutig ein Bedeutungsmerkmal (z.B. Genetiv, Lokativ; Tempus, Person), die einzelnen Morpheme werden - unter Berücksichtigung der Vokalharmonie - unmittelbar aneinandergereiht. Die Morpheme sind also monosemantisch und juxtaponierend. Es gibt keinen Zweifel, dass bereits das Proto-Uralische vom agglutinierendem Sprachtyp war. (Beispiele unter Nominalbildung und Verbalbildung.)

Nominalbildung

=Kasus

Die Kasus des Nomens werden in den uralischen Sprachen ausschließlich durch Suffixe gebildet, nie durch Präfixe. Adjektiv-Attribute, Demonstrativa und Zahlwörter zeigten ursprünglich keine Kongruenz in Kasus und Numerus mit dem zugeordneten Nomen, wurden also nicht 'mitdekliniert'.

Ung. a négy nagy ház-ban in den vier großen Häusern (a = bestimmter Artikel)

Allerdings ist das Finnische unter dem Einfluss seiner idg. Umgebung zur Kongruenz übergegangen:

Fin. pieni poika kleiner Junge pienet pojat kleine Jungen neljä-ssä iso-ssa talo-ssa in den vier großen Häusern

Das Proto-Uralische besaß mindestens einen Nominativ (unmarkiert), Akkusativ, Ablativ, Lokativ und Lativ (Richtungsfall). Die Anzahl der Fälle reicht in den modernen uralischen Sprachen von 3 beim Chanti, über 6 beim Lappischen, 15 im Finnischen bis zu 16 (oder gar 21) im Ungarischen.


Kasusbildung in einigen uralischen Sprachen

Finn. Komi Ungarisch Nenets Bedeutung

talo-ssa kerka-yn ház-ban xarda-xa-na im Haus talo-i-ssa kerka-yas-yn ház-ak-ban xarda-xa-?-na in Häusern talo-sta kerka-ýs ház-ak-ból xarda-xa-?-d vom Haus weg

Numerus

Der Numerus (Singular-Dual-Plural) ist keine Proto-Uralische Kategorie, was man daran erkennen kann, dass in den modernen uralischen Sprachen die Pluralmarker außerordentlich vielfältig sind. Einen Dual gibt es heute in den samischen, ob-ugrischen und samojedischen Sprachen. Die Kategorie Genus (grammatisches Geschlecht) existiert in den uralischen Sprachen nicht. Komplexere Nominalketten werden in den uralischen Sprachen nach sehr unterschiedlichen Prinzipien gebildet, die Regeln dafür liegen aber in jeder Sprache fest. Als Beispiel sei hier wieder das Finnische herangezogen. Eine Nominalkette hat die Struktur

Finn. Stamm + (Plural) + Kasus + (Possessiv)

Finn. talo-i-ssa-ni Haus-PLURAL-INESSIV-POSS 1.sg. Haus-mehrere-in-mein (lit) in meinen Häusern

talo-i-sta-si aus deinen Häusern

Gesamturalisch gilt bei Possessiv-Konstruktionen die Reihenfolge 'Besitzer vor Besitz':

Finn. isä-n talo Vaters Haus, das Haus des Vaters Ung. János ház-a Janos Haus-sein (lit): Janos' Haus


Verbalbildung

Die uralischen Kategorien des Verbs sind Tempus-Aspekt (Präsens-Futur, abgeschlossenes Präsens-Futur und Vergangenheit), Modus (Indikativ, Imperativ, Konditional-Potential), Person (1-3) und Numerus (Singular, Plural). Ein Genus verbi (Aktiv, Passiv) ist keine gesamt-uralische Kategorie. Konstruktionen mit Hilfsverben sind z.B. im Finnischen - erst unter dem Einfluss germanischer Sprachen entstanden. Als Beispiel ziehen wir wieder das Finnische heran.

Zur Verbalbildung im Finnischen am Beispiel laula = singen

Präs.Indik. Singular Plural

1 laula-n laula-mme 2 laula-t laula-tte 3 laula-a laula-vat

Imperfekt laula+i+Personalendung

laula-i-n > laulo-i-n laula-i-a > laula-i

Perfekt Bildung mit Hilfsverb ole + Part.Perfekt laula-nut

ole-n laula-nut ich habe gesungen ol-i-n laula-nut ich hatte gesungen

Konditional Bildung durch -isi- am Verbstamm:

puhu-isi-n ich würde sprechen


Negativ-Verb

Die Negation wird durch ein konjugierbares Negativ-Verb ausgedrückt, vergleichbar mit der Umschreibung im Englischen 'I do not go':

Finn. mene-n ich gehe e-n mene nicht-tun-ich gehen → ich gehe nicht

mene-t du gehst e-t mene du gehst nicht


Umschreibung für 'haben'

Haben wird durch 'sein' mit dem Lokativ ausgedrückt.

Finn. isä-llä on tallo Vater-bei ist Haus (lit) → Vater hat ein Haus

Ung. János-nak van egy ház-a Janos-bei ist ein Haus-sein (lit) → Janos hat ein Haus


Wortstellung

Die ursprüngliche uralische Wortstellung im Satz ist SOV (Subjekt-Objekt-Prädikat). Sie ist nach wie vor bei den samojedischen und ob-ugrischen Sprachen die Regel, bei den zentralen finno-ugrischen Sprachen in Russland und im Ungarischen üblich, wenn auch nicht obligatorisch. In den ostseefinnischen Sprachen hat sie sich unter dem Einfluss des Indogermanischen in die Stellung SVO geändert.