Benjamin Netanjahu

Benjamin Netanjahu (hebr.: בנימין נתניהו Binjamin Netanjahu, in Israel landläufig Bibi genannt; * 21. Oktober 1949 in Tel Aviv) ist ein israelischer Politiker des konservativen Likud-Blocks. Er ist seit Dezember 2005 Vorsitzender des Likud.
Netanjahu war von Mai 1996 bis Mai 1999 israelischer Ministerpräsident. 1998 und in den Jahren 2002 bis 2003 bekleidete er das Amt des israelischen Außenministers. 2003 wurde er zum Finanzminister ernannt, legte das Amt jedoch Mitte 2005 aus Protest gegen die Siedlungspolitik der Scharon-Regierung nieder.
Mit der Wahl der 17. Knesset in Israel übernahm er im April 2006 das Amt des Oppositionsführers. Zurzeit strebt er offenbar eine Fusion der Parteien Likud und Israel Beitenu an, war bis vor Kurzem im Gespräch für eine eventuelle Notstandsregierung wegen des israelisches Einmarschs im Libanon und der daraus zu erwartenden Konsequenzen und fordert seither den Rücktritt des amtierenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert. Dabei wird seine Rückkehr ins Ministerpräsidentenamt nicht ausgeschlossen.
Familie und persönlicher Hintergrund
Benjamin ist der Sohn von Zila und Ben-Tzijon Netanjahu. Sein Vater, Ben-Tzijon, ist Professor für jüdische Geschichte und ehemaliger Herausgeber der Hebräischen Enzyklopädie. Sein älterer Bruder Jonathan gilt in Israel als Kriegsheld und kam bei der Operation Entebbe im Jahre 1976 ums Leben. Sein jüngerer Bruder Iddo ist Radiologe und Schriftsteller. Alle drei Brüder dienten in der Sajeret-Matkal-Einheit.
Netanjahu ist zum dritten Mal verheiratet; aus erster Ehe hat er eine Tochter, Noa, und mit seiner heutigen Ehefrau Sarah hat er zwei Kinder. Obwohl er in Israel geboren ist, wuchs er in Cheltenham im US-Bundesstaat Pennsylvania auf. Seinen High-School-Abschluss erlangte er an der Cheltenham High School. Er besitzt einen Bachelor of Science in Architektur des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und einen Master of Science in Management der MIT Sloan School of Management, außerdem hat er Politische Wissenschaften an der Harvard University und am MIT studiert.
Schließlich ist er auch Autor verschiedener Bücher über den internationalen Terrorismus und gilt als Experte auf diesem Gebiet.
Ministerpräsident (1996 bis 1999)
Wahl und Amtszeit
Netanjahu wurde im Jahre 1996 nach einer Reihe von palästinensischen Selbstmordanschlägen auf israelische Zivilisten gewählt. Schimon Peres, der in den Umfragen führte, konnte die Terrorattacken nicht stoppen, weshalb das öffentliche Vertrauen in ihn rapide nachließ. So kam es am 3. und 4. März 1996 zu zwei tödlichen Anschlägen, die von palästinensischen Terroristen verübt wurden. In ihnen kamen 32 israelische Bürger ums Leben. Diese beiden Anschläge waren der hauptsächliche Anlass für den rapiden Vertrauensverlust Peres'. Anders als Peres vertraute Netanjahu nicht auf den guten Willen Yassir Arafats und machte jeglichen Fortschritt im Friedensprozess davon abhängig, dass die palästinensische Autonomie ihren Verpflichtungen - hauptsächlich den Terror zu bekämpfen - nachkam. Der Slogan seiner Kampagne war "Netanjahu - einen sicheren Frieden schaffen".
Als Ministerpräsident handelte er mit Yassir Arafat das Wye-Abkommen aus, aber viele meinten, er versuche jeden Fortschritt aufzuhalten. Dafür sprach auch der am 2. August 1996 sehr umstrittene Entscheid, den vorher verfügten Baustopp von israelischen Siedlungen in den Palästinensergebieten wieder aufzuheben. In den folgenden Wochen erwirkte Netanjahu die Errichtung einer großen Anzahl neuer Siedlungen.
Seine kompromisslose Politik schien zunächst zu wirken: anders als unter seinem Vorgänger und Nachfolger gab es unter seiner Regierung relativ wenige Selbstmordanschläge innerhalb Israels. Im Jahre 1996 entschieden er und der Bürgermeister Jerusalems Ehud Olmert allerdings, einen Ausgang für den Klagemauer-Tunnel zu öffnen. Dies hatte dreitägige Unruhen der Palästinenser mit zahlreichen Toten auf beiden Seiten zur Folge.
Ablehnung der Bevölkerung und Nicht-Wiederwahl
Trotz seiner teilweisen Erfolge gegen den Terrorismus lehnten erst große Teile der Medien und der intellektuellen Oberschicht Israels Netanjahus Politik ab, bevor er nach einer langen Kette von Skandalen (einschließlich Gerüchten um seine Ehefrau) auch das Vertrauen der israelischen Öffentlichkeit verlor. Eine Untersuchung, die wegen Korruptionsvorwürfen gegen ihn lanciert wurde, trug schließlich ebenfalls zum Verlust des Vertrauens bei.
Dies alles gipfelte in den Wahlen von 1999, als Netanjahu von Ehud Barak geschlagen wurde und sich deshalb zeitweise aus der Politik zurückzog.
Nach der Ministerpräsidentschaft (2000 bis 2006)
Verschiedene Ministerposten unter Scharon
Im Jahre 2002, nach dem Rückzug der Arbeitspartei aus der Regierung, ernannte Ministerpräsident Ariel Scharon Netanjahu zum Außenminister. Netanjahu forderte Scharon als Vorsitzenden des Likud heraus, scheiterte aber damit, Scharon seines Amtes zu entheben. Nach den Wahlen von 2003 akzeptierte Netanjahu das Amt des Finanzministers in der neuen Regierung Scharons.
Netanjahu der "Falke"
Netanjahu gilt innerhalb des Likud als Hardliner (auch "Falke" genannt); er gehört zu den Gegnern eines unabhängigen Palästinenserstaates (er bevorzugt eine Selbstverwaltung unter israelischer Kontrolle), stimmte jedoch für den Scharon-Plan, den er aber stets fintenreich (wenn auch letztlich ohne Erfolg) hintertrieb. Innerparteilich war er ein Konkurrent des früheren israelischen Premierministers Ariel Scharon und versuchte, dessen Position durch die Forderung nach einem Referendum über den Abzugsplan zu schwächen. Als Finanzminister unternahm Netanjahu gewagte Pläne, um Israels Wirtschaft aus den Schwierigkeiten, in die sie während der Al-Aqsa-Intifada geraten war, zu befreien. Die Pläne waren relativ wirtschaftsliberal und provozierten deshalb starke Widersprüche. Am 7. August 2005 trat Netanjahu aus Protest gegen die Zustimmung des israelischen Kabinetts zur ersten Phase des Abzugs israelischer Siedler aus dem Gazastreifen vom Amt des Finanzministers zurück. Er begründete diesen Schritt damit, dass ein unilateraler Abzug Israel keine Vorteile brächte, vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Der Abzug unterminiere die Sicherheit, spalte die Nation und sei nicht der Weg zum Frieden. Außerdem sei dies ein Schritt zu den Grenzen von vor 1967, die nicht militärisch zu verteidigen seien. Der Aktienmarkt reagierte mit Kursverlusten auf seinen Rücktritt.
Likud-Chef und Oppositionsführer
Am Abend des 19. Dezember 2005 stand Benjamin Netanjahu als Sieger der internen Vorwahl im Likud gegen Außenminister Silvan Shalom fest. Einige Wochen zuvor verließ Premier Ariel Scharon den Likud, um eine neue Bewegung namems "Kadima" (Vorwärts) zu gründen. In der Kadima sind viele ehemalige Führungskräfte des Likud zu finden. Sharons Kadima wurden gute Chancen eingerechnet, die Wahlen am 28. März 2006 zu gewinnen, was auch geschehen ist. Durch einen Schlaganfall fiel Scharon aber ins Koma, worauf sein Stellvertreter Ehud Olmert interimistisch Ministerpräsident wurde. Nach der Wahl vom 28. März beauftragte der Präsident Mosche Katzaw Ehud Olmert mit der Regierungsbildung. Die Koalitionsgespräche mit Parteien des rechten Lagers sind mittlerweile abgeschlossen. Der Likudblock verlor massiv Stimmen durch den Wahlsieg der Kadima. Für den Moment befindet sich Likud in der Opposition - die neue israelische Regierung besteht aus Kadima, der Arbeitspartei um Amir Peretz, der Rentnerpartei und Schas. Netanjahu hat sich nach aktuellen Erkenntnissen offenbar bereits schnell in die Rolle des Oppositionsführers eingelebt, was sich anhand erster Abstimmungen erkennen lässt - in der neuen Knesset hat Netanjahu bereits Voten zur Siedlungsfrage seitens der Opposition eingebracht.
Fusion des Likud mit der Partei Israel Beitenu geplatzt
Inzwischen machten Gerüchte die Runde, dass die beiden rechten Parteien Likud und Israel Beitenu fusionieren wollten. Das Programm hatte offenbar drei Stufen: erstens hätten die Wahlen zum Amt des Likud-Vorsitzenden auf Oktober 2007 vorgezogen werden sollen. Danach wäre zweitens das Parteibuch des Likud geändert worden, so dass neue Kandidaten außerhalb des Likud die Möglichkeit hätten, zu wählen und gewählt zu werden. „So können wir Leute wie den ehemaligen Generalstabschef Jaalon und Staatspräsident Mosche Katzaw in den Likud holen“, meinten Vertreter des Likud. In der dritten und letzten Stufe hätten Likud und Israel Beitenu einen gemeinsamen Appell gestartet, der am Ende zur Fusion der beiden Parteien führen sollte. In geschlossenen Gesprächen nannte der Likud die neue Partei „Ha-Likud Beitenu“. Likud-Chef Netanjahu, und der Vorsitzende von Israel Beteinu, Avigdor Lieberman, drückten grundsätzlich ihre Übereinstimmung in Bezug auf eine Fusion der beiden Parteien aus [1]. Zwischenzeitlich sind die Fusionspläne auf Eis gelegt, denn durch den Einzug von Israel Beitenu in die Regierung [2] befindet sich Netanjahu auf der Verliererseite und muss sein Vorhaben, kurzfristig mit der neuen Partei in die Regierung einzuziehen, fallen lassen. Ihm bleiben die guten Umfragewerte und die Rolle als Oppositionsführer.
Rückkehr ins Ministerpräsidentenamt?
Durch den am 12. Juli 2006 vollzogenen israelischen Einmarsch im Libanon (s. Libanonkrieg 2006) wurden Gerüchte laut, dass Benjamin Netanjahu als Hardliner - wie auch Avigdor Lieberman, der Vorsitzende von Israel Beitenu - in einer Notstandsregierung vertreten sein soll. Beide fordern einen noch härteren Umgang mit den Palästinensern. Ehud Olmert hat Netanjahus Meinung nach (und diese teilen gemäß Umfrage im Moment 63% der Israelis) die Kriegsziele verfehlt. Daher fordert er unumwunden Olmerts Rücktritt. Durch die "Wiederauferstehung" des Likudblockes könnten sich 45% der Bevölkerung Netanjahu als nochmaligen Premier vorstellen.
Fazit: Kritik und Würdigung
Benjamin Netanjahu ist gewiss eine der schillernsten Persönlichkeiten der israelischen Politik. Gerade seine Medienauftritte als Ministerpräsident waren äußerst populär, er gilt nach wie vor als intellektueller Politiker und genoss in seiner Eigenschaft als Ministerpräsident auch als Terrorismusexperte hohes Ansehen. Was Netanjahu vorgeworfen werden muss, ist seine Hinhaltetaktik im Friedensprozess mit den Palästinensern. Durch diesen Umstand, durch Affären und weitere diplomatisch ungeschickte politische Aktivitäten verlor er nach nur drei Jahren im Amt das Vertrauen der israelischen Bevölkerung; diese strafte nicht nur Netanjahu mit der Nicht-Wiederwahl, sondern wählte als neuen Ministerpräsidenten gar einen Oppositionellen, was auch als Vertrauensbruch gegenüber Netanjahus Politik der Unilateralität verstanden werden muss.
Netanjahu selbst wird in Israel als politisches "Stehaufmännchen" klassifiziert. Viele trauen ihm - gerade auch angesichts der Tatsache, dass er verschiedene Ministerposten unter Scharon innehatte - durchaus eine zweite Amtszeit im höchsten Amt der Exekutive Israels zu.
Im Moment ist er als Oppositionsführer äußerst aktiv. Würde ihm die Fusion der beiden Parteien Likud und Israel Beitenu gelingen, könnte er seine politische Stellung weiter verbessern. Auch das Gerücht, er könne in einer Notstandsregierung wegen des israelischen Einmarsches in den Libanon beteiligt werden, zeigt sein immer noch hohes Ansehen. Ein politisches Comeback von Benjamin Netanjahu gilt daher als wahrscheinlich.
Quellen
- ↑ Jedi'ot Acharonot vom 13. Juni 2006
- ↑ shn.ch "Ultrarechter in der israelischen Regierung" vom 24. Oktober 2006
Weblinks
- Vorlage:PND
- Robert Schulz: Benjamin Netanjahu – Ein Populist?, Rostock 2001.[1]
- Laster, Samuel: Der "Zauberer" ist wieder da - der Zauber seiner Partei scheint verflogen. - Netanjahu gewinnt bei Vorwahl Vorsitz des Likud, 19.Dezember 2005. [2]
- Bradley Burston, Hamas will elect our next prime minister ("Ha'aretz", 15. Februar 2006)
- Benjamin Netanjahu Profil, Ynet Israel news Lexicon (ynetnews, Englisch)
Personendaten | |
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NAME | Netanjahu, Benjamin |
KURZBESCHREIBUNG | israelischer Politiker des konservativen Likud-Blocks; von April 1996 bis Mai 1999 israelischer Ministerpräsident |
GEBURTSDATUM | 21. Oktober 1949 |