Beobachtungssatz
Empirische Beobachtungsätze, auch Protokollsätze, werden im logischen Empirismus Aussagen genannt, und über deren Gültigkeit durch sinnliche Beobachung eine intersubjektive Übereinkunft erzielt werden kann. Sie dienen als empirische Basis zur Überprüfung von Theorien. Es gibt keine einheitliche Auffassung über den logischen Rahmen der Beobachtungssätze und inwieweit es Beobachtungssätze gibt, deren Gültigkeit als absolut gesichert gelten können oder ob es sich bei solchen Sätzen um intersubjektive Konventionen handelt (Basisproblem).
Beobachtungssatz (M. Schlick)
Nach M. Schlick kann nur die eigene Konstatierung, in denen die Berührung der Theorie mit der Wirklichkeit zustandekommt, absolute Gewissheit bieten. Ein Erfüllungserlebnis, hervorgerufen durch Übereinstimmung von Voraussage und Konstatierung, führt zur Formulierung von Beobachtungsätzen. Diese Beobachtungssätze gelten nur zum exakten Zeitpunkt der Formulierung als absolut gewiss. Nach diesem Zeitpunkt verwandeln sie sich in Hypothesen ohne zwingende Absolutheit, da dann Fehlerquellen (Erinnerungsfehler, fehlerhafte Niederschrift, usw.) vorhanden sein können.
Protokollsatz (O. Neurath)
Bereits Otto Neurath hat die Auffassung Schlicks von der absoluten Gewissheit von Beobachtungsätzen als metaphysische Scheinthese kritisiert. Theorien müssen nach Neurath mit Protokollsätzen in Übereinstimmung gebracht werden. Diese müssen intersubjektiv formuliert sein und einen Verweis auf eine (wahrnehmende) Person enthalten, beispielsweise in der Form: «Die Person hat zur Zeit am Ort das und das wahrgenommen». Protokollsätze besitzen nach Neurath keine absolute Gewissheit, sondern ihre Anerkennung beruht auf Konventionen.
Beobachtungssatz (R. Carnap)
Der Unterschied zswischen singuläre Sätze, zu denen die Beobachtungsätze gehören, und Allaussagen (beispielsweise Naturgesetze) ist nach Rudolf Carnap nur graduell, so dass singuläre Sätze genauso wie Allaussagen letztlich nicht endgültig verfiziert werden können. Nach Carnap enthält die Annahme bzw. Ablehnung eines Beobachtungssatzes deshalb eine intersubjektive konventionelle Komponente, da keine allgemeine Regel für die Annahme oder Ablehnung eines Satzes existiert. Prinzipiell kann jeder Beobachtungssatz auch verworfen werden. Neben der konventionellen Komponente gibt es aber auch eine objektive Komponente, welche aus der gemachten Beobachtung resultiert. Beobachtungen können z.B. so deutlich sein, dass man praktisch nicht anders kann als einen Beobachtungssatz zu akzeptieren, auch wenn trotzdem eine Ablehnung theoretisch möglich wäre. Nach Carnap sind Beobachtungssätze also keine absolut sicheren Wahrheiten, aber auch keine reine Konventionen.
Basissatz (K. Popper)
Kritisiert wurden die Protokollsätze von Karl Popper in der Logik der Forschung (1934). Nach seiner Auffassung kann es keine reinen Protokollsätze geben, da sie bereits Theorien voraussetzen, da sie also „theoriegeladen“ sind und bereits eine Interpretation beinhalten, z. B. die Benennung von wahrgenommenen Objekten, Identifikationen von Personen und Orten. Popper schlug stattdessen die Basissätze vor, von denen nicht die absolute Wahrheit behauptet wird, sondern die konventionellen Charakter haben. Nichtsdestotrotz gibt es eine durch vereinfachte Rezeption von Poppers Werk entstandene Abwandlung seiner Erkenntistheorie, die auf Protokollsätze statt auf Basissätze zurückgreift und die als dogmatischer Falsifikationismus bezeichnet wird. Basissätze haben bei Popper statt «Die Person hat zur Zeit am Ort wahrgenommen: Der Tisch ist weiß» die Form «Zur Zeit am Ort ist der Tisch weiß», weil dadurch eine objektive Aussage über den Tisch selbst gemacht wird, nicht lediglich eine subjektive Aussage über den Eindruck einer Person.
Beobachtungssatze (W.H.Quine)
Literatur
- O. Neurath, Protokollsätze. in Haller/Rutte Gesammelte philosophische und methodologische Schriften Bd.2
- W.Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie.Bd. I, Kapitel IX, ISBN 3-520-30807-X