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Steinigung

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Marx Reichlich: Steinigung des Hl. Stephan, 1506

Die Steinigung (lat. lapidatio) ist eine vor allem bei Israeliten (Hebräern) im Altertum und in manchen islamischen Ländern bis in die Gegenwart verwendete Art der Hinrichtung. Dazu fanden sich Bürger zusammen, die meist nach einem Urteil eines Rechtsorgans (König oder Gericht) den Delinquenten durch Steinwürfe töteten.

Judentum

Bei den Hebräern des Altertums war die Steinigung die typische Vollzugsform für die Todesstrafe. Sie galt als härteste Form der Bestrafung und wurde bei Gotteslästerung (3 Mose 24,16), Götzendienst (z. B. 5 Mose 17,5), Sabbatschändung (4 Mose 15,35f.), Wahrsagerei (3 Mose 20,27), Übertretung eines Tabugebotes (Josua 7, 25), Ehebruch (5 Mose 22,21) und Ungehorsam gegenüber den Eltern (5 Mose 21,21) verhängt. Bemerkenswert ist, dass diese harte Bestrafung gerade für Vergehen gegen die Religion und Sittlichkeit geübt wurde und nicht gegen Verbrechen im heutigen Verständnis. Instruktiv ist hierfür 3. Buch Mose 24,14 (u.f.), an welcher Stelle JHWH selbst zu Mose spricht:

Lass den Flucher, der den Namen des Herrn missbrauchte, vor das Lager hinausführen, und alle, die es gehört haben, sollen die Hände auf sein Haupt stützen, und dann soll ihn die ganze Gemeinde steinigen.

Weitere Beispiele finden 4. Buch Mose 14,10 und 5. Buch Mose 13,11; 17,5 und 22,21, wo die Steinigung für eine Frau verordnet wird, die beim Eheschluss nicht mehr Jungfrau war. (Vgl. auch 2. Buch Mose 21,29 und Lev 20,16). Neben der gesetzlich geregelten Form der Steinigung existierte schon von jeher auch die Steinigung als Lynchjustiz einer aufgebrachten Menge. So wurden Moses und Aaron (biblische Person) von den Israeliten mit der Steinigung bedroht, als diese sie in das "Gelobte Land" führen wollten (4 Mose 14, 10).

Im talmudischen Judentum wird die Steinigung in der Mischna (Traktat Sanhedrin 7) ausführlich erörtert:

VII 4 (a) Diese werden gesteinigt: Wer [seiner] Mutter beiwohnt, der Frau des Vaters, der Schwiegertochter, einem Mann oder einem Vieh beiwohnt, oder eine Frau, die einem Vieh beiwohnt, und ein Lästerer, wer Götzendienst treibt, wer von seinem Samen dem Moloch gibt, ein Totenbeschwörer, ein Wahrsager, wer den Sabbat entweiht, wer seinen Vater oder seine Mutter verflucht, wer einem verlobten Mädchen beiwohnt, ein Verlocker, ein Verführer [zum Götzendienst], ein Zauberer und ein unbändiger oder widerspenstiger Sohn.

Die Durchführung erfolgte, in dem man den Verurteilten von einer Mauer oder einem Felsen rücklings hinabstieß. War er dann noch nicht tot, warf der erste Zeuge einen Stein nach ihm, danach der zweite und schließlich die ganze Gemeinde, bis er tot war. Danach wurde das Opfer noch aufgehängt und zur Schau gestellt.

Steinigung im Neuen Testament

Im Neuen Testament scheint die Steinigung – auch außerhalb der Vorschriften des mosaischen Gesetzes – eine übliche Art des Lynchmordes zu sein, die öfters erwähnt wird (Mt 21,35; 23,37; Lk 20,6): Jesus selbst riskiert, einer Steinigung zum Opfer zu fallen (Joh 10,31) und Stephanus wird aus reiner Wut von dem Sanhedrin gesteinigt (Apg 7,59).

In Joh 8,1-11 wird berichtet, dass Jesus eine Ehebrecherin vor der Steinigung rettet, indem er die in Lev 20,10 und Dtn 17,6-7 festgesetzten Hürden (die beiden Ankläger sollen anfangen, Steine zu werfen) für die Lynchmörder erschwert: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe zuerst den Stein auf sie“ (Joh 8,7)

Steinigungen im Islam

Heute findet die Steinigung radschm / رجم / raǧm noch in bestimmten islamisch geprägten Regionen und Ländern Anwendung. Nach der Schari'a kann die Steinigung zur Bestrafung nur eines der so genannten Hadd-Vergehen verhängt werden, nämlich Ehebruch von zwei Personen, die mit anderen verheiratet sind oder waren. Die Verurteilung kann auf Grund eines Geständnisses oder der Aussage von mindestens vier Zeugen erfolgen, wenn diese angeben, dass sie beim Geschlechtsakt unmittelbar dabei waren.

Während manche Länder die Steinigung einführen wollen oder erst kürzlich eingeführt haben (z. B. der islamisch geprägte Norden Nigerias), sind in anderen Ländern (Iran) Bestrebungen im Gange, die Steinigung durch anderen Hinrichtungsmethoden zu ersetzen. Laut Amnesty International wurde im Iran im Berichtsjahr 2003 an mindestens zwei Personen die Steinigung vollzogen. Dabei wurden die Opfer der Hinrichtung bis zu den Knien im Erdboden eingegraben und komplett mit einem undurchsichtigen Tuch verhüllt. Die Steine durften nicht größer als die werfende Hand sein, um den Tod des oder der Verurteilten hinauszuzögern.

Internationales Aufsehen erregte der Fall von Amina Lawal, die im Jahre 2002 in Nigeria von einem Scharia-Gericht zur Steinigung verurteilt wurde, sowie die Steinigung der tunesischstämmigen Ghofrane Haddaoui durch zwei Landsleute in Frankreich im Jahre 2004.

Weitere Steinigungen

Ein berühmtes Opfer der Steinigung war der Azteken-Kaiser Moctezuma II. Bekannt aus dem Mittelalter ist die Steinigung des Ansverus bei Ratzeburg.

Commons: Steinigung – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien