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Besetztes Nachkriegsösterreich

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Die Besatzungszonen in Österreich

Österreich, die Donau- und Alpengaue des Deutschen Reiches, war nach dem zweiten Weltkrieg von 1945 bis 1955 von den Alliierten Streitkräften besetzt worden. Das Land, wie es bis zum Anschluss an das Deutsche Reich 1938 bestanden hatte, wurde in vier Besatzungszonen aufgeteilt.

Besatzungszonen in Österreich

Die Besatzungszonen und die gemeinsame Verwaltung der Stadt Wien wurden im Abkommen über die Alliierte Kontrolle vom 4. Juli 1945 und im Abkommen der Alliierten über die Besatzungszonen vom 9. Juli 1945 festgelegt. Der ungefähre Verlauf wurde aber bereits bei der Moskauer Deklaration (am 30. Oktober 1943) beschlossen. Kleine Änderungen und Verschiebungen erfuhr diese Einteilung nur durch das Hinzukommen Frankreichs als Besatzungsmacht.

Der Verlauf dürfte der Wehrmacht und der Waffen-SS schon im Jänner 1945 bekannt gewesen sein, weshalb zahlreiche Nazigrößen aus der „Ostmark“ knapp vor Kriegsende in das später amerikanisch besetzte Salzkammergut flüchteten.

Die Besatzungszonen hatten außerhalb Wiens in ihrer definitiven Form folgenden Umfang:

Um die Demarkationslinien zu überschreiten, brauchte man eine alliierte Identitätskarte. Die elf Stempel, die dazu notwendig waren, zeigen, wie schwierig es war, die Zonen zu verlassen. Im Juli 1954 wurden diese Kontrollen beendet.

Besatzungszonen in Wien

Die Besatzungszonen in Wien

Wien war ursprünglich nur durch die Sowjets besetzt. Erst in Folge des Potsdamer Abkommens kamen im August 1945 auch die anderen Alliierten nach Wien. Dabei wurde die Bundeshauptstadt, wie sie im Jahr 1937 bestand, also vor der Zeit von Groß-Wien, wie folgt eingeteilt:

  • gemeinsame Verwaltung durch alle vier Mächte: 1. Bezirk (Innere Stadt) (die vier Mächte wechselten im Monatsrhythmus ab)
  • US-amerikanische Zone: 7., 8., 9., 17., 18., 19. Bezirk
  • britische Zone: 3., 5.,11.,12.,13. Bezirk
  • französische Zone: 6., 14,., 15., 16. Bezirk
  • sowjetische Zone: 2., 4., 10., 20., 21. Bezirk

Die jeweiligen Hauptquartiere waren:

Siehe auch: Wiener Gemeindebezirke

Die Zonengrenzen waren zwar als solche gekennzeichnet, trotzdem war von Beginn an ein freier Zonenwechsel möglich. Den Polizeistreifen war jeweils ein Soldat der vier Besatzungsmächte zugeteilt, wodurch die Freundschaft der Alliierten untereinander dargestellt werden sollte. Wien wurde in diesen Jahren aber durch das gegenseitige Misstrauen der vier Mächte ein Spionagezentrum. Motiviert durch diese allgemein bekannte Situation entstanden auch die beiden Spielfilme Der dritte Mann und Die Vier im Jeep.

Die alliierte Verwaltung

Hauptartikel: Alliierte Kommission für Österreich

Am 11. September 1945 konstituierte sich der „Alliierte Rat“ aus den vier Oberbefehlshabern. Später bestand der Rat aus den vier Hochkommissaren. Die ersten Mitglieder waren für die Sowjetunion Marschall Konjew, für die USA General Clark, Generalleutnant Richard L. McCreery für Großbritannien und Korpsgeneral Béthouart für Frankreich.

Für die Besatzungskosten der vorerst 700.000 Mann, die später sukzessive auf 60.000 Mann reduziert wurden, musste der österreichische Staat aufkommen.

Medien in der Besatzungszeit

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Österreich lag die gesamte Medienlandschaft brach. Die Alliierten Mächte benutzten eigens gegründete Medien, um gezielt gute Stimmung für die eigene Nation zu machen und so sanfte Propaganda zu betreiben. Das geschah vor allem auf dem Sektor der Printmedien (siehe Heeresgruppenpresse).

Printmedien

Wien blieb nur etwa zwei Wochen lang ohne Tageszeitung. Bereits am 15. April 1945, als in Westösterreich der Krieg noch nicht beendet war, brachten die Sowjets als Erste ein Propagandablatt heraus. Es hieß Österreichische Zeitung, erschien anfangs wöchentlich, nach fünf Monaten täglich in einem Umfang von anfangs vier Seiten. Die Zeitung wurde am 31. Juli 1955 eingestellt.

Alleine im Jahr 1945 wurden insgesamt 32 Tages- oder Wochenzeitungen gegründet, nur acht davon wurden von einer der Alliierten Mächte herausgegeben. So erfolgte bereits am 21. April die erste österreichische Gründung, die Tageszeitung Neues Österreich, von den drei Parteien ÖVP, SPÖ und KPÖ herausgegeben. Die ersten partei-unabhängigen Zeitungen, Die Presse und die Kleine Zeitung wurden erst 1948 gegründet.

Die britischen Besatzer brachten im Mai 1945, als sich auch langsam österreichische Zeitungen zu entwickeln begannen (Anfangs lediglich Parteizeitungen), die Kärntner Nachrichten und die Neue Steirische Zeitung heraus. Beide wurden nach einigen Wochen wieder eingestellt. Die britische Wochenzeitung Weltpresse erschien erstmals am 18. September und wurde erst im Mai 1958 eingestellt.

Die Franzosen versuchten sich mit nur einem Blatt im österreichischen Markt. Im Oktober 1946 gründen sie die Welt am Abend, die sie im Oktober 1948 wieder einstellten.

Die Amerikaner stellten sich in ihren Zeitungsgründungen geschickter an. Alle von ihnen als Besatzungsmedien installierten Zeitungen erscheinen heute noch. Sie gründeten im Juni 1945 die Oberösterreichischen Nachrichten und die Salzburger Nachrichten und im Juli die Tiroler Tageszeitung. Alle drei Blätter gingen noch im selben Jahr in den Besitz österreichischer Privatleute über.

Die im August von den Amerikanischen Besatzern gegründete Wochenzeitung Wiener Kurier erwies sich als höchst erfolgreiche Boulevardzeitung und erschien bis Mai 1955 jedes Wochenende. Schon 1954 wurde er von Ludwig Polsterer und Alfred Maleta gekauft und erschien wochentags parallel als Tageszeitung Kurier.

Rundfunk

Die Wiedergeburt des freien Hörfunks in Österreich erfolgte sehr improvisatorisch und praktisch zeitgleich mit dem Einmarsch der Alliierten. Am 29. April 1945 startete der Oskar Czeija, einstiger Mitgründer der RAVAG mit etwa 20 Helfern den Sendebetrieb im Wiener Funkhaus. Die sowjetischen Besatzer tolerierten den Sender vorerst, wiewohl ein Zensuroffizier stets über die geplanten Sendungen informiert werden musste. Die erste Sendung hätte ein Live-Bericht über einer konstituierenden Sitzung der Regierung unter Karl Renner werden sollen. Wegen technischer Probleme mussten Renner und Theodor Körner nach der abgeschlossenen Sitzung ins Funkhaus kommen, um ihre Reden für die Radiosendung zu wiederholen. Den Tausenden Zuhörern wurde es als Übertragung aus dem Parlament verkauft.

In Vorarlberg gelang es Otto Schubert, der schon vor 1938 in Klagenfurt Sendeleiter gewesen war, in ein unterirdisches Studio im Rathaus von Dornbirn einzudringen, und dort am 2. Mai 1945 die Ankunft der Franzosen in Vorarlberg mit einer ersten Sendung zu feiern.

Am 3. Mai wurde in Innsbruck zum ersten Mal gesendet. Eine Widerstandsgruppe rund um den späteren Außenminister Karl Gruber berichtete damals von der Kapitulation der Südfront, die in Wahrheit erst einen Tag später erfolgte. Wenig später begannen auch in Graz und Klagenfurt provisorische Sendungen.

Nachdem Österreich in vier Besatzungszonen aufgeteilt worden war, etablierte jede der Besatzungsmächte ihre eigenen Radioprogramme, die in Österreich bis 1955 die ausschließlich empfangbaren Programme darstellten.

Sowjetische Zone

Schon im November 1945 wurde Oskar Czeija, inzwischen "öffentlicher Verwalter" des wiedererstandenen Wiener Hörfunks, wegen eines von der kommunistischen Zeitung Volksstimme veröffentlichten Dokuments, das angebliche Bestrebungen, in die NSDAP aufgenommen zu werden, dokumentierte, zum Rücktritt gezwungen. Das Dokument gilt heute aufgrund fehlender Unterschriften als dubios. Seine Nachfolge trat Sigmund Guggenberger an.

Das sowjetisch kontrollierte Radio Wien unterlag einer restriktiven Zensur der Besatzer. Zeitzeugen berichteten später von vielen Vorfällen, bei denen sowjetische Offiziere das Radiostudio unangemeldet betraten, und die Verlesung vorgefertigter Texte verlangten. Die offiziell von den Sowjets verantwortete Sendung "Russische Stunde" wurde 1950 auf 16 Wochenstunden verlängert.

Amerikanische Zone

Der amerikanisch kontrollierte Sender "Rot-Weiß-Rot" sendete aus Salzburg, Linz und ab November 1945 auch aus Wien. Das Programm bestand aus in den USA äußerst populären Elementen: Unterhaltungssendungen und Service-Programmen, dazwischen Musik von Disk Jockeys. Die offiziellen Programmteile der Besatzungsmacht wurden auch als solche ausgewiesen.

Für ihre Soldaten installierten die Amerikaner in Wien den Sender Blue Danube Network (BDN). Das Studio befand sich in einer großen Villa am Schreiberweg in Grinzing. Das spätere englischsprachige Radioprogramm Blue Danube Radio (BDR) des ORF trug bis in die 1990er Jahre fast den gleichen Namen.

Erst nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags 1955 wurden die letzten von den Amerikanern übernommenen Sendeanlagen und damit die Kontrolle des Radios wieder an die österreichische Verwaltung übergeben.

Britische Zone

Die britisch kontrollierte Sendergruppe Alpenland sendete ab Juli 1945 aus Graz, Klagenfurt und Wien. Die Sendestationen wurden 1954 wieder an Österreich übergeben, wobei auf dem Sender in Wien noch bis zum Juli 1955 einzelne britisch kontrollierte Sendungen ausgestrahlt wurden.

Für ihre stationierten Truppen installierten die Briten in Klagenfurt, Graz und Wien ihre eigenen Sender British Forces Network (BFN), der bis 1955 sendete.

Französische Zone

Ab Juli 1945 sendete die französisch kontrollierte "Sendergruppe West" von Innsbruck und Dornbirn aus und wurde schon im August 1952 an die jeweiligen Landesregierungen überantwortet.

Die einzige überregionale Sendung war die sogenannte Alliierte Stunde, die für offizielle Bekanntmachungen und Nachrichten der Besatzungsmächte verwendet wurde.

Kurz vor der Unterzeichnung des Staatsvertrags begannen österreichische Radiomacher mittels neuer UKW-Technik damit, eigene, unzensierte Programme auszustrahlen. Nach 1955 wurden die Sendergruppen wieder zu einer einzigen gesamtösterreichischen Gesellschaft zusammengeführt, die im Besitz der öffentlichen Hand blieben. Mehrere private Investoren, allen voran Zeitungsgesellschaften wie der Kurier unter Ludwig Polsterer, hatten sich zur Übernahme der Sender angeboten.

Nach einer Umstrukturierung der RAVAG und zwei Jahren der Debatten zwischen ÖVP und SPÖ, über die zukünftige Organisationsform des Rundfunks, wurde der Hörfunk 1957 gemeinsam mit dem 1956 installierten ersten österreichischen TV-Sender in der neu gegründeten Österreichische Rundfunkgesellschaft m.b.H. zusammengelegt.

Das Ende der Besatzung

Erleichterungen waren zum Teil schon ab 1953 zu spüren. So wurden die beiden Grenzübergänge von der sowjetischen Zone über die Enns und am Semmering soweit gelockert, dass Eisenbahnzüge nicht mehr anhalten mussten. Es gab wieder einen einheitlichen Reisepass und man benötigte nicht mehr die Identitätskarte. Auch die letzten Lebensmittelkarten wurden abgeschafft.

Als am 15. Mai 1955 der österreichische Staatsvertrag abgeschlossen wurde, aufgrund dessen am 19. Oktober der letzte sowjetische und am 25. Oktober 1955 der letzte britische Besatzungssoldat österreichisches Hoheitsgebiet verließ, bedeutete dies die Selbstverpflichtung Österreichs zur politischen Neutralität.

Mit diesem Staatsvertrag wurde eine Teilung Österreichs endgültig abgewendet. Vollzogen wurde die Neutralitätserklärung durch den Nationalrat mit dem Bundesverfassungsgesetz über die immerwährende Neutralität Österreichs vom 26. Oktober 1955. Heute ist der 26. Oktober der österreichische Nationalfeiertag.

Verhältnis zu den Besatzungsmächten

Das Verhältnis der Besatzungsmächte zur Bevölkerung war auch geprägt von der weltpolitischen Lage. Die Anfangs als Befreier vom Naziregime auftretenden Besatzungsmächte verspielten in der Bevölkerung zusehends an Ansehen durch zahlreiche Übergriffe ihrer Soldaten auf die Zivilbevölkerung, die nur sehr lückenhaft geahndet wurden. Eine Rolle spielte auch die während des Krieges betriebene Nazipropaganda über den menschenfressenden Gegner. Eines der Hauptprobleme war sicherlich die Ungewissheit der Bevölkerung über ihre Zukunft.

In der sowjetischen Besatzungszone wurden Menschen, weil sie der NSDAP oder einer ihrer Unterorganisationen wie der Waffen-SS angehört hatten, nach Sibirien deportiert. Zum Teil wurden deren Angehörige über die Gründe die Gefangennahme im unklaren gelassen. Die Selbstmordrate stieg aufgrund von Verfolgungsängsten und durch die allgemein vorherrschende Verzweiflung rasant an. Personen, die zwischen 1933 und 1945 der NSDAP oder einer ihrer Organisationen angehört hatten, mussten sich einem Entnazifizierungsverfahren stellen.

Im Zuge des Wiederaufbaues musste aufgrund des Arbeitskräftemangels auf die so genannten Minderbelasteten und deren Kenntnisse zurückgegriffen werden. Logistische Maßnahmen wurden ergriffen, um die Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigsten zu versorgen. Speziell die ehemaligen Offiziere hatten Kenntnisse in Verwaltung und Organisation, da sie schon während des Krieges damit permanent konfrontiert waren. Im Zuge dessen gelang es auch ehemaligen Nazigrößen wieder in leitende Positionen zu gelangen. Wenn auch die Behörden darüber wussten, wurde darüber geschwiegen, um sie nicht den Siegermächten ausliefern zu müssen.

So wurden Besitztümer, die schon frei gegeben worden waren, während der Zeit der Berlin-Blockade oder dem beginnenden Koreakrieg von den Sowjets wieder beschlagnahmt. Auch in Wien war die Situation zu dieser Zeit sehr angespannt. Die Einrichtung einer Luftbrücke, ähnlich wie in Berlin, wäre bei einer Besetzung Wiens durch die Sowjets nicht möglich gewesen, da sowohl der amerikanische Flugplatz in Langenlebarn, als auch der britische in Schwechat, in der sowjetischen Zone lagen. So wurden in Wien als unmittelbare Lösungen so genannte Air strips auf der Heiligenstädter Straße und der Simmeringer Heide angelegt, ebenso wie vor dem Schloss Schönbrunn. Auf den Bahnen konnten allerdings nur wesentlich kleinere Maschinen landen und starten. Deshalb wurden von den Westmächten Lebensmittelvorräte (so weit wie es möglich war) unter dem Codenamen Aktion Eichhörnchen angelegt, mit denen die Bevölkerung im Falle einer Blockade kurzfristig versorgt werden sollte.

In den damaligen Massenmedien und in den Kinos wurde versucht eine neue Identitätsstruktur für die Menschen des neuen Österreich aufzubauen. In Heimatfilmen wurden zumeist nur positive Bilder aus der ersten Republik und Filme aus der Sicht der Besatzungsmächte gezeigt. Dies führte bei der Bevölkerung natürlich zu einer Verdrängung der leidvollen Zeiten; die Zeit der Aufarbeitung des Erlebten war so kurz nach dem Krieg noch nicht gekommen.

Wirtschaftlich bot der Schwarzmarkt oft die einzige Möglichkeit des Überlebens für die hungernde Stadtbevölkerung, während die - oft nur vermeintlich - reiche Landbevölkerung genügend Lebensmittel besaß.

Zu starken Geldmangel führte die erste Währungsreform 1945, wo die Reichsmark bis zu 150 Schilling getauscht wurde, und die Abwertung 1947 auf ein Drittel des Wertes. Aber auch die notwendigen Güter, wie Baumaterial, das für den Wiederaufbau notwendig war, waren knapp. Dadurch setzte ein starker Tauschhandel ein, wobei - durch den Geldmangel bedingt - oft teure, über den Krieg gerettete Kostbarkeiten gegen eine kleine Menge an Lebensmitteln den Besitzer wechselten. Da auch Heizmaterial kaum vorhanden war, gingen die Städter zu Fuß in umliegende Wälder und sammelten dort jegliches brauchbares Brennmaterial ein. Jeder Fleck freien Bodens wurde benutzt um sich selbst versorgen zu können. Mitten in der Stadt wurden in den Parks Kartoffeln angebaut. Wie die Situation unmittelbar nach Kriegsende war, kann sehr gut durch die Weihnachtsrede 1945 vom Bundeskanzler Figl nachempfunden werden:

Ich kann Euch zu Weihnachten nichts geben. Ich kann Euch für den Christbaum, wenn Ihr überhaupt einen habt, keine Kerzen geben. Kein Stück Brot, keine Kohle zum Heizen, kein Glas zum Einschneiden. Wir haben nichts. Ich kann Euch nur bitten: Glaubt an dieses Österreich!

Speziell unter den Kindern war die Unterernährung sehr groß, daher richtete Österreich einen Hilferuf an andere durch den Krieg nicht so stark betroffene Staaten. Als erstes reagierte die Schweiz, wie schon 1920 nach dem Ersten Weltkrieg. Durch Vermittlung des Roten Kreuzes wurden noch im Herbst 1945 und in den kommenden Jahren über 30.000 sogenannte Schweizer Kinder in die Schweiz zu Gastfamilien geschickt, wo sie mindestens drei Monate verbrachten. Auch in andere Länder kamen so in den ersten zwei Nachkriegsjahren über 100.000 Kinder auf Erholung. Manches erinnert noch heute an diese Hilfsaktionen wie der Schweizer Garten oder die Per-Albin-Hansson-Siedlung in Wien. Auch die Säuglingssterblichkeit lag sehr hoch, unmittelbar nach Kriegsende über 15 %.

Aber auch soziologisch änderte sich sehr viel. So wandelte sich die Rolle der Frau in dieser Zeit stark. Durch die lange Abwesenheit der Männer im Krieg und den vielen nicht mehr, oder erst spät aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause Gekommenen, bildete sich ein gewisses Matriarchatsdenken. Die Frauen waren nicht nur für die Kindererziehung, sondern jetzt auch für das Überleben der ganzen Familie verantwortlich. Die Kinder kannten ihren Vater kaum und hatten oft keine Beziehung zu ihm. Auch kam es oft vor, dass Vermisste heimkehrten, ihre Frauen aber bereits wieder geheiratet hatten.

Das anfängliche Verbot der Fraternisierung mit den Besatzungssoldaten wurde zumindest in den westlichen Zonen bald aufgehoben. Aus der Not heraus entstanden so viele Verbindungen mit Soldaten - sowohl kurzfristige Liaisons, als auch dauerhafte Verbindungen. Zu dieser Zeit wurden auch viele Besatzungskinder geboren, deren Herkunft aber auch oft verheimlicht wurde.

Der wirtschaftliche Aufschwung war in Österreich regional sehr unterschiedlich. Während der westliche Teil relativ bald mit dem Wiederaufbau beginnen konnte, empfand sich der Osten Österreichs durch die sowjetische Besatzung sehr benachteiligt. Als Symbol für den Wiederaufbau galt beispielsweise die Fertigstellung des Tauernkraftwerkes Glockner-Kaprun, mit dessen Bau schon vor dem Krieg von den Nationalsozialisten unter Einsatz von Zwangsarbeit begonnen worden war.

Ein weiteres Problem stellte die Situation der Millionen Flüchtlinge und Vertriebenen dar, ehemalige Zwangsarbeiter und KZ-Insassen, die in Österreich bleiben wollten. Aus dieser Situation heraus, in der schon die eigene Bevölkerung kaum ernährt werden konnte, bemühte sich keine der Nachkriegsregierungen ehemalige und emigrierte Österreicher ins Land zurück zu holen.

Literatur

  • Manfried Rauchensteiner, Stalinplatz 4. Österreich unter alliierter Besatzung, Wien 2005, ISBN 3-902494-00-X