Weltraumwaffe

Weltraumwaffen sind Waffen(-systeme), die im Weltraum stationiert sind oder dort eingesetzt werden können oder von der Erde aus Ziele im Weltraum angreifen können.
Grundlegendes
Im Orbit stationierte Waffen wären zum Beispiel Satelliten, die vom Orbit aus Ziele auf der Erdoberfläche oder im Luftraum angreifen könnten (z.B. Wolfram-Stäbe als Bunkerbrecher, so genannte Rods from God - das Metall Wolfram hat einen extrem hohen Schmelzpunkt und eine noch höhere Dichte als Blei; es könnte daher einen Wiedereintritt in die Atmosphäre überstehen, ohne zu verglühen, meinen die "Theoretiker" dieser Militär-Taktik, die damit in der Tat auf ein frühes Konzept des Luftkriegs im 1. Weltkrieg zurückgreifen: Auch damals wurden zunächst erst Metallstifte statt Bomben auf gegnerische Truppen abgeworfen, die diese durch ihre Aufschlagwucht einfach durchschlugen und somit töteten, allerdings meist solche aus Stahl; vgl. In Stahlgewittern, Kinetische Energie).
Zu den Weltraum einsetzbaren Antisatelliten-Waffen rechnet man insbesondere sogenannte Killersatelliten, vor allem jene, die zu autonomen Annäherungsoperationen ("Autonomous Proximity Operations") fähig sind und so andere künstliche Trabanten angreifen, von ihrer Bahn abbringen, stören oder gar zerstören können.
Waffen, die von der Erde aus Ziele im Orbit angreifen können, könnten Raketensysteme, wie die Vought ASM-135 ASAT oder bodengestützte Hochenergie-Laserwaffen sein, wie das Starfire Optical Range-Observatorium auf der Kirtland Air Force Base, New Mexico (Fotos eines Tests: [1]; alle technischen Angaben beziehen sich auf Projekte des US-Militärs). Auch raumgestützte Laser (Space Based Laser, SBL) sind in der Entwicklung (vgl. [2]).
Zu den Weltraumwaffen zählen zudem elektronische Kampfmittel wie spezielle Jammer, beispielsweise das Counter Satellite Communications System, mit dem der Funkverkehr von Kommmunikationssatelliten gestört oder blockiert werden kann.
Im Frühjahr 2007 soll das Near Field Infrared Experiment (NFire) getestet werden.
Interkontinentalraketen gelten manchen nicht als Weltraumwaffen; in den USA jedenfalls werden sie allerdings hinzugerechnet, weil sie einen Teil ihrer Flugbahn im All zurücklegen.
Aufrüstung im All beinahe von Beginn an
Der erste Test einer Antisatellitenwaffe erfolgte in den USA bereits im Oktober 1959, als eine zweistufige Booster-Rakete von einer B-47 aus gestartet wurde, um den Satelliten Explorer-6 abzufangen. Damals war die Raumfahrt gerade einmal zwei Jahre alt. Schon kurze Zeit nach dem Start des Sputnik 1957 betonte der damalige US-Präsident Dwight D. Eisenhower: "Auf die Verteidigung bezogene Zielsetzungen im Weltraum sind jene, denen die höchste Priorität beizumessen ist, weil sie zu unserer unmittelbaren Sicherheit beitragen" (zitiert nach [3]).
US-Monopol oder neues Wettrüsten?
Weltraumwaffen unterschiedlichsten wurden und werden definitiv von den USA und der früheren Sowjetunion, jetzt von Russland gebaut und erprobt. Die Volksrepublik China, die offiziell stets ihre strikte Ablehnung einer Militarisierung des Weltalls unterstrichen hat, haben manche Beobachter seit Ende der 90-er Jahre im Verdacht, dennoch an diversen derartigen Systemen zu arbeiten, insbesondere vor dem Hintergrund der schon früher manifesten und nunmehr (seit 2006) unverhohlen angestrebten Vorherrschaft der Vereinigten Staaten im All (s. auch: Bush-Doktrin).
Dass eines Tages auch andere Staaten, und nicht nur angehende Großmächte wie Indien, sich genötigt sehen könnten, sich vergleichbare Optionen offen zu halten, wird vielfach befürchtet.
Die Staaten der Europäischen Union hingegen beschränken sich gegenwärtig (Stand: Herbst 2006) weitestgehend auf im Weltall stationierte Aufklärungs-, Kommunikations- und Geodäsie-Satelliten (was gelegentlich scharf kritisiert wird); von dezidierten Planungen eines möglichen Baus und Einsatzes aktiver Weltraumwaffen ist derzeit nichts bekannt. Doch selbst am avisierten, als Konkurrenz zum US-amerikanischen GPS (das ja genuin militärischen Ursprungs ist) gedachten Galileo-System wird bisweilen dessen allzu "zivile" Ausrichtung bemängelt. Kritiker befürchten, dass die EU nicht zuletzt dadurch in Belangen der Verteidigungspolitik gegenüber den führenden Weltmächten noch weiter ins Hintertreffen gerät, als sie dies nach allgemeiner Einschätzung ohnehin schon ist.
Jüngste politische Entwicklungen
Die Stationierung insbesondere atomarer Waffen im Weltall ist durch internationale Abkommen wie etwa den Weltraumvertrag und die SALT-Verträge verboten worden. Die National Space Policy ("Nationale Weltraumpolitik") der US-Regierung unter Präsident George W. Bush, bekanntgegeben Anfang Oktober 2006, relativiert diese internationalen und bilateralen Verträge erheblich.
Zitate
- In der Tat ist man versucht, wenn man die Literatur zum Thema Weltraumwaffen durchsieht, den Obersten Bundesrichter Potter Stewart und seine Ansicht zur Definition von Obzönität von 1964 zu paraphrasieren: "Ich erkenne sie, wenn ich sie sehe." (Theresa Hitchens, When is a Space Weapon Not a Space Weapon? - vgl. [4])
- Politisch ist es heikel, aber es wird passieren. Einige Leute wollen das nicht wahrhaben, und sicher ist es nicht en vogue, aber - wirklich - wir werden im Weltraum kämpfen. Wir werden vom Weltall aus kämpfen, und wir werden in den Weltraum kämpfen. Das ist der Grund, weshalb die USA Entwicklungsprogramme für gerichtete Energie und Vernichtungsvorrichtungen unterhalten. Wir werden eines Tages vom Weltraum aus irdische Ziele angreifen - Schiffe, Flugzeuge, Ziele an Land. (Joseph W. Ashy, damals Oberkommandierender des US Space Command am 9. August 1996, zitiert nach Karl Grossman, Master of Space, erschienen im "Progressive Magazine", Januar 2000; vgl. [5])
- Für Länder, die mit der Methode Panzer und Flugzeuge nie einen Krieg mit den Vereinigten Staaten gewinnen können, könnte ein Angriff auf das US-Weltraumsystem eine unwiderstehliche und höchst verführerische Wahl darstellen. (Wang Hucheng, The U.S. Military's "Soft Ribs" and Strategic Weaknesses, 2000, zitiert nach Phillip Saunders u.a.; vgl. die Weblinks, [6])
- Sollten die Chinesen ein Annäherungsmanöver an einen US-Satelliten durchführen, käme die Reaktion einem Schlaganfall gleich. (Jeffrey Lewis, Space Weapons in US Defense Planning - siehe die Weblinks)
- Es ist im Interesse aller Länder, die Menschheit vor der Bedrohung durch Weltraumwaffen zu schützen. [...] Die Weltall-Anlagen aller Länder wären in Gefahr, die friedliche Nutzung des Weltraums durch die Menschheit bedroht, und der internationale Friede und die Sicherheit untergraben. [...] Die Geschichte der Entwicklung von Atomwaffen erinnert uns beständig, wie schwierig es wäre, sie zu kontrollieren und ihre Weiterverbreitung zu verhindern, ganz zu schweigen davon, sie zu eliminieren, werden Weltraumwaffen erst einmal zur Einsatzreife entwickelt. [...] Wir können es uns einfach nicht leisten, [entsprechende] Maßnahmen zu verzögern und zu warten, bis die Stationierung von Weltraumwaffen und ein Rüstungswettlauf im All Wirklichkeit werden. Der Preis wäre zu hoch. (Der chinesische Botschafter für Abrüstungsangelegenheiten Cheng Jingye Anfang Juni 2006 nach einem Bericht der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua, zitiert nach [7])
- Die wichtigste Frage ist, was Russland der US-Politik entgegensetzen kann. [...] Wir haben es verlernt, strategisch zu denken. Es kann auch sein, dass die Amerikaner uns mit Absicht in ein Wettrüsten im All verwickeln wollen. (Ex-Kosmonaut Valentin Lebedew, Direktor des Instituts für Geoinformationssysteme der Russischen Akademie der Wissenschaften im Oktober 2006, zitiert nach [8])
Siehe auch: Palme-Kommission, Strategic Defense Initiative, Künstlicher Leitstern, Elektronische Kampfführung, Cyberwar, Galileo (Satellitennavigation), GMES, Rüstungswettlauf, Weltraumhaftung, National Space Policy
Literatur
- Steven R. Petersen: Space Control and the Role of Antisatellite Weapons. University Press of the Pacific, März 2005. - ISBN 1-41022-183-0
- Thomas Kretschmer et al. (Hrsg.): Militärische Nutzung des Weltraums. Grundlagen und Optionen. - 1. Auflage. - Report Verlag, Dezember 2004. - ISBN 3-93238-518-7
- Loring Wirbel: Star Wars: US Tools of Space Supremacy. Pluto Press (UK), Februar 2004. - ISBN 0-74532-114-3
- Matthew Mowthorpe: The Militarization and Weaponization of Space. Lexington Books, Januar 2004. - ISBN 0-73910-713-5
Weblinks
Offizielle Dokumente und Institutionen
- National Space Policy (Office of Science and Technology, August 2006, PDF, 10 S. - siehe dazu [9], [10], [11], [12])
- 2004 U.S. Air Force Transformation Flight Plan (Force Transformation, DoD, 6. Januar 2005, PDF, 3,37 MB - vgl. [13])
- Strategic Master Plan FY04 and Beyond (US Air Force Space Command, PDF, 507 kB - vgl. [14])
- Air Force Space Battlelab (Schriever Air Force Base, Colorado - vgl. [15])
- Prevention of an arms race in outer space, United Nations General Assembly Resolution, A/RES/55/32 ("PAROS", Januar 2001, dokumentiert von der FAS, vgl. UNOOSA)
NGOs, dedizierte Friedensinitiativen
Kommentare, Berichte, Analysen
- Grant Henninger, Militarization and Weaponization of Space (umfangreicher Weblog zum Thema)
- Pia Kohorst, Europäische Weltraumpolitik und Sicherheitsstrategie im Kontext der US-amerikanischen Weltraumstrategie (Masterarbeit, Hamburg, Juli 2004 - PDF, 68 S., 1,82 MB)
- Gebhard Geiger, Europas weltraumgestützte Sicherheit: Aufgaben und Probleme der Satellitensysteme Galileo und GMES (Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik, September 2005)
- Wladimir Popowkin, Die russische Weltraumverteidigung - Zurück in die Zukunft (RIA Nowosti, 12. Oktober 2006 - Generaloberst Wladimir Popowkin befehligt die Weltraumtruppen des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation)
- Phillip Saunders u.a., China's Space Capabilities and the Strategic Logic of Anti-Satellite Weapons (Center for Nonproliferation Studies, Monterey Institute of International Studies, 22. Juli 2002, überarbeitet am 27. Juni 2006 - dazu auch: [16], [17], [18])
- Florian Rötzer, Laserwaffe gegen Satelliten (Telepolis, 6. Mai 2006)
- Thomas Graham, Jr., Space Weapons and the Risk of Accidental Nuclear War (Arms Control Association, Dezember 2005) - vgl. Atomkrieg)
- Jeffrey Lewis, Space Weapons in US Defense Planning (International Network of Engineers and Scientists Against Proliferation, Bulletin 23, 2005)
- U.S. Military Takes First Step Towards Weapons in Space (ABC News, 30. März 2004)
- Leonard David, U.S. Air Force Plans for Future War in Space (Space.com, 22. Februar 2004)
- Photo Gallery - IS-A - Bilder historischer Antisatelliten-Satelliten und -waffen (ASATs)