Alfred Dieck
Alfred Dieck (4. April 1906 - 7. Januar 1989) war ein deutscher Urgeschichtsforscher, der sich seit den 1930'er Jahren bis zu seinem Tod intensiv mit den europäischen Moorleichen beschäftigte und zahlreiche Publikationen dazu veröffentlichte. Seine Werke sind allerdings in Fachkreisen extrem umstritten.
Werdegang
Alfred Dieck studierte zunächst Theologie, ab 1934 dann Urgeschichte und Rassen- und Volkskunde an der Universität Halle a.d. Saale. Durch Hans Hahne, den Leiter des Provinzialmuseums Halle und außerordentlichen Professor an der Universität in Halle, wurde Diecks Interesse für die Moorleichenforschung geweckt. Unter Hahnes Nachfolger Walter Schulz schrieb Dieck dann 1939 folgerichtig seine Dissertation über das Thema Die Bedeutung der Moor- und Wasserfunde der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung unter besonderer Berücksichtigung der Holzgestalten, Moorleichen und Menschenofpferberichte. Das Manuskript der Arbeit ging allerdings im 2. Weltkrieg verloren.
Nach einer schweren Verwundung und der Entlassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft blieb Dieck lange ohne Anstellung. Schließlich fand er im öffentlichen Dienst des Landes Niedersachsen Arbeit, wo er bis zu seiner Pensionierung 1971 blieb.
Bis zu seinem Tod widmete Dieck seine ganze Energie der Moorleichenforschung und damit verwandten Themen. Er besuchte zahlreiche Museen und arbeitete Archive in ganz Europa durch. Seine Gespräche mit Moorarbeitern und deren Familien zeichnete er wörtlich auf. So baute er im Laufe von 50 Jahren ein umfangreiches Moorleichenarchiv auf, zu dem auch eine Sammlung von Haar- und Kleidungsproben gehörte. Dieses Archiv wurde nach seinem Tod vom Institut für Denkmalpflege, Dezernat Bodendenkmalpflege, in Hannover übenommen.
Alfred Dieck richtete sich energisch gegen die herrschende Auffassung, Moorleichen seien allein eine geographisch und kulturell begrenzte Erscheinung aus den ersten Jahrhunderten nach Christus. Er machte deutlich, das die ältesten Moorleichen aus dem Mesolithikum stammen, die jüngsten aus dem 2. Weltkrieg. Gegen die Beschränkung auf Irland, Dänemark, Norddeutschland und die nördlichen Niederlande als Verbreitungsgebiet wandte er zu Recht ein, das auch aus Norwegen, Schweden und Süddeutschland Moorleichenfunde belegt sind. Alfred Diecks Verdienst um die Moorleichenforschung besteht vor allem in dieser Erweiterung des Blickwinkels.
Alfred Dieck und die Problematik der Moorleichenforschung
A. Dieck ist in Fachkreisen extrem umstritten, da er viele angebliche Moorleichenfunde ohne oder zumindest mit widersprüchlichen Quellenangaben publiziert hat. So stieg die Zahl der in seinen Werken aufgelisteten Moorleichen in Europa ständig an. Kannte er 1939 nur 120 Moorleichen, waren es 1951 etwa 160, 1958 schon fast 500, 1965 ungefähr 700, 1972 dann rund 1350 und schließlich in seiner letzten Zusammenstellung von 1986 nicht weniger als 1850.
Im Laufe seiner 5 Jahrzehnte andauernden Forschungsarbeit veröffentlichte A. Dieck neben Übersichtswerken zu unterschiedlichen Regionen auch immer wieder Aufsätze zu speziellen Themen wie Magen- und Darmuntersuchungen von Moorleichen, den Leichen junger Mädchen oder skalpierten, beschnittenen und tätowierten Moorleichen.
Allerdings hat Dieck nie selbst Untersuchungen an Moorleichen durchgeführt. Sein Augenmerk lag auf den Fundberichten, die er aus Archiven und in Gesprächen mit Findern oder deren Nachfahren zusammentrug. In den letzten Jahren ist allerdings deutlich geworden, dass Dieck diesen Quellen gegenüber sehr unkritisch war. Alle Erwähnungen von Moorleichen, die er gesammelt hatte, betrachtete er als Tatsachenberichte. Viele seiner Quellen sind heute nicht mehr überprüfbar, da sich in seinem Nachlass oft nur seine Abschriften dieser Berichte (mit manchmal wiedersprüchlichem Inhalt) fanden.
Sabine Eisenbeiß hat 1993 im Rahmen ihrer Magisterarbeit Berichte über Moorleichen aus Niedersachsen im Nachlass von Alfred Dieck an der Uni Hamburg die niedersächsischen Moorleichenfunde im Nachlass Alfred Diecks quellenkritisch überprüft und konnte dabei von den von ihm genannten 655 Moorleichen nur 70 durch unabhägige Quellen bestätigen!
Auch Wijnand van der Sanden [1] beschäftigt sich ausführlich mit der Arbeit Diecks und widmet der Problematik der 'unüberprüfbaren Quellen` ein eigenes Kapitel.
Dieck und seine "gefälschten" Moorleichen waren sogar Thema von Beiträgen in W wie Wissen in der ARD am 19. März 2006 und im Wisschschaftsmagazin Nano von 3Sat...
siehe auch Betrug und Fälschung in der Wissenschaft unter Fälschungen in der Archäologie
Publikationen Alfred Diecks (Auswahl)
- Alfred Dieck: Zur Geschichte der Moorleichenforschung und Moorleichendeutung. Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte 41-42. Halle 1958.
- Alfred Dieck: Die europäischen Moorleichenfunde (Hominidenmoorfunde) 1. Wachholz Verlag, Neumünster 1965
- Alfred Dieck: Archäologische Belege für den Brauch des Skalpierens in Europa Neue Ausgrabungen und Forschungen in Niedersachsen. Göttingen 1969
- Alfred Dieck: Germanische Kriegerinnen: Literarische Erwähnungen und Moorleichenfunde. Archäologisches Korrespondenzblatt 5. Mainz 1975
- Alfred Dieck: Tatauierungen in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Archäologisches Korrespondenzblatt 6. Mainz 1976
- Alfred Dieck: Beschneidungen von Frauen und Männern in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Curare 4. 1981.
- Alfred Dieck: Frühbronzezeitliche Heilpflanzen gegen Leber-Galle-Leiden. Totenbeigaben im Gebiet nördlich des Weserberglandes, zugleich ein Beitrag zu Kopffunden mit Eichenlaub im Moor Rotenburger Schriften 66-67. Rotenburg 1987
Literatur
- ↑ siehe
- Wijnand van der Sanden Mumien aus dem Moor - Die vor- und frühgeschichtlichen Moorleichen aus Nordwesteuropa. Drents Museum / Batavian Lion International. Amsterdam 1996. ISBN 9067074160
- Sabine Eisenbeiß: Bog-bodies in Lower Saxony - Rumours and facts. An analysis of Alfred Dieck’s sources of information / Moorleichen in Niedersachsen - Gerüchte und Fakten. Eine quellenkritische Betrachtung zu Alfred Dieck in Andreas Bauerochse & Henning Haßmann (Hrsg.): Peatlands. Moorlandschaften. Archaeological sites - archives of nature - nature conservation - wise use. Proceedings of the Peatland Conference 2002 in Hannover, Germany. Hannover 2002
Weblinks
Eine kurze Zusammenfassung der Quellenkritik an Dieck findet sich in der Seminararbeit von David Gümbel im Abschnitt 3.2 und 3.3:
Fernsehberichte über Alfred Dieck:
Personendaten | |
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NAME | Dieck, Alfred |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Archäologe |
GEBURTSDATUM | 4. April 1906 |
GEBURTSORT | ? |
STERBEDATUM | 7. Januar 1989 |
STERBEORT | ? |