Spiegelreflexkamera
Als Spiegelreflexkamera (engl. SLR, Single Lens Reflex) bezeichnet man eine Bauart für einen Fotoapparat, bei der das Motiv zur Betrachtung vom Objektiv über einen Spiegel umgelenkt auf einer Mattscheibe abgebildet wird.

Geschichte und Entwicklung

Das Spiegelreflex-Prinzip wird erstmals von Johannes Zahn im Jahr 1686 beschrieben: Durch eine Linse gelangt ein Bild auf einen Spiegel, der das Bild auf eine waagerechte Mattscheibe umlenkt.
Die erste Spiegelreflexkamera nach diesem Prinzip wurde 1861 von Thomas Sutton konstruiert. 1893 wurde ein Wechselmagazin für die Spiegelreflexkamera patentiert. Die erste in Deutschland hergestellte Spiegelreflexkamera war die Zeus-Spiegel-Kamera und stammte aus dem Werk von Richard Hüttig in Dresden.
Die erste in Großserie hergestellte SLR (Single Lens Reflex) war die EXA, gefertigt bei Ihagee in Dresden. Ebenfalls von dieser Firma stammte die erste Kleinbild-Spiegelreflexkamera der Welt, die 'Kine-Exakta', vorgestellt auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1936. Ihr Konstrukteur war Karl Nüchterlein (1904 – 1944).

Funktionsweise
Bei einer Spiegelreflexkamera gelangt das Licht durch die Linse des Objektivs (1) und wird dann vom Schwingspiegel (2) reflektiert und auf die Einstellscheibe (5) projiziert. Mit einer Sammellinse (6) und durch die Reflexion innerhalb des Pentaprismas (7) wird das Bild schließlich im Sucher (8) sichtbar. Es gibt auch Spiegelreflexkameras, die anstelle eines Prismensuchers mit Pentaprisma (7) einen Lichtschachtsucher oder einen Porro-Spiegelsucher verwenden.
Während einer Aufnahme klappt (bei der Einäugigen Spiegelreflexkamera) der Spiegel nach oben (im Bild durch einen Pfeil gekennzeichnet) und der Verschluss (3) öffnet sich; das Bild wird dann nicht mehr in das Pentaprisma umgelenkt, sondern gelangt auf die Filmebene (4) bzw. den Film.
Bei einigen Sonderkonstruktionen wird anstelle des Schwingspiegels ein fest montierter, teildurchlässiger Spiegel oder ein Prisma verwendet, was bei motorbetriebenen Kameras erheblich schnellere Aufnahmefolgen erlaubt, allerdings auch ein dunkleres Sucherbild liefert und natürlich weniger Licht zum Film durchläßt.
Typen
Grundsätzlich werden zwei Typen von Spiegelreflexkameras unterschieden: ein- und zweiäugige Spiegelreflexkameras.
Zweiäugige Spiegelreflexkamera
Die zweiäugige Spiegelreflexkamera (engl. Twin lens reflex, TLR) besitzt an ihrer Vorderseite immer zwei Objektive gleicher Brennweite. Hier wird durch das erste (untere) Objektiv der Film belichtet. Dieses Aufnahmeobjektiv hat immer einen Zentralverschluss. Das zweite (obere) Objektiv projiziert über einen Spiegel ein seitenverkehrtes Abbild auf eine Mattscheibe. Häufig ist das Sucherobjektiv aus Kostengründen einfacher konstruiert, aber lichtstärker als das Aufnahmeobjektiv, um ein möglichst helles Sucherbild zu gewährleisten und die Scharfstellung zu vereinfachen. Über den Entfernungseinstellungsmechanismus werden beide Objektive parallel bewegt, so dass über die Mattscheibe scharf gestellt werden kann.
Typische Vertreter sind Rolleiflex und Mamiya C, wobei nur noch die Rolleiflex hergestellt wird (in zwei Varianten für Mittelformat und einer für Minox-Kleinstbildformat).
Dieser Kameratyp hat eine Reihe von Vorteilen:
- das Sucherbild ist immer sichtbar und wird nicht von der Arbeitsblende abgedunkelt;
- das Aufnahmegeräusch ist sehr leise und
- die Auslösung des Kameraverschlusses bewirkt praktisch keine Erschütterungen.
Dem stehen einige Nachteile gegenüber:
- aufwändige Objektive werden aus Kostengründen nicht realisiert, da sie doppelt erforderlich wären;
- es entsteht ein Parallaxenfehler, der besonders bei Nah- oder Makroaufnahmen bemerkbar ist, da die optischen Achsen der beiden Objektive gegeneinander verschoben sind.
Heute spielen zweiäugige Kameras nur noch eine untergeordnete Rolle, in erster Linie für Nostalgiker und Sammler. In der praktischen Fotografie haben sich einäugige Spiegelreflexkameras durchgesetzt. Einige Modelle zweiäugiger Spiegelreflexkameras mit durchaus hochwertigen Objektiven sind jedoch auf dem Gebrauchtmarkt zu Preisen erhältlich, die einen günstigen Einstieg in die Mittelformatfotografie ermöglichen.
Einäugige Spiegelreflexkamera

Die einäugige Spiegelreflexkamera (engl. Single lens reflex, SLR) besitzt einen klappbaren Spiegel (Rückschwingspiegel) und meist ein Pentaprisma, seltener einen Lichtschacht, über der Mattscheibe als Sucher. Vor und nach der Aufnahme wird das Bild über den Spiegel auf die Mattscheibe projiziert und kann über das Pentaprisma seitenrichtig und aufrecht betrachtet werden. Erst im Moment der Aufnahme wird der Spiegel hoch- oder zur Seite geklappt, so dass er sich nicht mehr im Weg zur Filmebene befindet und der Film belichtet werden kann, wenn der Verschluss ausgelöst wird.

Der Hauptvorteil der einäugigen Spiegelreflexkamera liegt in der Möglichkeit, Wechselobjektive (z. B. Weitwinkel- und Teleobjektive) verwenden zu können. Der Verschluss ist in den meisten Fällen ein Schlitzverschluss, der direkt vor der Filmebene liegt, damit die Austauschbarkeit der Objektive gewährleistet ist. Ausnahmen im Bereich der Mittelformatkameras (z. B. Hasselblad ) nutzen eine Kombination aus Schlitzverschluss und Zentralverschluss, der im Objektiv enthalten ist.
Bedingt durch den Schwingspiegel gibt es einen recht großen Mindestabstand zwischen der Filmebene und der hintersten Linse des Objektivs. Bei kurzen Brennweiten (bei Kleinbild unterhalb ca. 40 mm) wird daher die Retrofokus Bauweise eingesetzt, durch die die Objektive aufwändiger und teurer werden. Auch die Abbildungsqualität kann unter den zusätzlichen Linsenelementen leiden.

Da bei abgedunkelter Blende eine Bildbeurteilung auf der Mattscheibe nur erschwert möglich ist, wurde die Offenblendenmessung entwickelt, mit der die am Objektiv vorgewählte Arbeitsblende erst kurz vor der Auslösung des Verschlusses automatisch eingestellt wird. Während der Lichtmessung wird die Korrektur der Blende über eine spezielle Elektronik auf den Belichtungsmesser im Gehäuse übertragen oder es erfolgt eine Messung mit Arbeitsblende. Zur Beurteilung der Schärfentiefe kann die Blende bei einigen Geräten manuell auf den Arbeitsblendenwert geschlossen werden. Zur Beurteilung der Entfernungseinstellung ist dagegen die Offenblende optimal, da bei ihr die Schärfentiefe minimal ist.

Im Kleinbildformat 24 × 36 mm sind nur einäugige Spiegelreflexkameras gebräuchlich, im Mittelformat ab 45x60 mm haben sie die zweiäugigen weitgehend trotz ihrer deutlich höheren Preise verdrängt, weil sie hier vorwiegend im Profibereich eingesetzt werden und sowohl die fehlende Parallaxe als auch die freiere Objektiv- und Zubehörauswahl entscheidend ist.
Digitale Spiegelreflexkameras
Digitale Spiegelreflexkameras decken das obere Preissegment der Digitalkameras ab und wurden anfänglich meist von Berufsfotografen verwendet. Sie werden auch als DSLR oder D-SLR (Digitale-SLR) bezeichnet. DSLRs sind ihren analogen Pendants vom Aufbau her sehr ähnlich, doch statt eines Films beherbergen sie einen Bildsensor (CCD oder CMOS-Element), auf den das Licht fällt, nachdem der Spiegel hochklappt. Durch das eingebaute Display ist ein sofortiges Betrachten der Fotos möglich, wodurch eine missratene oder fehlbelichtete Aufnahme – im Rahmen der Möglichkeiten, die die Qualität des Displays zulässt – sofort erkannt werden kann.
Der Markt der DSLRs hat im Gegensatz zu dem für herkömmliche (kompakte) Digitalkameras auch 2005 noch sehr große Wachstumsaussichten, und so bietet inzwischen fast jeder große Kamerahersteller seine eigenen Modelle an. Wie bei den analogen Spiegelreflexkameras verwenden die Hersteller auch hier ihre eigenen Objektivsysteme, weshalb sich DSLR-Benutzer auf eine Marke und damit auf ein System festlegen müssen. Meistens können jedoch bereits vorhandene Objektive eines Herstellers auch an dessen DSLR verwendet werden, was den Umstieg für Besitzer analoger SLRs besonders interessant macht.
Hauptvorteil der DSLR im Vergleich zu ihren analogen Pendants ist die direkte Verfügbarkeit der Bilddaten, weshalb z. B. im Pressebereich auf die aufwändige und kostspielige Entwicklung von Filmmaterial verzichtet werden kann.
Gegenüber den weit verbreiteten kompakten Digitalkameras haben DSLRs drei wichtige Vorteile:
- Man kann die Objektive auswechseln und somit einen extrem großen Brennweitenbereich abdecken. Objektive sind für Brennweiten von ab 8 mm bis zu 1200 mm erhältlich. An einer Kompaktkamera mit einem einzigen Objektiv entspräche das einem 120-fach Zoom.
- Die verwendeten Sensoren sind deutlich größer als die der Kompaktkameras und dadurch lichtempfindlicher und rauschärmer. Selbst die für DSLR-Verhältnisse "kleinen" Sensoren, welche teilweise nur halb so groß wie das Kleinbildformat (Ausnahmen sind beispielsweise die Vollformatsensoren von Canon bei der EOS 1D Serie und der EOS 5D) sind, sind noch deutlich größer als die Sensoren der günstigen Kompaktkameras. Vergleicht man das Rauschverhalten und die Lichtempfindlichkeit verschiedener DSLR-Sensoren untereinander, so muss man bedenken, dass hier weniger die Sensorgröße, als vielmehr die verwendete Herstellungstechnologie und das Chipdesign ausschlaggebend sind.
- Durch einen größeren Abbildungsmaßstab (bei gleicher Brennweite wird ein größerer Ausschnitt abgebildet: siehe Formatfaktor) können Bilder mit einer wesentlich geringeren Schärfentiefe fotografiert werden, wodurch man beispielsweise den Vorder- vom Hintergrund abgrenzen kann.
Dennoch sehen manche Fotografen DSLRs nur als eine Kompromisslösung an, etwa weil bei den meisten Modellen konstruktionsbedingt keine Live-Vorschau des Bildes auf dem Display möglich ist (im März 2006 brachte Olympus die erste DSLR mit Live View (E-330) auf den Markt). Andererseits entspricht das parallaxenfreie Sucherbild ohnehin der späteren Aufnahme. Insbesondere die Schärfe und die Schärfentiefe lassen sich im Sucher viel besser als am meist niedrig auflösenden Vorschau-Display beurteilen.
Die Produktvielfalt auf dem heiß umkämpften Markt macht die Entscheidung für Neueinsteiger oder Umsteiger nicht gerade leicht. Während Pentax mit *istD, *istDs, *istDL, K100D und K110D sehr kompakte DSLR-Kameras herstellt, boten die Dynax 7D und die Dynax 5D von der mittlerweile an Sony verkauften Fotosparte von Konica Minolta sowie deren Nachfolgerin Sony Alpha 100 eine Bildstabilisierungs-Technik namens Anti-Shake beziehungsweise SuperSteadyShot an. Unter dem Namen Shake Reduction führt im Jahr 2006 Pentax bei den Modellen K100D und K10D ein eigenes System zur Stabilisierung des Sensors ein. Einige DSLRs warten mit professionellen, spritzwasserdichten Gehäusen (z. B. Olympus E-1, Nikon D200, Pentax K10D) oder besonders hoher Bildfrequenz für den Presseeinsatz (Canon 1D/1D Mark II, Nikon D2H/D2X) auf. Dagegen versucht Fujifilms S3Pro, mögliche Käufer mit einem erhöhten Kontrastumfang zu überzeugen. Während die meisten DSLR über einen Sensor verfügen, welcher kleiner als das verbreite Kleinbildformat (24 mm × 36 mm) sind, bieten Canon (5D/1Ds/1Ds Mark II) und Kodak (DCS SLR, Produktion mittlerweile eingestellt) auch DSLRs mit Sensoren in diesem größeren Format an, welche als "Vollformat" bezeichnet werden. Der Markt ist lebhaft, es erscheinen jedes Jahr neue Modelle.
Siehe auch
Weblinks
- Systematische Übersicht zu fotografischen Kameras (Sortierung nach Kamerabauform und Hersteller)]
- Frank Mechelhoff, Westdeutsche Kleinbildcameras – wie sie gegen die Japaner verloren (siehe auch hier)
- persönliche Beschreibung des Untergangs analoger Spiegelreflexkameras aus "Die Zeit" vom 26. August 2004