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Personalismus

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Den Personalismus gibt es als philosophische Strömung sowie als Kennzeichnungsmerkmal in der Soziologie.

Personalismus in der Soziologie

In der Soziologie und Politikwissenschaft versteht man unter Personalismus die Hervorhebung bzw. Ausrichtung auf eine bestimmte Person, z.B. im Wahlkampf. Ein personalistischer Wahlkampf wäre damit auch ein Wahlkampf, der sich weniger auf Sachthemen bezieht.

Personalismus in der Philosophie

In der Philosophie gilt Personalismus als Sammelbegriff für alle jene Strömungen, die der geistigen Realität des Menschen und seiner Schöpferkraft zur Hervorbringung einer Welt neben der Bestimmtheit des menschlichen Individuums durch Natur und Gesellschaft besondere Aufmerksamkeit und Bedeutung zukommen lassen.

Hervorgegangen aus dem christlichen Welt- und Menschenbild versteht sich der Personalismus seit den 1930er Jahren als Gegen-/ Korrektivbewegung sowohl eines individualistischen Kapitalismus wie eines kollektivistischen Kommunismus. Als Quelle der personalistischen Bewegung, aus der sich im Laufe der Zeit eine immer breiter werdende Bewegung nährte, kann die Gruppe um Emmanuel Mounier bezeichnet werden, der als Verfasser des "Personalistischen Manifests" wie als Herausgeber der personalistischen Zeitschrift L´Esprit bekannt wurde. Dem Kreis engagierter Denker um Mounier sind Jean Lacroix, René Biot, Paul-Ludwig Landsberg, Nikolai Berdiajew, Jacques Maritain, Gabriel Marcel, Louis Lavelle und Louis Meylan zuzurechnen.

Personalismus ist ausdrücklich kein festes System von (Wahrheits-)Aussagen im Sinne einer Ideologie, auch wenn von einer "ewigen Wahrheit" in Bezug auf den Menschen gesprochen wird. Man kann eher von einer Anti-Ideologie sprechen, die es sich zur Aufgabe macht, Verschleierungen von menschlichen Tatsachen zu ent-decken, derer sich jede Ideologie strafbar macht, wenn sie, um sich selbst zu legitimieren, reduktionistisch verfährt. Ausgangspunkt des Denkens ist für jeden Personalisten die eigene, innere Erfahrung, die als erste oder oberste Realität (als "Primat") aufgefasst wird (vgl. die Verwandschaft zum Existenzialismus bei Sartre). Der Begriff Person wird heute im Sinne eines Existenzials gebraucht, und nicht mehr im Zusammenhang mit einer kosmologischen oder theologischen (Welt)Ordnung.

Nicht austauschbar sind die Begriffe Person und Persönlichkeit; während Persönlichkeit die Bedeutung einer gesellschaftlichen Rolle hat, ist der Begriff Person übergeordnet und meint ein alle Dimensionen des menschlichen Lebens umfassendes, geistiges Prinzip. der Mensch setzt sich zusammen aus zwei inneren Bewegungen, von denen die eine Zerstreuung, die andere Sammlung anstrebt. In dieser dynamischen Spannung zwischen Individualität (Gier, Habsucht, Zerstreuung) und Person (Beherrschung, freie Wahl) spielt sich das menschliche Leben ab. - das menschliche Individuum ist „ein höheres Tier“ und ununterbrochen den Einflüssen seiner Umgebung unterworfen - die Bewusstseinsebene ist bestimmt von „Persönlichkeiten“, die aber nicht die Person sind (vergleichbar mit sozialen Rollen) - auf der Ebene des Unbewussten herrschen die Wünsche, Bestrebungen, Hoffnungen, Aufforderungen, die uns selbst oft vieldeutig und fremd erscheinen - die Person endlich ist innere Ordnung, tiefer als das Unbewusste, und schafft die Integration aller menschlichen Dimensionen

„diese fortschreitende Vereinheitlichung aller meiner Handlungen und durch sie meiner Persönlichkeiten oder meiner Zustände ist die eigentliche Tat der Person“ (S.81)

es handelt sich um ein geistiges Lebensprinzip, das man bei jeder Person ihre Berufung nennt. Das Ziel der Person ist die ununterbrochene Verfolgung dieser Berufung.


Die Verwandlung des Individuums in eine Persönlichkeit ergibt sich aus einem Wechselverhältnis zwischen Individuum und Kollektiv. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich ein besonderes Verständnis von Gesellschaft, menschlicher Freiheit und der Verantwortung gegenüber anderen Menschen.

Gemäß dem Personalismus ist der Mensch frei - er steht grundsätzlich über dem Staat, der Nation, der Familie und anderen Kollektiven. Dennoch ist das soziale und geistige Leben einer Person unmittelbar mit dem gesellschaftlichen Leben verbunden. Ein allzu individualistischer Mensch steht in der Gefahr, sich der Gesellschaft zu entfremden und damit entfremdet er sich zugleich sich selbst.

Wird hingegen die Person allzu stark Interessen und Absichten anderer unterworfen: Partei, Arbeitgeber, Kirche oder Staat, so geht dies ebenfalls zu Lasten der Persönlichkeit. Die Freiheit und Entfaltung der Persönlichkeit ist daher bei jeglicher Gesellschaftsordnung oder menschlichen Organisation zu beachten. Es gehört zur Würde des Menschen, dass eine Person das eigene Glück leben kann.

Der französische Philosoph, Journalist und antifaschistische Widerstandskämpfer Emmanuel Mounier gilt als "geistiger Vater" oder Inspirator der personalistischen Bewegung. Weitere Vertreter der personalistischen Idee sind Martin Buber, Romano Guardini, Giuseppe Flores d' Arcais, Giuseppe Catalfamo, Winfried Böhm und Karol Wojtyla.

Siehe auch