Zum Inhalt springen

Weiße Taubnessel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 27. Januar 2023 um 12:44 Uhr durch BotBln (Diskussion | Beiträge) (+ weiter aus Mennema1989 und POWO ergänzt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Weiße Taubnessel

Weiße Taubnessel (Lamium album)

Systematik
Euasteriden I
Ordnung: Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie: Lippenblütler (Lamiaceae)
Unterfamilie: Lamioideae
Gattung: Taubnesseln (Lamium)
Art: Weiße Taubnessel
Wissenschaftlicher Name
Lamium album
L.

Die Weiße Taubnessel[1][2] (Lamium album) ist eine Pflanzenart aus der Gattung Taubnesseln (Lamium) innerhalb der Familie der Lippenblütengewächse (Lamiaceae).

Namensgebung

Taubnessel-Arten haben im Gegensatz zur Gattung Brennnesseln keine Brennhaare und ist auch nicht direkt mit ihr verwandt. Die Ähnlichkeit der Blattform zur Brennnessel führte zum deutschsprachigen Namensteil „Nessel“ im deutschsprachigen Trivialnamen Taubnessel dieser Gattung.

Beschreibung

Illustration aus Jacob Sturm: Deutschlands Flora in Abbildungen, 1796
Ausschnitt des Blütenstandes, gut zu erkennen ist der vierkantige Stängel
Blüten von unten gesehen, mit schwarzen Staubbeuteln und hellgelbem Pollen
Haarring in der Kronröhre
Pollen einer Weißen Taubnessel (400×)

Vegetative Merkmale

Die Weiße Taubnessel ist eine ausdauernde, krautige Pflanze, die Wuchshöhen von meist 25 bis 40[3] (10 bis 95) Zentimetern erreicht.[4] Es wird ein sehr kurzes bis einige Dezimeter langes, manchmal verholzendes Rhizom und krautige Ausläufer gebildet.[4] Der oft liegende und einfache Stängel ist bei einer Breite von meist 2 bis 3 (1,5 bis 4) Millimetern vierkantig und an seiner Basis verkahlend bis kahl, im oberen Bereich anliegend flaumig behaaart.[4]

Die kreuzgegenständig am Stängel angeordneten Laubblätter sind in Blattstiel und -spreite gegliedert. Der Blattstiel ist mit einer Länge von meist 1,5 bis 5[3] (0,5 bis 8,5) Zentimetern meist kürzer als die Blattspreite.[4] Die einfache Blattspreite der Stängelblätter ist bei einer Länge von 3 bis 7 (2 bis 11) Zentimetern sowie einer Breite von 2 bis über 4 Zentimetern eiförmig bis eiförmig-längliche mit herzförmiger, sich verschmälender oder gestutzter Spreitenbasis und spitzem bis lang zugespitztem oberen Ende.[3][4] Der Blattrand grob gekerbt bis einfach gezähnt oder gesägt.[3][4] Sie ist beiderseits locker[3] bis spärlich anliegend flaumig behaart.[4]

Generative Merkmale

Die Blütezeit reicht von April bis September[1] oder Oktober. Die laubblattähnlichen Tragblätter sind meist 3 bis 8 (2 bis 12) Zentimeter lang.[4] Der Blütenstand besteht aus vier bis fünf (drei bis sieben) Scheinquirlen.[3][4] Die Deckblätter sind 2 bis 6 (1 bis 12) Millimeter lang sowie 0,5 bis 1 Millimeter breit und sowohl rau als auch kurz drüsig behaart.[4] 6 bis 16 sitzende Blüten befinden sich in einem Scheinquirl.[3]

Die zwittrigen Blüten sind zygomorph und fünfzählig mit doppelter Blütenhülle. Die fünf 1 bis 1,5, selten bis zu 2 Zentimeter langen Kelchblätter sind auf weniger oder mehr als die Hälfte ihrer Länge[4] glockig verwachsen. Der haltbare Kelch ist an seiner Basis kahl und ist nach oben hin spärlich rau behaart, besitzt meist fünf, selten zehn Nerven und verlängert sich bis zur Fruchtreife.[4] Durch weite Buchten sind die fünf sternförmig ausgebreiteten Kelchzähne getrennt.[3] Die schmal-dreieckigen Kelchzähne sind an den Rändern kurz drüsig behaart[4] und in pfriemliche obere Enden ausgezogen.[3] Die Kronröhre wird meist vom Kelch überragt.[4] Die fünf weißen, manchmal rötlich überlaufenen [1] oder selten rosafarbenen, 2 bis 3 (1,75 bis 3,5) Zentimeter langen Kronblätter sind verwachsen.[4] Die aufwärts gebogene Kronröhre besitzt innen einen schrägen Haarring,[3] ist außen an der Basis kahl, aber nach oben hin kurz flaumig behaart und ist 1,5 bis 2 (1 bis 2,25) Zentimeter lang.[4] Die Blütenkrone ist zweilippig. Kronunterlippe und -oberlippe sind etwa gleich lang. Die Oberlippe ist meist 8 bis 10 (6 bis 12) Millimeter lang sowie 5 bis 6 Millimeter breit,[4] gewölbt, mit gerundetem,[3] gestutzem oder ausgerandetem oberen Ende, gewelltem Rand, innen kahl und außen samtig behaart.[4] Die etwas gekrümmte, kahle Unterlippe besitzt zwei bis zu 2 Millimeter lange, gerundete Seitenlappen,[4] die einen pfriemlichen Fortsatz tragen.[3] Ihr 3 bis 5 Millimeter langer sowei 4 bis 8 Millimeter breiter Mittellappen mit gewelltem Rand[4] ist durch einen tiefen Einschnitt in zwei ausgerandete Zipfel geteilt.[3] Es gibt zwei kürzere und zwei längere Staubblätter, die alle fertil sind und parallel angeordnet sind und nicht über die Oberlippe hinausreichen. Die zwei vorderen Staubblätter sind mit einer Länge von 9 bis 11 Millimetern etwa 3 Millimeter länger als die hinteren.[4] Die Staubfäden sind kurz drüsig behaart.[4] Die dunkel-braunen bis schwarzen und weißzottig bebärteten Staubbeutel[1] sind 1,5 bis 2 Millimeter lang sowie 0,75 bis 1 Millimeter breit[4] und liegen unter der Oberlippe.[3] Der Pollen ist hellgelb.[4] Der Diskus ist etwa 0,5 Millimeter breit.[4] Der fast kahle Griffel ist etwa 3 bis 4 Millimeter kürzer als die Blütenkrone.[4]

Die Klausen sind meist 3 bis 3,25 (2,75 bis 4) Millimeter lang sowie meist 1,5 bis 1,75 (0,25 bis 2) Millimeter breit.[4] Die Klausen besitzen ein weißliches Elaiosom.[3]

Chromosomensatz

Die Chromosomengrundzahl beträgt x = 9; bei den beiden Unterarten Lamium album subsp. album sowie Lamium album subsp. barbatum liegt Diploidie mit einer Chromosomenzahl von 2n = 18 vor.[1][2][5][6][7]

Ökologie

Die Weiße Taubnessel ist ein Hemikryptophyt.[1] Die Pflanzenexemplare ist erst ab dem zweiten oder dritten Jahr blühfähig. Ihre Ausläufer überwintern meist grün und bilden im folgenden Jahr Blütensprosse.[8][9][10][11]

Blütenökologisch handelte es sich um nektarführende, homogame Lippenblumen. Die Bestäubung erfolgt durch Bienen und Hummeln. Ebenso wie die Rote Taubnessel, die Gefleckte Taubnessel und die Goldnessel gilt auch die Weiße Taubnessel als wichtige Nektar- und Pollenpflanze für Honigbienen. Die Bestäubung erfolgt jedoch überwiegend durch Hummeln, die aufgrund ihres langen Rüssels besser an den tiefliegenden Nektar der Blüte gelangen. Wie bei allen Lippenblütlern stellt das untere Blütenkronblatt einen idealen Anflugplatz für bestäubende Insekten dar. In der Kronröhre kann man einen Haarring sehen, der den Nektar schützt.[9]

Die Weiße Taubnessel enthält Saponine und Schleimstoffe.[8][9][10][11]

Die Klausen werden außer durch Ameisen (Formica-arten, Lasius niger) auch durch Weidevieh ausgebreitet.[3]

Standortbedinungen von Lamium album subsp. album

Die Lamium album subsp. album wächst in Mitteleuropa am Weg- und Wiesenrand sowie in Gräben, Hecken und auf Schuttplätzen. Sie gedeiht besonders auf stickstoffreichem Böden. In den Allgäuer Alpen steigt Lamium album subsp. album im Tiroler Teil auf der Oberen Hochalpe unterhalb des Hohen Lichts bis zu einer Höhenlage von 1932 Metern auf.[12] Im Pustertal erreicht Lamium album subsp. album sogar eine Höhenlage von 2250 Meter und im Oberengadin 2270 Meter.[3]

Die ökologischen Zeigerwerte nach Ellenberg sind: Lichtzahl 7 = Halblichtpflanze, Temperaturzahl = indifferent, Kontinentalitätszahl 3 = See- bis gemäßigtes Seeklima zeigend, Feuchtezahl 5 = Frischezeiger, Feuchtewechsel= keinen Wechsel der Feuchte zeigend, Reaktionszahl: indifferent, Stickstoffzahl 9 = übermäßigen Stickstoffreichtum zeigend, Salzzahl 0 = nicht salzertragend, Schwermetallresistenz = nicht schwermetallresistent.[2]

Die Weiße Taubnessel ist in Mitteleuropa Oberdorfer eine Kennart des Verbands der Klettenfluren (Arction lappae).[2] Sie kommt aber auch in Pflanzengesellschaften der Unterklasse Galio-Urticenea vor.[7]

Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 3 (mäßig feucht), Lichtzahl L = 3 (halbschattig), Reaktionszahl R = 3 (schwach sauer bis neutral), Temperaturzahl T = 4 (kollin), Nährstoffzahl N = 5 (sehr nährstoffreich oder überdüngt), Kontinentalitätszahl K = 4 (subkontinental).[1]

Lamium album subsp. album ist in Mitteleuropa eine Ruderalpflanze, Archäophyt und Kulturfolger. Lamium album subsp. album ist sehr ausbreitungaktiv. Sie profitiert von der Eutrophierung der Landschaft durch Düngung und Verschmutzung mit organischen Materialien.

Verwendung als Nahrungsmittel und in der Volksmedizin

Droge Lamii albi herba

Als Expektorans (auswurfförderndes Mittel) bei Erkrankungen der Atemwege – also schleimlösend – sowie gegen Blähungen. Mittels Umschlägen der abgekochten Pflanzenteile werden Hautschwellungen, Beulen, Krampfadern und Gichtknoten behandelt. Die Taubnessel wirkt schwach harntreibend. Eine antiinflammatorische (entzündungshemmende) Wirkung ist mittels Tierversuchen bewiesen worden. Diese Wirkung wird hauptsächlich gegen Entzündungen an der Mund- und Rachenschleimhaut verwendet. Als Hauptwirkstoffe gelten Iridoidglykoside, hauptsächlich Lamalbid, neben Caryoptosid und den Albosiden A+B.

Früher wurden die jungen Pflanzenteile der Weißen Taubnessel als Gemüse gegessen.[3]

Die Blüten der Weißen Taubnessel sind eine recht gute Bienenweide, von einem Hektar Taubnesseln können bis zu 190 kg Honig pro Vegetationsperiode erzielt werden.[13]

Inhaltsstoffe

Die Weiße Taubnessel enthält Gerb- und Schleimstoffe sowie Cholin, Saponine und in geringen Mengen ätherische Öle.[14] In den Blüten finden sich Iridoide sowie weitere Terpene.[15]

Systematik und Verbreitung

Lamium album subsp. barbatum

Die Erstveröffentlichung von Lamium album erfolgte 1753 durch Carl von Linné in Species Plantarum, Tomus II, S. 579.[16][17] Ein Homonym ist Lamium album Desf., veröffentlicht in René Louiche Desfontaines: Flora Atlantica, 2, 1798, S. 18. Synonyme für Lamium album L. sind: Lamium dumeticola Klokov, Lamium petiolatum Royle ex Benth.,[18] Lamium vulgatum Benth. nom. superfl., Lamium vulgatum var. album (L.) Benth. nom. illeg.[17]

Die Weiße Taubnessel ist in ganz Eurasien in den gemäßigten Gebieten weitverbreitet.[17] In zahlreichen weiteren Ländern wie in Nordamerika oder Neuseeland ist sie ein Neophyt.[17]

Je nach Autor gibt es wenige Unterarten:[17][4]

Quellen

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Lamium album L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 24. Januar 2023.
  2. a b c d Lamium album L., Weiße Taubnessel. auf FloraWeb.de
  3. a b c d e f g h i j k l m n o p q r Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. 1. Auflage, unveränderter Textnachdruck Band V, Teil 4. Verlag Carl Hanser, München 1964. S. 2445–2447. (im Umfang von Lamium album subsp. album)
  4. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z aa ab ac ad J. Mennema: A taxonomic revision of Lamium (Lamiaceae). In: Leiden Botanical Series, Volume 11, 1989, ISBN 978-90-04-09109-2. Volltext-PDF. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche Lamium album auf S. 64–74.
  5. Lamium album bei Tropicos.org. In: IPCN Chromosome Reports. Missouri Botanical Garden, St. Louis
  6. Lamium album var. barbatum bei Tropicos.org. In: IPCN Chromosome Reports. Missouri Botanical Garden, St. Louis
  7. a b Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Stuttgart, Verlag Eugen Ulmer, 2001, ISBN 3-8001-3476-4, S. 803.
  8. a b Siegmund Seybold (Hrsg.): Schmeil-Fitschen interaktiv. CD-ROM, Version 1.1. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2002, ISBN 3-494-01327-6. (Abschnitt Ökologie)
  9. a b c Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. Ein botanisch-ökologischer Exkursionsbegleiter zu den wichtigsten Arten. 6., völlig neu bearbeitete Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2005, ISBN 3-494-01397-7. (Abschnitt Ökologie)
  10. a b Wilfried Stichmann, Ursula Stichmann-Marny: Der neue Kosmos-Pflanzenführer. Kosmos, Stuttgart 1999, ISBN 3-440-07364-5. (Abschnitt Ökologie)
  11. a b Margot Spohn, Marianne Golte-Bechtle: Was blüht denn da? Die Enzyklopädie: über 1000 Blütenpflanzen Mitteleuropas. Kosmos, Stuttgart 2005, ISBN 3-440-10326-9 (Abschnitt Ökologie).
  12. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 2, IHW, Eching 2004, ISBN 3-930167-61-1, S. 396.
  13. Enoch Zander, Albert Koch (Begr.), Josef Lipp: Handbuch der Bienenkunde – Der Honig. 3., neubearb. Aufl., Eugen Ulmer, Stuttgart 1994, ISBN 3-8001-7417-0, S. 38.
  14. Lamium album bei Plants For A Future, abgerufen am 26. April 2020.
  15. Rainer Ahlborn: Lamalbid, ein neues Iridoid und weitere Terpene aus den Blüten von Lamium album L. Universität Würzburg, 1974.
  16. Erstveröffentlichung eingescannt bei biodiversitylibrary.
  17. a b c d e f g h i Datenblatt Lamium album bei POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science.
  18. Lamium album bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis, abgerufen am 26. April 2020.
  19. a b World Checklist of Selected Plant Families (2010), The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew. In: Datenblatt Lamium album - Euro+Med Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity.
Commons: Weiße Taubnessel (Lamium album) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Vorlage:Linked Coordinates