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Johannes Bugenhagen

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Johannes Bugenhagen von Lucas Cranach d. Ä.

Johannes Bugenhagen (* 24. Juni 1485 in Wollin/Pommern; † 20. April 1558 in Wittenberg), auch Doctor Pomeranus genannt, war ein Freund Martin Luthers und ein norddeutscher Reformator zur Zeit der Reformation. Bugenhagen war auch der Beichtvater Luthers.

Anfangsjahre

De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium

Über seine Jugend ist fast nichts bekannt. Das einzige, was wir wissen, ist, dass sein Vater Gerhard Bugenhagen Ratsherr und möglicherweise auch Bürgermeister in Wollin war. Die Familie erhielt Unterstützung von der Äbtissin Maria des Zisterzienserklosters in Wollin, einer Schwester des Pommernherzogs Bogislaw X. Bugenhagen wird vermutlich bis zu seinem 16. Lebensjahr die Schule in Wollin besucht haben, denn Anhaltspunkte für einen Schulbesuch in Stettin ließen sich nicht erbringen. Daraufhin immatrikulierte er sich am 24. Januar 1502 an der Universität Greifswald, lernte hier die Grundthemen der Artes kennen. Im Sommer 1504 verließ er die Universität, ohne einen akademischen Grad erworben zu haben. Ende des Jahres ging er zunächst als Lehrer an die Stadtschule in Treptow an der Rega und wurde dort zum Rektor berufen.

Hier hielt er Lateinunterricht und legte aus eigenem Antrieb die Bibel aus. Dabei fand er interessierte Zuhörer unter den Bürgern der Stadt wie auch den Mönchen aus dem nahegelegenen Kloster. Der Ruf der Schule drang bis nach Livland und Westfalen, und zog von dort auch Schüler an. Obschon er nicht Theologie studiert hatte, wurde Bugenhagen 1509 zum Priester geweiht und als Vikar an der Treptower Marienkirche bestätigt. Er vertiefte sich autodidaktisch in die Lehre der Theologie und stand 1512 mit dem Humanisten Johannes Murmellius in Verbindung, der ihn auf die Schriften des Erasmus von Rotterdam aufmerksam machte. Dabei hielt er Kontakt zu den Mönchen des Klosters Belbuck und übte dort einen starken Einfluss aus. 1517 wurde ihm deshalb im Kloster Belbuck die Stelle eines Lektors an der vom Abt Johann Boldewan soeben eingerichteten Mönchsschule vermittelt. Im Auftrag des Abtes legte er hier den Mönchen die Heilige Schrift und die Kirchenväter aus.

Ebenfalls 1517 begann Bugenhagen im Auftrag seines Landesherrn, Herzog Bogislaw X., mit den Arbeiten zu einer Chronik von Pommern. Dazu begab er sich auf eine ausgedehnte Reise durch Pommern, um historische Materialien und Überlieferungen zu sammeln. Nach getaner Arbeit übergab er am 27. Mai 1518 die fertiggestellte Chronik dem Herzog mit einem Widmungsschreiben. Diese mit leicht humanistischen Zügen versehene Chronik Pomerania ist die erste zusammenhängende Darstellung der pommerschen Geschichte, geschrieben auf Latein und Vorbild für die späteren hoch- und niederdeutschen Chroniken Pommerns von Thomas Kantzow. Der Auftrag Bogislaws X. erfolgte auf Bitten des Kurfürsten Friedrichs des Weisen von Sachsen als Pendant zu einer in Arbeit befindlichen Geschichte Sachsens.

Bald erreichten Bugenhagen Martin Luthers Schriften. Mit Zustimmung las er die Predigten über die Zehn Gebote. Die Überlieferung besagt, dass er bei einem Abendessen mit der Treptower Geistlichkeit im Hause des Pfarrherrn der Marienkirche Otto Slutow (Schultow) von diesem den Traktat "De captivitate Babylonica ecclesiae praeludium" (Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche) Martin Luthers vorgelegt bekam. Zunächst soll er diese Schrift als Ketzerei abgetan haben. Als er sie aber sorgfältiger bearbeitete, soll in ihm ein Sinneswandel stattgefunden haben. Aufgrund dessen schrieb er an Luther und erhielt von diesem eine freundliche Antwort.

erste Wittenberger Jahre

Martin Luther
Philipp Melanchthon

Im Februar 1521 begab er sich nach Wittenberg, wo er mit Luther und Melanchthon bald in einen engen Gedankenaustausch trat. Hier wollte er weiter studieren und immatrikulierte sich deshalb am 29. April 1521, um die reformatorische Theologie aus berufenen Munde zu hören. In der Elbestadt fand er zunächst Aufnahme bei Philipp Melanchthon, der ihn in sein Haus und an seinem Tisch aufnahm. Seit dem 3. November 1521 hielt er akademische Vorlesungen über die Psalmen, die 1524 veröffentlicht wurden. Bugenhagen war Augenzeuge der Ereignisse der Wittenberger Bewegung, hielt sich jedoch auffällig zurück. Dennoch werden ihn die Ereignisse nicht unbewegt gelassen haben. Durch seine Heirat mit Walpurga am 13. Oktober 1522, bezog er selbst eine klare Stellung zur Frage des Zölibats.

Nachdem der alte Stadtpfarrer Simon Heins Anfang September 1523 verstarb, wurde Bugenhagen auf Luthers Empfehlung am 25. Oktober 1523 vom Rat der Stadt und den Vertretern der Gemeinde Wittenberg als Stadtpfarrer an der Stadtkirche gewählt. In dieser Eigenschaft erwies er sich als treuer Gefolgsmann Luthers, dessen Beichtvater und Freund er wurde. Seine Predigten, die er offenbar gern hielt, fielen oft sehr lang aus, was humorvolle Kritik bei Luther und seinen Freunden hervorrief. Trotzdem entfaltete er dabei in schlichter, aber eindrücklicher Art und Weise den Reichtum des Wortes. Er unterließ es nicht, in seinen Predigten aktuelle Fragen anzusprechen, um seiner Gemeinde die notwendige Orientierung zur christlichen Lebensführung zu vermitteln.

Neben dem vielfältigen Pfarrdienst führte Bugenhagen seine exegetischen Vorlesungen an der Universität weiter, bearbeitete Vorlesungsmanuskripte für den Druck und autorisierte Nachschriften für Publikationen. Nachdem zahlreiche seiner Kommentare zu alt- und neutestamentarischen Publikationen erschienen waren, wurde sein Ruf als reformatischer Schriftenausleger gefestigt und machte ihn als Theologen über die Grenzen des Reiches bekannt. Im September 1524 bemühte sich die Stadt Hamburg um ihn, was jedoch am Einspruch des Rates, der sich dem Wormser Edikt gebunden sah und seine Ehe als anstößig empfand, scheiterte. Auch eine einjährige Berufung nach Danzig scheiterte am Veto der Wittenberger Stadtgemeinde.

Nach der exegetischen theologischen Grundlegung begannen zunehmend praktische Aufgaben in der kirchlichen Gestaltung wie auch pastoraltheologische Probleme sein Denken und Handeln zu bestimmen. In kurzen Schriften behandelte er die Gestaltung und den rechten Gebrauch des Abendmahls mit der Beichte und anderen Zeremonien. So verfasste er 1525 die Gratulationsschrift De conjugio episcoporum et diavonorum auf die Heirat des Lichtenburger Präzäptors des Augustinerordens Wolfgang Reissbusch. Darin begrüßt er die Ehe eines Geistlichen als Gottesordnung und versucht, sie theologisch zu begründen. Hier widerspiegelt sich ein zu beobachtender Übergang von der reformatorischen Bewegung zur Gestaltung des protestantischen Kirchenwesens. In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass er es war, der am 13. Juni 1525 die Ehe Luthers mit Katharina von Bora schloss.

Anfänglich hatte er in diesem Umformungsdenkprozess etwas unbedacht gehandelt. So schreibt er an Johann Heß und polemisiert die Deutung der Einsetzungsworte und daraus resultierende Abendmahlsverständnis bei Andreas Bodenstein und Ulrich Zwingli. Als ihm Zwingli direkt darauf antwortet, zieht Bugenhagen den kürzeren. Dennoch leitet er damit eine neue Etappe im Abendmahlstreit ein, in der dann Luther und Zwingli direkt gegeneinander Stellung nahmen. Zurückhaltung hat er hier nicht geübt. Vor allem setzte er sich mit Martin Bucer und Johannes Brenz auseinander. In den Folgejahren entstehen Schriften wie Sendbrief an die Christen in England oder Christliche Vermahnung an die Christen in Livland, die zeigen, dass sich Bugenhagen nicht nur auf seine Arbeit in Wittenberg beschränkte, sondern dass sein Urteil und seine Unterstützung vielerorts gefragt waren.

Sein 1526 verfasstes Werk "Von dem christlichen Glauben und rechten guten Werken..." beschreibt die Grundlagen seiner reformatorischen Theologie und Interpretation einer Kirchenreform. Aufgrund der Erfahrungen, die er bei Gestaltung seiner Gemeinde in Wittenberg erworben hatte, und seines schriftlichen Wirkens erlangte Bugenhagen auch außerhalb Wittenbergs Ansehen. Doch sollte er zunächst noch die dunkle Zeit der Pest in 1527/28 Wittenberg erleben, als er mit Luther gemeinsam am Ort verblieb, um seiner Gemeinde zur Seite zu stehen und den noch verbliebenen Studenten Vorlesungen über die ersten vier Kapitel des Korintherbriefes zu halten.

Melanchthon und Justus Jonas der Ältere hatten jedoch mit ihren Familien die Stadt verlassen, und die Universität wurde nach Jena ausgelagert. Nachdem 1527 Bugenhagens Schwester Hanna Rörer an der Pest gestorben war, bat ihn Luther, in sein Haus zu ziehen. Hier traf ihn ein weiterer Schicksalsschlag, als sein Sohn Michael 1528 einer Krankheit erlag. Mittlerweile wurden mit der Stadt Braunschweig Anfang 1528 Verhandlungen geführt, die dazu führten, dass der Wittenberger Stadtpfarrer Bugenhagen nach Braunschweig ausgeliehen wurde. Am 16. Mai brach er mit seiner Familie nach Braunschweig auf.

Braunschweig

Braunschweig um 1550
Die Brüdernkirche in Braunschweig, in der Bugenhagen 1528 predigte
Braunschweiger Kirchenordnung

Nach vier Tagen trifft er am 20. Mai 1528 in Braunschweig ein, findet zunächst bei einem Bürger der Stadt Unterkunft und beginnt dort mit seiner reformatorischen Tätigkeit, als er noch am selben Abend als "allgemeiner Lehrer und Prediger in allen Kirchen der Stadt" eingeführt wird. In Braunschweig hatte es vorher schon reformatorische Bestrebungen gegeben, die seit Ende 1527 auf Veränderungen im gottesdienstlichen Leben drängten und immer klarere Konturen annahmen. Am 11. März war bereits eine Ratsordnung vorgelegt worden, die 18 Punkte umfasste, jedoch noch einige Fragen offen ließ. Ende März hatten zwei Gemeinden ein regelrechtes Reformprogramm entworfen, das eine durchgreifende Kirchenreform anstrebte. Daher war eine umfassende reformatorische Um- und Neugestaltung des Kirchenwesens zur unausweichlichen Notwendigkeit geworden.

Am Himmelfahrtstag, dem 21. Mai, trat Bugenhagen erstmals in der überfüllten Brüdernkirche auf die Kanzel, die bis zur Reformation zu einem Kloster der Franziskaner gehörte. Zahlreiche Braunschweiger, die keinen Platz mehr gefunden hatten, mussten auf dem Kirchhof mit einem anderen Prediger vorlieb nehmen. Zunächst gab Bugenhagen eine kurze Rechenschaft über seine Berufung in die Stadt, um sich dann dem kirchlichen Festtag "Christi Himmelfahrt" zu widmen. Entsprechend seinen Wittenberger Gepflogenheiten an Sonn- und Feiertagen zweimal zu predigen, stand er abends erneut auf der Kanzel, wie er denn überhaupt eine lebhafte Predigertätigkeit entfaltete.

Dabei konnte er den Braunschweigern die Wittenberger Theologie unmittelbar bekannt machen, und dies obendrein aus berufenem Munde. Sie boten ihm in zunehmendem Maße auch den Vorlauf, seine Hörer auf die Kirchenordnung vorzubereiten, unter dem Gesichtspunkt, dass eine recht verstandenen Kirchenordnung aus der Predigt des Evangeliums hervorgeht. Er betonte, dass gute Werke zum wahren und wirklich lebendigen Glauben gehören und aus dem rechtfertigenden Glauben folgen. In den Grundfragen der Kirchenordnung sprach er unter anderem an, dass es gelehrte Prediger geben müsse. Diese sollten vornehmlich Superintendenten sein, die von einem Assistenten unterstützt werden und auch ausreichend versorgt sein müssten.

Damit die Theologen den Ansprüchen der Zeit gewachsen waren, schuf er zur Ausbildung der Prediger ein bibelexegetisches Lektorium. Er griff die Thematik der Abschaffung des Fronleichnamsfests auf, ebenso die Obrigkeitsproblematik, erarbeitete die Grundlagen des Schulwesens, regelte die Armenfürsorge, traf Festlegungen zur Taufe sowie zur Messe in deutscher Sprache und begann mit Katechismuspredigten. Obwohl die Braunschweiger sich mit seinen Vorstellungen der Kirchenordnung identifizierten, traten gewisse Schwierigkeiten bei der Vorbereitung derselben auf. So stießen die unterschiedlichen hervorgebrachten Interessen, Wünsche und Vorstellungen oft aufeinander. Um der zukünftigen Kirchenordnung eine einheitliche Gestalt zu verleihen, die für das Kirchenwesen der gesamten Stadt gültig und nach Möglichkeit ein einmütig zu beschließendes Dokument sein sollte, musste hier mit Einfühlungsvermögen, Geduld, Takt und Verhandlungsgeschick eine Einigung erzielt werden.

Am 5. September 1528 war es geschafft, der Rat, die Ratsgeschworenen, die Gildemeister der 14 ratsfähigen Gilden und die 28 Hauptleute aus den fünf Stadtgemeinden versammelten sich und nahmen die in niederdeutsch abgefasste Bugenhagensche Kirchenordnung in aller Form an. Am folgenden Tag wurde die offiziell besiegelte Einführung der Reformation in Braunschweig von allen Kanzeln verkündet. Bugenhagen, der nach dreieinhalb Monaten anstrengender Arbeit, in denen er gleichsam als erster Superintendent der Stadt gewirkt hatte, wurde von den Vertretern der Stadt zum Verbleib angehalten. Dazu hatte man ihm bereits ein Haus zur Verfügung gestellt, und wollte ihn auf Lebenszeit als Superintendenten behalten.

Jedoch warteten auf Bugenhagen bereits neue Aufgaben. Einerseits hatte sich schon länger die Stadt Hamburg für ihn eingesetzt; auch die Probleme in Bremen hatten sich durch den Tod von Heinrich von Zütphen zugespitzt. Daher wurde der in Torgau tätig gewesene Magister Martin Görlitz am 18. September 1528 zum Superintendenten für Braunschweig gewählt und von Bugenhagen in sein Amt eingeführt. Damit war die war die gewünschte Zielsetzung in Braunschweig erreicht, und Bugenhagen begab sich Anfang Oktober mit seiner Familie nach Hamburg. 1529 hielt sich Bugenhagen jedoch nochmals in Braunschweig auf, weil Neigungen zur Theologie Zwinglis aufgetreten waren, und konnte die lutherische Reformation festigen. 1531 trat die Stadt dem Schmalkaldischen Bund bei.

In der Brüdernkirche, die 1944 stark zerstört wurde, existiert noch heute ein Bilderzyklus über dem Chorgestühl, der um 1600 entstand und Kirchenväter von der nachapostolischen Zeit bis zu den Reformatoren darstellt, darunter auch Bugenhagen. 1902 wurde vor der Westseite der Brüdernkirche ein Denkmal für Bugenhagen aufgestellt, das im Zweiten Weltkrieg demontiert und 1970 durch eine neue Bronzestatue der Hamburger Bildhauerin Ursula Querner-Wallner vor der Ostseite ersetzt wurde.

Hamburg

Alter Stich von Hamburg
Johannes Bugenhagen 1532
Klinkerstatue an der Hamburger Bugenhagenkirche

In Hamburg hatte es bereits 1525 Bestrebungen gegeben, Bugenhagen im Rahmen der voranschreitenden Reformationsbewegung zu berufen. In Anbetracht der damaligen Verhältnisse wurde jedoch über das Ansuchen nicht nach dem Wunsche der Hamburger befunden. Inzwischen hatte das reformatorische Gedankengut jedoch bereits breite Kreise der Bevölkerung erfasst, so dass sich Anfang 1526 die Mehrheit der Bürger der neuen Lehre zuwandte. Dennoch war aufgrund des Zuspruchs die Lage in Hamburg nicht konfliktfrei. Immer wieder flammten Auseinandersetzungen mit den altgläubigen Klerikern der Nikolaikirche auf, die zu einer sich verschärfenden Kanzelpolemik und dem Wegfall traditioneller Zeremonien führte. Die hieraus erwachsende Unruhe versuchte der Rat zu beruhigen, indem er versuchte, in einer Disputation die Gegenparteien auf dem Rathaus zur christlichen Eintracht zu vermahnen. Jedoch währte es nicht lange, ehe die Probleme erneut auftraten.

Bugenhagen selbst, der mit der 1526 verfassten Schrift “Vom christlichen Glauben und rechten guten Werken“ der Hamburger Gemeinde bereits die Einrichtung einer „gemeinen Kiste“ (Gotteskastenordnung) zur Armenpflege nahegelegt hatte, legte somit eine Grundorientierung für ein kirchliches und gemeinschaftliches Leben. Die altgläubigen Kräfte verloren immer weiter an Autorität, so das die reformatorische Seite aufgrund ihrer starken Position bereits praktisch die Reformation durchgesetzt hatte. Nun aber benötigte man in Hamburg eine Persönlichkeit, die über ein hohes Maß an Autorität verfügte, Sachkenntnis besaß und über Erfahrung verfügte, die Sicherung der Reformation zu garantieren. Nikolaus von Amsdorff, der sich bereits im April bemüht hatte, diese Position zu übernehmen, scheiterte daran, weil er nicht der niederdeutschen Sprache mächtig war. Daher bemühte man sich darum, dass Bugenhagen nach seiner Braunschweiger Zeit eine Berufung nach Hamburg erhielt, da man in ihm die geeignete Person sah. Der Hamburger Rat reservierte eine Unterkunft in der so genannten “Doktorei“, die Bugenhagen am 8. Oktober bei seinem Eintreffen in Hamburg bezog. Am folgenden Tag wurde ihm zu Ehren ein festliches Begrüßungsessen in seinem Haus veranstaltet, und am 10. Oktober begrüßten ihn die drei Hamburger Bürgermeister in aller Form.

Bugenhagen musste aber bald erkennen, dass eine Übertragung der Braunschweiger Ordnung auf die Hamburger Verhältnisse nicht möglich war. Trotz der vorangeschrittenen Reformation und der Hinneigung von Ordensangehörigen zum Evangelium traten in Hamburg Differenzen vor allem im Handel zwischen Rat und Bürgschaft und proreformatorischen Tendenzen im monastischen Bereich auf. Zunächst begann er nach dem gleichen Muster wie Braunschweig seine Predigten durchzuführen. Unausweichlich waren auch hier die Auseinandersetzungen mit dem starren altgläubigen Domkapitel und Harvestehuder Zisterzienserinnenklosters, die keinen evangelischen Prediger an ihren kirchlichen Einrichtungen zuließen.

Während seiner Hamburger Zeit nahm er auch an Verhandlungen in Flensburg gegen die Irrlehren des Melchior Hofmann teil. Diesen kannte er bereits von seinen Wittenberger Besuchen aus den Jahren 1525 und 1527. Hofmann machte sich vor allem dadurch bekannt, dass er als Täufer eine abwegige schwärmerische Meinung von der lutherischen Auffassung der Abendmahlslehre vertrat und damit für viel Unruhe in seinen Wirkungsgebieten sorgte. Dies hatte bewirkt, dass er mehrmals vertrieben wurde, nachdem man ihm die Irrlehre nachgewiesen hatte. 1527 hatte er in Kiel Zuflucht gefunden, trat mit Streitschriften abermals hervor, und es kam am 7. April 1529 zu einer Disputation unter dem Vorsitz des dänischen Kronprinzen und Herzogs von Schleswig-Holstein, des späteren Christian III. von Dänemark. Hofmann argumentierte in dieser Verhandlung nach ähnlicher Auffassung von Zwingli und Bodenstein und erklärte „Das Brot, das wir empfangen ist figürlich und sakramentlich der Leib Christi, nicht wahrhaftig, doch halt ich es nicht für schlecht Brot und Wein, sondern es ist mir ein Gedächtnis“. Da er die lutherische Abendmahlsauffassung nicht nachvollziehen konnte oder wollte, erwiesen sich seine Ausführungen als substanziell unüberwindbar, da sie von der Heiligen Schrift abwichen. Bugenhagen, der bei dieser Disputation das Schlusswort hielt, erklärte in einer umfänglichen Abhandlung, die Gedanken Hofmanns Punkt für Punkt kritisch. In dieser Kritik bezog er sich theologisch und exegetisch auf den Sinn des Wittenberger Abendmahlverständnisses und berief sich auf die Überlieferung der Einsetzungsworte des Abendmahls in der Heiligen Schrift. Am 9. April wurde Hofmann als Irrlehrer verurteilt. Da er einen Widerruf ablehnte, musste er innerhalb von 3 Tagen das Land verlassen.

Nach Hamburg zurückgekehrt, widmete Bugenhagen sich wieder der Ausarbeitung der Kirchenordnung, die für ihn eine ungewollte Verlängerung des Aufenthaltes in Hamburg bedeutete. Vor allem das widerspenstige Verhalten der Zisterziensernonnen beschäftigte ihn, so das er die Schrift „Wat me van dem Closter leuende holden schal allermeyst vor de Nunnen vnde Bagynen geschreuen“ (Hamburg 1529) verfasste, in der er das Klosterleben als nicht vom Evangelium her begründete Form der Lebensgestaltung kritisierte. Alle Bemühungen des Kapitels am Mariendom und der Zisterziensernonnen fruchteten nichts. Bugenhagen musste diese Punkte in seiner Kirchenordnung unberücksichtigt lassen. Dennoch hatte er mit seiner Klosterschrift den Gemeinden und dem Rat ein Instrument in die Hand gegeben, so dass man im Nachhinein durch den Abriss des Klosters am 10. Februar 1530 zu radikaleren Maßnahmen greifen konnte. Am 15. Mai 1529 erfolgte die förmliche Annahme der Kirchenordnung und am 23. Mai wurde diese von allen Kanzeln der Stadt feierlich verkündet. Bugenhagen hatte nach mühevoller Arbeit nun auch in Hamburg sein Ziel einer allgemein gültigen Kirchenordnung erreicht. Schmälernd wirkt sich aber hierbei vor allem das Überleben des alten Kirchenwesens aus.

Trotz der genannten Einschränkungen war mit Annahme der Kirchenordnung nun auch in Hamburg das Kirchenwesen endgültig und in verbindlicher Form auf reformatorische Grundlagen umgestellt. In ihr war festgeschrieben, dass „das reine Wort und das lautere Evangelium frei” gepredigt, die Sakramente der Einsetzung Christi entsprechend gebraucht, alles dem Worte Gottes Zuwiderlaufende oder von daher nicht Begründete im kirchlichen Leben aus der Kirche Christi entfernt, für die Jugend mit guten Schulen gesorgt und die vorhandenen bzw. zu erwartenden materiellen Mittel für die Armen wie für den rechten Gottesdienst verwendet werden sollten. Ein Blick auf die Hamburger Verhältnisse zeigt das hohe Maß an Umsicht, mit dem sich Bugenhagen, unterstützt von den Vertretern der reformatorischen Stadtgemeinden, der Abfassung der Kirchenordnung gewidmet hatte. Das Ineinander von theologischer Durchdringung und organisatorischer Regelung verlieh auch der Hamburger Ordnung den Doppelcharakter einer Grundurkunde und zugleich Handlungsanweisung für die Gestaltung des lutherischen Kirchenwesens der Stadt. In mancher Hinsicht bildete sie über die spezifisch Hamburger Zielsetzung hinaus einen Entwurf für den christlichen Lebensvollzug in einem evangelisch geprägten Gemeinwesen. Bildung und Erziehung, Predigt und Gottesdienst, Sicherung der geistlichen und materiellen Voraussetzungen evangelischer Verkündigung und nicht zuletzt die Gewährleistung der diakonischen und sozialen Dimension evangelischer Lebensgestaltung. Bugenhagen hatte damit nun auch in Hamburg „der reformatorischen Form des Glaubens die angemessene Gestalt im Kirchenwesen gegeben".

Vor seiner Rückreise nach Wittenberg konnte er noch im freigewordenen Johanniskloster das Johanneum, die erste öffentliche Lateinschule der Stadt, mit einer festlichen lateinischen Rede eröffnen und dabei unter Beweis stellen, welche große Bedeutung er, der einstige Treptower Schulmeister, dem Aufbau und der Förderung eines wirksamen reformatorischen Schulwesens beilegte. Damit vollzog er selbst den ersten Schritt zur Realisierung der in der Kirchenordnung formulierten umfänglichen und detaillierten Festlegungen über die Einrichtung und Gestaltung der Lateinschule der Stadt. Aufgrund einer kurfürstlichen Rückberufung nach Wittenberg reiste Bugenhagen mit seiner Familie am 9. Juni aus Hamburg ab. Als Abschiedsgeschenk und als Ausdruck der Dankbarkeit für das in Hamburg Geleistete, wurde ihm eine Ehrengabe von 100 Gulden überreicht. Auch seiner Ehefrau, die ihm während dieser Zeit offenbar still und unauffällig zur Seite gestanden hatte, wurden 20 Gulden überreicht.

Rückreise und Aufenthalt in Wittenberg

Reisegruppe im 16. Jh.
Die heutige Stadtkirche von Wittenberg

Über Harburg und Braunschweig wollte er zurückreisen. In Braunschweig musste er erkennen, dass sich die dortigen Verhältnisse außerordentlich ungünstig entwickelt hatten. In der Zeit seit Bugenhagens Abreise im Oktober 1528 war es zu einer starken Reaktion der Altgläubigen gekommen. Auch Herzog Heinrich hatte der Stadt in zunehmendem Maße seinen Unwillen über die religiösen Neuerungen bekundet, was nicht ohne Wirkung blieb. Im Frühjahr 1529 war eine relativ starke Unruhe in der Stadt entstanden, nicht zuletzt auch angesichts dessen, dass der Rat sich zum Teil taktierend gegenüber dem Herzog verhielt und sich Spannungen zwischen Bürgerschaft und Rat entwickelt hatten. Probleme entstanden zu gleicher Zeit mit den Klöstern, für die eine klare Verfahrensorientierung nach wie vor fehlte, die man aber verstärkt unter Druck gesetzt hatte. Den Mönchen wurde ausdrücklich untersagt, ihre Klöster zu verlassen und sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Einige von ihnen verließen daraufhin die Stadt, offenbar aber nur widerwillig. Daraus resultierten weitere Probleme. Der Herzog erwirkte, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund Protestation zu Speyer, die für die reformatorische Sache bekanntlich ungünstig votiert und das Wormser Edikt wieder in Kraft gesetzt hatte, einen Verweis gegen Braunschweig, in dem die Stadt dazu aufgefordert wurde, die Wiederaufnahme der Mönche zu gestatten.

Gleichzeitig verzeichnete man in Braunschweig ein fortschreitendes Erstarken bzw. Wirksamwerden Zwinglischen Ideenguts vor allem im Abendmahlsverständnis. Mehrere der reformatorischen Prediger begannen bald nach Bugenhagens Abreise nach Hamburg in der Abendmahlslehre Positionen zu vertreten, die in der Kirchenordnung ausdrücklich als sakramentiererisch verworfen waren. Auch in der Gestaltung von Abendmahlsfeiern kamen zwinglische Einflüsse mehr und mehr zur Geltung. So drohte in zunehmendem Maße die Gefahr einer Spaltung in den Gemeinden. Der Superintendent Görlitz vermochte dieser Entwicklung trotz redlichen Bemühens nicht wirksam zu begegnen, zumal auch hier der Rat ungenügende Unterstützung gewährte. Sofort nach seinem Eintreffen in der Stadt griff Bugenhagen ordnend und klärend in die verworrene, zusätzlich noch durch Forderungen des Herzogs und des Reichsregiments belastete Situation ein. Den Abweichungen im Abendmahlsverständnis versuchte er umgehend mit entsprechenden Predigten zu begegnen. Den Rat vermochte er offenbar zu einem klareren Vorgehen gegen die Sakramentsschänder zu bewegen. Seine Bemühungen in kurzer Zeit blieben nicht wirkungslos. Obwohl ihm die Braunschweiger Wirkungsstätte ans Herz gewachsen war, musste er jedoch dem Ruf seines Kurfürsten folgen und am 20. Juni Braunschweig verlassen

Am Abend des 24. Juni 1528 traf er mit seiner Familie wieder in Wittenberg ein und wurde vom Rat mit einem Willkommenstrunk begrüßt. Die Wittenberger Stadtgemeinde hatte ihren Pfarrer wieder und Luther, der solange das Stadtpfarramt vertreten hatte, konnte sich wieder seinen eigenen Aufgaben widmen. Bugenhagen selbst wurde in Wittenberg sogleich in die Vorbereitungen auf das Marburger Religionsgespräch eingebunden. An diesem nahm er jedoch nicht teil; stattdessen widmete er sich der erneuten Erörterung der Widerstandsfrage und beteiligte sich an der Ausarbeitung der Torgauer Artikel zum Augsburger Reichstag, die in die Artikel 22 bis 28 der Confessio Augustana eingegangen sind. An diesem Reichstag nahm er jedoch ebenfalls nicht teil, da er mit Caspar Cruciger dem Älteren im Interesse der Wittenberger Gemeinde an der Stadtkirche verblieb. Vor allem nahm ihn die Hilfeleistung für den Fortgang der Reformation im niederdeutschen Bereich in Anspruch. Er vertrat Luther bei den ersten Kirchenvisitationen im sächsischen Kurkreis, predigte vor seiner Gemeinde und hielt Vorlesungen an der Universität. Dabei las er über den 1. Korintherbrief. In dieser Zeit ist auch eine nur teilweise erhaltenen Auslegung zur Apostelgeschichte entstanden. Als die Auseinandersetzungen zwischen Luther und Zwingli ihren Höhepunkt erreichten, traten im Juni 1530 zwei Vertreter der Stadt Lübeck an ihn heran und bitten ihn, die Kirchenordnung in ihrer Stadt zu erstellen. Deshalb begab er sich im Oktober 1530 nach Lübeck.

Lübeck

Lübeck im 16. Jahrhundert, Ansicht von Osten

Die alte Travestadt Lübeck wurde zur Zeit der Reformation aus ihrer Mittelstellung im Ostseehandel verdrängt, da die Holländer überlegen waren, England seinen Handelsverkehr in eigene Regie nahm und das Herzogtum Preußen und Danzig sich der Vorherrschaft Lübecks zu entledigen suchten. Die äußeren Schwierigkeiten trugen zur Verschärfung innerer Spannungen bei. Dadurch hatte sich in Lübeck seit 1522 eine aktionsfähige und an Einfluss gewinnende reformatorische Bewegung gebildet. An der Spitze dieser bürgerlichen Opposition standen nichtpatrizische Kaufleute, die eine aktive Außenpolitik gegenüber den Niederlanden und Dänemark forderten und ihre Interessen durch den patrizischen Rat nicht genügend verteidigt sahen. Diese Opposition erhoffte sich von der Einführung der Reformation eine Besserung ihrer sozialen Lage. Erhöhte Steuerforderungen im Herbst 1529 veranlassten die bürgerliche Opposition, dem Rat ihre Forderungen vorzutragen. Von deren Erfüllung machte sie die Steuerbewilligung abhängig. Ein sogenannter "Vierundsechziger"-Ausschuss wurde zum lenkenden Organ der Opposition. Im Sommer 1530 musste der Rat in die Einführung der Reformation einwilligen. Damit gelang es der Opposition die Forderung evangelischer Neuordnung des kirchlichen Lebens durchzusetzen.

Titelblatt von Der Keyserliken Stadt Lübeck Christlike Ordeninge - die Kirchenordnung von Lübeck 1531

In der Vereinbarung zwischen Rat und „Gemeinde”, einem die Bürgerschaft repräsentierenden Gremium, vom 30. Juni wird unter anderem gefordert, eine das kirchliche Leben (d. h. Kirche, Schule und Sozialfürsorge) verbindlich regelnde Ordnung zu schaffen. Damit kam folgerichtig die Frage einer Berufung Bugenhagens im Blickfeld. Am 28. Oktober 1530 traf Bugenhagen, angesichts der politischen Bedeutung Lübecks relativ bereitwillig aus Wittenberg mit seiner Familie in der Hansestadt ein. Luther übernahm wieder seine Vertretung im Wittenberger Gemeindepfarramt, ahnte aber nicht, wie lange Bugenhagen an diesem kirchenordnenden Werk beschäftigt sein sollte. Denn es bedurfte auch in Lübeck langwieriger Arbeit, die vor allem durch den konservativen Rat, der die Reformation weitgehend als Aufruhr ablehnte, unterminiert wurde. Vor allem in der Opposition fand Bugenhagen jedoch Unterstützung, so dass die von ihm erarbeitete Kirchenordnung am 27. Mai 1531 rechtskräftig beschlossen und eingeführt wurde. Am Trinitatissonntag 1531 wurde diese in einem Festgottesdienst in sämtlichen Kirchen verlesen und feierlich begangen. Nach der Beschlussfassung blieb Bugenhagen, gewarnt durch die Braunschweiger und Hamburger Erfahrungen, noch fast ein Jahr in der Stadt, um die den protestantischen Kräften im Reich wichtige Absicherung der Reformation in Lübeck mit Rat und Tat zu unterstützen. Die Kirchenordnung führte wie in Hamburg zur Errichtung einer Lateinschule, des Katharineums in den Räumen des Katharinenklosters der Franziskaner. Erster Rektor der Schule und erster Superintendent der Lübecker Kirche wurde Hermann Bonnus, zweifellos auf Bugenhagens Empfehlung.

Während seines Aufenthaltes in Lübeck wurden mehrfach aus anderen Orten Niederdeutschlands Anfragen an Bugenhagen gerichtet. Rat und Urteil des in praktischen Fragen kirchlicher Gestaltung erfahrenen reformatorischen Theologen waren begehrt. So wandte sich der Rostocker Rat mit der Bitte um ein Gutachten zu den dort bestehenden Problemen der Gestaltung reformatorisch-kirchlichen Lebens an ihn. Auch für das literarische Schaffen, das bei der vielfältigen anderweitigen Belastung Bugenhagens etwa seit 1527 zwangsläufig nachließ, fand er in Lübeck Zeit. So entstand dort unter anderem seine mit reichem Material aus der Kirchengeschichte belegte, gegen die altgläubige Abendmahlspraxis gerichtete Schrift "Wider die Kelchdiebe”.

Veranlasst durch die Agitation des mit einer eigenwilligen antitrinitarischen Lehre seit 1530 offenbar im Niederrheingebiet auftretenden Außenseiters der Reformation Johannes Campanus, auf dessen Wirken ihn auch Luther und Melanchthon brieflich aufmerksam machen, schreibt er auch gegen die Antitrinitarier. In den letzten Wochen seines Lübecker Aufenthalts widmet sich Bugenhagen, der bereits seit 1524 in Wittenberg beratend an der Entstehung des niederdeutschen Testaments beteiligt war, der Mitarbeit bei Übertragung der Bibel ins Niederdeutsche. Im Ergebnis dieser Arbeit erscheint 1533/34 die prächtig ausgestattete Lübecker Bibel, die erste niederdeutsche Vollbibel, noch vor der hochdeutschen Gesamtausgabe als „Bugenhagen-Bibel” in die Geschichte eingeht. Am 30. April 1532 macht er sich auf den Rückweg nach Wittenberg.

Wieder in Wittenberg

Wittenberg in den 30iger Jahren des 16. Jh.

Am 5. Mai 1532 zurückgekehrt nach Wittenberg, wartete auf Bugenhagen wiederum eine Fülle von Aufgaben. Luther, der Bugenhagen vertreten hatte, hatte sich zwar um die Gemeinde bemüht, doch war er selbst durch vielfältige Pflichten gebunden, und wegen seiner zeitweiligen Erkrankung war der Predigtdienst erheblichen Unterbrechungen ausgesetzt. Zwar standen Bugenhagen die Diakone der Sebastian Fröschel, Georg Rörer und Johann Mantel zur Seite, doch traten Probleme im christlichen Lebensvollzug der Gemeinde auf, die ihn mehr als einmal in Resignation verfallen ließen. Denn vorerst war die Wittenberger Gemeinde noch ungefestigt. Er bewältigte dies jedoch in zäher Beharrlichkeit und vermittelte der Gemeinde auf der Basis von Bibel und Katechismus die Grundlagen reformatorischen Glaubens und Lebens. Ein nicht unwesentlicher Faktor mögen auch seine langen Predigten gewesen sein, die Luther mehrmals kritisierte. Einmal bemerkte er ironisch: „Jeder Priester muss seine privaten Opfer haben. Ergo opfert der Pomeranus seine Hörer durch seine langen Predigten, wir nämlich sind seine Opfer. Und heute hat er uns in außerordentlicher Weise geopfert“. War Bugenhagen ausnahmsweise früher zum Schluss gekommen, oder hatte ihn ein Anderer vertreten, konnte es geschehen, dass die Wittenberger Hausfrauen bei Heimkehr der Familie aus der Stadtkirche mit den Mittagsvorbereitungen noch im Verzug waren.

Ansicht der Wittenberger Schlosskirche zur Zeit Bugenhagens als er dort den Doktorgrad erwarb

An der Universität betätigte sich Bugenhagen mit Vorlesungen über den Propheten Jeremia. Als sich am 28. April 1533 die Vorsteher des Hamburger Gotteskastens bei den Wittenberger Theologen beantragten, dass der zum Superintendenten der Stadt Hamburg gewählten Johannes Aepinus in Theologie promovieren sollte, wurde der Wittenberger Fakultät erstmals klar, wie gering die Zahl promovierter evangelischer Theologen war. Wegen ungeklärter Rechtslage hatten seit 1525 keine theologischen Promotionen stattgefunden. Im Zuge von Aepinus' Promotion fasste die theologische Fakultät den Entschluss, den seit einigen Jahren im Interesse notwendiger Verbesserung der Lehre geförderten Caspar Cruciger der Ältere sowie Bugenhagen zu Doktoren der Theologie zu promovieren. Der Kurfürst Johann Friedrich, der zu Beratungen in Wittenberg weilte und dem die Förderung seiner Landesuniversität dringendes Anliegen war, unterstützte den Antrag. Er kam für die Kosten auf und bot seine Anwesenheit an. Am Abend des 16. Juni 1533 arbeitete Melanchthon noch die zu verteidigenden Promotionsthesen aus. Am folgenden Tag wurde in der Wittenberger Schlosskirche unter dem Vorsitz Luthers, im Beisein des sächsischen Kurfürsten, der Herzöge Ernst und Franz von Braunschweig, des Herzogs Magnus von Mecklenburg, sowie weiterer Adliger und der Repräsentanten der Universität, die Disputation der Promovenden in glänzendem Rahmen als Demonstration neuer Rechtsverhältnisse abgehalten. Denn der Wittenberger Doktortitel sollte fortan die besondere Qualifikation evangelischer Theologen an leitenden Aufsichtsstellen in Städten und Territorien hervorheben.

Bugenhagen, der sich mit dem Verweis auf sein Alter dem Vorhaben zunächst entziehen wollte, musste sechs Thesen über die Kirche („De ecclesia“) verteidigen. Dabei betonte er die einem evangelischen Amt auferlegten Verbindlichkeiten gegenüber den weltlichen Gesetzen, sofern sie dem Gesetz Gottes nicht widersprächen. Er unterschied davon die Kirchlichen Ordnungen, die gemäß Kol. 2, 16 nicht die Gewissen binden könnten. Ihnen gegenüber gelte die Freiheit, die durch keine Kreatur der Welt aufgehoben werden könne. Seine Ausführungen fanden den besonderen Beifall des Kurfürsten. Am Tag darauf wurde in der Schlosskirche durch den Dekan der theologischen Fakultät Justus Jonas d. Ä. die feierliche Promotion der drei Theologen vollzogen. Die neue Promotionsformel hatte Luther beigesteuert, worin es hieß: dass die Promotion kraft apostolischer und kaiserlich-politischer Autorität, die beide auf Gott zurückgeführt wurden, vollzogen werde. Daraufhin wurde ein Festessen auf dem Schloss durch den Kurfürsten gegeben, Bei dieser Gelegenheit wurde Bugenhagen die Ober–Superintendentur für den rechtselbischen Kurkreis vom Kurfürsten übertragen. Damit wurde erstmalig das Amt eines Generalsuperintendenten in der evangelischen Kirche eingeführt, welches sich bis 1817 halten sollte (den linkselbischen Bereich übernahm der Propst von Kemberg). Nach Bugenhagen war das bischofsgleiche Amt des Generalsuperintendenten mit dem Pfarramt an der Wittenberger Stadtkirche verbunden. In der Folge führten dieses Amt die höchsten Vertreter der Theologischen Fakultät der Wittenberger Universität aus. Dadurch, dass das Amt mit der Universität Wittenberg verbunden war, wurde es mit Verlegung an die Universität Halle 1817 in eine Superintendentur verwandelt.

Das Amt entwickelte sich aus der Notwendigkeit der von Luther angeregten Kirchenvisitationen, die bisher nicht im vollen Umfang durchgeführt wurden. Gregor Brück (Pontanus), der 1527 die Unterlagen bearbeitete, erkannte zahlreiche Missstände und Probleme, die sich schon bei der ersten Kirchenvisitation gezeigt hatten. Er regte daher Johann den Beständigen an, die Visitationen fortzusetzen. Dies sollte der Fürst allerdings nicht mehr erleben, und erst sein Sohn Johann Friedrich unternahm eine zweite Kirchenvisitation 1533. Dazu benötigte man kirchliche Strukturen, aus denen unter anderem das Amt des Generalsuperintendenten des Kurkreises erwuchs. Bevor sich Bugenhagen den Visitationen widmen konnte, musste er noch für Wittenberg eine offizielle Kirchenordnung erarbeiten. Es hört sich fast grotesk an, dass an Bugenhagens eigentlicher Wirkungsstätte immer noch eine Kirchenordnung fehlte, während er in Braunschweig, Hamburg und Lübeck bereits reformatorische Kirchenordnungen verfasst und in Kraft gesetzt hatte. In Wittenberg bestand freilich kein wirklicher Mangel an einer Kirchenordnung. Bereits im Jahre 1522 hatte der Rat in der Zeit der Wittenberger Bewegung am 24. Januar eine Ordnung erlassen, dann hatten Bugenhagen und Justus Jonas d.Ä. eine Ordnung der Zeremonien am Allerheiligenstift (Schlosskirche) verfasst. Wittenberg hatte jedoch mit Luthers „Deutscher Messe“ 1525 und seinem "Taufbüchlein" von 1526, Bugenhagen mit seiner knappen "Ordnung für die Trauung“ 1524 und wiederum mit Luthers „Traubüchlein für die einfältigen Pfarrherrn“ 1529 bereits gewisse Vorformen einer regelrechten Kirchenordnung besessen.

Daher verwundert es auch nicht, dass die Wittenberger Kirchenordnung keine tief greifenden Veränderungen in Wittenberg bewirkte, sondern vieles nur festschrieb, was sich bereits bewährt hatte. Im Aufbau ähnelt die Wittenberger Ordnung den norddeutschen Ordnungen. Auffällig sind nur zwei Besonderheiten. Die Wahl des Stadtpfarrers hatte, wie bei Bugenhagen geschehen, von den Repräsentanten der Universität und von zehn Vertretern des Rates und der Gemeinde zu erfolgen und das Pfarramt war mit der Generalsuperintendentur für den rechtselbischen Bereich des Kurkreises verbunden. Als zweite Eigenheit geht Bugenhagen auf Luthers Empfehlung zur Einrichtung von Mädchenschulen ein und präzisiert sie in der Wittenberger Ordnung gegenüber den norddeutschen Ordnungen. Hatte Bugenhagen in seinen norddeutschen Kirchenordnungen nur das Lesen vorgesehen, so geht er in der Wittenberger Ordnung weiter und will den Mädchen auch Schreiben und Rechnen beibringen. Damit treten spezifisch christliche Inhalte in den Hintergrund und das Bild einer „christlichen Hausmutter“ entfällt. Im Anschluss war Bugenhagen an den bereits angesprochenen Kirchenvisitationen beteiligt, die ihn neben seinen direkt dem Pfarramt unterstehenden Parochien auch durch Herzberg, Schlieben und Baruth führte. Während dieser Zeit weilte er nur gelegentlich in Wittenberg; weitere Visitationsreisen führten ihn u. a. in das Amt Belzig. In dieser Zeit beteiligte er sich auch an etwa 100 Gutachten, wenn immer eine Stellungnahme von den Wittenberger Reformatoren erbeten wurde, sprach Empfehlungen zu Stellenbesetzungen aus und wirkte beratend bei Einführung der Reformation in Anhalt.

Pommern

Die Lubinsche Karte zeigt das alte Pommern
Der Croy-Teppich zeigt Bugenhagen im Kreis der Pommerischen Herzogsfamilie

Nach dem Tod von Herzog Bogislaw X., fassten auch in den Städten Pommerns die Kräfte der Reformation mehr und mehr Fuß. Einerseits hatte Bogislaw eine nach innen flexible Religionspolitik vollzogen, mit begrenzter Duldung von evangelischen Vertretern solange deren Predigten nicht zum Aufruhr führten. Dieser Politik musste sich der damalige Bischof Erasmus von Manteuffel fügen, und Bogislaws Söhne Georg und Barnim setzten diese Politik fort. Dabei wurde auch Rücksicht auf die Reichspolitik genommen, denn Pommern war bis 1530 Reichslehen und über dessen Vergabe hatte Karl V. sieben Jahre nach dem Tode Bogislaws entschieden. Daher wurde die Reformation stillschweigend toleriert. Nach Georgs Tod wurde im Oktober 1532 das Land zwischen Barnim IX., der Pommern-Stettin übernahm, und Georgs Sohn Philipp I., der Pommern-Wolgast erhielt, aufgeteilt. Bei dieser Teilung wurde Wert auf Erhaltung der staatlichen Einheit gelegt und weitgehend einheitliche Regierungen geschaffen.

Zunehmend nutzten mehrere Städte die Gelegenheit, ihr bereits seit dem letzten Jahrzehnt der Herrschaft Bogislaws verfolgtes Streben nach Wiedergewinnung der durch seine innenpolitischen Reformen weithin eingebüßten bzw. geschmälerten Selbständigkeit zu verstärken. Mehrfach verband sich die an Wirksamkeit zunehmende reformatorische Bewegung, die sich vor allem in evangelischer Predigt, der Einführung der deutschen Messe und des Abendmahls in beiderlei Gestalt manifestierte, jedoch nicht zu gravierenden kirchenorganisatorischen Konsequenzen führte, mit diesem Selbständigkeitsstreben der Städte und demokratischen Regungen unter den Bürgern. Diese begehrten teilweise gegen Misswirtschaft auf und strebten nach zumindest partieller Neuordnung der Machtverhältnisse. Nachdem der Druck der reformistischen Kräfte immer dringender wurde, entschlossen sich im Sommer 1534 die Pommerischen Herzöge dazu, die Einführung der Reformation in ihrem Lande durchzuführen. Man beabsichtigte sogar dabei, den Bischof von Manteuffel mit in die Neuordnung der Kirchenverhältnisse zu integrieren, um möglichst wenig Unruhe bei der Neugestaltung zu erzeugen.

Am 13. Dezember 1534 wurde ein Landtag in Treptow a. R. abgehalten, wozu der Bischof von Kamin, die Stiftsstände, der Adel, die Städte, die evangelischen Vertreter der Städte Christian Ketelhut (Stralsund), Paul vom Rode (Stettin), Johannes Knipstro (Greifswald), Hermann Riecke (Stargard), Jacob Hogensee (Stolp) und Johannes Bugenhagen geladen waren. Eine Übereinkunft konnte jedoch nicht erzielt werden. Bugenhagen wurde jedoch ersucht, für das Land eine Kirchenordnung zu verfassen. Dies gestaltete sich aufgrund des erfolglosen Landtages schwierig. So konnte Bugenhagen nur eine den Notwendigkeiten Rechnung tragende Kirchenordnung ausarbeiten, die als Grundlage der zu schaffenden reformatorischen Landeskirche praktizierbar war. Es war eine Kirchenordnung erforderlich, die sich auf das Wesentliche konzentrierte, zugleich aber eine möglichst tragfähige und realisierbare Basis zur Gestaltung eines einheitlichen Kirchenwesens bot.

Offenbar hat Bugenhagen bis Anfang Januar 1535 unter Berücksichtigung der Landesvorlagen eine pommerische Kirchenordnung in ihrer endgültigen Form ausgearbeitet, die alsbald nach Wittenberg zum Druck ging und noch im selben Jahr erschien. Die Kirchenordnung selbst ist im Verhältnis zu den Ordnungen der Städte relativ kurz und enthält auch nicht die predigtartigen theologischen Begründungen der Stadtordnungen. In ihr werden die Themen des Predigtamtes, der Gemeine Kasten und die Zeremonien angesprochen. Sie beruhen auf der elementaren Grundlage der Verkündigung des Evangeliums, dem Gotteswort Raum zu geben, um ein Gott gemäßes Leben in der Gemeinde zu sichern. Unter diesem Aspekt fließen auch Ausführungen zum Schulwesen ein, doch werden nicht die Mädchenschulen erwähnt wie in seiner Wittenberger Ordnung. Hier nimmt er sich auch seiner einstigen Universität Greifswald an und verweist auf die Wichtigkeit dieser Einrichtung für geistliche und staatliche Stellen. Mit seinen Empfehlungen in der pommerischen Kirchenordnung schuf Bugenhagen gleichsam die kirchenrechtliche Basis für die von ihm durchgeführten Visitationen, denen außerordentliche Bedeutung für die Schaffung und Konsolidierung des reformatorischen Kirchenwesens zukam.

Hier beruft er sich erstmalig auf die ausdrückliche Orientierung auf die Confessio Augustana und deren dann später 1537 auf dem Konvent in Schmalkalden verabschiedeten Apologie. Anschliessend führt er aus, wie die Zeremonien und Feste begangen werden müssen, um einen direkten Bezug zu Jesus zu erhalten. Am Schluss sind noch einige liturgische Texte und Lieder in deutscher Sprache angehängt. Die Ordinierung Johann Knipstros zum Generalsuperintendenten von Pommern war ein weiterer Schritt zur Umsetzung der Kirchenordnung. Auch vermittelte Bugenhagen in der Brautwerbung Philipps mit Maria von Sachsen und reiste in diesem Zusammenhang nach Torgau an den Hof Johann Friedrichs zur Brautbeschau in Begleitung des Rats Jobst von Dewitz und des Kanzlers Herzog Barnims sowie Bartholomaeus Suawe.

Die Unterschriften der Reformatoren unter die Schmalkaldischen Artikel

Am folgenden Tag, den 25. August, traf Bugenhagen mit den pommerischen Vertretern in Wittenberg ein und informierte Luther am 27. über die Brautwerbung. Bei dieser Gelegenheit wurde auch dem Bier und Wein kräftig zugesprochen, so dass Luther zwei Tage an Diarrhöe nahezu arbeitsunfähig war. Bugenhagens Tätigkeit als Kirchreformer in Pommern ist damit weitgehend beendet. Jedoch war er als Vermittler in den Fragen der pommerischen Herzögen und dem sächsischen Kurfürstenhaus weiter aktiv. Er war neben Jobst von Dennewitz und dem sächsischen Kanzler Gregor Brück an den Verhandlungen zur Ehe beteiligt. Dabei wurden grundlegende Fragen über den Brautschatz, der Morgengabe, der wirtschaftlichen Sicherstellung Marias im Falle einer Witwenschaft beim Verbleiben in Pommern, den ungefähren Termin des Beilagers, Erbfragen und anderes mehr ausgehandelt. Nach endgültigen Abschluss des Ehekontrakts am 25. Februar 1536 wurde die Hochzeit Philipps mit Maria vom 27. – 29. Februar in Torgau gefeiert.

Die politischen und konfessionspolitischen Dimensionen dieser Heirat lagen für alle Sachkundigen offen zutage. In der bald nach der Torgauer Hochzeit vollzogenen Aufnahme Pommerns in den Schmalkaldischen Bund fanden sie ihren sichtbaren Ausdruck. Dass sich die pommerschen Herzöge in der Folgezeit als ausgesprochen halbherzige Mitglieder des protestantischen Bündnisses erwiesen, ließ einen gewissen Schatten über jene Ereignisse fallen, änderte jedoch nicht an dem Faktum, dass Pommern von nun an als ein evangelisches Territorium und den protestantischen Ständen zugehörig galt. Bugenhagen hatte mit seiner Tätigkeit in Pommern wesentlich zum Anschluss seines Heimatlandes an die Reformation beigetragen. Freilich hatte er nur Fundamente legen können, hatte dies aber mit der ihm eigenen Bedächtigkeit, Sorgfalt und Hingabe getan und damit Wertbeständiges geschaffen. Der Ausbau der pommerschen Kirche zu einer lutherischen Landeskirche und vollends die Durchdringung des gesamten Landes mit dem Geist des reformatorischen Evangeliums blieben jedoch Aufgaben, deren Lösung noch Jahrzehnte erfordern sollte.

Zurückgekehrt nach Wittenberg, wurde er am 19. September 1535 mit der Dissertation „Quinta feria post Exaltationis crucis“ in die theologische Fakultät aufgenommen, und übernahm die vierte Professur an der theologischen Fakultät. Da in Wittenberg aber zu jenem Zeitpunkt die Pest grassierte, widmete er sich zunächst den von Luther gewünschten überregionalen Ordinationen. Damit wurde Wittenberg zum Zentrum des lutherischen Protestantismus und Bugenhagen geriet immer mehr in die Rolle eines Bischofs der Reformation. Am 26. Mai 1536 nimmt der Pommer an Wittenberger Konkordie mit den Oberdeutschen Reformatoren teil und erweist sich dabei als ausgleichsbereiter Verhandlungspartner, aber zugleich als beharrlicher Verfechter von Luthers Abendmahlslehre. In gleicher Form nahm er auch am Konvent in Schmalkalden 1537 teil und unterzeichnet die dort ausgehandelten Schmalkaldischen Artikel.

Dänemark

alter Sich von Kopenhagen
Christian III. von Dänemark und Norwegen

Für die Ausstrahlung der Reformation in die nordischen Länder bestanden auf Grund der engen Beziehungen der hansischen Kaufleute günstige Bedingungen. Das förderte neben anderen Faktoren, wie dem Studium zahlreicher Studenten aus skandinavischen Ländern in Wittenberg und dem Wirken lutherischer Prediger in diesen Ländern, dass die reformatorischen Ideen in den Handelsstädten Aufnahme fanden. Deren erster Förderer war Christian II. von Dänemark, der persönliche Beziehungen nach Wittenberg unterhalten hatte. In Dänemark fanden sich im Kampf für die neue Kirche Städtebürger und Königtum nebst Teilen der Bauernschaft gegen den Hochadel zusammen.

Daraufhin wurde der dänische König Christian II. 1523 vom Adel seines Landes im Bunde mit Schweden und Herzogtum Schleswig-Holstein vertrieben, da er die Rückeroberung Schwedens und den Abbau hansischer Privilegien betrieben hatte. Den Thron bestieg Friedrich I. von Schleswig-Holstein. Friedrich erreichte dass auf dem Herrentag zu Odense 1527 den Lutheranern Duldung zugesagt wurde. Er konnte damit die Unabhängigkeit der dänischen Kirche von der Römisch-Katholische Kirche erreichen. So sicherte er zugleich die bisher von der Kirche eingezogenen Abgaben. Als Christian II. 1531 von Holland aus in See stach, um den Versuch zu unternehmen, sein Reich zurückzuerobern, geriet er in Gefangenschaft und wurde wiederum vertrieben.

Jedoch unterließ er seine Bemühungen Dänemark betreffend nicht und begann nach dem Tod Friedrichs 1533 mit der so genannten „Grafenfehde”, einem Krieg gegen dessen Sohn Christian III.. Als 1536 die Thronstreitigkeiten beendet waren, führte Christian III. die Reformation offiziell in Dänemark und Norwegen ein. Er ließ am 20. August sämtliche Bischöfe gefangen setzen, die während des vergangenen Bürgerkrieges seine Gegner waren, zog das Kirchengut zugunsten der Krone ein und übernahm selbst die Leitung der Kirche. Christian der III. wendete sich an den sächsischen Kurfürsten, um Bugenhagen und Melanchthon zur Förderung der dänischen Bemühungen nach Kopenhagen zu senden. Dies wurde jedoch abgelehnt, da beide für den Kurfürsten zu diesem Zeitpunkt unersetzlich waren. Abermalig wandte sich Christian III. am 17. April 1537 an den Kurfürsten und Luther. Letzterem sendete er den Entwurf einer Kirchenordnung für Dänemark zur Prüfung.

Nun entschloss sich Johann Friedrich I., Bugenhagen zu beurlauben. Um den 10. Juni 1537 brach Bugenhagen in Begleitung seiner Familie und seiner Reisebegleitung nach Dänemark auf. Am 5. Juli traf er nach einer Reise über Hamburg und Schleswig-Holstein in Kopenhagen ein. Hier widmete er sich umgehend der Bearbeitung der bisher entworfenen dänischen Kirchenordnung. Diese wurde von ihm in einem Kommunikationsprozess mit den dänischen Vertretern erarbeitet. Bevor die Kirchenordnung verabschiedet werden konnte, musste Bugenhagen, um die kirchenpolitischen Voraussetzungen zu schaffen, Christian III. und seine Frau am 12. August 1537 in der Kopenhagener Frauenkirche unter großer Prachtentfaltung zum König weihen. Am 2. September erfolgte die Ordinierung der ersten sieben dänischen Superintendenten.

Für die Diözese Roskilde, deren Sitz in Kopenhagen war, setzte man Peder Palladius ein. Auch die 1479 gegründete Universität Kopenhagen, die einen ständigen Niedergang erlitten hatte, wurde auf Wunsch des Königs mit einem feierlichen Akt am 9. September 1537 wiedereröffnet. Unter anderem wurde Bugenhagen damit beauftragt, sich um den Beginn des Lehrbetriebs zu kümmern. Nachdem die Kirchenordnung im umfangreichen Maße überarbeitet war, wurde sie am 2. Oktober vom König unterzeichnet und damit offiziell verabschiedet. Daraufhin gelangte sie in Druck und wurde am 13. Dezember herausgegeben. Auffällig an der Kirchenordnung ist der „Königsbrief“, worin der feste Wille des Königs Ausdruck fand, die Leitung der neu geschaffenen lutherischen Kirche in königliche Hand zu legen. Vorausgegangene Bestrebungen für eine stärkere kirchliche Selbstständigkeitsbestrebung verblieben damit ergebnislos und mündeten in ein Staatskirchenwesen.

Seit der Gründung des Schmalkaldischen Bundes war es klar, dass die Entwicklung und Festigung des Protestantismus nicht nur von der Überzeugungskraft reformatorischer Predigt und theologischer Argumente abhing, sondern auch politischer Machtmittel bedurfte, um sich gegen die latente Bedrohung durch antireformatorische Kräfte zu sichern. Auch der König mit seiner Autorität und seinen Machtmitteln duldete diese Kirche nicht nur, sondern stellte sich als überzeugter und frommer lutherischer Christ an ihre Spitze. Er übernahm damit die Fürsorge für ihr Gedeihen als ureigenes Anliegen. Es war nötig, unerwünschte Entwicklungen möglichst rechtzeitig zu verhindern, um damit der Reformation auch in den Königreichen Dänemark und Norwegen kirchlich geordnete Verhältnisse zu ermöglichen. Dadurch entwickelte sich zwischen Bugenhagen und Christian III. ein persönliches Verhältnis, das bis ans Lebensende halten sollte.

Mit der Kirchenordnung hatte man zunächst eine lutherische Grundlage geschaffen, die das Kirchenwesen im Herrschaftsgebiet Christians III. regulierte. Ausgeschlossen waren jedoch seine Herzogtümer in Schleswig und Holstein. Ohne weiteres wurde in der Kirchenordnung die finanzielle Sicherstellung und die Mitwirkung von Geistlichen und Gemeinden an der Mitgestaltung des kirchlichen Lebens eingeräumt. Auch wurden Empfehlungen zur Lehre, für die Geistlichen, zu den Zeremonien, zu den Schulen, zum Gemeindekasten, zu den Kirchenbibliotheken sowie zu Superintendenten und Pröpsten gegeben. Sobald es jedoch zur Wahl von Geistlichen kam, wurde dem König das Recht der letzten Bestätigung eingeräumt. Nach Unterzeichnung der Kirchenordnung übernahm Bugenhagen als maßgeblicher Berater des Königs die Hauptlast für die Umsetzung der in der Kirchenordnung angestrebten Zielstellung.

Bugenhagen konnte nach einem weiteren Ansuchen Christians III. seinen Aufenthalt in Kopenhagen verlängern, nachdem er durch den Beitritt Dänemarks zum Schmalkaldischen Bund die Zusage des sächsischen Kurfürsten erhielt. Am 28. Oktober 1537 begannen die Vorlesungen an der Kopenhagener Universität. Dafür hatte Bugenhagen bereits eine Grundordnung erarbeitet, die er in der „Fundatio et ordinatio universalis Scolae Hafniensis“ weiter ausarbeitete. Sie wurde auf dem Reichstag zu Odense am 10. Juni 1539 verabschiedet. Diese Universitätsordnung enthielt alle für die damalige Zeit notwendigen Regeln und bevorzugte (für die damalige Zeit typisch) die theologische Fakultät. Dabei wurde festgelegt, dass Palladius als Bischof von Seeland ständiges Mitglied der Universität, sowie weitere zwei promovierte Theologen Vorlesungen über die heilige Schrift halten sollten. Als zeitweiliges Mitglied wirkten zunächst Bugenhagen und Tilemann von Hussen an der Fakultät. An der philosophischen Fakultät stand vor allem der Hebräisch-Unterricht unter Hans Tausen im Vordergrund.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwickelte sich die Universität prächtig und Bugenhagen wurde die Ehre zuteil, am 28. Oktober 1538 zum Rektor der Universität berufen zu werden. Dennoch drängten ihn die noch offen stehenden Fragen bei Durchführung der Kirchenordnung. So bei der Taufe, wo er die Frage klärte, dass die Kinder nicht nackt sondern angezogen getauft würden. Beim Schuldienst wies er darauf hin, dass die Lehrer sich mit Hingabe ihrer Aufgabe widmen sollten und kritisierte manche Fehlentwicklung. Den Geistlichen schärfte er eine unbedingte Auslegung der Kirchenordnung ein. Bugenhagen versuchte aber auch, vermittelnd im Streit der Herzöge von Pommern mit Christian III. um die Insel Rügen zu wirken. Er musste jedoch bald erkennen, dass Religion und Reichspolitik unterschiedlich gehandhabt wurden im Hause Dänemark. Viele ungelöste Mißstände ließen im Laufe der Zeit seinen anfänglichen Enthusiasmus schwinden.

Bugenhagens Abreise näherte sich mit dem Ablauf seiner Freigabe durch den sächsischen Kurfürsten. Nachdem er schon am 4. April aus Kopenhagen abgereist war, blieb er kurze Zeit auf Schloß Nyborg, wo er seine Eheschrift und seinen Sendbrief an die Superintendenten abfasste. Über Pfingsten 1539 weilte Bugenhagen mit Christian III. in Haderslev und nahm am 9. Juni am Reichstag in Odense teil. Hier erlebte er, dass die inzwischen verbesserte Kirchenordnung in ihrer endgültigen dänischen Fassung in aller Form vom Reichstag bestätigt wurde und damit zum Landesgesetz wurde. Am folgenden Tage erhielt die von ihm betreute Neugründung der Universität mit der Unterzeichnung des Königs ebenfalls rechtsverbindliche Bestätigung. Sein fast zweijähriges Wirken in Dänemark endete mit einer Abschiedspredigt auf dem Reichstag. Am 15. Juni 1539 reiste er mit seiner Familie über Hamburg, Celle, Gifhorn, Haldensleben und Magdeburg, und traf am 4. Juli wieder in Wittenberg ein, wo er ein Fass Bier vom Wittenberger Rat erhielt. Nach wie vor blieb der Kontakt zu Dänemark erhalten. Als der Bischof von Schleswig 1541 gestorben war, bot Christian III. Bugenhagen den Bischofssitz in Schleswig an, den er jedoch aus Altersgründen ablehnte. Derselbe Beweggrund scheint auch bei Ablehnung des Kaminer Bischofsstuhls die Grundlage gebildet zu haben.

Letzte Jahre

Bugenhagen bei der Predigt auf dem Altar der Wittenberger Stadtkirche

Nach Wittenberg zurückgekehrt bewältigt Bugenhagen, ein großes Pensum an Arbeit. Unter den Wittenberger Reformatoren kam es zunehmend zu ernsten Auseinandersetzungen (z. B. Luther – Agricola), die zu Spannungen führten. In solchem Umfeld nahm er seit 1539 an der Revision der Lutherbibel teil, bei der er vor allem Luther berät bei der Wortwahl für bestimmte Begriffe aus dem Ober- und niederdeutschen Sprachgebiet. Bugenhagen wurde auch nach auswärts gesandt. So führte ihn eine Einladung des Königs Christian III. zum Landtag nach Rendsburg, wo die dänische Kirchenordnung in das niederdeutsche übersetzt und an die Verhältnisse in Holstein angepasst, angenommen wurde. Kaum war er wieder nach Wittenberg zurückgekehrt, hatte der Schmalkaldische Bund Braunschweig-Wolfenbüttel mit Waffengewalt vom antireformatorischen Herzog Heinrich von Braunschweig befreit. Bugenhagen wurde als provisorischer Superintendent des Landes eingesetzt und visitiert die Kirchengemeinden mit Anton Corvinus und Martin Görlitz.

Am 1. September nahm er sein Amt in der Bischofsstadt Hildesheim auf, wo sich am 26. September die Bürgschaft für die Reformation entschied. Die Visitationen fanden zwar in den Städten Braunschweig-Wolfenbüttels freundliche Aufnahme, jedoch weigerten sich vor allen die Klöster auf dem Lande, der Reformation Eingang zu gewähren. Auch hatten die Gleichgültigkeit der weltlichen Beamten und die Verwüstung des Kirchengutes, die der Krieg mit sich herbrachte, dazu beigetragen das die Reformen keinen durchgreifenden Erfolg erzielten. Die Kirchenordnung für Braunschweig-Wolfenbüttel von 1543, die im Wesentlichen das Werk Bugenhagens ist, war Grundlage für die Kirchenordnung von Hildesheim 1544. In die 40iger Jahre des 16. Jh. fallen auch seine brieflichen Kontakte zu den Reformatoren in Siebenbürgen, die das Wirkungsspektrum Bugenhagens ständig erweitern.

Schwer erschüttert wird er von dem Tod Luthers am 18. Februar 1546 und hält diesem als „Lehrer, Propheten und gottesgesandten Reformator“ mit bewegter Stimme am 22. Februar die Leichenpredigt. Nach dessen Tod lastet nun auf den Schultern Melanchthons und Bugenhagen die Hauptlast, der Verantwortung für die künftigen Geschicke des lutherischen Protestantismus. Als Karl V. mit Waffengewalt gegen die Reformation vorzugehen beginnt, wird Bugenhagens Lage lebensbedrohlich. Karl V. belagert Wittenberg, die Universität war geschlossen worden und Melanchthon hatte mit der Mehrzahl der Lehrer die Stadt verlassen. Bugenhagen sah sich aber seiner Wittenberger Gemeinde verpflichtet und konnte durch seine Haltung Caspar Cruciger der Ältere, Georg Rörer und Paul Eber ebenso dazu ermuntern in der Stadt zu beleiben.

Nachdem es zur Wittenberger Kapitulation gekommen war, steht Bugenhagen mit den widersprüchlichsten Gefühlen, dem neuen Dienstherrn Moritz von Sachsen gegenüber. Dennoch bemüht er sich im Interesse der Stadt und eines ersehnenden Friedens, um ein gutes Verhältnis zum neuen Kurfürsten. Dafür wird er von den Anhängern des alten Kurfürsten gescholten, erreicht aber mit seiner Haltung das am 24. Oktober 1547 der Universitätsbetrieb in Wittenberg wieder aufgenommen und das so dass Erbe Luthers weitergepflegt werden konnte. Als der Kaiser den Protestanten das Augsburger Interim auferlegte, bedeutete dies eine Rekatholisierung gegen die sich alle Protestanten wandten.

Auch der Kurfürst Moritz erachtete dies als nicht durchführbar. Daraufhin nahm man Verhandlungen in Celle auf, an der auch Bugenhagen teilnahm. Dabei drängten die sächsischen Räte darauf, möglichst viel dem Kaiser von der protestantischen Position nachzugeben, um einen neu aufkeimenden Krieg zu vermeiden. Das Ergebnis war das Leipziger Interim welches zwar das Augsburger Interim abschwächte, jedoch trotz alledem einen starken Einschnitt in die lutherische Theologie darstellte. Den Wittenberger Theologen wurde nun wiederum von den Gnesiolutheranern vorgeworfen, Luther und die Reformation verraten zu haben. Diese Auseinandersetzungen verschärften sich und hatten eine Parteienbildung im evangelischen Lager zur Folge. Auch aus den folgenden theologischen Streitigkeiten verliert Bugenhagen viele einstige Mitstreiter als Freunde.

Wie stark ihn die in ungutem Ton und ohne Verständigungsbereitschaft geführten Auseinandersetzungen bewegen und wie tief ihn nun, da sich sein Leben allmählich dem Ende zuneigt, die Vorwürfe und Verdächtigungen treffen, zeigt Bugenhagens letztes größeres Werk, der Jona-Kommentar. Dieser Kommentar ist ihm unter der Hand zu einer ausführlichen Rechtfertigungsschrift im Blick auf die Interimsstreitigkeiten geworden, in der er seine Treue zur Lehre Luthers nachweist und zum Teil heftige Polemik gegen die katholische Kirche entfaltet. Auch an der Passionsharmonie, arbeitet Bugenhagen erneut in dieser Zeit, mit dem Ziel, sie zu einer Evangelienharmonie zu erweitern, kann sie aber nicht mehr zum Abschluss bringen. Als Kurfürst Moritz durch seinen Kriegszug gegen den Kaiser und dem daraus folgenden Passauer Vertrag die Position des Protestantismus verbessert und die Interimsproblematik damit gegenstandslos wird, empfindet Bugenhagen diese Wendung der Dinge als Erhörung seines bittenden Gebetes. Sein Gebetsleben wird in diesen letzten Jahren offenbar ständig intensiver, wie er überhaupt mit fortschreitendem Alter und nachlassender Lebenskraft sich zunehmender Verinnerlichung widmet.

Zu Kurfürst August, an dessen Hof er als Interimstheologe verdächtigt wird, gewinnt Bugenhagen kein engeres Verhältnis mehr. Wittenberg verlässt er nur noch selten zu kurzen Reisen. Seine Tätigkeit in der Gemeinde und an der Universität beansprucht ihn. Im Angesicht der Türkengefahr, des Konzils von Trient und der drohenden Gefahr eines Bruderkrieges zwischen deutschen Fürsten, lassen ihn des Öfteren in eine düstere apokalyptische Stimmungen verfallen. Christian III: von Dänemark beschreibt er seine Situation in Wittenberg am 23. Januar 1553 in einem Brief „Hier predige ich, lese Lectionen in der Schulen, schreibe, richte Kirchsachen aus, examinire, ordinire und sende viel Prediger aus, bete mit unser Kirchen und befehle alles dem himmelischen Vater im namen unsers HERRN Jesu Christi und werde mit meinen lieben Herrn und Brudern dafur wol geplaget von den Teufelschen, Lügenern, lesterern, Heuchelern und andern Schwermern etc....”.

Drei Jahre später verfaßt der „Doctor und Pastor zu Wittenberg” eine „Vermanung an alle Pastoren und Predicanten des Euangelij im Churfürstenthumb zu Sachssen” mit der Bitte, diese im Laufe der nächsten Sonntagsgottesdienste auch den Gemeinden zu verlesen. In diesem letzten Hirtenbrief des Bischofs der Reformation fordert er die Gemeinde auf, angesichts der bösen Zeiten die Sünden zu bekennen und sich dem Trost zuzuwenden, der allein bei Gott zu finden ist. So nimmt er seine seelsorgerliche Verantwortung bis zum Ende seines arbeitsreichen Lebens uneingeschränkt wahr. Im Alter von 72 Jahren muss er das von ihm stets hochgeschätzte Predigtamt aufgeben. Nach raschem Kräfteverfall und kurzem Krankenlager stirbt Bugenhagen, nachdem ihm der Diakon Sebastian Fröschel, mit Bibelworten seelsorgerlichen Zuspruch geleistet hat, zur Mitternacht vom 19. zum 20. April 1558 . Am Abend des darauf folgenden Tages wird er in der Kirche, in der er fast dreieinhalb Jahrzehnte lang seiner Gemeinde das Wort der Schrift verkündigt hatte, zur letzten Ruhe gebettet und Melanchthon hat ihm die Gedenkrede gehalten.

Wirkung

Ohne Frage gehört Johannes Bugenhagen, neben Martin Luther und Philipp Melanchthon an der Seite von Justus Jonas der Ältere und Casper Cruciger der Ältere, zu den bedeutenden Altvätern der evangelischen Kirche, während der Wittenberger Reformation. So trat er vor allem als Begründer des lutherischen Kirchenwesens im Norden Deutschlands und in Dänemark, als langjähriger Wittenberger Stadtpfarrer und Lehrer an der dortigen Universität, als enger Mitarbeiter, Freund und Seelsorger Martin Luthers hervor Er hat maßgeblich außerordentliche Verdienste um die Einführung und Festigung der Reformation erworben.

Als Exeget seiner Zeit nicht nur von den Wittenberger Reformatoren geschätzt griffen auch die oberdeutschen Reformatoren wie Johannes Oekolampad seine exegetischen Arbeiten gelobt und gehörten zur Normalausstattung einer Pfarrbibliothek der damaligen Zeit. Die aus seinen Vorlesungen entstandenen Passionsharmonien fanden eine weite Verbreitung und wurden als eine Art Volksbuch der Reformationszeit bis ins 17. Jh. auch in polnischer und isländischer Sprache aufgelegt und halt als Anhang an Gesangsbüchern bis nach Grönland und Finnland frömmigkeitsgeschichtlich gewirkt.

Auffällig erscheinen in Bugenhagens Schaffen dessen Kirchenordnungen, die bis auf die dänische Ordnung, im damals in Norddeutschland üblichen Mittelniederdeutsch verfasst sind. Sie enthalten nicht nur die neuen Regelungen für Kirchenverwaltung, Ämter, Schule, Armenversorgung und Gottesdienste, sondern auch theologische Begründungen für die getroffenen Regelungen. Besondere Beachtung legt Bugenhagen dabei auf ein neues Verständnis von Gottesdienst und Abendmahl. Er geht von leicht verständlichen Ausführungen zu komplexeren theologischen Argumentationen über.

Der Stil ist an Predigten angelehnt. Die Kirchenordnungen erschienen im Druck und wurden nach ihrer Beschlussfassung in den Kirchen verlesen. Sie richteten sich also nicht nur an die Kirchen- und Verwaltungsfachleute, sondern an die gesamte Gemeinde. Aus der Arbeit an den Kirchenordnungen ragen seine Anregungen zum Schuldienst ohne weiteres heraus. Bugenhagen räumt dabei erstmals einfachen Mädchen die Möglichkeit ein sich zu bilden. In seinen Canon von Bildung wollte er, dass die Kinder nicht nur durch die Eltern, sondern auch durch die Schule zu tüchtigen Menschen erzogen werden. Die Erziehung sei Aufgabe der Gemeinden.

Ebenso hätte die Gemeinde für die Weiterbildung der begabten, aber armen Jungen und Mädchen zu sorgen. So entwickelte er in seinen Wirkgebieten auch die Einrichtungen der Armenversorgung und regulierte sie durch die Einrichtung eines „gemeinen Kastens“ (Gemeideschatzkasten), nach Wittenberger Vorbild. Der enge Bezug von Gemeinde und Amt in seinen Kirchenordnungen ist das kennzeichnende Merkmal der Interdependenz von theologischer Begründung und rechtlich ordnenden Denken. Diese Kirchenordnungen wurden dadurch auch Vorlagen für andere Kirchenordnungen im norddeutschen Raum. Schlussendlich erinnert der 20. April als evangelischer Gedenktag an Bugenhagen.

Gedenkstätten

Bugenhagendenkmal in Wittenberg
  • In Hamburg befindet sich eine Klinker-Plastik aus dem Jahre 1928 von Richard Kuöhl an der Bugenhagenkirche in Hamburg-Barmbek.
  • In der Lutherstadt Wittenberg befindet sich am Kirchplatz 9 eine Gedenktafel, die 1858 angebracht wurde. Des Weiteren wurden in Wittenberg ihn zu Ehren eine Straße benannt und auf dem Kirchplatz ein Denkmal errichtet. Des weiteren befindet sich in der Schlosskirche eine Bugenhagenstatue.
  • Zu erwähnen ist hierzu auch der Croy-Teppich der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, die das wohl bedeutendste Zeugnis der Reformation in Norddeutschland darstellt. Dieser wurde dem Doctor Pomeranus gewidmet.
  • Auf dem zur 400-Jahrfeier der Greifswalder Universität 1856 eingeweihten Rubenowdenkmal vor dem Unihauptgebäude ist Bugenhagen als Vertreter der Theologischen Fakultät als Vollplastik dargestellt. Mehrere Kirchneubauten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, u. a. in Stettin, Straßen und Plätze in Pommern trugen bzw. tragen den Namen Bugenhagens.
  • In Hildesheim wurde 1995 auf dem Andreasplatz der Bugenhagen-Brunnen von Ulrich Henn errichtet. Er erinnert an die erste Kirchenordnung von Hildesheim, die Bugenhagen verfasst hat.
  • In seiner Geburtsstadt Wollin wurde an der Stelle seines Elternhauses eine Gedenktafel angebracht.
  • In Braunschweig befindet sich Bugenhagendenkmal dass 1970 von Ursula Querner-Wallner geschaffen wurde
  • In Bretten befindet sich in der Gedächtnishalle des Melanchthonhauses, das Reformatorenstandbild Bugenhagens geschaffen von Fritz Heinemann

Werke (Auswahl)

  • "Oratio, quod ipsius non sit oponio illa de eucharistia..." Wittenberg 1526
  • "confessio de Sacramento corporis et sanguinsis Christi" Wittenberg 1528
  • Johannes Bugenhagens Pomerania. Hrsg. im Auftrage der Gesellschaft für Pommersche Geschichte und Alterthumskunde mit Unterstützung der Königlich Preussischen Archivverwaltung von Otto Heinemann (Quellen zur Pommerschen Geschichte, Bd. IV), Stettin 1900.
  • "Der erbarn Stadt Brunswig christlike Ordening to Denste dem hilgen Evangelio ... / dorch Johannem Bugenhagen ... bescreven." Wittenberg 1528.
  • Der ehrbaren Stadt Hamburg christliche Ordnung, 1529. Hrsg. und übers. von Hans Wenn. Hamburg 1971.
  • Der keyserliken Stadt Lübeck christlike Ordeninge (1531). Lübecker Kirchenordnung (1531), Text mit Übersetzung, Erläuterung. u. Einleitung, hrsg. v. Wolf-Dieter Hauschild. Lübeck 1981. ISBN 3-7950-2502-8
  • "Kercken-Ordeninge des gantzen Pamerlandes 1535". Die pommersche Kirchenordnung von Johannes Bugenhagen 1535, Text mit Übersetzung, Erläuterung. u. Einleitung, hrsg. v. Norbert Buske. Greifswald und Schwerin: Helms ISBN 3-931185-14-1
  • "Historia des lydendes unde upstandige unses Heren Jesu Christi uth den veer Euangelisten" = Niederdeutsche Passionsharmonie von Johannes Bugenhagen, hrsg. von Norbert Buske, Faksimilie-Druck nach d. Barther Ausgabe von 1586. Berlin u. Altenburg 1985.
  • Johannes Bugenhagens christliche Vermahnung an die Böhmen (1546), hrsg. u. eingel. von Gerhard Messler. Kirnbach 1971
  • "Christliche vermanung des erwirdigen Herrn Doctor Johann Bugenhagenhagen/Pomerani/ Pastors der Kirchen zu Wittenberg. An die löbliche Nachbarschaft /Behemen /Slesier vnd Lusiatier." Wittenberg bei Hans Lufft 1546 und Kirnbach 1971 hrsg. u. eingel. von Gerhard Messler
  • "Wie es vns zu Wittemberg in der Statt gegangen ist in diesem vergangenen Krieg...." , Wittenberg 1548
  • "Ein Schrifft D. Johann Bugenhagen Pomerani: Pastoris der Kirchen zu Witteberg / An andere Pastorn vnd Predigern / Von der jtzigen Kriegsrüstung", Wittenberg Druck Hans Lufft 1546

Literatur

Fachbücher

  • Johannes Heinrich Bergsma: Die Reform der Meßliturgie durch Johannes Bugenhagen. 1966
  • Hermann Wolfgang Beyer: Johannes Bugenhages Leben und Wirken. 2. Aufl. 1947
  • Hans-Günter Leder & Norbert Buske: Reform und Ordnung aus dem Wort. Johannes Bugenhagen und die Reformation im Herzogtum Pommern. Berlin 1985.
  • Johannes Bugenhagen - Gestalt und Wirkung Beiträge zur Bugenhagenforschung aus Anlaß des 500. Geburtstages des Doctor Pomeranus, hg. Hans Günter Leder. Ev. Verlagsanstalt Berlin 1984 Lizenz 420.205-34-84. LSV 6330. H 5485
  • Hans Günter Leder: Johannes Bugenhagen Pomeranus- Vom Reformer zum Reformator. Studien zur Biographie (= Greifswalder theologische Forschungen 4), hg. Volker Gummelt 2002. ISBN 3-631-39080-7
  • Werner Rautenberg: "Johann Bugenhagen- Beiträge zu seinem 400. Todetag" erschienen bei der Evangelischen Verlagsanstalt GmbH Berlin 1958 Lizenz Nr. 420.205-115-58
  • Karl August Traugott Vogt: "Johannes Bugenhagen - Pomeranus - Leben und ausgewählte Schriften" erschienen im Verlag von R.L. Fridrichs, Eberfeld 1867
  • Wolf-Dieter Hauschild/Anneliese Bieber-Wallmann: Johannes Bugenhagen. Werke Bd.1 1518-1524; erscheint 2005 im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen
  • Wolf-Dieter Hauschild (Hg.): Lübecker Kirchenordnung von Johannes Bugenhagen 1531. Lübeck: Schmidt-Römhild 1981 ISBN 3-7950-2502-8
  • Annemarie Hübner / H. Wenn: Johannes Bugenhagen - Der ehrbaren Stadt Hamburg christliche Ordnung 1529. De Ordeninge Pomerani" Hamburg, 1976, 1991
  • "Dr. Johannes Bugenhagens Briefwechsel. Mit einem Vorwort und Nachträgen von Eike Wolgast". Gesammelt und herausgegeben von Otto Vogt. Reprint der Ausgaben Stettin 1888-99 und Gotha 1910, weiter ergänzt Olms Hildesheim 1966
  • Hans Lietzmann (Hg.): "Johannes Bugenhagens Braunschweiger Kirchenordnung 1528" erschienen im Verlag Marcus & Weber, Bonn, 1912
  • Georg Geisenhof: "Bibliotheca Bugenhagiana. Bibliographie der Druckschriften des D. Joh. Bugenhagen" Leipzig, M. Heinsius Nachf, 1908
  • Hans-Günther Leder: "Reform und Ordnung aus dem Wort. Johannes Bugenhagen und die Reformation im Herzogtum Pommern" Berlin, 1985
  • G. Buchwald: "Ungedruckte Predigten Johann Bugenhagens a. d. J. 1524-1529" Leipzig Heinsius Verlag 1910

Fachaufsätze

  • Alfred Uckeley, Johannes Bugenhagens Gottesdienstordnung für die Klöster und Stifte in Pommern 1535, in: Archiv für Reformationsgeschichte (ARG) Jahrgang 5, 1907/08, Seite 113
  • Martin Wehrmann, ,Von Bugenhagens ,Visitationstätigkeit in Pommern, in: Archiv für Reformationsgeschichte (ARG) Jahrgang 10, 1912/13, Seite 350
  • Georg Buchwald, Bugenhagens Katechismuspredigten vom Jahre 1534. Ein Beitrag zur Geschichte der Katechismuspredigt in Wittenberg, in: Archiv für Reformationsgeschichte (ARG) Jahrgang 17, 1920, Seite 92
  • Volker Gummelt: Die Auseinandersetzungen über das Abendmahl zwischen Johannes Bugenhagen und Huldrych Zwingli im Jahre 1525. In: Schindler / Stickelberger: Die Zürcher Reformation ..., 2001, 189-201
  • Volker Gummelt: "Bugenhagens Tätigkeit an der Wittenberger Universität" Zeitschrift für Kirchengeschichte (ZKG) 1994
  • Luise Schorn Schütte: "Papocaesarismus" der Theologen? Vom Amt des evangelischen Pfarrers in der frühneuzeitlichen Stadtgesellschaft bei Bugenhagen, in: Archiv für Reformationsgeschichte (ARG) Jahrgang 79, 1988, Seite 230

Fachlexika

Siehe auch