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Phenylketonurie

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Datei:Phenylketonurie Schema.jpg
Einfaches Schema der Phenylketonurie

Phenylketonurie (PKU) ist die häufigste angeborene Stoffwechselstörungen. Sie wird autosomal-rezessiv mit einer Inzidenz von etwa 1:6 000-1:7 000 Neugeborenen vererbt.[1] Betroffene Patienten können die Aminosäure Phenylalanin nicht abbauen, wodurch sich alternative Stoffwechselprodukte anstauen und unbehandelt zu einer schweren geistigen Entwicklungsstörung mit einer Epilepsie führen. Die Erkrankung kann durch einen einfachen Suchtest schon im Neugeborenenalter erkannt werden. Eine rechtzeitig begonnene eiweißarme Diät kann diese Symptome verhindern und soll idealerweise lebenslang durchgeführt werden.

Pathophysiologie

Die Phenylketonurie ist eine Störung des Aminosäure-Metabolismus. Bei circa 98 % aller Fälle beruht sie auf einer Mutation eines Gens auf dem langen Arm des Chromosoms 12 (12q22 bis 12q24), welches das Enzym Phenylalaninhydroxylase (PAH, EC 1.14.16.1 [2]) codiert (sogenannte klassische bzw. milde Phenylketonurie). Es sind inzwischen über 400 verschiedene Mutationen bekannt.[3] Dadurch kommt es zu einer mehr oder weniger schweren Verminderung der Aktivität dieses Enzyms, welches die Oxidation von Phenylalanin zu Tyrosin - beide als Aminosäuren Grundbausteine der Körpereiweißekatalysiert.

In ungefähr 2 % aller Fälle liegen jedoch Störungen des Stoffwechsels eines Cofaktors der Phenylalaninhydroxylase, der Biopterine vor (sogenannte atypische Phenylketonurie). Da Tetrahydrobiopterin (BH4) auch in der Biosynthese der Botenstoffe des Nervensystems (Neurotransmitter) Serotonin und Dopamin eine zentrale Rolle spielt, weist die atypische PKU meist einen schwerwiegenderen Verlauf auf. Eine rechtzeitige differentialdiagnostische Abgrenzung Form ist von besonderer Bedeutung, um die Versorgung mit diesen Neurotransmittern durch die diätische Gabe von BH4 oder Vorstufen bei phenylalaninreduzierter Kost zu gewährleisten.

Die fehlende oder verminderte Aktivität der Phenylalaninhydroxylase führt zu einer Anhäufung des Phenylalanins im Körper. Nun handelt es sich hierbei zwar um eine essenzielle Aminosäure, d. h. dass der Körper sie über die Nahrung zuführen muss, da er sie nicht selbst synthetisieren kann. Ein stetes Übermaß an vorhandenem Phenylalanin führt allerdings zu den unten beschriebenen schweren Schädigungen insbesondere im heranwachsenden Organismus. Da ein Teil des Phenylalanins jetzt über einen anderen Stoffwechselpfad zu Phenylessigsäure abgebaut wird, die mit dem Urin ausgeschieden wird, erinnert dieser im Geruch an Mäusekot. Auch Phenylpyruvat und Phenyllaktat werden vermehrt ausgeschieden, was der Erkrankung schließlich den Namen Phenylketonurie gab.

Durch den fehlenden Stoffwechselpfad zum Tyrosin tritt ein relativer Mangel an dieser eigentlich nichtessentiellen Aminosäure auf, die nun wiederum über die Nahrung aufgenommen werden muss. Tyrosin wird benötigt für die Biosynthese des Neurotransmitters Dopamin, der Schilddrüsenhormone, aber auch für das für die Hautfärbung zuständige Melanin.

Symptome

Durch das Zuviel an Phenylalanin kommt es bei unbehandelten Kindern zu einer Beeinträchtigung der Hirnentwicklung schon im ersten Lebensmonat mit meist schweren kognitiven Störungen und epileptischen Anfällen, wobei sich die ersten neurologischen Auffälligkeiten im 4. Lebensmonat zeigen. Durch das zurückbleibende Wachstum des Gehirns kommt es auch zu einer vermindertem Wachstum des Schädels, einer Mikrozephalie. Die übrige körperliche Entwicklung muss dabei nicht gestört sein. Der Intelligenzquotient liegt selten über 60. Die beschriebenen Störungen können zu einer geistigen Behinderung führen.

Des Weiteren können ekzemähnliche Hautveränderungen und eine allgemeine Übererregbarkeit, eine Spastik der Muskulatur auftreten, die im Zusammenhang mit der Schädigung des Gehirns zu einem ataktischen Gangbild führen kann. Der Mangel an Melanin führt zu einer auffallend hellen Hautfarbe. Die Kinder sind deshalb auch häufig hellblond und haben aus dem selben Grund blaue oder auch rote Augen.

Diagnose

Die Diagnose wurde früher durch die genannten Symptome und den Nachweis der alternativen Stoffwechselprodukte im Urin gestellt. Heute stellt die Suche auf das Vorliegen einer PKU das Paradebeispiel eines sinnvollen Screenings dar. Bei dem dabei zum Einsatz kommenden Guthrie-Test handelt es sich um eine einfache, nicht belastende, billige und schnelle Untersuchung, die bei einer schweren Erkrankung zu einer eindeutigen und rechtzeitigen Diagnose mit einer daraus folgenden klaren Behandlungsstrategie führt. Dieses Neugeborenenscreening wird in Österreich seit 1966 angewandt und führt jährlich zu 8 bis 10 Neudiagnosen und der entsprechenden Behandlung. In Deutschland wurde der Guthrie-Test inzwischen durch die Tandem-Massenspektrometrie ersetzt, die ein erweitertes Neugeborenenscreening auch auf andere Störungen des Aminosäurestoffwechsels sowie verschiedene weitere angeborene und behandelbare Erkrankungen ermöglicht.

Bei auffälligem Ergebnis im Screening muss zur Bestätigung noch eine Bestimmung der Phenylalaninkonzentration durch säulenchromatografische Bestimmung erfolgen. Vor Beginn einer Diät muss zunächst ein BH4-Belastungstest, eine Bestimung von Biopterin und Neopterin im Urin sowie eine Bestimmung des Aktivität des Enzyms Dihydropteridinreduktase in den roten Blutkörprchen (Erythrozyten) durchgeführt werden, um eine atypische PKU auszuschließen, da diese eine andere Therapie erfordert.

Therapie

Eine normale geistige Entwicklung kann gewährleistet werden, wenn man die Krankheit frühzeitig erkennt und behandelt. Die Aufnahme von Phenylalanin über die Nahrung muss streng kontrolliert und begrenzt werden. Zur möglichst raschen Reduktion bei Diagnosestellung stark erhöhter Phenylalanininkonzentration bekommen Neugeborene zunächst eine industriell gefertigte phenylalaninfreie Flaschennahrung. Ist die Konzentration auf Normalwerte gesunken, werden kleine Mengen Muttermilch oder handelsübliche Flaschenmilch (Formulanahrung) entsprechend der individuellen Verträglichkeit gefüttert und die übrige Menge Nahrung mit phenylalaninfreier Milch ergänzt.[3] Mit Einführung der Beikost und zunehmender Entwöhnung von der Milchnahrung wird die Diät entsprechend schwieriger durchzuführen. Da Phenylalanin Bestandteil aller Nahrungseiweiße ist, müssen letztlich sämtliche eiweißhaltigen Lebensmittel gemieden werden. Dies läuft auf eine vegane Kost mit Verzicht auf sämtliche tierische Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Milch- und Eiprodukte hinaus. Da selbst Weizen und andere Getreideerzeugnisse viel pflanzliches Eiweiß enthalten, gibt es für die Patienten Back- und Teigwaren aus speziellem eiweißarmen Mehl. Um den Mangel an essenziellen Aminosäuren, der dadurch entsteht, auszugleichen, müssen die Patienten zusätzlich eine spezielle Aminosäuremischung zu sich nehmen. Ein weiteres Risiko in der Durchführung dieser Diät liegt in der Entwicklung einesAbgesehen von diesen diätetischen Einschränkungen ist die Lebenserwartung unbeeinträchtigt. Eine unbehandelte Phenylketonurie führt aufgrund starker Hirn- und Nervenschäden meist noch vor Erreichen der Volljährigkeit zum Tod.

Die Diät wird am besten über den Abschluss der kognitiven Reife hinaus lebenslang eingehalten, da es sonst zu Konzentrationsschwierigkeiten, Reaktionsverlangsamungen und einer Spastik der Muskulatur kommen kann, was das soziale Leben und den beruflichen Erfolg beeinträchtigen kann. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die spezielle Ernährung wenn man gesetzlich versichert ist und eventuell über einen Rechtsbeistand mit der Krankenkasse in Verbindung tritt. Im Sozialgesetzbuch ist die Versorgung des Erkrankten mit Ersatznahrung vorgeschrieben.

Frauen mit PKU und Kinderwunsch müssen auf eine besonders strenge Diät achten, um die Entwicklung des ungeborenen Kindes nicht zu gefährden. Phenylketonurie der Mutter ist keine Kontraindikation zum Stillen gesunder Kinder.

Mittels Pränataldiagnostik kann schon während der eingetretenen Schwangerschaft via Amniozentese festgestellt werden, ob das ungeborene Kind den Stoffwechseldefekt in sich trägt. Da die Erkrankung rezessiv übertragen wird, könnte auch der an und für sich gesunde Vater Träger dieser Genmutation sein. In diesem Fall bestünde für das Kind bei Erkrankung der Mutter ein Risiko von 50 %, phänotypisch zu erkranken. Von der Mutter bekommt das Kind in jedem Fall das Merkmal, vom heterozygoten Vater mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/2 der Fälle.

Geschichte

Im Jahr 1934 wurde vom norwegischen Arzt Asbjörn Fölling erstmals bei geistig behinderten Patienten die vermehrte Ausscheidung der Phenylbrenztraubensäure mit dem Urin nachgewiesen. Er nannte das neue Krankheitsbild zuächst Imbezillitas phenylpyruvica. 1947 erfolgte dann die Entdeckung des eigentlichen Defektes in der Umwandlung von Phenylalanin zu Tyrosin durch G. A. Jervis. Der nächste Meilenstein in der Geschichte der PKU war die Einführung einer phenylalaninarmen Diät zu Behandlung der Erkrankung durch den deutschen Kinderarzt Horst Bickel 1953. Zehn Jahre später ermöglichte schließlich der amerikanische Mikrobiologe Robert Guthrie mit dem von ihm entwickelten bakteriellen Hemmtest den einfachen Nachweis einer erhöhten Phenylalanin-Konzentration im Blut. Die Bestimmung konnte aus Bluttropfen erfolgen, die auf Filterpapier getrocknet wurden, wodurch sich die Methode auch für ein Massenscreening eignete.[3]

Siehe auch

Quellen

  1. A. C. Muntau et al.: Phenylketonurie und Hyperphenylalaninämie. In: Monatsschrift Kinderheilkunde 2000; 148:179-193
  2. 1.14.16.1 Enzym-Nomenklatur-Homepage
  3. a b c Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen muntau.