Neumarkt (Dresden)

Der Neumarkt in Dresden zwischen Altmarkt und Elbe galt bzw. gilt als einer der bedeutendsten Plätze der Dresdner Innenstadt. Er wird begrenzt durch die Dresdner Frauenkirche, das Johanneum (Verkehrsmuseum Dresden) und den Kulturpalast. Durch die rege Bautätigkeit, ausgelöst durch den Wiederaufbau der Frauenkirche, verändert der heutige Platz seine Gestalt fortlaufend. Die Neubebauung zielt auf eine Rekonstruktion vieler historischer Gebäude und Gebäudegrundrisse, die den Neumarkt in der Vergangenheit kennzeichneten.
Lage
Der Dresdner Neumarkt liegt zentral in der Inneren Altstadt zwischen dem als letzte Innenstadtruine vorhandenen Kurländer Palais und dem wiederaufgebauten Taschenbergpalais. Er ist umgeben von Bebauung der Brühlschen Terrasse im Norden und der Wilsdruffer Straße im Süden. An ihm liegt das Coselpalais. Der Markt galt bis zu seiner Zerstörung als ein geschlossenes Ensemble des bürgerlichen Barocks von weltweitem Rang.
Gliederung
Der Neumarkt besteht aus drei Teilplätzen, dem Jüdenhof im Westen dem Johanneum vorgelagert, dem Neumarkt zentral und den Flächen um die Frauenkirche herum. Den Planungen zufolge soll er wieder einer der belebtesten Plätze der Dresdner Innenstadt werden. Die Bebauung am Platz wird in acht Quartiere geteilt.
Am Neumarkt beginnen zahlreiche Straßen und Gassen, die teilweise erst nach der Errichtung der fehlenden Quartiere erkennbar werden. Wichtige Straßen sind die Landhausstraße, die den Markt mit dem Pirnaischen Platz verbindet und die Rampische Straße, die Richtung Rathenau-Platz verläuft. Die Galeriestraße trifft am Kulturpalast auf die Wilsdruffer Straße und den Altmarkt. Die Augustusstraße, an der der Fürstenzug angebracht ist, läuft Richtung Schlossplatz und Augustusbrücke. In Richtung Augustusstraße verläuft noch die Töpferstraße, die durch den Aufbau des 1. Quartiers auch wieder beidseitig bebaut ist.
Von den Gassen, sei vor allem die Münzgasse erwähnt, die Richtung Terrassenufer also nach Norden verläuft und die Salzgasse die parallel zur Rampischen Straße läuft. Andere Gassen wie die Kanzleigasse oder die Sporergasse sind gegenwärtig nicht erkennbar.
Bebauung
Es bestehen am Neumarkt noch viele Freiflächen, bedingt durch Kriegszerstörungen und den folgenden großflächigen Beräumungen. Eine Erweiterung des alten Polizeipräsidiums aus DDR-Zeiten in Plattenbauweise wurde von März bis Juli 2005 abgerissen. Nicht zuletzt langjährige Meinungsverschiedenheiten über den Wiederaufbau verzögerten eine Bebauung des Neumarkts. In den 1980er Jahren wurde der Gedanke der sogenannten „Leitbauten“ entwickelt: ein Wiederaufbau jener gut dokumentierten Gebäude, die kulturhistorisch und städtebaulich von besonderem Wert sind (z.B. Dinglingerhaus, Kopfbau Rampische Straße 33).
Eine Gestaltungssatzung für das Neumarktgebiet in aktueller Fassung vom 1. März 2002 sieht in den acht Quartieren auf über 100 zu bebauenden Parzellen mehr als 60 Leitbauten vor. Gebäude, die nicht den Status von Leitbauten haben, sollen sich harmonisch einfügen und mit Putzfassade zurückhaltend zeitgenössisch (in dem Sinne postmodern) gestaltet werden. Auf dem Platz zur Zeit aktive Bauträger sind unter anderem Arturo Prisco (Quartier I, "Quartier Frauenkirche"), das Dresdner Unternehmen V.V.K. (Quartier II) sowie die BayWobau (Quartier IV). Äußerlich weitgehend wiederhergestellte Gebäude (Stand: Anfang 2006) sind die Leitbauten Salomonisapotheke und Landhausstraße 4 sowie das nicht als Leitbau eingestufte "Hotel de Saxe".
Quartier I

Das erste Quartier („Quartier an der Frauenkirche“) wird im Osten durch den Platz „An der Frauenkirche“ und im Norden durch die Töpferstraße begrenzt. Südwestlich läuft die Augustusstraße im spitzen Winkel auf die Töpferstraße zu. Die südliche Häuserfront begrenzt den Neumarkt. Das Areal setzt sich aus eigentlich drei Parzellen zusammen und deutet über die Fassaden mehrere Häuser an. Die einzigen Leitbauten des Quartiers sind die vier Häuser mit Fassade zum Neumarkt. Auffällig ist dort das Haus am Übergang zur Auguststraße mit seiner bogenförmigen Fassade (ehemaliges "Hotel Stadt Berlin"). Im Quartier befinden sich etwa 50 Geschäfte, Restaurants und Bars, daneben viele Büroflächen und 27 Wohnungen.
Nach Fertigstellung der ersten Gebäude, ist festzustellen, dass die genannte Satzung nicht befolgt wurde, denn es entstanden mehrere Betonbauten mit Steinverkleidungen ohne die geforderte Putzfassade. Vor allem direkt gegenüber der aus Sandstein wiedererrichteten Frauenkirche fallen zwei Bauten auf, da die Fassade des eines Gebäudes zu etwa 1/3 aus Glas besteht, des anderen aus grauen Verblendungsplatten, die in der Häuserflucht hervorstehen. Die Passage im Innern der Gebäude wirkt austauschbar und qualitativ minderwertig. Es ist zumindest fraglich, ob die Gestaltung der Bedeutung des Ortes gerecht wird.
Quartier II

Das Quartier II befindet sich östlich der Frauenkirche zwischen Salzgasse und Rampischer Straße. Es ist dem Neumarkt bzw. dem Platz „An der Frauenkirche“ nur über drei Gebäude zugeneigt und streckt sich an beiden Gassen in die Tiefe Richtung Pirnaischer Platz. Auf der anderen Seite der nördlichen Salzgasse begrenzt das Coselpalais den Raum um die Frauenkirche. Weitgehend in ihrem originalen barocken Zustand rekonstruiert sind die drei Häuser an der Frauenkirche.
Quartier III

Das Quartier III ist noch völlig unbebaut. Im Sommer 2006 begann der Wiederaufbau der Gebäude "An der Frauenkirche 16 und 17" durch einen privaten Investor. Die Arbeiten an dem sich südwestlich davon anschließenden Teilareal des Quartiers sollen im Herbst oder Frühwinter 2006 durch die BayWobau beginnen. Das durch den Investor als "Juwel an der Frauenkirche" angekündigte Quartier wird historisch (Leitbauten: An der Frauenkirche 20, Neumarkt 4, Neumarkt 6) und in moderner Architektursprache bebaut werden. Ein Bauloch wurde schon vor längerem angelegt.
Das Quartier III bildet das größte Bauareal am Platz und schließt an das Polizeipräsidium am Pirnaischen Platz an. Im Süden liegt es an der Landhausstraße, benannt nach dem Landhaus(Stadtmuseum) gegenüber des Quartiers. Im Vergleich zum Quartier sind in diesem Bereich der Bebauung wenige Leitbauten vorgesehen.
Quartier IV
Auf dem Quartier IV befinden sich einige Bauwerke, die zu den als erste fertiggestellten Häusern zählen. Den Neumarkt begrenzt das „Hotel de Saxe“ der Steigenberger Hotelkette. Zum Hotel gehört auch die frühere Salomonapotheke, in der sich das „Freiberger Schankhaus“ befindet.
Weitere Bebauung im Quartier an der Landhausstraße sind derzeit in konkreten Planungsphasen (Leitbau "British Hotel", Landhausstraße 6). Die dem Neumarkt zugeneigte Front des Quartiers ist geschlossen.
Quartier V
Das vergleichsweise kleine Quartier V liegt ganz im Süden des Areals am Neumarkt. Es wird nördlich von der Frauenstraße und östlich durch die Galeriestraße begrenzt. Im Süden grenzt die Bebauung der Wilsdruffer Straße an. Durchbrochen wird es von der kleinen Schuhmachergasse, die derzeit nicht existiert. Die ersten Bauarbeiten am östlichen Teilquartier V/2 mit den Leitbauten Köhlersches Haus und Heinrich-Schütz-Haus sowie einem modern gestalteten südlichen Anbau sollen im Herbst 2006 beginnen.
Kontroverse um die Bebauung

Wie kaum ein anderes Bauprojekt in Deutschland, ist die Bebauung des Neumarkts umstritten. Dabei gibt es verschiedene Ansichten und Forderungen. Der größte Konsens herrscht wohl noch um die Berücksichtigung der historischen Parzellen und Relationen.
Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e. V.
Der Verein Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e. V. (GHND) befasst sich mit dem stadtbildprägenden Platz. Ziel des Vereins ist es, dass sich die Neubebauung weithin an historischen Vorbildern orientiert. Der Neumarkt mit seiner früheren Bebauung und Blickbeziehungen sollen wieder erlebbar werden.
Der Verein betreibt einen Informationspavillon an der Südseite des Platzes, in dem ein Modell des historischen Neumarkts und zahlreiche Schautafeln besichtigt werden können. Andere Möglichkeiten, vor allem für ortsunkundige Touristen, sich direkt vor Ort über die Bebauung des Neumarkts zu informieren gibt es nicht.
Mit dem Neumarkt beschäftigen sich auch Vereine in den USA, zum Beispiel Vision of Europe oder Friends of Dresden.
Bürgerbegehren
Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden wollte mit einer Unterschriftensammlung btw. einem Bürgerbegehren einen Bürgerentscheid zur Art und Weise der Neumarktbebauung beeinflussen. Zwar konnte sie die benötigte Unterschriftenzahl von 57 000 mehr als einreichen, das Quorum (eines der höchsten in der Bundesrepublik) wurde aber wegen der "zu detaillierten" Fragestellung („Ja! Zum historischen Neumarkt“ auf Basis eines detaillierten Plans auf der Rückseite der Unterschriftenliste) von der Stadtverwaltung als unzulässig abgelehnt. Der Entscheidungsbegründung der Stadtverwaltung zufolge könne sich ein Bürgerbegehren damit befassen ob ein Bauplan umgesetzt werden soll, aber nich wie. Damit verstoße das Bürgerbegehren gegen das Baugesetzbuch, da der angehängte historische Entwurf weit über die Festlegung von Bebauungsplänen oder Gestaltungssatzung hinaus reichen würde. [1] Gegen diesen Widerspruch der Stadtverwaltung klagt die Gesellschaft.
Positionen

Die Gesellschaft „Historischer Neumarkt Dresden“ begründet ihr Anliegen einer Fassadenrekonstruktion kunst- und kulturgeschichtlicher Bauwerke am Platz damit, das im Wiederaufbau die „letzte Chance“ bestehen würde, der Stadt eine „alte Identität“ zurückzugeben, die die „gesichtslosen“ und „funktionalen“ Neubauten der Nachkriegszeit nicht hätten herstellen können.[2]
Dem gegenüber stehen Positionen, die die Identität Dresdens auch anders begründen. Der Architekturkritiker Andreas Ruby sieht die Verflechtung von Stadt und Landschaft, auch außerhalb der Innenstadt, als das, was Dresden von anderen Städten unterscheide. Die Frauenkirche, als zentrales Element des Wiederaufbaus, sieht Ruby als „gebaute Garantie einer Identität“, die er mit Bauwerken vergleicht, die zuletzt in anderen Städten entstanden. Gleichwohl kritisiert er, dass man diese Identität nicht in der Zukunft, sondern in der Vergangenheit suche.[3]
Ruby hinterfragt, ob sich hinter dem Motiv des Wiederherstellens einer Identität durch die „Simulation des barocken Neumarkts“ nicht ein „Bedürfnis nach Vergangenheit“ versteckt. Ruby hinterfragt außerdem an einer, wie er meint gleichwertigen Simulation Venedigs in einer Hotelanlage in Las Vegas, ob die „Simulation des barocken Neumarkts“ tatsächlich authentisch sein könne. Ruby sieht dagegen in den Neubauten der Nachkriegszeit durchaus architektonischen Wert und meint, dass sie vielleicht schon allein die „historische Komplizenschaft mit dem politischen System der DDR zur architectura non grata“ mache.[3]
Ruby wirft dem Streben nach historischem Wiederaufbau vor, dass es aus der „lebendigen Sequenz ihrer Geschichte“ ein Zustand auswählen und zum „eigentlichen Wesen“ Dresdens erklären würde. Dass ausgerechnet die Epoche des Barocks als wiederherstellungswürdig gesehen würde, macht Ruby daran fest, dass diese über die Veduten Bernardo Bellottos „extensiv“ bebildert ist und damit das Stadtbild hätte prägen können.[3] Die Gesellschaft „Historischer Neumarkt Dresden“ erklärt, dass die Platzaufteilung des spätbarocken Neumarkts nach Korrekturen, die durch den Siebenjährigen Krieg 1760 bedingt waren, im Vergleich zum „unübersichtlichen“ Neumarkt des Frühbarock einen „Klang von Harmonie und Klarheit“ hätte entfalten können.[4]
Literatur
- Fritz Löffler: Das alte Dresden. Geschichte seiner Bauten., Leipzig 1981
- Stefan Hertzig: Das Dresdner Bürgerhaus in der Zeit August des Starken. Zu Entstehung und Wesen des Dresdner Barock. Dresden 2001
- Stefan Hertzig (Hg.): Der historische Neumarkt zu Dresden. Seine Geschichte und seine Bauten. Dresden 2005
- Matthias Donath: Der Dresdner Neumarkt. Ein Platz kehrt zurück. Edition Sächsische Zeitung, Dresden 2006
- Atelier Neumarkt Dresden 2000. Veranstaltet vom Dezernat Stadtentwicklung und Bau der Landeshauptstadt Dresden unter der Schirmherrschaft der Sächsischen Akademie der Künste. Herausgegeben von der Landeshauptstadt Dresden, Stadtplanungsamt. Dresden 2001
Quellen
- ↑ Gesellschaft „Historischer Neumarkt Dresden“ e.V.: Bürgerbegehren
- ↑ Gesellschaft „Historischer Neumarkt Dresden“ e.V.: Anliegen
- ↑ a b c Andreas Ruby: Las Vegas an der Elbe in: Die Zeit. Hamburg, 2000
- ↑ Gesellschaft „Historischer Neumarkt Dresden“ e.V.: Geschichte
Weblinks
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