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Peter Singer

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Peter Albert David Singer (* 6. Juli 1946 in Melbourne, Australien) ist ein australischer Philosoph und Ethiker. Seine Eltern waren Wiener Juden, die Österreich 1938 in Richtung Australien verlassen mussten.

Singer hat in Oxford, an der New York University und der La Trobe University gelehrt und war von 1977-1999 Professor für Philosophie an der Monash University in Melbourne, Australien. 1999 wurde er als DeCamp Professor of Bioethics an das Center for Human Values der Princeton University berufen. 1996 kandidierte er erfolglos für die Grüne Partei um einen Sitz im australischen Senat.

Sein auf dem Utilitarismus gründender rationalistischer Ansatz in der Bioethik versucht, eine universal gültige Moral zu begründen und anzuwenden.

Die Befreiung der Tiere

Sein 1975 in englischer Sprache erschienenes Buch Animal Liberation gilt als Grundstein der zeitgenössischen Diskussion über den moralischen Status von Tieren in der Tierrechtsbewegung; gemeinsam mit Tom Regan gilt Singer daher als Begründer der modernen Tierethik. In diesem Buch beschreibt er das Phänomen des Speziesismus, die Diskriminierung oder Ausbeutung von Tierarten aufgrund eines angenommenen Vorranges der Spezies Mensch. Singer stellt in diesem Buch die These auf, dass die Zugehörigkeit zu einer Spezies bei der Frage des moralischen Unrechts Leid zuzufügen oder zu töten keine Relevanz besitze. Er folgert daraus, dass in einer modernen Gesellschaft Vegetarismus die einzig moralisch vertretbare Lebensweise sein kann. Auch Käfighaltung wird weitgehend abgelehnt. Über den Verbrauch von Eiern aus Freilandhaltung und Produkten niederer Tiere wie Krebstiere (Krabben, Garnelen, Muscheln) oder Insekten (Honig), bei welchen die Fähigkeit Leid zu empfinden nicht gesichert ist, kann der Einzelne selbst entscheiden. Singer empfiehlt aber, im Zweifel den Gebrauch dieser Produkte zu unterlassen.

Praktische Ethik

In dem Buch Praktische Ethik bezieht er noch deutlicher Stellung und arbeitet eine utilitaristische Position (Präferenzutilitarismus) auf verschiedenen Gebieten der angewandten Ethik aus.

Tiere

In seiner einleitenden Diskussion des Gleichheitsprinzips stellt er dar, dass Gleichberechtigung nicht gleiche Rechte oder gleiche Behandlung für alle Individuen bedeuten kann, wohl aber gleiche Berücksichtigung der Interessen verschiedener Wesen. Weiterhin benennt er die Fähigkeit, Leid und Glück zu verspüren, als das entscheidende Merkmal eines Wesens, dessen Interessen berücksichtigt werden sollten.

Damit ist die Grenze der Empfindungsfähigkeit die einzig vertretbare Grenzlinie für unsere Anteilnahme an den Interessen anderer.

Peter Singer glaubt, dass die Zugehörigkeit eines Lebewesens zu einer bestimmten Gattung allein nicht von moralischer Relevanz sei. Er hält daher auch sexuelle Mensch-Tier-Kontakte für grundsätzlich akzeptabel. [1]

Weshalb ist Töten Unrecht?

Bei der Klärung der Frage, warum das Töten von Menschen Unrecht ist, unterscheidet Singer zwischen zwei Kategorien des Tötens menschlichen Lebens: erstens die Tötung eines Angehörigen der Spezies homo sapiens, zu der jeder Mensch gehört - auch z.B. ein anenzephalischer Säugling (d. h. ohne Gehirn) (S.118) - und zweitens die Tötung einer Person. Nach John Locke ist diese definiert als

ein denkendes intelligentes Wesen, das Vernunft und Reflexion besitzt und sich als sich selbst denken kann, als dasselbe denkende Etwas in verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten.

Das Töten von Embryonen, Föten und Neugeborenen

Bei dem Heranwachsen einer befruchteten Eizelle über den Fötus zum Säugling gebe es keine klare Trennlinie. Singer stellt fest, dass die gängigen Trennlinien wie Geburt, Bewusstsein oder Lebensfähigkeit des Fötus in Bezug auf das Tötungsverbot keinen moralischen Unterschied machen.

Denn bei jedem fairen Vergleich moralisch relevanter Eigenschaften wie Rationalität, Selbstbewußtsein, Bewußtsein, Autonomie, Lust- und Schmerzempfindung, und so weiter haben das Kalb, das Schwein und das viel verspottete Huhn einen guten Vorsprung vor dem Fötus in jedem Stadium der Schwangerschaft [...]. (S.196f)

Für Singer ist das wichtigste Kriterium die Leidensfähigkeit des Fötus, die ab einem bestimmten Zeitpunkt einsetzt. Die ernsthaften Interessen einer Frau würden daher normalerweise jederzeit vor den rudimentären Interessen selbst eines bewussten Fötus Vorrang haben (S.197).

Das Töten von Menschen

Ein Kernpunkt ist die These, dass die Interessen eines Individuums in erster Line nach den spezifischen Eigenschaften, nicht aber nach der Zugehörigkeit zu einer Spezies, zu bewerten seien. Demnach ist das Recht der Unversehrtheit des Individuums begründet in seiner Fähigkeit zu leiden. Das Recht auf Leben sei begründet in der Fähigkeit, sich seiner Zukunft bewusst zu sein und sie zu planen. Säuglingen und Menschen mit einer bestimmten schweren Behinderung fehlen Zeitempfinden und Selbstreflexion. Diese können daher keine Wünsche für ihre Zukunft haben. Dies rechtfertigt für Singer die schmerzlose Euthanasie, die Sterbehilfe sowie Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Umständen.

Arm und reich

Laut Singer ist es nicht moralisch zu rechtfertigen, dass einige wenige Menschen im Überfluss leben, während viele andere Menschen in Armut verhungern. Er tritt dafür ein, dass Menschen, die es sich leisten können, 10% ihres Einkommens spenden sollten, um dieser Ungleichverteilung entgegen zu wirken. Zu dieser Forderung kommt er nach einem Diskurs über die Fragestellung: Was ist moralisch schlimmer? Töten oder sterben lassen? unter dem Gesichtspunkt, dass im Falle wirtschaftlichen Überflusses ein Nicht-Spenden dem Sterben-Lassen gleichkomme. Bei den Spenden wiege der entstehende Nutzen den vergleichsweise geringen Verlust des Gebers auf. Er selbst führt 20-30% seines Einkommens an Oxfam und UNICEF ab.

Kritik

Peter Singers Ansichten sind weltweit kritisiert worden, vor allem, weil aus diesem ethischen Konzept sehr drastische Konsequenzen gezogen werden können. In Deutschland sind seine Thesen angesichts der während der Zeit des Nationalsozialismus durchgeführten Aktion T4 zur "Euthanasie lebensunwerten Lebens" auf besonders deutlichen Widerstand gestoßen. Es wird nicht nur von Behindertenorganisationen befürchtet, es werde einer Mentalität (politischer) Raum und mitunter schließlich rechtliche Legitimation geben, die letztlich gesellschaftliche Einstellungen zu Menschen mit Behinderung hervorrufen könne, welche in der Vergangenheit die nationalsozialistischen Euthanasieprogramme möglich werden ließen. An deutschen Universitäten wurden darum Veranstaltungen, die Singers Thesen zum Gegenstand der philosophischen Diskussion machen wollten, gestört, verhindert und die Veranstalter denunziert und bedroht (Anstötz:1995). Auch Tierrechtler, welche jede Form der Tötung von Tieren (inklusiver menschlicher) prinzipiell ablehnen, kritisieren naturgemäß Ansatz und Konsequenzen von Singers präferenzutilitaristischem Ansatz. Singer selbst führt diese Angriffe, die er in einem Nachwort seines Buches schildert, auch auf die christliche Lehre zurück, welche die Menschen und Tiere weit auseinanderrücke: Menschen werde eine Seele zugesprochen, Tiere aber werden als seelenlose Dinge betrachtet.

Singers ethische Position wird von vielen utilitaristischen Ethikern geteilt, besonders bekannt ist er jedoch durch die explizite Darstellung der sich aus seinem Konzept ergebenden Schlussfolgerungen. Die von ihm aufgeworfenen Kontroversen führt er auf aus dem Zusammenhang gerissene Zitate und ein mangelndes Gesamtverständnis seiner Thesen zurück. In Writings on an Ethical Life hat er daher versucht, seine Ansichten knapp, aber vollständig zusammenzufassen.

Werke

Literatur

Schriften über Peter Singer:

  • Anstötz, Christoph (Hrsg.): Peter Singer in Deutschland: zur Gefährdung der Diskussionsfreiheit in der Wissenschaft, Frankfurt am Main,Lang, 1995.
  • Erika Feyerabend: Die Debatte um Peter Singer in Heidelberg. In: Margret Jäger / Frank Wichert (Hg.): Rassismus und Biopolitik. DISS-Forschungsbericht 1996: ISBN 3-927388-55-6
  • Siegfried Jäger, Paul Jobst: Von Menschen und Schweinen. Duisburg, 1992.
  • Udo Sierck/Didi Danquart (Hrsg.): Der Pannwitzblick. Wie Gewalt gegen Behinderte entsteht. Hamburg 1993. ISBN 3-922611-29-X

Erwiderungen auf Peter Singer:

Siehe auch

Kritische Webseiten: