Zum Inhalt springen

Deutsche Minderheit in Polen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 24. Oktober 2006 um 01:13 Uhr durch Der Stachel (Diskussion | Beiträge) (Vor dem zweiten Weltkrieg: entstanden nicht "zwischen" Deutschen und Slawen; Aussagen beziehen sich auf heutiges polnisches Staatsgebiet). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Deutsche Minderheit in Polen zählt laut der Volkszählung von 2002 152.897 Angehörige, was einen Anteil von 0,381 % an der Gesamtbevölkerung Polens ausmacht. Die Deutschen in Polen leben insbesondere in der Woiwodschaft Oppeln und im westlichen Teil der Woiwodschaft Schlesien.

Geschichte

Vor dem zweiten Weltkrieg

Die Wurzeln der Deutschen im heutigen Staatsgebiet Polens reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück. Aufgrund der mittelalterlichen deutschen Kolonisierung entstanden die Neustämme der Schlesier, Pommern und Ostpreußen in den Gebieten Ostpreußen, Danzig, Pommern, Ostbrandenburg und Schlesien, die teilweise innerhalb, teilweise außerhalb des Alten Reiches lagen und später auch Teil des deutschen Staates wurden. Andere deutschstämmige Siedlungsgruppen, z.B. in den Gegenden bei Posen, Lodsch und Kattowitz, befanden sich über lange Zeiträume der Geschichte hinweg, spätestens nach dem ersten Weltkrieg mit der Gründung der zweiten polnischen Republik außerhalb des deutschen Staates und stellten seitdem eine deutsche Minderheit in Polen dar.

Die stärkste Partei der deutschen Minderheit vor dem Zweiten Weltkrieg war die 1931 gegründete Jungdeutsche Partei in Polen, die Mitte der 1930er Jahre ca. 50.000 Mitglieder zählte. Die meisten Deutschen lebten damals im an Polen abgetretenen Teil des früheren Westpreußen, in Posen sowie im 1922 an Polen abgetretenen Ostoberschlesien. Darüber hinaus existierten deutsche Minderheiten in der Region Łódź und in Wolhynien.

Vertreibung und Leben nach dem Zweiten Weltkrieg

Schnell nach dem Krieg wurde klar, dass die Alliierten das Problem der deutschen Minderheit in Polen durch Aussiedlung lösen wollten. Die Sowjetunion hatte aber andere Vorstellungen und gab die von ihr eroberten Gebiete östlich von Oder und Lausitzer Neiße an Polen ab, um eine „polnische Westverschiebung“ zu gewährleisten, bei der die Sowjetunion weite Teile Ostpolens annektierte, das polnische Staatsgebiet aber auf Kosten der deutschen Ostgebiete kaum verkleinert wurde. Somit hatte Polen Gebiete übernommen, die bis zu diesem Zeitpunkt mit ca. 9 Millionen Deutschen besiedelt waren und sich wie folgt aufteilten:

Von diesen 9 Millionen konnten 3,6 Millionen fliehen oder wurden Opfer sog. „wilder Vertreibung“. Ein Teil der restlichen 5,4 Millionen wurde für Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt oder in Arbeitslagern in Polen bis 1949/50 gefangen gehalten. Bei diesen Verschleppungen und Gefangennahmen kamen ca. 1,6 Millionen Deutsche Menschen ums Leben.

Aufgrund der Potsdamer Beschlüsse sollte es 1950 zur Ausweisung weiterer 3,5 Millionen Deutschen kommen, wobei die Ausweisung diesmal in „humaner und ordnungsgemäßer“ Weise ablaufen sollte, was in der Praxis aber völlig anders aussah. Durch den im Krieg geschürten Hass der polnischen Bevölkerung auf die Deutschen besetzte die polnische Bevölkerung (aus Zentral- und Ostpolen) die zurückgelassenen Heimatstätten der Deutschen und vertrieb sie sogar von Haus und Hof. Deutsche mit polnischer Abstammung (sogenannte Oberschlesier bzw. Masuren) hatten die Möglichkeit sich verifizieren zu lassen. Wer verifiziert wurde, erhielt die polnische Staatsangehörigkeit und konnte unter erträglichen Bedingungen (gesetzlich verordnete Diskriminierung etc.) in seiner Heimat bleiben. Diejenigen, die die Verifizierung ablehnten, teilten das selbe Schicksal wie die anderen Deutschen: Zwangsarbeit, Lagerhaft, Ausweisung.

1951 gab es noch etwa 170.000 Deutsche mit polnischer Abstammung, die trotz allen Drucks die Verifizierung verneinten. Ihnen wurde laut Beschluss der polnischen Regierung die polnische Staatsangehörigkeit von Amts wegen verliehen. Hiernach kam es zur Einstellung der gesetzlich verordneten Diskriminierung deutscher Bevölkerung und der Ausweisung etc.

Die nun noch überlebenden bzw. verbliebenen Deutschen (ca. 350.000) wurden von Polen als wichtige Arbeitskräfte angesehen; sie besiedelten bis 1955 hauptsächlich die Gebiete Niederschlesien, das Industriegebiet Waldenburg und Hinterpommern. Es kam zur Eingliederung und Assimilation der deutschen Bevölkerung. Dies machte sich durch den Bau deutscher Schulen, sowie durch den Vertrieb deutscher Bücher bemerkbar. Des Weiteren wurde eine deutsche Tageszeitung in Polen ins Leben gerufen. Von 1955 bis 1959 kam es erstmals zu einer Familienzusammenführung von den damals geflohenen bzw. vertriebenen und den in Polen verbliebenen Deutschen. Bei dieser Familienzusammenführung wurden ca. 250.000 Deutsche nach West-Berlin und ca. 40.000 in die ehemalige DDR umgesiedelt. Durch diese Maßnahme kam es in Polen zu einer Minderheit der nicht verifizierten Deutschen. Die Zahl der deutschen Bevölkerung betrug 1960 unter 50.000, was die Einstellung der Eingliederung und kulturellen Förderung der Deutschen zur Folge hatte.

Auf Grund des „Warschauer Vertrages“ kam es 1970 erneut zu einer Familienzusammenführung von Deutschen aus Polen (diesmal die zuvor verifizierten Deutsch-Polen). Nach polnischen Statistiken gab es Ende der 70er Jahre ca. 500.000 bis 1 Million aussiedlungswillige Deutsche. Der Hauptgrund hierfür war das Schicksal der Deutschen in Polen nach dem Kriegsende. Auf der Frage, wieso die hier Betroffenen nicht direkt nach dem Krieg geflohen sind, gibt es verschiedene Antworten. Zum einen hatten viele die Hoffnung, dass es nach dem Krieg eine Zusammenführung von den alten Gebieten des deutschen Reiches und dem noch übrigen Deutschland gäbe und zum anderen gab es viele Alteingesessene, die ihre Dorfgemeinschaft erhalten wollten. Weitere Gründe für die Auswanderung waren, der Wunsch als „Deutsche unter Deutschen“ zu leben, die Familienzusammenführung, mehr Freiheit und Ordnung zu genießen, eine bessere Zukunft für die Kinder zu sichern, wirtschaftliche Vorteile zu haben, die nationale Identität zu wahren sowie die Verweigerung der Minderheitenrechte im kulturellen Bereich in Polen.

In den Jahren zwischen 1950 und 1989 gelangten rund 1,2 Mio. Deutsche aus Polen und ihre Familienangehörigen in die Bundesrepublik Deutschland als Aussiedler. Laut Bundesvertriebenengesetz bleiben Heimatverbliebene und ihre Nachfahren, die vor 1945 in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 lebten, deutsche Staatsbürger, da die Betroffenen nach Ansicht der Bundesrepublik 1945 unfreiwillig zu polnischen oder sowjetischen Staatsbürgern wurden, wobei die Nationalität der Person keine Rolle spielt. Die deutsche Staatsbürgerschaft wird heute auf Antrag vom Bundesverwaltungsamt festgestellt. Bis 2005 haben auf diese Weise etwa 288.000 Bürger in Polen, insbesondere in Oberschlesien und Masuren, die deutsche Staatsbürgerschaft zuerkannt bekommen.

Bis 1990/91 wurde die deutsche Minderheit offiziell vom polnischen Staat ignoriert und erhielt erst mit dem Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrag vom 17. Juni 1991 ihre Rechte als Nationale Minderheit nach KSZE-Standard im vollen Umfang zugesichert. Seitdem bemüht sich auch die polnische Seite die Anerkennung der Minderheitsrechte der zwei Millionen in Deutschland lebenden Polen zu erreichen - bis jetzt vergeblich (Stand 2006), wobei die meisten Polen in letzten 60 Jahren nach Deutschland eingewandert sind. Bei den Deutschen in Polen hingegen handelt es sich mehrheitlich um die sich zum Deutschtum bekennenden „alteingesessenen“ Schlesier, vergleichbar mit den Sorben in Deutschland.

Gegenwart

Die deutsche Minderheit in Polen ist in mehreren Verbänden, Vereinen und anderen Organisationen organisiert, wobei die größte von ihnen die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien mit dem Hauptsitz in Oppeln ist[1]. Eine andere große Organisation ist die Deutsche Gemeinschaft Versöhnung und Zukunft mit dem Hauptsitz in Kattowitz, die nach eigenen Angaben 11.112 „Beitragzahlende Mitglieder“ zählt und als einzige nicht von der deutschen Bundesregierung finanziert wird [2]. Zwischen diesen beiden Organisationen herrscht eine gewisse Konkurrenz und sowohl deren Ziele als auch Grundsätze weichen teilweise stark voneinander ab. So ist die Deutsche Gemeinschaft Versöhnung und Zukunft auch für nichtdeutschstämmige Mitglieder (ca. 4,2 %) offen, die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Deutschen hingegen nimmt nur deutschstämmige Mitglieder auf.

Deutschsprachige Medien Polens

Anmerkungen und Verweise

  1. laut eigener Homepage der Sozial-Kulturellen Gesellschaft, wobei die Mitgliedszahl nicht genannt wird, sondern lediglich eine ungefähre Anzahl der lokalen Verbandskreise mit ca. 330 angegeben.
  2. laut eigenen Angaben der Gemeinschaft

Siehe auch

Literatur

  • Brzezina, Maria: Polszczyzna niemców [Die polnische Sprache der Deutschen], Warschau/Krakau 1989 ISBN 83-91-09347-1
  • Zybura, Marek: Niemcy w Polsce [Deutsche in Polen], Breslau 2004 ISBN 83-7384-171-7