Zum Inhalt springen

Sexualstrafrecht

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 26. August 2004 um 12:28 Uhr durch 130.75.128.107 (Diskussion). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)

Das Sexualstrafrecht ist der strafrechtliche Schutz der sexuellen Selbstbestimmung. Durch den Wandel der Sexualmoral ist auch das Sexualstrafrecht dem Wandel unterworfen.

Deutschland

Verfassungsrecht

Verfassungsrechtlich ist das Sexualstrafrecht durch das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung gedeckt. Es ist dem Kernbereich des Strafrechts zuzuordnen, das durch den Staat gewährleistet werden muss. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung wird auf Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gestützt.

Regelungsbereich

Das deutsche Strafrecht hat das Sexualstrafrecht ausschließlich im Strafgesetzbuch geregelt. Die Tatbestände sind die Vorschriften §§ 174 - 184f StGB. Während die frühere Auffassung des Reichsgerichts und zu Anfang noch des Bundesgerichtshofes einen Schutz der Sittenordnung in das Sexualstrafrecht interpretierten, ist der heutige Schutzbereich deutlich auf gravierende sozialschädliche Verhaltensweisen beschränkt. Insoweit wurde auch die Überschrift von "Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit" in "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" geändert.

Tatbestände

Ein einheitliches Rechtsgut liegt dem Sexualstrafrecht nicht zugrunde. Es ist eher der Sexualbezug, den die Tatbestände gemeinsam haben. Beleidigungen auf sexueller Grundlage unterfallen nach dem deutschen Strafrecht dem § 185 StGB. Den inhärenten Begriff der "sexuellen Handlung" hat der Gesetzgeber nicht definiert. Lediglich in § 184f StGB nennt er die sexuelle Handlung als eine solche, die von einiger Erheblichkeit sein muss. Systematisch zusammenhängend sind die Tatbestände

  • Sexuelle Nötigung, § 177 Abs. 1, 5 StGB (Abs. 3 und 4)
  • Vergewaltigung, § 177 Abs. 2 StGB (Abs. 3 und 4)
    • die Sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung mit Todesfolge (§ 178)
  • sexueller Missbrauch Widerstandsunfähiger (§ 179)
  • sexueller Missbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und Hilfsbedürftigen in Einrichtungen (§ 174a)
  • sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung (§ 174b)
  • sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungs-, Beratungs- oder Betreuungsverhältnisses (§ 174c)

Deutlich dem Jugendschutz zugeordnet sind die Delikte:

  • sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174)
  • sexueller Missbrauch von Kindern (§ 176)
    • schwerer sexueller Missbrauch von Kindern (§ 176a)
    • sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge (§ 176b)
  • Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger (§ 180)
  • sexueller Missbrauch von Jugendlichen (§ 182)
  • Verbreitung pornographischer Schriften (an Minderjährige - § 184 Abs. 1 Nr. 1)
  • Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften (§ 184b)
  • Jugendgefährdende Prostitution (§ 184e)

Im Bereich der Pornographie sind durch die letzten Änderungen noch folgende Delikte hinzugekommen:

  • Verbreitung gewalt- und tierpornographischer Schriften (§ 184a)
  • Verbreitung pornographischer Darbietungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste (§ 184c)

Die Prostitution ist spätestens seit Einführung des Prostitutionsgesetz nicht mehr sittenwidrig. Dennoch sind die Abhängigkeitsverhältnisse in diesem Bereich unter Strafe gestellt.

  • Ausbeutung von Prostituierten (§ 180a)
  • Menschenhandel (§ 180b)
    • Schwerer Menschenhandel (§ 181)
  • Zuhälterei (§ 181a)

Allerdings soll auch die Belästigung Unbeteiligter unterbleiben, daher sind die nachfolgenden Delikte teilweise Auffangtatbestände:

Weitere Tatbestände außerhalb der §§ 174-184f StGB sind:

  • die Nötigung zu sexuellen Handlungen nach § 240 Abs. 4 Nr. 1, die selbst keinen Körperkontakt beinhalten (ansonsten wäre § 177 Abs. 1 einschlägig)
  • Erpressung auf sexueller Grundlage (auch sog. Chantage) nach § 253 StGB
  • die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist im Beschäftigtenschutzgesetz verboten.

Schuld

Besonderes Augenmerk ist bei Strafbarkeit im Bereich des Sexualstrafrechts stets auf die Schuld zu legen. Das Vorliegen einer sonstigen seelischen Abartigkeit nach § 20 StGB ist nicht immer auszuschließen. In Betracht kommt gerade dann die Verhängung einer Maßregel der Besserung und Sicherung, insbesonder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder Sicherheitsverwahrung.

Entwicklung

Nach der Liberalisierung zahlreicher Strafrechtsvorschriften in diesem Bereich seit den 1970er Jahren, zuletzt 1994 mit der Entkriminalisierung homosexueller Handlungen im deutschen Strafrecht (§ 175 StGB), besteht derzeit ein Trend zur Verschärfung von Strafandrohungen (und strafprozessualer Maßnahmen) im Sexualstrafrecht aufgrund der Boulevardberichterstattung von Sexualstraftaten. Die Entwicklung der Straftaten im Sexualstrafrecht ist objektiv nach den statistischen Erfassungen der Strafverfolgungsbehörden stagnierend, wenn nicht aufgrund des geringeren Dunkelfelds wegen der modernen Möglichkeiten (DNA u.a.) innerhalb der Aufklärung sogar rückläufig. Stattdessen nehmen die Sexualstraftaten jedoch einen vbiel größeren Raum in den Medien ein. Solange noch kein Abstumpfungsprozess wie bei Tötungsdelikten eingesetzt hat, ist noch ein Druck durch die Bevölkerung auf höhere repressive Maßnahmen gegenüber Straftätern.