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Herwig Steiner

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Herwig Steiner (* 31. März 1956 in Tulln, Niederösterreich) ist ein bildender Künstler, Kunsttheoretiker und Autor, Videokünstler, Historiker und Architekt. Seit 2018 führt er den Zusatz „(1956L)“ im Namen. Lebt in Wien und auf Sumatra.

Ausbildung

Herwig Steiner studierte nach Abschluss einer Ausbildung als Hochbautechniker ab 1976 an der Universität Wien Geschichte (Mag. phil. 1986), sowie Architektur zunächst bei Rob Krier an der Technischen Universität Wien, später bei Gustav Peichl an der Akademie der Bildenden Künste Wien. Dort studierte er anschließend Malerei bei Josef Mikl und Rudolf Hausner. Er erwarb 1986 das Bildhauerdiplom bei Bruno Gironcoli.

Künstlerische Perspektiven, Ausführungen

Steiners vielschichtiges Werk ist stark von einer kunsttheoretischen Zugangsweise geprägt und bezieht kritisch Position gegen Tendenzen gesellschaftlicher Vereinnahmung. Durchaus mit digitalen Techniken für künstlerische Zwecke vertraut, wendet er sich gegen

„[…] die sich allen aufdrängende, sedierende Medienwelt […], die uns und mit uns die Kunst in den Flutungen ihrer Ersatzmythen und des Trivialen ertränkt. […]. Der Grad an von uns besitzergreifender Normierungsmacht, jener unaufhaltsame Sog der Konvention, alles zu ihren Machtverhältnissen zu verändern, der Herstellung von immer mehr ihrer Selbstidentität, hat in einem fatalen Tausch für Bequemlichkeit ein Ausmaß erreicht, das von Freiheit nicht mehr als ein Trugbild zulässt.“

Kunst der Attrappe

Steiner interessieren Konstruktionsprozesse, sowohl jene der Kunst selbst, wie auch die der Betrachterreflexion. Auch Überlegungen zu gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien (Konventionen) fließen in sein vielschichtiges Werk ein, das stark von einer kunsttheoretischen Zugangsweise geprägt ist. Nach Steiner wirkt Kunst im Dienste gesellschaftlicher Selbstdarstellung als strukturell immer schon veraltet, der Begriff der „Avantgarde“ verliert seine Bedeutung. Die Beschleunigung von Werden und Vergehen gesellschaftlichen Wissens führen zur graduellen Entleerungen ästhetischer Darstellungsprinzipien und damit zur Verflachung und zur Aufgabe des Eigentlichen der Kunst (der Aufhebung seiner Materialien). Diese Aushöhlung der Kunst zu einem leeren Begriff, einer Marke, die mit externen sozialen Funktionen (Unterhaltung, Dekor, Spekulation, Message etc.) angereichert wird, steht im Zentrum von Steiners Auseinandersetzungen.

„Kunst der Attrappe“ ist als subversives theatralisch- vereinnahmendes Gesamtkonzept zu verstehen, dass kritisch diese gesellschaftlichen Verhältnisse zur Kunst abbildet. Seit Mitte der 1980iger Jahre steht der von Steiner in die Kunst eingebrachte Begriff der „Attrappe“ als skeptisches Moment gegenüber der traditionellen Sichtweise auf die Beziehung zwischen Kunstwerk und Betrachter.

Pre-Prints

Ende der 1990iger Jahre beendete Steiner die Praxis der „Attrappen-Kunst“. Indem er die so gewonnenen „Reflexionstexte“ zu Bild-Text-Verschränkungen verwob und und in Ausstellungszusammenhänge brachte, wurde der „Point of no return“ überschritten. Die fiktionale Struktur der Texte und die darunterliegende  Reproduktionsmacht der Konvention manifestierten sich jetzt auf einer ästhetischen Ebene. Pre-Prints lassen ein interaktives Verhältnis zwischen Sehen / Lesen / Vorstellen / Erinnern / Umschreiten entstehen. Alle Facetten der Auseinandersetzung werden hier als ein Ganzes und Gleichzeitiges gezeigt.

Propaganda Series - Floorinstallation - computergenerierte Prints auf Papier - Visual Arts Gallery - India Habitat Center - New Delhi 2004

Political Hybrids

In einem weiteren Abstraktionsschritt stellt Steiner das politische Narrativ der Pre-Prints in den Vordergrund. Wirkten die Darstellungen der Reflexionsfunktion als eine Art Aufhebung, so betont die Spezialisierung auf historische Zeugnisse der Macht deren Erinnerung und versucht diese mit unserem Alltag zu verknüpfen. Ein hybrider Status, der schon in den allerersten Pre-Prints angelegt war, wird nun deutlich. Für Steiner darf bildende Kunst nicht auf ihre inneren kompositorischen Herausforderungen verzichten. Steiner besteht auf der Ausformulierung einer substanziellen Differenz zur Kunstattrappe, die lediglich ein Instrument der Intervention, ein Katalysator war. Steiner wendet sich damit gegen den weitverbreiteten Versuch, das eigentliche Momentum der Kunst durch moralisches oder politisches Engagement ersetzen zu wollen. Seiner Auffassung nach reduziert sich Kunst damit zur leeren Etikette eines Aktivismus, der sich - bewusst oder unbewusst - der konventionalen Herrschaft unterwirft.

Postattrappen

Das vielschichtige Vorstellungskunstwerk „Kunst der Attrappe“ wirkt auch nach dem operativen Abschluss und Report durch Buch und Videos (Kunst der Attrappe 21 Videos) in mehrfacher Hinsicht nach. Gleich einer Negativform dient „Attrappe“ als Instrument der Umschreibung von Kunst. In Steiners Augen hat sich zeitgenössische Kunst gegenüber den herrschenden gesellschaftlichen Erzählungen in starke Abhängigkeiten und daraus resultierend in eine affirmative Darstellungsfunktion verfangen.

„Seit der Moderne wird von Kunst erwartet, wenngleich selten erfüllt, sich kritisch zu den bestimmenden gesellschaftlichen Kräften zu verhalten. Ob diese asketische Haltung tatsächlich eine Möglichkeit besitzt, ob sich Momente der Unabhängigkeit eröffnen, die unvermessbar der Einverleibung in das Allgemeine sich widersetzen, wollte ich sehen.“

Auszeichnungen

1983

Füger Preis

1987

Arbeitsstipendium für bildende Kunst der Stadt Wien

Preis für bildende Kunst des Landes Niederösterreich

2009

Studienaufenthalte in Süd- und Südostasien

Werke (Auswahl)

Not one more execution[1]

Gesetz und Verbrechen[1]

Architectural Drawings

Textbewegungsprotokoll

Art in Public Space / Handlungsanweisung

Pre-Prints

Postattrappen

Kunst der Attrappe Textinstallation

Ausstellungen, Installationen (Auswahl)

1986 - 1990

1986

Geist und Form, Wien/AT

Neue Wege des Plastischen in Österreich, Galerie Maerz, Linz/AT

Eremitage, Installation in den Privaträumen L. Waideckers, Steyr/AT

1987

Jeune Peinture, Grand Palais, Paris/FR

1988

Auf Papier, Galerie Lang, Wien/AT

Balanceakte 88, Internationale Kunst aus Niederösterreich, Frauenbad, Baden bei Wien/AT

1989

Herwig Steiner, Galerie Ariadne, Wien/AT

Herwig Steiner, Akademie der bildenden Künste Wien, Theseus-Tempel, Wien

60 Tage, Österreichisches Museum des 21sten Jahrhunderts (kuratiert von Oswald Oberhuber);[2] Wien/AT

1989–1990

In Context, Wanderausstellung

  • National Museum, Beograd/SRB
  • National Museum, Ljubljana/SLO
  • Museum of Fine Art, Skjope/MK
  • U Hybernu Art Center, Praha/CZ
  • Pawilon Wystawowy Biura Wystaw Artystycznych Art Centre, Krakow/PL
  • National Gallery, Bratislava/SK
  • Kunstverein Erfurth/DE
  • Dum Umeni Art Centre, Brno/CZ
  • Galerie Altnöder, Salzburg/AT

Tamas Hencze und Herwig Steiner, Fészek Galeria, Budapest/HU  

1991 - 1999

1991

Theatre of Fading Ideas, Niederösterreichisches Landesmuseum/Blaugelbe Galerie, Wien/A        H. Pfeiffle      W. Zinggl

Zeitgenössische Kunst aus der Sammlung der Stadt Wien, Rathaus Wien/AT

1992

Surface Radicale, Grand Palais, Paris/FR

Individual Positions – Young Austrian Artists (kuratiert von Lóránd Hegyi), Convention Art Center, Los Angeles/USA

1993

Herwig Steiner, Sighart House, Palm Springs/ Palm Desert/USA

Radical Surface, Hochschule für angewandte Kunst Wien,[3] Heiligenkreuzerhof, Wien/AT  

Galerie Piltzer, Paris/FR

Konfrontationen, Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Museum des 20. Jahrhunderts, Wien/AT      L. Hegyi      MUMOK

Herwig Steiner, Galerie an der Brücke, Spitalskirche, Lienz  

Ideas Imagenes Identidades, Centre culural Tecla sala, Hospitalet/Barcelona

1994

Fet a Europa, Art International dels 90, Centrecultural d’Alcoi/ES

Herwig Steiner, Colorstudies, Espai Pascual Lucas, Arte Contemporaneo, Valencia/ES      K. Sotriffer

1996

Henninger-Haus, Seefeld/München/DE

Attitudes, beurs voor jonge Kunst, Knokke/BE

Art/Mediaintervention/Text-Artwork-Multiple(s)

Edition, Real Art/Cimal, Valencia/ES

Aspect-Color, Galerie Insitu, Aalst/B      K. Sotriffer

A Pascual Lucas, Espai Lucas, Valencia/ES

1997

Hedendaagse Kunst uit Oostenrijk, Cultureel Centrum de Werf, Aalst/BE

Henninger-Haus, Seefeld/München/D

Posiciones del Arte Austriaco Actual, Sala Parpallo, Valencia/ES

1998

Attrappen, In Situ Gallery, Aalst/BE

Montrouge – Vienne, Art contemporain, Paris/FR

Prix de Peinture, Montrouge/Paris/FR

Des Eisbergs Spitze, Museum auf Abruf, Kunsthalle Wien, Wien/AT

Henninger-Haus, Seefeld/München/DE

1999

Links, Schilderkunst in extremis, Art-Centre Sittard, Provinciehuis Maastricht/NL

Henninger-Haus, Seefeld/München/DE

seit 2000

2000

Pre-prints, Royal Nepal Academy,

Bhanubhakta Hall, Kathmandu/NEP

Positions of recent Austrian painting, Academy of Fine Arts, Calcutta/IND;       S. Dasgupta       M. Sanyal

Royal Nepal Academy, NAFA Hall, Kathmandu/NEP     R. Bilek

Fünf Farbstrukturen, Kunst im öffentlichen Raum,[4] Sammlung des NÖ Landesmuseums, Neues Amtsgebäude Bezirkshauptmannschaft, Wiener Neustadt/AT 

Notes, zwei Textarbeiten, Kunst im öffentlichen Raum/Sammlung des NÖ Landesmuseum, Lesesaal, NÖ Landesarchiv St. Pölten/AT

Sammlung der Artothek Collection of the Ministery of Art, Kameliterhof, St. Pölten/AT

2001

Pre-Prints, Kunsthalle.tmp Steyr/A

Sophokles, Ödipus, Naso meet Münchhausen, Fassadengroßleuchtbild, Wien/AT         V. Gasser       T. Rottenberg

Herwig Steiner, Paradise, Academy of Fine Arts, New Delhi/IND

2002

Textfields/Battlefields Discourses – Yugoslavia, Muzej Istorije Jugoslavije, Beograd/SRB; Audio: C. Wehrschütz, H. Steiner   

2003

Attack!, Kunst und Krieg im Zeitalter der Medien [5], Kunsthalle Wien, Wien/AT  

"Gesetz und Verbrechen", 2005, Hybride Glasinstallation in der Rechtsanwaltskanzlei Manak & Partner, 1010 Wien, Stephansplatz 6.

2004

Home With No Walls, World Social Forum 2004, Mumbai/IND

Propaganda Series, floor installation,[6] Visual Arts Gallery, India Habitat Centre, New Delhi/IND

Handlungsanweisungen, Kunst im öffentlichen Raum, Kunsthalle Wien, Karlplatz Wien, Wien/AT

Verstanden – Missverstanden, Stellungnahmen von Künstlern, Karmeliterhof, St. Pölten/ AT

2005/06

Gesetz und Verbrechen,[1] Permanente Installation, Stephansplatz 6, Wien

In den Jahren 2003/2004 wurde Steiner beauftragt, funktionelle Glaswände für eine Anwaltskanzlei künstlerisch zu gestalten, die den Büroalltag mit der „Pathologie des Rechts“ kritisch verbinden.

Die 322,2 x 434,1 cm große Glasinstallation "Gesetz und Verbrechen" bezieht in direkter Weise gegen den Antisemitismus Stellung und erinnert an die Verbrechen der NS - Justiz. Eine mit moderner Glasdrucktechnik hergestellte digitale Malerei nimmt bewusst den benachbarten Stephansdom als historisches Zentrum Wiens in den Blick. Die Installation ist in ihrer Semitransparenz jene Membran, die zwischen Textauszügen aus den „Nürnberger Rassegesetzen“ (samt nachgeschalteter Rechts-Verordnungen) und dem gegenwärtigen Arbeitsleben einer Anwaltskanzlei vermittelt. Die in technokratische Rechtssprache gegossenen NS-Verbrechen konfrontieren als historische Fakten das Flüchtige unseres Alltags. Eine in der Glaswand integrierte Doppeltür eröffnet aus dem Wartebereich das Empfangspult der Kanzlei.

Not one more execution!,[1] Permanente Installation, Stephansplatz 6, Wien

Das zweite, noch wesentlich umfangreichere Kunstwerk, (321,0 x 155,5 + 325,4 x 1136,05 + 325,4 x 170,4 cm) mit dem Titel "Not one more execution!" befasst sich mit der Rechtspraxis der Todesstrafe in den USA. Amerikanische Grassroot-Untersuchungen haben akribisch viele Einzelfälle von (höchstwahrscheinlich) unschuldig hingerichteten Menschen (meist Schwarzafrikaner) untersucht und die Fakten und den Ablauf der Gerichtsverfahren beschrieben. Steiner hat acht typische Schicksale für sein monumentales Werk ausgewählt. Durch die U-förmige Anordnung der Glaswände entstand ein spektakulärer Farbraum, der mit fünf Türen fünf Büros erschließt.

Derzeit sind diese Werke noch an Ort und Stelle.  Nach mehr als 16 Jahren hat der Hauseigentümer, das katholische Domkapitel zu St. Stephan, seine Absicht mitgeteilt, den Mietvertrag mit der Anwaltskanzlei zu beenden und das Büro einer neuen Nutzung zuzuführen. Die Kunstwerke werden dann weichen müssen, ihre Zukunft ist - nicht zuletzt wegen des Mediums Glas - höchst gefährdet.

"Not one more Execution!" Hybride Glasinstallation in der Rechtsanwaltskanzlei Manak & Partner, 1010 Wien, Stephansplatz 6.


2008

Herwig Steiner, Ehem. Residenzpost, München/ DE  

”Dem Bild die Gedärme herausreißen”, FORUM FROHNER/ Kunsthalle Krems, Krems/ AT

Pictorial Space, Cultural Forum, Belgrade/ SRB,

Elektraren Tatranskje Galerie Poprad / SK

2009

Varosi Muveszeti Museum, Györ/ HU,

2018

Kunst der Attrappe, Textinstallation, Stephansplatz 6, Wien/AT [7]      

2021

Kunst der Attrappe: 21 Videos / Scenery Drawings, Projektraum MAG3 / Wien/AT

Literatur

Herwig Steiner, Gesetz und Verbrechen, Andreas Manak (Hrsg), Passagenverlag, Wien 2006 [8]

Kunst der Attrappe, Herwig Steiner (1956L), Aufführungen der Gewissheit. Kunst wie Sammeln kostbarer Ansichten, Passagenverlag, Wien 2019 [9]

Website von Herwig Steiner L1956

Einzelnachweise

  1. a b c d oe1.orf.at: Avantgarde am Arbeitsplatz. Abgerufen am 9. Oktober 2022.
  2. W. Skreiner: Der manifeste Widerstreit. In: www.herwig-steiner1956l.at. Herwig Steiner, 1989, abgerufen am 9. Oktober 2022.
  3. Herwig Steiner: . In: https://www.herwig-steiner1956l.at/. Herwig Steiner, 1993, abgerufen am 9. Oktober 2022.
  4. Herwig Steiner: Fünf Farbstrukturen. In: www.herwig-steiner1956l.a. Herwig Steiner, 2000, abgerufen am 9. Oktober 2022.
  5. Sabine Schaschl: Bedeutungsströme im Fluß der Zeit. In: Heft 38, Wien 2002. EIKON, 2002, abgerufen am 9. Oktober 2022.
  6. K. Kannan: A walk through discourses. In: The Hindu. The Hindu, 2004, abgerufen am 9. Oktober 2022 (englisch).
  7. 06 06 2018 um 12:30 von Johanna Hofleitner: Schauplätze: „Herwig Steiner (1956 L)“. 6. Juni 2018, abgerufen am 9. Oktober 2022.
  8. Andreas Manak et al: Herwig Steiner, Gesetz und Verbrechen. Hrsg.: Andreas Manak. Passagen Verlag, Wien 2006, ISBN 3-85165-771-3.
  9. Herwig Steiner: Kunst der Attrappe. Hrsg.: Andreas Manak, Friedrich J. Reif-Breitwieser. Passagen Verlag, Wien 2019, ISBN 978-3-7092-0374-3.