Chikungunyafieber
ICD-10-Code Chikungunya-Fieber | ||
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Chikungunya-Fieber ist eine durch Viren ausgelöste, mit Fieber und Gelenkbeschwerden einhergehende Tropenkrankheit. Chikungunya heißt der gekrümmt Gehende und ist ursprünglich Makonde. Im Deutschen wird die Krankheit auch „Gebeugter Mann“ genannt. Es besteht Labormeldepflicht gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG). Eine ärztliche Meldepflicht besteht nur dann, wenn das klinische Bild eines hämorrhagischen Fiebers erfüllt ist.[1] Dies ist beim Chikungunya-Fieber im Gegensatz zu einigen anderen tropischen Viruserkrankungen nur selten der Fall.
Erreger
Chikungunya-Virus | ||||||||||
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Vorlage:Taxonomy | ||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||
Chikungunya | ||||||||||
Ross 1953 |
Diese Erkrankung wird durch das Chikungunya-Virus (CHIKV) ausgelöst. Das krankheitsverursachende Virus ist ein behülltes Einzel(+)-Strang-RNA-Virus [ss(+)RNA] und gehört zur Gattung Alphavirus aus der Familie der Togaviridae. Außerdem gehört das Virus zur Gruppe der Arboviren, wird also durch den Stich von Gliederfüßern übertragen. Die Entdeckung des Erregers wird auf das Jahr 1953 datiert. Das Virion hat einen Durchmesser von etwa 60 nm und gehört damit zu den kleineren Viren. Es ist empfindlich gegenüber Hitze (über 58 °C), Austrocknung, Seife und Desinfektionsmitteln[2]. Das klinische Krankheitsbild und die möglichen Übertragungszyklen (Mensch-Mensch = urbaner Zyklus bzw. Tier-Mensch = sylvatischer Zyklus) ähneln teilweise dem Dengue-Fieber bzw. Gelbfieber. Das Chikungunya-Virus ist eng mit dem das O'nyong-nyong-Fieber verursachenden O'nyong'nyong-Virus verwandt[3]. Als Reservoirwirte sind bislang Affen und Nagetiere festgestellt worden[1].
Entsprechend der unterschiedlichen geographischen Verbreitung des Virus (siehe auch unter Vorkommen) wird das Virus heute in fünf verschiedene Varianten eingeteilt, die sich genetisch unterscheiden: eine westafrikanische, eine zentralafrikanische, eine ost- und südafrikanische, eine des Indischen Ozeans sowie eine asiatische[4].
In den vergangenen fünf Jahren wurde das Genom mehrerer Varianten des Chikungunya-Virus vollständig sequenziert und vergleichend analysiert. Es hat eine Länge von etwa 11.700 Basen (1,2×104) und enthält zwei Gene, das des aus 2.474 Aminosäuren bestehenden Nichtstruktur-Polyproteins und das des aus 1.248 Aminosäuren bestehenden Struktur-Polyproteins. Beide Proteine sind Vorläufer und werden nach ihrer Synthese in mehrere Einzelproteine gespalten. Aus dem Nichtstruktur-Polyprotein entstehen die Einzelproteine nsP1 bis nsP4, aus dem Struktur-Polyprotein die Einzelproteine C (Strukturprotein des Viruscapsids), E1 bis E3 (Struktur-Glykoproteine der Virushülle) und 6K. Das Protein nsP4 übernimmt vermutlich die Funktion einer RNA-Polymerase und dient somit der Vermehrung des Virusgenoms[5].
Vorkommen
Das Chikungunya-Fieber ist erstmals 1952 in Tansania beschrieben geworden. Später ist dieses Fieber sowohl in Westafrika wie auch in Indien, Südostasien und auf den Philippinen ausgebrochen. Die Bevölkerung in diesen Regionen hat sich jedoch als weitgehend immun gegen diesen Krankheitserreger erwiesen. Dies spricht dafür, dass die Krankheit in diesen Gebieten auch schon vor der ersten Beschreibung endemisch war. Mittlerweile hat sich das Chikungunya-Fieber überwiegend zusammen mit der Asiatischen Tigermücke Aedes albopictus auf weite Teile des südlichen Afrikas und Südostasiens ausgebreitet. Seit etwa zehn Jahren sind auch Inseln im Pazifik und im Indischen Ozean betroffen. Im letzten Gebiet des Auftretens auf den Inseln vor Ostafrika fehlt den dortigen Bewohnern und den Urlaubern aus Europa eine Immunität. Außerdem besteht in den letzten Jahren die Tendenz, dass sich die afrikanischen Varianten in Richtung Asien ausbreiten[6].
Ein gehäuftes Vorkommen des Chikungunya-Fiebers wird zur Zeit insbesondere aus folgenden Ländern bzw. Gebieten berichtet: Gambia, Guinea, Indien, Indonesien, Kambodscha, La Réunion, Madagaskar, Malaysia, Mauritius, Mayotte, Myanmar, Philippinen, Senegal, Seychellen, Sri Lanka, Tansania und Thailand[7],[8].
Zur Zeit besonders bemerkenswert sind die Ausbrüche auf der französischen Insel La Réunion seit Dezember 2005 (bisher ca. 260.000 Fälle, siehe auch unten unter Geschichte) und in Indien seit Februar 2006 (bisher ca. 1,25 Millionen Fälle)[9].
In Europa ist das Chikungunya-Fieber bisher nur als importierte Erkrankung bei rückkehrenden Tropenreisenden diagnostiziert worden (Ausnahme ist ein gesicherte Fall in Frankreich, in dem die Krankheit von einer akut erkrankten Tropenrückkehrerin - vermutlich durch Kontakt mit deren Blut - auf eine Krankenschwester übertragen wurde). Allerdings hat sich die Mückenart Aedes albopictus auch im südlichen Europa bereits relativ weit verbreitet, so dass theoretisch - zumindest im Sommer - die Möglichkeit von Epidemien auch in Europa gegeben ist. Experten schätzen das Risiko dafür zur Zeit als begrenzt ein, eine genaue Analyse ist allerdings anhand der momentanen Datenlage noch nicht möglich[10].
Übertragung

Das Chikungunya-Fieber kann nach Expertenmeinung theoretisch durch den Stich verschiedener Stechmücken der Gattungen Malariamücken (Anopheles), Aedes, Culex und Mansonia übertragen werden. Bislang sind als eindeutige Überträger (Vektor) Aedes aegypti und die ursprünglich aus Ostasien stammende Asiatische Tigermücke Aedes albopictus (seit neuerem auch Stegomyia albopicta) nachgewiesen[6],[11]. Auch diese nur etwa fünf Millimeter große, schwarz-weiß gestreifte und sehr aggressive Mücke, die am Tage sticht und dies teilweise sogar durch die Kleidung hindurch, hat sich weltweit ausgebreitet und überträgt neben dem Chikungunya-Fieber auch noch das Dengue-Fieber, Gelbfieber, West-Nil-Fieber und weitere Krankheiten. Diese Mückenart kommt mittlerweile (überwiegend in den heißen Sommermonaten) auch in Südeuropa vor, doch sind hier bislang noch keine mit dem Chikungunya-Virus infizierten Exemplare festgestellt worden.
Das Chikungunya-Fieber wird üblicherweise nicht direkt von Mensch zu Mensch weitergegeben, es sind jedoch bewiesene Einzelfälle berichtet worden[4]. Außerdem wurde die Übertragung von erkrankten schwangeren Frauen auf ihre ungeborenen Kindern nachgewiesen[12].
Siehe auch: Stechmücken, Blut saugende Insekten
Krankheitsverlauf und Symptome
Nach einer kurzen Inkubationszeit von in der Regel drei bis sieben (Maximalbereich zwei bis zwölf[13]) Tagen entwickeln die Betroffenen in der Regel rasch ansteigendes und hohes Fieber mit schweren Gelenkschmerzen mit hoher Berührungsempfindlichkeit, so dass sie sich kaum noch aufrecht halten können. Die Gelenkbeschwerden treten dabei meist in beiden Körperhälften auf[7]. Andere häufige Symptome sind:
- Muskel- bzw. Gliederschmerzen (70-99 % der Fälle[8])
- Lymphknotenschwellungen[8]
- Hautausschlag (etwa 50 % der Fälle, meist makulopapulös mit eingestreuten Inseln normaler Haut, nicht bis mäßig juckend[8],[11])
- punktförmige Hautblutungen (Petechien)
- leichtere Formen von Schleimhautblutungen, z. B. aus der Nase oder am Zahnfleisch (ca. 25 % der Fälle[8])
- Kopfschmerzen
- Erschöpfung ("Fatigue")
- Augenentzündungen (meist als Injektion der Bindehäute erkennbar)
Normalerweise klingt die Erkrankung nach etwa zwei Wochen von selbst wieder ab und es bleiben keine Schäden zurück. Nach überstandener Krankheit kommt es zu lebenslanger Immunität. Auch asymptomatische Verläufe, bei denen die Infizierten keinerlei Beschwerden bemerken, sind möglich.
Komplikationen
Die oben geschilderten Symptome können gelegentlich wiederkehren oder bis zu mehreren Monaten (in seltenen Fälle auch Jahren) anhalten. Insbesondere lang andauernde Gelenkbeschwerden wurden in etwa 5-10 % der Fälle beschrieben[7]. Weiterhin können durch die Erkrankung gelegentlich eine fulminante Hepatitis, starke neurologische Störungen, Hirnhautentzündungen oder sogar Gehirnschäden verursacht werden. Auf La Réunion kam es durch diese Erkrankung sogar zu mehreren Todesfällen (siehe unten). Im Gegensatz zu anderen Viren, die ähnliche Tropenkrankheiten verursachen können, ist aber bei Chikungunya die Verlaufsform eines hämorrhagischen Fiebers sehr selten.
Diagnose
Ein charakteristisches klinisches Zeichen ist die starke Druckschmerzhaftigkeit eines oder beider Handgelenke[4]. In den routinemäßigen Laboruntersuchungen findet man unspezifische Veränderungen wie eine Verringerung der Lymphozytenzahl (Lymphopenie), der Thrombozytenzahl (Thrombozytopenie), der roten Blutkörperchen (Anämie) und Erhöhung verschiedener Enzyme im Serum (vor allem LDH, ASAT, ALAT und CK). Das C-reaktive Protein (CRP) ist meist nur leicht erhöht. IgM-Antikörper sind in den meisten Fällen bereits wenige Tage nach Krankheitsbeginn vorhanden, häufig auch IgG-Antikörper. Zu deren Nachweis stehen verschiedenene serologische Methoden wie ELISA, Immunfluoreszenz-, Neutralisations- und Hämagglutinationshemmtests zur Verfügung[1]. In den ersten Tagen der Erkrankung kann die Virus-RNA auch direkt im Blut durch RT-PCR oder Virusanzucht in der Zellkultur nachgewiesen werden. In Frankreich wird daher folgende diagnostische Vorgehensweise empfohlen: Wenn ein Patient sich fünf Tage nach Symptombeginn oder später in einer medizinischen Einrichtung vorstellt, sollte eine serologische Untersuchung durchgeführt werden, davor eine RT-PCR[12].
Differenzialdiagnose
Insbesondere die Unterscheidung vom Dengue-Fieber kann Probleme bereiten, da sich die geographische Ausbreitung beider Erkrankungen stark überschneidet und beide Krankheiten sich anhand der Symptome nicht eindeutig unterscheiden lassen[11]. Ähnliche Beschwerden wie das Chikungunya-Fieber kann auch das seltenere O'nyong-nyong-Fieber verursachen.
Bei der Verlaufsform mit länger bestehenden Beschwerden in Gelenken des Handbereichs kann die Erkrankung als rheumatoide Arthritis fehlgedeutet werden.
Therapie
Bisher gibt es kein wirksames Medikament zur Behandlung dieser Erkrankung. Das verursachende Virus ist zwar seit etwa 50 Jahren bekannt, doch da dieses und das von ihm ausgelöste Chikungunya-Fieber bisher fast ausschließlich in Entwicklungsländern vorkamen, wurde kaum nach möglichen Medikamenten geforscht.
Es ist lediglich eine Symptomminderung möglich, bei der vor allem zur Schmerzbekämpfung Paracetamol gegeben werden kann. Die teilweise schweren Gelenkschmerzen können auch die Gabe von nichtsteroidalen Antirheumatika erforderlich machen. Die Gabe von Acetylsalicylsäure sollte unbedingt vermieden werden, da dieser Wirkstoff die Funktion der Blutplättchen irreversibel beeinträchtigt und im Rahmen der Erkrankung ein Mangel an Blutplättchen sowie (selten) ein hämorrhagischer Verlauf mit schweren Blutungen vorkommen.
Vorbeugung
Es existiert bislang kein Impfstoff zur Vorbeugung gegen diese Erkrankung.
Einzig wirksame vorbeugende Gegenmaßnahmen sind die Bekämpfung der Mücken, geschlossene Kleidung, Mückenspray und Moskitonetze. Die Mückenbekämpfung in tropischen Regionen ist schwierig, da diese Insekten besonders zur Regenzeit dort auftreten, wo eine chemische Bekämpfung kaum möglich ist, ohne die Fauna nachhaltig zu schädigen. Im häuslichen Bereich ist eine Vorbeugung möglich, indem stehende Wasseransammlungen vermieden werden[14]. Dies erschwert den Überträgermücken die Vermehrung.
Geschichte
Die Krankheit wurde das erste Mal im Jahre 1952 in Tansania und Uganda beschrieben. Im darauf folgenden Jahr wurde das verursachende Virus entdeckt und in beiden Ländern in Zellkulturen isoliert.
Der erste dokumentierte Ausbruch in Asien wurde 1958 in Thailand verzeichnet.
Im Jahre 1999 gab es eine Chikungunya-Epidemie in der Demokratischen Republik Kongo mit rund 50.000 Betroffenen.
In den Jahren 2001 bis 2003 war die indonesische Insel Java von einer Epidemie betroffen, nachdem die Krankheit dort 20 Jahre lang nicht epidemisch aufgetreten war.
Epidemie auf La Réunion 2005
Seit Dezember 2005 grassiert auf der französischen Insel La Réunion eine schwere Chikungunya-Epidemie. Es sind dort nach Angaben der Behörden bislang 266.000 Personen und damit etwa ein Drittel der Bevölkerung infiziert, bei 249 Todesfällen zwischen Januar und Oktober 2006 wurde das Chikungunya-Fieber als Ursache vermutet[15]. Von den vermuteten Todesfällen waren überwiegend ältere Menschen (über 70 Jahre) betroffen.
Dies wird dadurch begünstigt, dass das Virus dort bislang unbekannt war und die Bevölkerung keine Immunität besitzt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Epidemie auf die vom Tourismus abhängige Insel können schwerwiegend sein.
In Mauritius waren im Jahre 2005 3.500 Personen betroffen. Es gab auch Fälle auf der Komoreninsel Mayotte, in Madagaskar und auf den Seychellen.
In Deutschland wurden bereits Patienten ärztlich behandelt, die sich zuvor im Urlaub in einer entsprechenden Region infiziert hatten. Die Erkrankung kann in Deutschland allerdings nicht weiterverbreitet werden, da die Überträgermücken hierzulande zur Zeit noch nicht vorkommen und das Chikungunya-Fieber - wie oben schon erwähnt - in der Regel nicht direkt von Mensch zu Mensch weitergegeben wird.
Quellen
- ↑ a b c Robert-Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin Nr. 10, 10. März 2006 [1]
- ↑ Public Health Agency of Canada: Material Safety Data Sheet - Chikungunya virus (engl.) [2]
- ↑ Dana L. Vanlandingham et al.: Differential infectivities of o'nyong-nyong and chikungunya virus isolates in Anopheles gambiae and Aedes aegypti mosquitoes.. In: Am J Trop Med Hyg. Bd. 72, Nr. 5, 2005, S. 616-621, ISSN 0002-9637 (PDF; 188 kB).
- ↑ a b c Philippe Parola et al.: Novel Chikungunya Virus Variant in Travelers Returning from Indian Ocean Islands.. In: Emerging Infectious Diseases. Bd. 12, Nr. 10, 2006, S. 1493-1499, ISSN 1080-6040 (PDF; 363 kB).
- ↑ Isabelle Schuffenecker et al.: Genome Microevolution of Chikungunya Viruses Causing the Indian Ocean Outbreak.. In: PLoS Medicine. Bd. 3, Nr. 7, 2006, S. 1058-1070, ISSN 1549-1277 (PDF; 332 kB).
- ↑ a b Prasanna N. Yergolkar et al.: Chikungunya Outbreaks Caused by African Genotype, India.. In: Emerging Infectious Diseases. Bd. 12, Nr. 10, 2006, S. 1580-1583, ISSN 1080-6040 (PDF; 178 kB).
- ↑ a b c Robert-Koch-Institut (Hrsg.): Steckbriefe seltener und importierter Infektionskrankheiten, Berlin 2006, ISBN 3-89606-095-3 [3]
Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „RKI-Steckbriefe“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ a b c d e Dokumentation des Institut Pasteur, Paris 2006 (frz.) [4]
- ↑ Epidemic and Pandemic Alert und Response der WHO vom 17. Oktober 2006 (engl.) [5]
- ↑ ECDC Meeting Report vom 30. März 2006 (engl.) PDF; 252 kB
- ↑ a b c Patrick Hochedez et al.: Chikungunya Infection in Travelers. In: Emerging Infectious Diseases. Bd. 12, Nr. 10, 2006, S. 1565-1567, ISSN 1080-6040 (PDF; 128 kB).
- ↑ a b Zusammenfassung des Institut de veille sanitaire (frz.) [6]
- ↑ CDC Fact Sheet: Chikungunya Fever (engl.) [7]
- ↑ Zusammenfassung des WHO Regional Office for South-East Asia (engl.) [8]
- ↑ Presseerklärung des Institut de veille sanitaire vom 20. Oktober 2006 (frz.) [9]