Ober-Abchasien
Ober-Abchasien (georgisch ზემო აფხაზეთი, Semo Abchaseti; abchasisch Аҧсны хыхьтəи, Apsny khykh'twi) ist der politische Name für das obere Kodori-Tal in der Autonomen Republik Abchasien in Georgien. Es wird nicht von der sezessionistischen Regierung in Sochumi, sondern von der georgischen Zentralregierung in Tiflis kontrolliert. Die Bezirks-Hauptstadt ist Tschchalta.
Geografie
Der Bezirk wird im Norden von Russland, im Osten von der georgischen Region Samegrelo-Semo Swanetien begrenzt. Er umfasst etwa 30 Prozent Abchasiens und besteht aus der oberen Kodori-Schlucht, der Tschchalta-Gebirgskette und dem Maruchi-Pass. Das Gebiet wird von rund 1.956 Menschen (Stand 2002), vor allem Georgiern von der Bevölkerungsgruppe der Swanen, bewohnt. Wegen seiner Lage an der Sochumer Heerstraße nur 20 Kilometer von der abchasischen Hauptstadt entfernt, ist es von militärisch-strategischer Bedeutung.
Geschichte
Das obere Kodori-Tal gehörte zunächst zum abchasischen Bezirk Gulripschi. Im abchasischen Waffenstillstandsvertrag vom 14. Mai 1994 wurde es der georgischen Regierung in Tiflis zugeordnet und von einem Gesandten des georgischen Präsidenten kontrolliert.
Der von Präsident Eduard Schewardnadse bestellte Gesandte Emsar Kwitsiani entwickelte sich während der 1990er Jahre zu einem Kriegsherren, der seine Macht entgegen dem Waffenstillstandsvertrag durch eine 200-köpfigen Freischäler-Einheit Monadire (dt. Jäger) befestigte. Die United Nations Observer Mission in Georgien (UNOMIG), die über die Entmilitarisierung wachen sollte, hatte das mehrfach kritisiert. Als Revanche wurden am 5. Juni 2003 mehrere UNO-Beobachter im oberen Teil des Kodori-Tals entführt. UNOMIG stellte seine Kontrolltätigkeit danach ein.
Nach der Rosenrevolution wurde Kwitsiani seines Amtes entbunden. Seine Freischärler sollten entwaffnet werden. Weil er sich weigerte, den Anordnungen aus Tiflis zu folgen, kam es am 25. und 26. Juli 2006 zu einer Polizeiaktion im Kodori-Tal, bei der Kwitsiani und seine paramilitärische Einheit vertrieben wurden.
Sitz der abchasischen Exilregierung
Georgiens Präsident Michail Saakaschwili taufte den Bezirk am 27. September 2006 auf den Namen Ober-Abchasien und verlegte am gleichen Tag die von den Sezessionisten 1993 aus Sochumi nach Tiflis vertriebenene abchasische Exilregierung in die Bezirkshauptstadt Tschchalta. Sie untersteht der georgischen Regierung. Angehörige diplomatischer Missionen in Georgien, die die sezessionistische Regierung in Sochumi besuchen wollen, müssen künftig zuvor der Exilregierung in Tschchalta eine Visite abstatten.
Ober-Abchasien ist bereits am 2. September 2006 ein neuer georgischer Wahlkreis geworden. Er trägt die Nummer 86. Die Regierung in Tiflis hat angekündigt, die ober-abchasischen Infrastruktur durch neue Schulen, Krankenhäuser und Polizeiwachen auszubauen.
UN-Forderungen
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat Georgien am 13. Oktober 2006 in der Resolution 1716 aufgefordert, seine Polizeitruppen aus dem Bezirk abzuziehen. Die georgische Regierung hat das jedoch abgelehnt.