Herbstsonate
Film | |
Titel | Herbstsonate |
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Originaltitel | Höstsonaten |
Produktionsland | Frankreich, Westdeutschland und Schweden |
Originalsprache | schwedisch und englisch |
Erscheinungsjahre | 1978 |
Länge | 99 Minuten |
Stab | |
Regie | Ingmar Bergman |
Drehbuch | Ingmar Bergman |
Produktion | Richard Brick |
Musik | Johann Sebastian Bach, Frédéric Chopin, Georg Friedrich Händel und Robert Schumann |
Kamera | Sven Nykvist |
Schnitt | Sylvia Ingemarsson |
Besetzung | |
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Herbsonate ist ein Film des schwedischen Regisseurs Ingmar Bergman aus dem Jahr 1978. Das Drama basiert auf einem Original-Drehbuch Bergmans und wurde u. a. von den Filmstudios Filmédis, Incorporated Television Company (ITC) und Personafilm produziert.
Handlung
Charlotte Andergast, eine weltberühmte Konzertpianistin, besucht an einem Herbstwochenende ihre Tochter Eva in Norwegen. Beide sind sich das letzte Mal vor sieben Jahren begegnet. Eva führt, im Gegensatz zu ihrer Mutter, ein bescheidenes Leben auf dem Land. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Viktor, dem Pfarrer der hiesigen Kirchengemeinde, führt sie eine zarte jedoch lieblose Ehe. Gleichzeitig hat Eva die Pflege ihrer todkranken Schwester Helena übernommen, die Charlotte vor Jahren in eine teure Privatklinik hatte unterbringen lassen. Ohne das Wissen ihrer Mutter hat Eva ihre Schwester, die unfähig ist zu sprechen, zu sich nach Hause geholt. Eva die gerne kleine philosophische Traktate verfasst und ihre Gefühle unterdrückt, hofft durch Charlottes Besuch auf eine engere Bindung zu ihrer Mutter. Auch die eigensüchtige Charlotte, deren langjähriger Freund Leonardo vor kurzer Zeit verstarb, ist begierig darauf, die Beziehung zu ihrer Tochter wieder aufleben zu lassen.
Das Zusammentreffen beginnt fröhlich und heiter, doch dann ziehen erste düstere Schatten auf. Am ersten Abend möchte Eva ihrer Mutter mit einer speziellen Interpretation einer Klaviersonate von Frédéric Chopin beeindrucken. Sie ist nervös und hat Angst, den hohen Ansprüchen ihrer Mutter nicht gewachsen zu werden. Tatsächlich scheitert Eva. Charlotte kritisiert das Klavierspiel der Tochter und demonstriert in herablassender Art und Weise, wie man das Stück richtig interpretiert. Die Situation spitzt sich zu, als Charlotte mit der Anwesenheit von Helena konfrontiert wird. Die Mutter hatte ihre spastisch gelähmte Tochter in der Klinik gewähnt, in die sie Helena vor Jahren eingewiesen hatte und reagiert ärgerlich. Eva hat jedoch ihre Schwester zu sich geholt, um ihr die Liebe und Pflege zukommen zu lassen, die sie braucht. Charlotte geht zu Bett, steht aber wenige Stunden später auf und trifft in der dunklen Küche auf Eva. Im nächtlichen Gespräch bei einer Flasche Wein, macht Eva ihre Mutter für das physische Leiden Helenas verantwortlich. Charlotte hatte sich die Jahre über auf ihre Musikkarriere konzentriert und war stets auf Konzertreisen. Weder Helena, noch ihr Vater, noch Eva bekamen die nötige Zuwendung die sie brauchten. Die Probleme blieben unangesprochen, so dass Eva von Kindheit an lernte, ihre Gefühle zu unterdrücken. Der fehlenden Mutterliebe gibt Eva die Schuld für ihre Unfähigkeit, eine liebende und vertrauensvolle Beziehung zu ihrem Ehemann zu führen.
Unter den Schuldsprüchen der Tochter bricht Charlotte zusammen. Sie eröffnet Eva, dass auch sie in ihrer Kindheit nie Liebe von ihrer Mutter empfangen hat. Charlotte bittet Eva sie von der Schuld zu befreien, die die Konzertpianistin schon seit Jahren in sich trägt. Charlottes Menschlichkeit findet sich nur in ihrem Klavierspiel wieder, nicht aber im realen Leben, wie Eva erkennen muss. Sie hat sich auf ihre eigene Art und Weise der Mutter genähert. Durch ihre kühle Art und ihre Beschuldigungen hat sie sich fest an ihrer Mutter gebunden und Eva hat das Gefühl, als sei die Nabelschnur niemals durchschnitten worden.
Die Heiterkeit die Charlotte noch am Anfang an den Tag gelegt hat, ist am Ende verschwunden. Sie verfällt einer Art Agonie und beendet vorzeitig den Besuch bei ihrer Tochter. Eva scheint gestärkt aus den Geschehnissen hervorzugehen. Hat sie noch am Anfang gehofft, zu ihrer Mutter zu finden, hat sie im Verlauf der Ereignisse zu sich selbst gefunden. Doch am nächsten Tag schreibt sie ihrer Mutter einen Brief, in dem sie das meiste von dem zurücknimmt, was sie Charlotte gesagt hat. Währenddessen bricht Charlotte auf der Zugfahrt zum nächsten Konzerttermin zusammen und lässt ihren Depressionen freien Lauf. Ein Freund von Charlotte wendet sich ihr zu und möchte ihr Trost spenden, doch die Hand der gefeierten Pianistin weicht zurück und entzieht sich instinktiv der menschlichen Geste.
Entstehungsgeschichte
Die erfolgreiche Schauspielerin Ingrid Bergman war sehr daran gelegen mit dem schwedischen Regisseur Ingmar Bergman zusammenzuarbeiten. Als die Schwedin 1973 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes den Posten der Jury-Präsidentin bekleidete und Ingmar Bergmans Schreie und Flüstern (1972) mit einem Preis ausgezeichnet wurde, soll sie dem Regisseur an sein Versprechen mit einem kleinen Stück Papier erinnert haben, dass sie heimlich in seine Tasche buchsierte. Bergman drehte noch vier Filme, ehe er sein Versprechen einlöste und das Skript Herbstsonate verfasste, das angeblich lose auf seiner eigenen Kindheit basiert. Als Ingrid Bergman das Drehbuch zugeschickt bekam, sagte sie sofort für den Part der Charlotte zu. Für die zweite weibliche Hauptrolle der Eva wurde die Schwedin Liv Ullmann verpflichtet. Für Ullmann war es bereits die neunte Zusammenarbeit mit dem Regisseur, den sie bei den Dreharbeiten zu Persona (1966) kennen gelernt hatte.
Die Dreharbeiten zu Herbstsonate entstanden vom 20. September bis 12. Oktober 1977 in den norwegischen Städten Oslo, Molde und Jar. Der schwedische Regisseur hatte sich zum damaligen Zeitpunkt ins Exil u. a. nach München (Deutschland) begeben, nachdem er in Schweden wegen Steuerhinterziehung angeklagt worden war. Er arbeitete bis 1981 nicht in seinem Heimatland.
Bei den Dreharbeiten zu Herbstsonate arbeitete Bergman wieder mit seinem langjährige Kameramann Sven Nykvist zusammen. Das kammerspielartige, in drei Akte aufgeteilte Drama spielt mit Ausnahme von wenigen Außenaufnahmen vollständig im Haus von Eva. Bergman benutze wie schon in Schreie und Flüstern (1972) thematische Farben, die den Film durchziehen, vor allem Herbstfarben, darunter ein blasses grün, Kürbisorange, gedämpfte Gelbtöne, sowie Erdtöne.
Die Rolle der Charlotte war die letzte große Filmrolle für Ingrid Bergman, die sich zum damaligen Zeitpunkt bereits ihrer Krebserkrankung bewusst war. Nach einer US-amerikanischen TV-Produktion über das Leben von Golda Meïr verstarb Bergman am 29. August 1982, an den Folgen einer Brustkrebs-Operation. Auch für Liv Ullmann war es die letzte Zusammenarbeit mit Ingmar Bergman, bis der im Jahre 2003 mit ihr Sarabande inszenierte, der an seinen Film Szenen einer Ehe (1973) anschließt.
Rezeption
Herbstsonate feierte seine Premiere in Schweden am 8. Oktober 1978, im gleichen Monat wie der US-Kinostart. In der BRD startete der Film am 19. Oktober 1978, in der DDR erst am 23. November 1979. Der Film erhielt positive bis gleichgültige Kritiken und wurde als "kleines Werk" eines großen Regisseurs bewertet. Hervorragende Kritiken dagegen erhielten Ingrid Bergman in ihrer letzten Kinorolle und Liv Ullmann. In Schweden spielte das Drama ca. 4,5 Mio. Schwedische Kronen ein. Regisseur Ingmar Bergman bedauerte später, dass ihm der Film zu realistisch geraten sei. Bergman hätte laut eigenem Bekunden lieber einige der mythologischen Symbole oder Effekte verwendet, die bereits zuvor in vielen seiner Filme auftauchen. Heute wird Herbstsonate neben Fanny und Alexander (1982) als beste Produktionen von Bergmans Spätwerk angesehen.
Kritiken
- "Meisterwerk von Ingmar Bergman um eine Mutter, die sich nach Jahren der Entfremdung und Karriere wieder ihren Töchtern annähern möchte." (DVD & Video Report)
- "Einer der besten Filme des schwedischen Meisterregisseurs, qualvoll ehrlich wie gewohnt, aber doch von jener versöhnlichen Qualität, die seine späteren Arbeiten auszeichnete." (VideoWoche)
- "Erforscht auf eine intelligente und ergreifenden Art die ambivalenten Gefühle einer Mutter-Tochter-Beziehung." (Spirituality & Health)
Anekdoten
- Laut Liv Ullmann, soll es während dem Dreh einer der finalen Szenen, in der Eva ihrer Mutter ihren Zorn gesteht, zu einem heftigen Streit zwischen Ingmar Bergman und Ingrid Bergman gekommen sein. Ursache war eine Meinungsverschiedenheit der beiden hinsichtlich der Figur der Mutter.
- In denen im Film enthaltenen Rückblenden agiert Linn Ullmann als junge Eva. Die 1966 geborene Tochter von Liv Ullmann und Ingmar Bergman, die bereits 1971 in Bergmans Drama Emigranten agierte, stand in Herbstsonate zum letzten Mal vor der Kamera ihres Vaters. Heute arbeitet sie als Schriftstellerin und Journalistin in Oslo (Norwegen).
- Im Film werden Stücke mehrerer klassischer Musikkomponisten verwendet, darunter die Prelude Nr. 2a von Frédéric Chopin (interpretiert von Käbi Laretei), Johann Sebastian Bachs Suite Nr. 4Eb (interpretiert von Claude Genetay) und die Sonate F-Dur, Opus 1 von Georg Friedrich Händel (interpretiert von Frans Brüggen, Gustav Leonhardt und Anner Bylsma).
- Der Film war nach seinem Erscheinen nur sporadisch auf VHS erhältlich, bis er in Deutschland am 6. September 2005 auf DVD erschien. Die US-amerikanische DVD-Version, die im Rahmen der Criterion Collection veröffentlicht wurde, beinhaltet ein Audio-Kommentar des Filmhistorikers Peter Cowie, das u. a. Hintergründe zu den Schauspielern, einer generellen Analyse der Bergman'schen Motive und eine Interpretation von Herbstsonate präsentiert.
- Wie auch in anderen Filmen taucht auch in Herbstsonate Ingmar Bergmans Lieblingsfarbe Scharlachrot auf. Ein Kleid von Ingrid Bergman, das sie als Charlotte während eines Abendessens trägt, weist die Farbe auf.
- Mitunter wurde die Rolle der Konzertpianistin Charlotte auf das Leben von Hauptdarstellerin Ingrid Bergman übertragen. Bergman hatte 1949 bei den Dreharbeiten zu Stromboli den italienischen Regisseur Roberto Rossellini kennen und lieben gelernt und verließ für diesen ihren ersten Ehemann Petter Lindström und das gemeinsame Kind. Nach diesem "Skandal" konnte sich Ingrid Bergman erst nach dem Scheitern der Ehe mit Rossellini im Jahre 1957 und dem Oscar-Gewinn mit Anastasia im selben Jahr, beim US-amerikanischen Publikum rehabilitieren.
- Der US-amerikanische Verleihtitel des Films lautet Autumn Sonata.
Auszeichnungen
Ingmar Bergmans Psychodrama wurde u. a. bei der Golden Globe-Verleihung im Jahre 1979 als beste ausländische Filmproduktion ausgezeichnet. Bei der Oscar-Verleihung im selben Jahr wurde Ingrid Bergman als beste Hauptdarstellerin und das Filmskript von Ingmar Bergman nominiert. Während Ingrid Bergman den möglichen vierten Darsteller-Oscar an Jane Fonda (Coming Home – Sie kehren heim) verlor, musste sich Ingmar Bergman ebenfalls dem Drehbuchautoren-Team des Vietnam-Dramas Coming Home – Sie kehren heim geschlagen geben. Ferner wurde Ingrid Bergman für ihre Rolle der gefühlskalten Mutter von der National Board of Review und New York Film Critics Circle ausgezeichnet. Liv Ullmann wurde gemeinsam mit Ingrid Bergman mit dem italienischen David di Donatello als beste ausländische Darstellerin geehrt.
Nominiert in den Kategorien
- Beste Hauptdarstellerin (Ingrid Bergman)
- Bestes Original-Drehbuch
- Bester ausländischer Film
- nominiert in der Kategorie Beste Hauptdarstellerin - Drama (Ingrid Bergman)
Weitere
- Bester europäischer Film
- nominiert als bester ausländischer Film
- Beste ausländische Darstellerin (Ingrid Bergman und Liv Ullmann)
Nationales Italienisches Syndikat der Filmjournalisten 1979
- Beste Regie für einen ausländischen Film
- Beste Regie (Ingmar Berman)
- Beste Hauptdarstellerin (Ingrid Bergman)
- Bester ausländischer Film
New York Film Critics Circle Awards 1978
- Beste Hauptdarstellerin (Ingrid Bergman)
Remake
Im Jahre 2003 drehte der indische Regisseur Khalid Mohamed ein Remake von Herbstsonate. Die Produktion namens Tehzeeb schildert die Geschichte einer indischen Sängerin die nach Jahren mit ihren beiden Töchtern Tehzeeb und Nazeen zusammentrifft. Das Drama in Hindi, mit Shabana Azmi, Urmila Matondkar und Diya Mirza in den Hauptrollen besetzt, wurde für mehrere indische Filmpreise nominiert, konnte jedoch nicht an den Erfolg von Herbstsonate heranreichen. Khalid Mohamed hat seinen Film Ingmar Bergman gewidmet.
Literatur
- Bergman, Ingmar: Herbstsonate. München : Heyne, 1980. - ISBN 3453012429
- Bergman, Ingmar: Höstsonaten. Stockholm : PAN/Norstedt, 1978. - ISBN 0671510053 (schwed. Ausgabe)