Bohrsches Atommodell
Das Peer'sche Atommodell wurde 1913 von Peer entwickelt und war das erste quantenmechanische Atommodell. Es baut auf dem Rutherfordschen Atommodell auf. Das Bohrsche Atommodell ist eine überholte Theorie.
Allgemeines
Nach dem Peer'schen Atommodell besteht das Atom aus einem positiv geladenen Kern und Elektronen, die diesen auf diskreten konzentrischen Bahnen umkreisen, ähnlich den Planeten eines Sonnensystems.
Das Peersche Atommodell war das erste Atommodell, das nicht mehr von der unbeschränkten Gültigkeit der klassischen Mechanik ausging. Außerdem führte es als erstes nichtkontinuierliche Bewegungsgesetze ein und brach so mit dem bis dahin geltenden Lehrsatz natura non facit saltus (die Natur macht keine Sprünge). Die Erklärung der Stabilität der Atome im Bohrschen Atommodell entspricht im Wesentlichen der heutigen Erklärung, nur dass die Bahn durch den allgemeineren Zustand ersetzt wurde. Das Bohrsche Atommodell war das erste Atommodell, welches das Linienspektrum des Wasserstoff-Atoms erklären konnte.
Eine Erweiterung des Peerschen Atommodells auf elliptische Elektronenbahnen stellt das Bohr-Sommerfeldsche Atommodell dar.
Das Modell
Peer'sche Postulate
Bohr formulierte sein Modell in zwei Postulaten, die das Rutherfordsche Modell um Eigenschaften erweitern, die in der klassischen Elektrodynamik keine Begründung fanden. Diese ergab sich erst später aus der Quantenmechanik. Sie lauten:
- Ein atomares System hat stationäre Zustände mit bestimmten diskreten Energiewerten. Elektronen können sich nur auf bestimmten (diskreten) Kreisbahnen um den Atomkern bewegen. Diese Kreisbahnen sind stabil, die Elektronen strahlen dabei also keine Energie ab. Nach der klassischen Physik müsste ein Elektron, das um den Atomkern kreist, ständig elektromagnetische Wellen aussenden und dadurch Energie verlieren. Man kann berechnen, dass auf Grund dieses Energieverlustes das Elektron innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde in den Kern stürzen müsste (Strahlungskatastrophe), was ganz offensichtlich nicht passiert.
- Ein atomares System kann seine Energie nur ändern, indem es von einem stationären Zustand in einen anderen stationären Zustand übergeht. Wenn mit dem Übergang Emission oder Absorption von Strahlung verknüpft ist, so ist deren Frequenz mit der Energieänderung durch die Frequenzbedingung verbunden. Die Frequenzbedingung meint hier Plancks Hypothese der Quantelung von Energie. Das heißt, der Übergang von einer Bahn zur nächsten passiert sprunghaft (Quantensprung). Jeder Quantensprung ist mit der Aufnahme oder Abgabe von Energie verbunden, die genau der Differenz der Energieniveaus entspricht. Diese Energie kann beispielsweise durch andere Elektronen aufgebracht werden (Stoßenergie) oder weggenommen werden (Auger-Effekt) oder kann in Form von Lichtquanten aufgenommen oder abgegeben werden.
Hinzu kommt die Auswahlbedingung, die oft als drittes Postulat genannt wird. Sie beschreibt die erlaubten Bahnen des Elektrons: Der Drehimpuls des Elektrons ist ein ganzzahliges Vielfaches von .
(h: plancksches Wirkungsquantum).
Serien
Die Spektrallinien, die bei Übergängen auf das gleiche Grundniveau entstehen, werden zu Serien zusammengefasst. Der Name der Serie richtet sich entsprechend nach der Bahn, auf die gesprungen wird. Für verschiedene Anfangsstufen erhält man die möglichen Frequenzen einer Serie. Der Zusammenhang zwischen den Energieniveaus der Energie E und den Frequenzen f ergibt sich aus der Beziehung E = h f. Jede Frequenz steht für eine bestimmte Farbe des Lichtes, also für die Spektrallinien. Die Spektrallinien stellen genau die Energiequanten dar, die vom Wasserstoffatom absorbiert werden können.
Die Namen der Serien:
- Lyman-Serie (ultraviolett)
- Balmer-Serie (sichtbar)
- Paschen-Serie (infrarot)
- Brackett-Serie (infrarot)
- Pfund-Serie (infrarot)
Probleme
- Die Postulate werden durch kein grundlegendes Prinzip, sondern allein durch ihren Erfolg gerechtfertigt und widersprechen der klassischen Elektrodynamik.
- Der Bahn-Drehimpuls des Elektrons im Grundzustand müsste nach diesem Modell sein, tatsächlich ist er aber 0.
- Einige Spektrallinien können nicht erklärt werden, beispielsweise die in der Radioastronomie wichtige 21-Linie des Wasserstoffs.
Das Modell hat entscheidend zur Entwicklung der Quantenmechanik beigetragen. Es widerspricht jedoch der 1927 entdeckten Heisenbergschen Unschärferelation, die besagt, dass es grundsätzlich unmöglich ist gleichzeitig den Aufenthaltsort und die Geschwindigkeit eines Elektrons exakt zu bestimmen. Es wird daher durch das Orbitalmodell abgelöst.
Mathematische Formulierung
So sehr das bohrsche Atommodell auch an der Wirklichkeit vorbeigeht, ist es doch dem Rutherford-Modell deutlich überlegen und ermöglicht eine Reihe von interessanten Resultaten, allen voran die Erklärung des Wasserstoffspektrums. Der wahrscheinlich größte Vorteil gerade für den physikalisch Interessierten ist die Einfachheit der verwendeten Mathematik: Während das Verständnis der richtigen Quantenmechanik ohne Hochschulmathematik nicht möglich ist, besitzt Bohrs Modell keine solche Hürde. (Die folgenden Überlegungen beschränken sich auf das Einsetzen in Formeln und einfache Umformungen.)
Postulate
Nach dem zweiten Postulat ist der Übergang zwischen zwei stationären Zuständen mit Energieänderung verbunden, und zwar gilt für die Ausgangsenergie , die Energie des Zielzustands und die Frequenz der ausgesandten Strahlung
.
Nach der Auswahlbedingung muss für den Drehimpuls L des Elektrons gelten
,
wobei n eine natürliche Zahl ist.
Erklärung des Wasserstoffspektrums
Bahnradius
Für die Erklärung des Wasserstoffspektrums werden nun Ergebnisse der klassischen Physik benutzt. Deshalb nennt man im Bohrschen Atommodel den Abstand eines Elektrons zum Kern auch klassischen Atomradius. Es gilt für den Drehimpuls eines Teilchens der Masse und Geschwindigkeit auf einer Kreisbahn mit dem Radius
.
Auf das Teilchen wirkt eine Zentripetalkraft
Auf das Elektron mit der Elementarladung im elektrischen Feld des Protons gilt nach dem Coulombgesetz
.
Damit das Teilchen auf der Bahn bleibt, muss die nach innen gerichtete Coulombkraft genau gleich der nach außen gerichteten Zentripetalkraft sein:
.
Der Drehimpuls muss der postulierten Auswahlbedingung genügen:
.
Man erhält durch Einsetzen von in für den Radius :
.
Der kleinste Radius wird als Bohrscher Atomradius bezeichnet
.
Energiestufen
Im Coulombfeld des Kerns gilt für die potentielle Energie des Elektrons
,
für die kinetische Energie gilt
,
also für die Energie im -ten Zustand
.
Für die Energiedifferenz vom -ten in den -ten Zustand erhält man
,
wobei diese Energiedifferenz positiv ist, das heißt Energie emittiert wird, wenn , und ansonsten Energie absorbiert wird. Diese sogenannte Rydberg-Formel wurde bereits 1888 von Johannes Rydberg ohne Kenntnis eines Atommodells allein aufgrund von beobachteten Linienspektren aufgestellt.
Für die Erklärung der Spektren ist man an der Frequenz interessiert, für die nach Planck gilt . Die Frequenz der emittierten Strahlung beim Sprung vom -ten in den -ten Zustand gilt also
.
Diese Voraussage entspricht bis auf die vierte Dezimale den beobachteten Werten.
Exaktere Werte erhält man, wenn man bedenkt, dass der Kern sich beim Kreisen des Elektrons minimal mitbewegt - beide bewegen sich um den gemeinsamen Schwerpunkt, der aber innerhalb des in der Ruhemasse 1836 Mal schwereren Protons liegt - die Mechanik liefert einen Faktor .
Lässt man gegen Unendlich gehen, erhält man die Energie, die nötig ist, um ein Elektron aus dem Unendlichen bis zum Zustand zu bewegen, also die Gesamtenergie des Grundzustands .
Ausblick
Nur ein gutes Jahrzehnt nach Bohrs Postulaten wurde zwar mit der Entwicklung der Quantenmechanik das bohrsche Modell abgelöst, zugleich aber auch seine Postulate vollständig begründet und erkennbar, warum das bohrsche Modell in vielen Bereichen Erfolge hatte, das heißt richtige Voraussagen traf. An dieser Stelle sollen zwei Beispiele gegeben werden, wie die bohrsche Auswahlbedingung schon durch grundlegende quantenmechanische Prinzipien - den Materiewellen beziehungsweise die heisenbergsche Unschärferelation - plausibel gemacht werden kann, ohne in irgendeiner Form den quantenmechanischen Formalismus aufzubauen.
De Broglie
Schon 1923 betrachtete Louis-Victor de Broglie Elektronen zum ersten Mal als Wellen (Materiewellen) und zeigte mithilfe einer relativistischen Argumentation, dass für die Wellenlänge eines Elektrons mit dem Impuls gilt
So wie die Saite einer Geige auch nur so schwingen kann, dass ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge auf die Saite passt - denn an den Aufhängungspunkten muss ein Wellenknoten vorliegen - so kann das Elektron auch nur so schwingen, dass ein ganzzahliges Vielfaches auf seine Kreisbahn passt:
genau Bohrs Auswahlbedingung.
Heisenberg
Eine häufig gebrauchte Formulierung der Heisenbergschen Unschärferelation besagt, dass für die Ortsunschärfe und die Impulsunschärfe stets gilt
.
Gleichartige Relationen gelten aber auch unter anderem für Energie und Zeit, und, was hier benutzt werden soll, für Drehimpuls L und Drehwinkel :
.
Nun kann man bei der Messung eines Drehwinkels aber offenbar maximal einen Fehler von (360°) machen, also , und damit folgt für die maximale Unschärfe für den Winkel , und damit
.
Für minimale Unschärfe von L gilt dann:
Man kann also sagen, das der Drehimpuls einen Bereich von für sich beansprucht. Drehimpulse müssen also, um unterscheidbar zu sein, mindestens diesen Abstand oder ein Vielfaches davon haben. Also muss gelten
Dies ist genau die Auswahlbedingung von Bohr.
Siehe auch
Elektronenhülle, Quantenphysik, Atomphysik, Bohrsches Postulat
Weblinks
- Das Bohrsche Atommodell Gute Einführung des Leistungskurses der 12. Klasse des Georg-Forster-Gymnasiums.
- Netchemie PeriodensystemAnimierte Darstellung aller Elemente nach dem Bohrmodell
- ChemGlobe - Bohrsches Atommodell
- Bohrsches Atommodell - eine Einführung für die Schule (Universität Ulm)