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Sprachpflege

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Seit der europäischen Aufklärung sind mit dem Begriff Sprachpflege Vorstellungen von der Pflege im Sinne einer „Verbesserung“ oder Erhaltung der Sprache verbunden, womit gemeint ist, dass man Sprache auch „verschlechtern“ könne (siehe Sprachverfall). Dies ist eine Theorie, die auf ästhetischen Kriterien aufgebaut ist und deshalb durch wissenschaftliche Erkenntnisse nicht bestätigt werden kann. Die meisten heutigen Sprachwandeltheorien gehen überdies davon aus, dass sich Sprache von allein entwickelt, ohne dass der einzelne Sprachteilnehmer Einfluss auf die Sprachentwicklung nehmen kann.

Besorgte Kritiker weisen darauf hin, dass sich die Sprache eben nicht von allein entwickle, sondern von bestimmten, in der Medienwelt ständig präsenten „Sprechern“, seltener auch Autoren, geprägt und gefährdet werde. Diese hätten eine besondere Verantwortung, der sie oft nicht gerecht würden. Einzelne Forderungen zur bewussten „Reinhaltung“ der eigenen Sprache werden von sogenannten Sprachpuristen erhoben.

Tradition der Sprachpflege

Die Sprachpflege des Deutschen geht zurück auf die Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts zur Pflege einer von allen ausländischen Elementen befreiten deutschen Sprache. Die erste deutsche Sprachgesellschaft, die Fruchtbringende Gesellschaft, wurde 1617 in Weimar von Fürst Ludwig I. von Anhalt-Köthen nach dem Vorbild der Accademia della Crusca gegründet. Sie regte zu mehreren Gründungen ähnlicher Gesellschaften in ganz Deutschland an: die Aufrichtige Tannengesellschaft, die Pegnitzschäfer, die Deutschgesinnte Genossenschaft, den Elbschwanenorden u.a. Einige dieser Sprachgesellschaften wirkten aktiv an der Weiterbildung einer einheitlichen deutschen Sprache mit.

In neuerer Zeit folgte zunächst der Allgemeine Deutsche Sprachverein (ADSV). Als dessen Nachfolgeverein existieren in Deutschland die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) und in Österreich der Verein Muttersprache. Auch der Bund für deutsche Schrift und Sprache (BfdS) ist zu erwähnen. Von den Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts existieren heute nur noch die Pegnitzschäfer in Nürnberg unter dem Namen Pegnesischer Blumenorden, freilich lediglich als Klub wohlmeinender Bürger. Auf Grund weiterer Neugründungen existieren heute zahlreiche Sprachvereine, die sich um die Pflege der Sprache bemühen.

Staatlicher Erziehungsauftrag

Kritiker interpretieren die PISA-Studie so, dass das Fach Deutsch an den Schulen nicht den gewünschten Stellenwert besitze. Schulen und Universitäten sollen daher vermehrt auf einen sorgfältigen Sprachgebrauch und damit auf ein gutes und verständliches Deutsch in Wort und Schrift hinwirken. Während die Sprachkritik mehr analytisch-theoretisch stattfindet, sollen Sprachpflege und Spracherziehung die Ergebnisse der Sprachkritik praktisch umsetzen.

Staatliche Sprachregelungen

Die Rolle des Staates in der Sprachpflege wird ambivalent gesehen. Am Beispiel der Rechtschreibreform wird deutlich, wie schwierig ein Eingriff in den Sprachgebrauch der Sprachbenutzer wird. Häufig wird die Meinung vertreten, dieser Reform fehle die notwendige Akzeptanz, weil die Mehrheit der Sprachbenutzer einen Eingriff in den Sprachgebrauch ablehne. Nach einer langen Zeit der Forderungen nach einer Reform zur „Modernisierung“ der Sprache wurde die Reform schnell zum Ziel von Angriffen von Bewahrern der traditionellen Rechtschreibung. (Eine Übersicht über die in der öffentlichen Debatte angeführten Argumente pro und contra finden sich im Themenartikel Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996: Kritik und Apologetik.)

Literatur

  • Horst Hensel: Sprachverfall und kulturelle Selbstaufgabe – eine Streitschrift. – Bönen/Westfalen: Kettler, 1999, 119 S., ISBN 3-925608-61-3
  • Walter Krämer: Sich einmischen oder wegschauen – Problemfall deutsche Sprache (Vortrag zur Verleihung des Deutschen Sprachpreises 1999; Weimar, 24. September 1999). In: Henning-Kaufmann-Stiftung zur Pflege der Reinheit der deutschen Sprache (Hrsg.): Deutscher Sprachpreis 1999, Essen: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, 1999, 40 Seiten
  • Peter von Polenz: Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Band III: 19. und 20. Jahrhundert, Berlin, New York: Walter de Gruyter, 1999
  • Heinz-Günter Schmitz: Die Amerikanisierung und Internationalisierung der deutschen Sprache nach dem Zweiten Weltkrieg. Unser-Land-Studie Nr. 1 / 1999 (Unser Land – Wissenschaftliche Stiftung für Deutschland e.V., Arbeitskreis Unsere Sprache, ARKUS, Starnberg), Starnberg, Oktober 1999, 21 Seiten. Gründlich überarbeitete Neuauflage im April 2006 als Unser-Land-Studie Nr. 1 / 2006.
  • Bastian Sick: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 2. Köln/Hamburg 2005, ISBN 3-462-03606-8
  • Gerd Simon: Sprachpflege im „Dritten Reich“. In: Konrad Ehlich (Hrsg.): Sprache im Faschismus. Suhrkamp, 3. Auflage 1989, ISBN 351828360X (S. 58-81)
  • Dieter E. Zimmer: Deutsch und anders – Die Sprache im Modernisierungsfieber. Text und Schrift in den Zeiten des Internet. Hamburg 2000, ISBN 3-455-10421-5

Siehe auch