Oikumene
Unter Ökumene versteht man gemeinhin die Beziehungen zwischen christlichen Kirchen verschiedener Konfessionen, namentlich der protestantischen zur römisch-katholischen Kirche.
Der Begriff Ökumene wird mit verschiedenen Bedeutungen verwendet:
- die ganze (bewohnten) Erde (ursprüngliche Bedeutung)
- die christliche Kirche als ganze
- allgemeine christliche oder kirchliche Gültigkeit besitzend (Ökumenisches Konzil
- den weltweiten missionarischen Auftrag der Kirche betreffend
- die Beziehungen zwischen mehreren Kirchen oder zwischen einzelnen Christen verschiedener Konfessionen
- die geistige Haltung, die das Wissen um die Zugehörigkeit zur weltweiten Gemeinschaft der christlichen Kirchen und das Streben nach Einheit der Kirche Christi ausdrückt
Begriff und Geschichte
Ökumene (v. griech.: oikeo/oikia wohnen bzw. Haus) meinte ursprünglich den gesamten bewohnten Erdkreis. Ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. wurde der Begriff prägend für die gesamte Welt des Hellenismus, die er von der nichtgriechischen "barbarischen" Welt abgrenzte. Diese Verwendung erhielt sich in der römischen Welt und beschrieb so das römische Kaiserreich.
Das Neue Testament sieht in dem Ausdruck einmal die bewohnte Welt (Lk. 2,1) und dann auch die bewohnte Welt als den Adressaten der christlichen Botschaft (Mt. 24,2).
Die alte Kirche greift den römischen Ökumenebegriff auf. Sie beansprucht eine Verbreitung über die gesamte Welt und bezeichnet sich auch mit Basilius und Origenes als die "neue Ökumene", mit ihrer weltweiten Ausdehnung rechtferigt Augustinus ihre Rechtgläubigkeit, welche auch als Kriterium zur Abgrenzung gegen bestimmte Häresien dient.
Alle gesamtkirchlichen Angelegenheiten wurden durch sieben Ökumenische Konzile (325 - 787), die der Kaiser einberief, geregelt. Die orientalischen Kirchen außerhalb des Reiches wurden nicht zur Ökumene gezählt.
Im 6. Jahrhundert brach ein Konflikt zwischen Konstantinopel und Rom aus über den jeweiligen ökumenischen Anspruch aus. Seither führt der Patriarch von Konstantinopel den Titel ökumenischer Patriarch, wenn auch mit regionaler Bedeutung.
Es entstanden folgende Auffassungen von Ökumene
- die orthodoxe: Ökumenisch ist, was dem Patriarchat von Konstantinopel untersteht
- die katholische: Ökumenisch ist, was der durch die sieben ökumenischen Konzilien, sowie dem ebenfalls ökumenisches Konzil genannten II. Vaticanum bestätigten Jurisdiktion der römisch-katholischen Kirche untersteht.
- die reformatorische: ökumenisch ist, was seine Wurzeln im ersten ökumenischen Konzil von Nicäa sieht.
Ökumene im 19. Jahrhundert
Nach dem Zeitalter des Konfessionalismus erwuchs auf protestantischer Seite das Bestreben nach einer, auf den Kern des Glaubens gerichteten Lebensweise. Mit dem Pietismus wurden konfessionelle und nationale Begrenzungen gesprengt. Der Begriff der Ökumene erfuhr eine Erweiterung die Mission. So gründete man im 19. Jahrhundert die Evangelische Allianz. Zahlreiche Missionsgesellschaften und Bibelgesellschaften schufen Voraussetzungen für ökumenische Kontakte. Im CVJM entstand der Begriff einer "ökumenischen Gesinnung", der auch das 20. Jahrhundert prägte und wohl in der Ökumenischen Missionskonferenz 1900 in New York einen ersten Höhepunkt fand.
Ökumene im 20. Jahrhundert
1929 wurde der Ökumenische Rat für Praktisches Christentum ins Leben gerufen. Seit 1948 besteht der Ökumenische Rat der Kirchen, dem heute etwa 330 Kirchen aus etwa 100 Ländern angehören. Die Basisformel des ÖRK lautet:
- Der Ökumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäss der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Die katholische Kirche gehört zwar dem Ökumenischen Rat der Kirchen nicht an, hat jedoch, insbesondere nach dem 2. vatikanischen Konzil, eine deutliche ökumenische Öffnung gezeigt. So hat sie ökumenische Beziehungen zur orthodoxen Kirche angeknüpft, was 1995 im apostolischen Brief "Orientale Lumen" und in der Enzyklika "Ut unum sint" von Papst Johannes Paul II. resultierte. Bilaterale Gespräche zwischen Lutheranern und Katholiken führte zur "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung" vom Oktober 1999 über einen der strittigsten Punkte seit der Reformation. Die Enzyklika "Ecclesia de Eucharistia" wird da allerdings wieder als ein Rückschritt empfunden.
Neben den offiziellen Beschlüssen gibt es vielerorts eine informelle aber lebendige ökumenische Zusammenarbeit auf der Ebene der lokalen Kirchen.
Sowohl die evangelikale als auch die charismatische Bewegung sind nicht auf bestimmte Konfessionen beschränkt sondern konfessionsübergreifend.
Oekumene in Europa
In Europa gibt es seit der Mitte de 20. Jahrhunderts die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK, englich CEC für Conference of European Churches), der die meisten orthodoxen, reformatorischen, anglikanischen, freikirchlichen und altkatholischen Kirchen in Europa angehören. Die KEK ist eine selbständige Organisation, die mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen zusammenarbeitet. Sie ist weltweit eine von acht regionalen ökumenischen Zusammenschlüssen.
Die Konferenz Europäischer Kirchen hat 2001 gemeinsam mit der (katholischen) Europäischen Bischofskonferenz die Charta Oecumenica unterzeichnet, ein Dokument mit verpflichtenden Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa.
Gegenwärtig wird der Ausdruck Ökumene manchmal auch auf auch auf die Beziehungen zwischen dem Christentum und nichtchristlichen Religionen, insbesondere dem Judentum und dem Islam, ausgeweitet. Diese Bezeichnung gilt jedoch nicht bei allen Kirchen und auch nicht bei allen andern Religionen als akzeptabel, da Ökumene auch als spezifisch christlicher Ausdruck verstanden werden kann - von daher wird der Ausdruck interreligiöser Dialog als neutraler und daher korrekter empfunden.