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Revisionismus

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Mit dem Begriff Revisionismus (v. lat.: re wieder; videre durchsehen) wird, meist polemisch, das Bestreben eines Teiles einer Interessengruppe bezeichnet, von einer als gemeinsam und verbindlich anerkannten Grundlage abzugehen. Der Begriff kann je nach Zusammenhang unterschiedliche, teilweise sogar widersprüchliche Bedeutungen annehmen:

Politisch-pragmatischer Revisionismus

Revisionismus (als deutscher Begriff ab 1903 nachgewiesen) bzw. das revisionistische Abweichen wird in der Politik und Politikgeschichte in der Regel als die moderate, pragmatische und realitätsnahe Herangehensweise beim Durchsetzen der jeweiligen Ziele begriffen. Die dabei an den Tag gelegte Kompromissbereitschaft wird von der jeweils orthodoxeren Gruppe als Verrat beargwöhnt.

Politisch-ideologischer Revisionismus

Aber auch der Gegensatz zur genannten Position, das zugespitzt fundamentalistisch - ideologische, das intolerante und gewaltbereite Herangehen beim Durchsetzen des Programms kann als Revisionismus beschrieben werden.

Historisch-nationalsozialistischer Revisionismus

Mit "Revisionismus" bezeichnet man weiterhin in der deutschen Geschichte das Bestreben, insbesondere die historischen Fakten über die Verbrechen des Nationalsozialismus zu relativieren, "revidieren" und zu verharmlosen.

  • Im Zentrum revisionistischen Bemühens steht die Leugnung des Holocaust sowie die Leugnung der Kriegsschuldfrage. Zu den Revisionisten zählen u.a. Ernst Zündel und Fred Leuchter. Als Zentrale des "Revisionismus" kann man das Institute for Historical Review Kalifornien ansehen.
  • Diesen Revisionisten standen die etablierten Historiker lange Zeit mit einer totalen Verweigerungshaltung gegenüber, auf die Behauptungen der Revisionisten zu reagieren und Gegenpublikationen herauszugeben; diese Haltung hält oftmals bis heute an. Obwohl man deren Beweggründe, sich nicht auf deren Verhöhnung der Opfer einzulassen, verstehen kann, führte das dazu, daß die Behauptungen der Leugner für den Laien anscheinend unwidersprochen stehen blieben.
  • Ursprünglich selbst Anhänger des Revisionisten Robert Faurisson, führte Jean-Claude Pressac Untersuchungen in Auschwitz durch, um die revisionistischen Behauptungen zu untermauern. Dabei bediente sich der Pharmazeut allerdings korrekter wissenschaftlicher Methode; was dabei rauskam, war ein Quantensprung in der historischen Forschung zur Technik des Holocaust und eine komplette, wissenschaftliche Widerlegung der Holocaust-Leugnung. Pressac selbst legte seinen Revisionismus dabei ab.

Historisch-wissenschaftlicher Revisionismus

Andererseits werden auch wissenschaftliche Enthüllungen von konservativer Seite als Revisionismus angegriffen. So untersuchten US-Historiker die Rolle der USA im 1. Weltkrieg. Mit ihren Forschungsergebnissen revidierten und korrigierten sie ein bis dahin die USA schön färbendes interessengeleitetes Geschichtsbild.

  • In Anlehnung an diese Bedeutung wurden Mitte der 1990er israelische Historiker wie Benny Morris oder Ilan Pappe als Revisionisten bezeichnet, die unabhängig von einander die Vertreibung der arabischen Bevölkerung kurz vor der Gründung Israels 1948 untersuchten. Die Arbeiten erregten international Aufsehen, da die Quellenlage bis dahin kaum erschlossen und das Geschichtsbild speziell auf israelischer Seite propagandistisch gefärbt war. Die Revisionisten belegten die Zerstörung von 418 arabischen Dörfern im heutigen Staatsgebiet Israels. Von einigen israelischen Hardlinern werden diese Fakten bis heute abgestritten oder verharmlost.

Territorialer Revisionismus

Schließlich bezeichnet Revisionismus in der Geschichte der Politik das Bestreben, bestimmte, häufig in der Folge von Kriegen zu vertraglichem Recht gewordene Fakten rückgängig zu machen. Hauptsächlich sucht der Revisionismus, bestimmte zum Territorium eines anderen Landes gehörende Gebiete als legitimen und ursprünglich eigenen Besitz darzustellen, und deren Erwerb zu erreichen.

  • Mit der Annexion von Elsass-Lothringen 1870/71 rief Deutschland einen französischen Revisionismus hervor.
  • Die mit dem Ausgang des 1. Weltkrieges verbundenen Gebietsabtretungen an die Slowakei und Rumänien schürten den ungarischen Revisionismus.
  • Das revisionistische Vorgehen der Nationalsozialisten unter Hitler gegen den Versailler Vertrag fand in Deutschland 1933 uneingeschränkte Zustimmung.
  • Nach 1945 wurde die Oder-Neiße-Linie, die im Zuge des Potsdamer Abkommens als polnische Westgrenze festgelegt wurde, von der Bundesrepublik Deutschland lange Jahre nicht anerkannt. Insbesondere die Vertriebenenverbände wollten die Oder-Neiße-Linie auch nach 1970 nicht als deutsche Ostgrenze akzeptieren. Im Zuge der Wiedervereinigung 1990 wurde die Oder-Neiße-Linie jedoch vom deutschen Bundestag als deutsch-polnische Ostgrenze akzeptiert. Mittlerweile stellt nur noch eine sehr kleine Minderheit in Deutschland revisionistische Forderungen. Die Vertriebenenverbände konzentrieren ihre Forderungen mittlerweile auf persönliche Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht, was definitionsgemäß nicht als Revisionismus bezeichnet wird.


  • Ein Beispiel für Geschichtsrevisionismus: Die Jahre von 1933-1945 sind in dieser Chronologie Preußens bewusst ausgelassen, um dadurch die Vertreibung von 1947 als ein Verbrechen erscheinen zu lassen, das ohne jede Motivation und Vorgeschichte begangen worden sei.
  • Dazu steht in dem Artikel Geschichtliche Zäsuren (von Lothar Knaak): "Preussen war im Reiche untergegangen (nicht umgekehrt!) und de facto bestand es seit dem Preussenschlag durch die Regierung von Papen vom 20. Juli 1932 wie durch das Gesetz zum Neuaufbau des Reiches vom 30. Januar 1934 nicht mehr. Seine Tugenden hatten sich seit 1871 im Deutschtum allmählich verloren. Historiker Straub stellt sachlich begruendet fest, dass es eine Geschichte Preussens im nationalsozialistischen Reiche nicht gab, denn der Nationalsozialismus sei rein deutsche Geschichte." Diese Quelle wird von Revisionisten verwendet, um zu begründen, warum die Jahre nach 1932 ausgeblendet werden. Es wird jedoch übersehen, dass demnach auch eine Fortführung der preußischen Geschichte nach 1945 nicht legitim wäre.