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Angoulême

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Vorlage:Infobox französische Gemeinde

Saint Pierre - Westfassade
Angoulême

Angoulême ist die Hauptstadt des westfranzösischen Départements Charente in der Region Poitou-Charentes.

Die Stadt hat 43.100 Einwohner (1999); Papierindustrie, Maschinenbau und elektronische Industrie; Zentrum eines Weinbaugebietes, Weinhandel. Außerdem ist Angoulême wegen des "Festival international de la bande dessinée"[1] und des "Centre national de la bande dessinée et de l'image"[2] als Zentrum für Comics landesweit bekannt.

Die aus der Römersiedlung Encolisma hervorgegangene Bischofsstadt entwickelte sich im Mittelalter zu einem Hauptknotenpunkt der Jakobspilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Die spätromanische Kathedrale Saint-Pierre (1128 geweiht) gilt als typisches Beispiel der aquitanischen Kuppelkirche.


Kathedrale St-Pierre

Fassade

Diese Stadt zu besuchen lohnt sich eigentlich nur wegen dieser Kirche mit ihrer ungewöhnlichen Fassade. Das mag daran liegen, dass in dieser Stadt durch die Kämpfe zwischen Katholiken und Hugenotten im 16. Jahrhundert und durch die Revolution zahlreiche historische Bauwerke vernichtet wurden. Einzig die Kathedrale St-Pierre ist als Prunkstück halbwegs erhalten geblieben - mit der Betonung auf halbwegs. Denn auch dieses Bauwerk hat harte Zeiten hinter sich und musste kräftig restauriert werden. Die Kirche wurde errichtet in der sehr kurzen Bauzeit von nicht einmal 25 Jahre, von 1105-1128, und zwar hat man diesmal mit der Fassade begonnen. Normalerweise gehört die Fassade eher zu den Teilen eines Kirchenbaues, die zuletzt errichtet werden.

Diese Fassade von außergewöhnlicher Bedeutung für die Geschichte der romanischen Plastik in Westfrankreich ist im 19. Jahrhundert in einer Art und Weise restauriert worden, die in der Literatur schlicht als Misshandlung bezeichnet wird. Der Schuldige heißt Paul Abadie. Sein Name spielt in der Kunstgeschichte des 19. Jhs. dieser Region eine unheilvolle Rolle.

Marcel Durliat, einer der renommiertesten Kenner romanischen Kunst in Frankreich, schreibt dazu: „Paul Abadie hat die Westfassade genauso pietätlos behandelt [wie den Innenraum]. Mit prächtiger Ungeniertheit hat Abadie hier nachgeschnitten, dort vervollständigt, ein Mittelportal rekonstruiert, das ihm unbekannt war, und besonders das ganze durch eine vollkommen unpassende Bekrönung kopflastig gemacht.“ (Durliat, Marcel: Romanische Kunst. Freiburg-Basel-Wien 1983, S. 485)

Aber das, was erhalten ist, genügt, um sich wenigstens einige Teile dieser Fassade genauer anzusehen. Sie ist eine mehrgeschossige, durch fünffache Bogenstellung aufgeteilte Schauwand mit reicher figürlicher und ornamentaler Plastik. Die 75 dargestellten Personen stellen insgesamt das Jüngste Gericht dar. Dieses Thema wurde deshalb an den Westfassaden der Kirchen so häufig dargestellt wurde, weil hier auch tatsächlich Gericht gehalten wurde.

Die zentrale Szene zeigt Christus in der Mandorla direkt über dem Mittelfenster, umgeben von den Evangelisten-Symbolen. Der Adler links oben ist das Symbol des Johannes, der Engel rechts oben steht für Matthäus. Der geflügelte Löwe links unten stellt Markus dar und das geflügelte Rind rechts daneben den Lukas.

Darunter erscheinen sechs Engel, vier kleinere in der Mitte, die ihre Blicke nach oben wenden auf Christus und die Apostel, zwei größere an den Seiten, die nach unten schauen. In der Kunst der damaligen Zeit war nicht die Darstellung der Natur entscheidend, sondern Gestik und Dramatik, das Verhältnis der Personen zueinander, erkennbar vor allem an der Blickrichtung.

Die Blickrichtung der einzelnen Figuren ist für das Verständnis der gesamten Schauwand wichtig. Nur die Erlösten sehen auf Christus, die Verdammten nach unten oder zur Seite.

Diese vielfigurige Kernszene, die sich auf der Fassade über mehrere Etagen ausbreitet, ist durchsetzt von eine Unzahl dekorativer Elemente, so dass man fast den Eindruck hat: alles das, was in der Kunstgeschichte bisher überhaupt an Dekorationsformen erfunden worden ist, ist hier wie in einem Lexikon zusammengestellt.


Innenraum

Das Langhaus besteht aus drei hintereinander gestellten Kuppelräumen, eine für diese Region typische Bauform, die nach dem bedeutendsten Bau dieser Gruppe in Périgueux die „Périgord-Schule“ genannt wird. Diese Kuppelkirchen haben keine Seitenschiffe und keinen Chorumgang, dafür aber häufig auch Kuppeln über den Querhäusern.

Wo kommt diese ungewöhnliche Bauform überhaupt her? Man nimmt z.T. an, dass hier im Périgord das sonst übliche Tonnengewölbe deshalb aufgegeben oder erst gar nicht angewandt worden ist, weil die Baumeister nicht wussten, wie man es abstützen konnte. Möglicherweise sind dieser Haltung negative Erfahrungen mit eingestürzten Gewölben vorausgegangen wie in Cluny III - aber sicher ist das nicht und dieser Erklärungsversuch scheint ziemlich unwahrscheinlich, denn eine solche Kuppel wie hier ist auch schwierig zu bauen.

Eine andere Theorie vermutet dagegen - da diese Bauten der „Périgord-Schule“ kurz nach dem ersten Kreuzzug entstanden sind - dass sie mit östlichen Vorbildern zusammenhängen, - nicht mit islamischen, sondern mit byzantinischen. Das Planschema dieses Baus geht auf die ehemalige Apostelkirche in Konstantinopel zurück, welche Justinian als kaiserliches Mausoleum hatte erbauen lassen, die aber nicht mehr existiert. Diese Apostelkirche war auch das Vorbild des 1063 begonnenen Neubaus der Markuskirche in Venedig. Ob Angoulême und das benachbarte Périgueux unmittelbar von Byzanz oder erst durch Venedig angeregt wurde, lässt sich heute nicht mehr entscheiden.

Und das byzantinische Vorbild – wenn es denn ein solches gewesen ist - wurde auch nicht einfach kopiert, sondern in mehrerer Hinsicht entscheidend abgewandelt. Der Grundriss hat die Form des griechischen Kreuzes, - das wäre also deutlich byzantinisch. Unbyzantinisch ist dagegen die Längsreihung zu einer einschiffigen Anlage. Im byzantinischen Raum sind bei solchen Kuppelkirchen auch die Seitenschiffe gewölbt, um die Kuppeln des Mittelschiffes zu stützen. Hier in Frankreich übernehmen massive Mauern und Pfeiler diese Aufgabe. Die Innenräume wirken dadurch weniger lichtvoll als im Osten.

Die Organisation des Langhauses als Aufeinanderfolge von Kuppelräumen bedingt, dass die drei einzelnen Raumteile eine viel höhere Selbstständigkeit besitzen als in einem Langhaus mit durchlaufender Tonne als Gewölbe. Die Abstützung des großen Kuppelgewölbes sieht im Prinzip ähnlich aus wie die eines Vierungsturmes, was bedeutet, dass an den vier Ecken kräftige Pfeiler den Gewölbedruck aufnehmen müssen. Die Wand dazwischen wirkt wie eingespannt, der Raum wird durch diese Kuppeleinheiten bestimmt und es entwickelt sich nicht jene betonte Längsausdehnung, die wir aus vielen anderen Kirchen kennen.

Der saubere, fast schon klinische Eindruck dieser Kirche ist zwar nicht original, sondern das Ergebnis der Restauration des 19. Jhs., die ebenfalls der berüchtigte Paul Abadie zu verantworten hat. Aber, wie aus alten Dokumenten hervorgeht, sah dieser Raum im Original auch schon so streng aus. Das war also offenbar die Absicht der damaligen Bauherren. Auch die Zisterzienser hatten ja in ihren Kirchen aus religiösen Gründen bewusst auf jeglichen Schmuck verzichtet.

Angoulême erhielt 1204 die Stadtrechte durch den englischen König Johann Ohneland.

Städtepartnerschaften

Die Stadt Angoulême pflegt Partnerschaften mit folgenden Städten

Söhne und Töchter der Stadt

Commons: Category:Angoulême – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien