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Bachem Ba 349

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Datei:Bachem Ba 349 wiki.jpg
Bachem Ba 349
Datei:Natter start.jpg
Ba 349 am Start

Bachem Ba 349 Natter ist die Bezeichnung eines Raketenflugzeugs zur Flugabwehr, das von der Firma Bachem 1944/45 entwickelt wurde.

Als sich die Kriegssituation immer weiter gegen Deutschland zuspitzte, sah man sich dort zu völlig neuen Lösungsansätzen gezwungen, um die verlorene Lufthoheit trotz der katastrophalen Lage noch einmal zurückgewinnen zu können. Da zu dieser Zeit wegen der zahlenmäßig weit überlegenen und permanent angreifenden alliierten Bomberverbände kaum noch Flugplatzbetrieb möglich war, musste vor allem in diesem Punkt Abhilfe geschaffen werden. Außerdem erforderte die enorme Knappheit kriegsrelevanter Rohstoffe zu dieser Zeit eine hohe Wiederverwertbarkeit der schwierig zu fertigenden Teile (vor allem des Triebwerks und der Pilotenkanzel).

Die Natter war ein senkrecht startendes Raketenflugzeug, das mit Flüssigstoff-Triebwerk sowie einer Feststoff-Starthilfsrakete ausgestattet war. Aufgrund dieser Konstruktion konnte sie ohne die sonst für Flugzeuge notwendige Infrastruktur schnell und ortsunabhängig starten, da für einen Einsatz nur eine Startrampe benötigt wurde.

Der Rumpf der Natter bestand vorwiegend aus Sperrholz, da Holz der einzige Rohstoff war, über den Deutschland zu dieser Zeit noch in ausreichenden Mengen verfügen konnte. Nach dem Start sollte die Natter schnell die Wolkendecke durchstoßen, um zu den dicht zusammen fliegenden Bomberverbänden aufsteigen zu können und den Gegner so mit ungelenkten Raketen angreifen zu können. Der Pilot nach dem Start in der Steuerung durch einen funkleitstrahlgesteuerten Autopiloten unterstützt und übernahm erst unmittelbar vor dem Angriff auf die Luftziele die Steuerung. Weil die Maschine kein Fahrgestell besaß und sich außerdem durch den Abschuss der Raketen der Schwerpunkt so verschob, dass das Flugzeug sich kaum noch steuern ließ, sollte der Pilot nach dem Angriff das Cockpit absprengen und mit dem Fallschirm abspringen. Die wiederverwertbaren Metallteile des Flugzeuges (Front- und Hecksektion, insbesondere das Raketentriebwerk) wurden ebenfalls am Fallschirm zur Erde zurückgeführt, während der zentrale Rumpfbereich mit den Flügeln verloren ging.

Der erste Prototyp wurde am 22. Dezember 1944 fertiggestellt. Zu einigen unbemannten Testflügen hob die Natter vom Heuberg bei Stetten am kalten Markt ab, der einzige bemannte Start einer Natter am 1. März 1945 endete für den Piloten Lothar Sieber tödlich. Als offizielle Unfallursache wurde ein zu schwach dimensioniertes Haubenscharnier angegeben. Tatsächliche Ursache war jedoch eine verklemmte Starthilfsrakete, die Sieber nach Funkbefehl über heftige Flugmanöver abschütteln sollte. Die Haube wurde durch Sieber abgeworfen, da er aussteigen wollte, um sich mit dem Fallschirm zu retten, was ihm jedoch per Funk untersagt wurde. Statt dessen sollte Sieber, nachdem er durch diese Manöver in den Wolken die Orientierung verloren hatte die Maschine mit dem Bremsfallschirm nach dam Austritt aus den Wolken wieder stabilisieren. Das Vorhaben misslang, da sich der Bremsfallschirm im Heck wegen der verklemmten Starthilfsrakete nicht öffnen konnte. Als Sieber sich entschloss, trotz gegenteiligen Befehls auszusteigen, war es bereits zu spät, er war nur mit dem Oberkörper aus dem Cockpit gelangt, der beim Aufprall auf den Boden abgetrennt wurde. Die wahre Unfallursache sollte vertuscht werden um eine sonst fällige Überarbeitung der Konstruktion zu vermeiden. Dabei wurden sogar Bilder retuschiert um zu verschleiern, dass die Natter mit einem FUG 16-Funkgerät ausgestattet war und Siebert den Befehl erhalten hatte nicht auszusteigen.

Wegen der fortschreitenden Kriegsereignisse und des fehlgeschlagenen Testflugs gab es schließlich keine Kriegseinsätze der Natter mehr, obwohl hierfür bei Kirchheim unter Teck nahe der Autobahn drei Startstellen errichtet wurden.

Insgesamt wurden 30 Natter gebaut, 18 davon verwendete man für unbemannte Tests, zwei stürzten ab (eine bei einem Segelflugtest, eine wie oben beschrieben), sechs wurden nach Kriegsende verbrannt und vier wurden von den Amerikanern erbeutet.

Ein Nachbau der Natter kann im Deutschen Museum in München besichtigt werden.

Technische Daten

  • Abmessungen
    • Spannweite: 3,60 m
    • Länge: 6,10 m
    • Tragflügelfläche: 2,75 m²
  • Massen
    • maximale Startmasse: 2.200 kg
  • Triebwerk
    • ein Raketentriebwerk Walter 109-509A-2 (1.700 kp, 16,671 kN) mit 70 sek Brenndauer
    • vier Starthilfsraketen Schmidding 109-533 (1.200 kp, 11,768 kN) mit 10 sek Brenndauer
  • Leistungen
    • Höchstgeschwindigkeit:
      • 1.000 km/h
      • 800 km/h in Bodennähe
    • Steiggeschwindigkeit: ~200 m/s (auf 12 km Einsatzhöhe gerechnet)
    • Anfangssteiggeschwindigkeit: 36,58 m/s
    • Dienstgipfelhöhe: 14.000 m
    • Aktionsradius: 40 km in 12.000 m Höhe
  • Bewaffnung (alternativ)
  1. 33 ungelenkte 55-mm Raketen R4/M "Orkan"
  2. 24 ungelenkte 73 mm RZ-73-Raketen "Föhn"

Siehe auch

Commons: Bachem Ba 349 – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Horst Lommel: Der erste bemannte Raketenstart der Welt, Motorbuch Verlag, 1998, ISBN 3-61301-862-4
  • Horst Lommel: Das bemannte Geschoß Ba 349 "NATTER" : Die Technikgeschichte, VDM, ISBN 3-92548-039-0
  • Roger Ford: Die deutschen Geheimwaffen des Zweiten Weltkriegs, Nebel, ISBN 3-89555-087-6