Körperschaft des öffentlichen Rechts (Deutschland)
Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R., auch mit KöR oder K.ö.R. abgekürzt) ist eine mitgliedschaftlich verfasste und unabhängig vom Wechsel der Mitglieder bestehende Organisation, die ihre Individualität als Rechtssubjekt nicht der Privatautonomie, sondern einem Hoheitsakt verdankt.
Wesen
Körperschaften des öffentlichen Rechts unterscheiden sich von den Körperschaften des Privatrechts (Vereine) dadurch, dass sie öffentlich-rechtlich organisiert sind und öffentlich-rechtlich handeln können.
In der Zeit des Nationalsozialismus war die Körperschaft des öffentlichen Rechts ein Mittel, um gesellschaftliche Organisationen in den „totalen Staat“ einzugliedern (Gleichschaltung). Heute wird dagegen die Selbstbestimmung der Mitglieder als wichtiges demokratisches Element betrachtet.
Selbstverwaltungskörperschaften
Körperschaften des öffentlichen Rechts finden ihren Hauptanwendungsbereich in den sogenannten Selbstverwaltungsangelegenheiten, also in staatlichen Aufgaben, die von den Betroffenen eigenverantwortlich geregelt werden sollen, weshalb sie organisatorisch aus der staatlichen Verwaltungshierarchie ausgegliedert und rechtsfähigen Organisationen übertragen werden. So bestimmen beispielsweise die Bürger selbst über die Geschicke der Gemeinde, die Rechtsanwälte über ihre Angelegenheiten in der Rechtsanwaltskammer usw. Trotz der organisatorischen Auslagerung aus dem staatlichen Bereich sind die Träger dieser Selbstverwaltungsaufgaben Teil der öffentlichen Gewalt und wie die übrige Verwaltung gem Art. 20 III GG an Recht und Gesetz gebunden, insbesondere und anders als private Vereinigungen an die Grundrechte. Daher ist die Kehrseite der Selbstverwaltung die (staatliche) Rechtsaufsicht: der Staat soll sich nicht durch organisatorische Auslagerung seiner Grundrechtsbindung entziehen können.
Im Gegensatz zu privatrechtlichen Körperschaften (wie Verein, GmbH, Aktiengesellschaft, Genossenschaft) haben öffentlich-rechtliche Körperschaften als Teil der öffentlichen Gewalt unbeschadet der Abweichungen im Einzelfall zusätzliche Möglichkeiten: Dienstherrenfähigkeit (d.h. sie können Beamte ernennen), Satzungshoheit (Rechtsetzungsbefugnisse für die ihrer Hoheitsgewalt Unterworfenen), Abgabenhoheit (sie können öffentlich-rechtliche Steuern, Beiträge und Gebühren erheben) usw.
Körperschaften können aufgrund ihres Selbstverwaltungsrechts insbesondere Gesetze im materiellen Sinne erlassen. Dies geschieht auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung durch Satzungen, welche auch in Grundrechte der Unterworfenen eingreifen können. So regelt ein Bebauungsplan, als Satzung der Gebietskörperschaft Gemeinde, die Bebaubarkeit von Grundstücken.
Nicht-staatliche Körperschaften
Bisweilen verleiht der Staat den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts aber auch Organisationen, die nicht staatliche Aufgaben erledigen, sondern Teil der Gesellschaft sind. Damit wird zumeist bezweckt, der Organisation als Anerkennung für geleistete Arbeit ein besonderes Ansehen zu erhalten. Dass diese Organisationen zwar öffentlich-rechtlich, aber nichtsdestotrotz kein Teil des Staates sind, hat vielfältige Auswirkungen, etwa bei der Frage der Grundrechtsberechtigung, der Staatsaufsicht, der Amtshaftung und der Anwendbarkeit der Amtsdelikte. Hierunter fallen beispielsweise der Bayerische Bauernverband, das Bayerische Rote Kreuz und wohl auch manche Akademien der Wissenschaften. Im Einzelnen ist die Abgrenzung kompliziert, weil sie sich nach der Frage richtet, welche Aufgaben als „staatlich“ anzusehen sind. Eine Ausnahme bilden die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die kraft Verfassung nicht-staatliche Körperschaften des Öffentlichen Rechts sind.
Arten
Die Körperschaften können zum einen nach Art der Rechtsquelle, aufgrund derer sie gebildet sind, zum anderen nach ihren Mitgliedern differenzieren.
Einteilung nach Art der Rechtsquelle
- Völkerrechtliche Körperschaften des öffentlichen Rechts: EG, EGKS
- Staatsrechtliche Körperschaften des öffentlichen Rechts: Die Bundesrepublik Deutschland, die Bundesländer, Gemeinden, Gemeindeverbände, die BfA
- Verwaltungsrechtliche Körperschaften des öffentlichen Rechts: Universitäten, Fachhochschulen, AOK, BKK
- Kirchenrechtliche Körperschaften des öffentlichen Rechts: Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, denen der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gem. Art. 140 GG i.V.m. den Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung verliehen wurde ("Körperschaftsstatus"). Zwar betrachtet das Grundgesetz auch die Religionsausübung in gewisser Weise als förderungswürdige „öffentliche Aufgabe“ (vgl. Religionsunterricht). Wegen der Pflicht zur weltanschaulichen Neutralität ist es dem Staat aber gerade nicht erlaubt, die Religionsgemeinschaften als Teil der Verwaltung zu führen. Infolgedessen sind die religiösen Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht nur organisatorisch aus dem Staat ausgelagert, sondern sind gerade kein Teil der öffentlichen Gewalt, folglich nicht grundrechtsverpflichtet, sondern wie private Vereinigungen grundrechtsberechtigt. Erst recht ist dem Staat eine Rechtsaufsicht verwehrt (vgl. Korrelatentheorie). Der öffentlich-rechtliche Status dient hier lediglich dazu, die aus früheren Zeiten überkommenen Formen fortführen zu können (Pfarr- und Beamtenverhältnisse, Kirchensteuer) und die religiöse Vereinigungsfreiheit effektiv umzusetzen (Selbstorganisation durch Kirchenrecht). Mit dem öffentlich-rechtlichen Status verbindet auch das einfache Recht Vorteile, die als Privilegienbündel bezeichnet werden. Ein Austritt richtet sich für die staatliche Rechtsordnung nach den staatlichen Vorschriften über den „Kirchenaustritt“ (auch wenn die Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft sich nicht als Kirche bezeichnet); ob die jeweilige Religionsgemeinschaft diesen staatlichen Kirchenaustritt anerkennt, ist eine Frage des kirchlichen Mitgliedschaftsrechts. Körperschaften des öffentlichen Rechts in diesem speziellen Sinne sind die Evangelische Kirche in Deutschland und ihre Gliedkirchen (Landeskirchen), die Bistümer der römisch-katholischen Kirche, aber auch eine Vielzahl kleinerer religiöser Gemeinschaften wie zum Beispiel die alt-katholische Kirche, zahlreiche evangelische Freikirchen, die Neuapostolische Kirche, die Zeugen Jehovas, die Israelitischen Kultusgemeinden, die Christian Science, aber auch Weltanschauungsgemeinschaften wie der Bund für Geistesfreiheit Bayern oder die Freireligiöse Landesgemeinde Pfalz usw., ihre Zusammenschlüsse und nach Maßgabe des Kirchenrechts auch ihre Untergliederungen (z.B. Kirchengemeinden, Kirchenbezirke usw.). Vgl. hierzu auch Körperschaftsstatus.
Einteilung nach Art ihrer Mitglieder
- Gebietskörperschaft: Es werden alle auf einem bestimmten Gebiet dauerhaft lebenden Bürger erfasst, die ihren Wohnsitz in diesem Gebiet haben. Es besteht Zwangsmitgliedschaft. Beispiel: Bund (Bundesrepublik), Länder (Bundesland), Kreise/Landkreise und Gemeinden.
- Personalkörperschaft: Es werden nicht alle auf einem bestimmten Gebiet wohnenden (natürliche) Personen erfasst, sondern nur die, die ein bestimmtes Merkmal aufweisen bzw. Voraussetzung erfüllen. Beispiel: Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Allgemeine Ortskrankenkassen
- Verbandskörperschaft: Mitglied können ausschließlich juristische Personen sein. Beispiel: höhere Kommunalverbände, Regionalverbände, Bundesrechtsanwaltskammer. Der Kreis nimmt eine Doppelfunktion ein, da er zum einen Gebietskörperschaft, zum anderen wegen der Mitgliedschaft der kreisabhängigen Gemeinden, Verbandskörperschaft ist.
- Realkörperschaft: Die Mitgliedschaft ergibt sich hier aus dem Besitz eines bestimmten Gebietes oder Landes. Beispiel: Deichverband, Wasserschutzverband.
- Kollegialkörperschaften
Das Deutschlandradio ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die tragenden Mitglieder des nationalen Radios sind gemäß dem Deutschlandradio-Staatsvertrag die ARD, das ZDF sowie die 16 Bundesländer. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten (wie die Mitglieder der ARD) sind hingegen meist Anstalten des öffentlichen Rechts, da sie Benutzer, keine Mitglieder haben.