Geschichte Malis
Das Gebiet, auf dem sich heute Mali und zu einem geringeren Teil auch Niger und Senegal befinden, bildete im Mittelalter eines der bedeutendsten Handelszentren in der gesamten islamischen Welt. Der Ruf einiger seiner Handelsstädte - z.b. Jenne, Timbuktu und Gao - als Zentren von Reichtum und kulturellem Glanz wurde weltberühmt und ist von einer Mystik umgeben, die sich über die Jahrhunderte hinweg bis heute erhalten hat. Andere, wie Kumbi und Audagost zum Beispiel, die in jener Zeit nicht minder berühmt waren, sind inzwischen nur noch als Ruinen am Rande der Sahara vorhanden.
Der Aufstieg dieser Städte geht nicht unwesentlich auf die Ausbreitung des Islam zurück, der in jenen Tagen zur Religion des Handels wurde, obschon er von den Bewohnern des Sahel-Gebietes im 15. und 16. Jahrhunderts nur insoweit angenommen wurde, als er kommerziell von Vorteil war. Während der gesamten Zeit blieb der jeweilige traditionelle Glaube von entscheidendner Wichtigkeit und hat sich in Stämmen wie den Dogon, Songhay und Mossi bis heute erhalten.
Der Reichtum der Handelsstädte basierte in erster Linie auf den Steuern, die auf die Goldtransporte von Westafrika nach Nordafrika und in den Nahen Osten und auf die Transporte von Salz aus den Sahara-Oasen nach Westafrika erhoben wurden. Das Gold aus Westafrika hatte in jener Zeit eine derart große Bedeutung, daß der Gebrauch dieses Metalls als Zahlungsmittel im Mittelalter ohne diese Quelle überhaupt nicht denkbar wäre. Sogar die Monarchen im weit entfernten England ließen ihre Münzen aus Gold anfertigen, das aus Westafrika stammte. Die lange Serie der mächtigen Königreiche, die vom 9. Jahrhundert bis zum 16. Jahrhundert in diesem Teil der Welt entstand und unterging, wurde erst durch die Invasion aus Marokko und durch das Ende des Moslem-Monopols über den Handel in Afrika und auf dem Indischen Ozean, das von den europäischen Maritimstaaten herbeigeführt worden war, unterbrochen.
In der Zeit der Römer und Phönizier spielten die Berber-Händler, die auf den Trans-Sahara-Routen westlich von Marokko über Mauretanien und weiter nach Süden durch den [[Fezzan] bis nach Mittel-Niger und zum Tschadsee hin- und herpendelten, eine bedeutende Rolle. Diese endete mit der Invasion der Goten und Wandalen und wurde erst mit der Ankunft des Islam wiederbelebt. Der Islam brachte ein anerkanntes System von Gesetz und Ordnung mit sich und ließ den Handel neu aufleben.
Ghana, das erste Reich, das aus dem Soninke-Stamm im Gebiet des Oberen Niger und des Senegal-Flusses entstehen sollte, nahm im 9. Jahrhundert seinen Anfang. Zu dieser Zeit hatte es bereits alle wichtigen Zwischenstationen entlang der westlichen Handelsroute unter Kontrolle. Die Hauptstadt war Kumbi, 200 Kilometer nördlich von der heutigen Hauptstadt Bamako entfernt. Wie alle anderen Reiche, die in diesem Teil der Erde entstanden, gründete auch dieses seinen Reichtum im wesentlichen auf die Transporte von Gold und Elfenbein von Westafrika zum Mittelmeer und in den Nahen Osten.
Darüber hinaus wurde nicht nur der Salzhandel von den Sahara-Oasen nach Westafrika kontrolliert, sondern auch Kupfer und Baumwolle, Werkzeuge und Schwerter (zunächst aus Arabien, später dann auch aus Deutschland), Pferde aus Marokko und Ägypten und Kola-Nüsse und Sklaven aus dem südlichen Westafrika passierten diese Gebiet. Das Reich Ghana war wie die meisten frühmittelalterlichen Reiche fast ausschliesslich auf die Herrschaftsausübung des Königs und seiner unmittelbaren Begleiter gegründet. Ein Verwaltungssystem und staatliche Einrichtungen, wie sie in den später entstehenden Reichen Mali und Songhay auftreten sollten, gab es hier noch nicht. Keiner der Ghana-Könige trat zum Islam über, sondern behielt den traditionellen Glauben bei, der auf einer Gemeinschaft der Ahnen, der Lebenden und der noch nicht geborenen Nachfahren basierte.
Nach fast 500jährigem Bestehen wurde Ghana schließlich im Jahre 1076 von den moslemischen Berber-Armeen der Almoraviden zerstört, die aus der Ebene Mauretaniens kamen - sie waren es auch, die das mauretanische Spanien in Besitz nahmen. Die Almoraviden, ständig auf Raubzug, waren nicht in der Lage, das Reich lange zu halten, und das, was übrig blieb, hielt sich gerade so über Wasser, bis 1230 die Hauptstadt Kumbi von einem Stamm aus dem Tekrur-Gebiet im äussersten Norden Senegals eingenommen wurde. Kurz darauf entstand unter der Herrschaft Sundiata Keitas ein neues Reich der Mandinka. Sundiata Keita trat zum Islam über, was einerseits eine Freundschaftsgeste gegenüber den Handelspartnern im Norden darstellen sollte, womit er andererseits aber auch die Vorteile von Effizienz und Organisaton genießen wollte, die ein Bündnis mit dieser Religion mit sich brachte. Dennoch verdankte Sundiata seinen politischen Erfolg ebensosehr der Ausnutzung des traditionellen Glaubens wie der des Islam, aber auch dem Umstand, daß die Mandinka die erfolgreichsten Kultivierer der Flüsse Gambia und Casamance waren.
Dieses neue Reich, Mali, mit der Hauptstadt Niani erreichte unter Mansa Musa (1312 - 1332) seine größte Flächenausdehnung, als es sich vom Atlantik bis an die Grenze des heutigen Nigeria erstreckte. Zu dieser Zeit etwa ereichte auch der Trans-Sahara-Handel seinen Höhepunkt, und das Reich unter Mansa Musa war derart wohlhabend, daß dieser Herrscher, als er auf einer Pilgerfahrt nach Mekka durch Ägypten kam, dort den Wert des auf Gold basierenden ägyptischen Dinars auf Jahre hinaus ruinierte, weil er zu großzügig Goldgeschenke gemacht hatte.
Musas Herrschaft stellte eine Periode der Stabilität und des Wohlstandes dar, und in diese Zeit fällt auch der beginnende Aufstieg Timbuktus und Jennes zu Zentren von Bildung und kultureller Blüte. Musa holte Architekten aus Arabien, die in diesen Städten neue Moscheen bauen sollten, und er verbesserte die Verwaltung, indem er sie methodischer aufbaute. Der tatsächliche Beginn einer Staatsverwaltung kam allerdings erst mit dem Aufstieg der Songhay.
Die Songhay sind noch heute als etwa 750.000 Angehörige zählende Gruppe vorhanden. Sie leben als Bauern, Fischer und Händler am Ufer des Niger, und ihre Dörfer, die sich von der nigerianischen Grenze bis zur Seen-Region westlich von Timbuktu erstrecken, bilden neben den alten Handelsstädten Gao, Timbuktu und Jenne die Hauptanziehungspunkte für heutige Mali-Reisende. Das gilt besonders für die Dörfer um Bandiagara nahe Mopti.
Die Songhay, obwohl ursprünglich Vasallen des Mansa Musa, hatten bis 1375 einen starken Stadtstaat mit Zentrum in Gao aufgebaut und waren in der Lage, die malische Oberherrschaft abzuschütteln und selbst zu Anwärtern des Reiches zu werden. Im Jahre 1400 waren sie stark genug, die malische Hauptstadt Niani zu plündern, und 1464 machten sie sich unter der Führung von Sunni Ali schließlich daran, das Sahel-Gebiet systematisch zu erobern, was den Niedergang des Mali-Reiches einläutete. Dieser ereignete sich endgültig unter Alis Nachfolger, Askia Mohamed Ture, der aus Mekka zurückkam, ausgestattet mit dem Recht, im West-Sudan als Kalif des Islam zu agieren. Ture trieb seine Armeen im Westen bis an die Atlantikküste und im Osten bis nach Kano voran, wobei er die Hausa-Staaten überrannte.
Nach diesen Erfolgen wandte sich die Armee nach Norden, um dort die Festen der Tuaregs, die Oasen von Air einzunehmen und siedelte Gruppen von Songhay an, deren Nachfahren noch heute dort leben.
Wie die Mali-Herrscher traten auch die Songhay-Herrscher zum Islam über, trafen aber gleichzeitig sorgfältige Maßnahmen zur Bewahrung der traditionellen Religion der Bauern auf dem Land. Worin das Songhay-Reich das Mali-Reich übertraf, war die Schaffung einer Staatsverwaltung mit Hilfe von für über einen längeren Zeitraum eingesetzten Provinzialgouverneuren, der Aufbau einer Berufsarmee und die Bildung einer Berufsmarine am Niger, mit der begonnen wurde. Sympathiequelle und Machtgrundlage der frühen Songhay-Herrscher waren die Bauern auf dem Land gewesen, doch an ihre Stelle traten allmählich die von Moslems dominierten Handelsstädte. Genau hierin lag aber auch die entscheidende Schwäche der Reiche dieser Region, denn ein solches Arrangement funktionierte nur solange, wie die Herrscher sich auf das islamische System vom Glauben und dem Bauen auf eine zentralisierte Herrschaftsform, auf weiträumigen Handel und Kredite verlassen konnte. In Krisenzeiten dagegen stellten diese auf Städte gegründeten Reiche eine leichte Beute dar. Genau hierin lag auch der Grund für den rapiden Zusammenbruch des Songhay-Reiches, der sich nach einer marokkanischen Invasion und der darauffolgenden internen Revolte von Untergebenen im Jahre 1591 ereignete.
Doch selbst wenn das Songhay-Reich in der Lage gewesen wäre, die marokkanische Invasion zurückzudrängen, ist es fraglich, ob sich der Reichtum der Handelsstädte am Niger lange aufrechterhalten hätte, sobald die europäischen Maririmstaaten die Mittel gefunden hatten, diese Gebiete zu umgehen und stattdessen ihren Handel mit den Produzenten an der westafrikanischen Küste und weiter südlich direkt zu betreiben. Mit der zunehmenden Vorherrschaft der europäischen Seefahrt fielen die Handelswege durch die Sahara in relatives Dunkel zurück, obgleich sogar in den 1950er Jahren noch Karawanen Salz von der Sahara-Oase Bilma (Niger) nach Nigeria transportierten.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde Mali französische Kolonie, und wie in anderen französischen Kolonien auch wurden hier die Bewohner allmählich zum Anbau von zur Ausfuhr bestimmten Produkten - in erster Linie Erdnüsse, Baumwolle und Gummiarabikum - gezwungen, und zwar zunächst durch Zwangsarbeit, später durch die Erhebung von Steuern. Wie im benachbarten Obervolta (heute: Burkina Faso) stellt das Erbe dieser auf Exporternten statt auf Nahrungsmittelernten konzentrierten Politik bis zum heutigen Tage ein immenses Problem innerhalb der Landwirtschaft des Landes dar.
Mali wurde 1960 unabhängig, mußte allerdings ein paar Monate lang eine Föderation mit Senegal eingehen. Modibo Keita, der erste Präsident des Landes brachte Mali schnell auf den sozialistischen Pfad der Entwicklung und setzte dem französischen Imperialismus Widerstand entgegen. Die Franzosen mußten ihre Militärbasen im Land abbauen und 1962 verlies Mali den Franc-Verbund und setzte eine eigene Währung ein (1967 kehrte das Land allerdings in den Verbund zurück). Staatseigene Gesellschaften wurden gegründet und die Industrialisierung gefördert.
Etwa vier Jahre später jedoch zwangen Mißwirtschaft und exzessive Bürokratie die Regierung dazu, strenge Maßnahmen anzukündigen, was von der breiten Öffentlichkeit nur zögernd akzeptiert wurde, weil auch ihr nicht verborgen blieb, daß nach wie vor Profite gemacht wurden. 1968 wurde Keita in einem unblutigen Putsch gestürzt, seither wird das Land von den Anführern diese Coups regiert. Die Militärs sind nicht besonders beliebt und zu verschiedenen Anlässen wurde das Regime von Studenten- und Arbeiterorganisationen herausgefordert. Besonders der Tod Modibo Keitas in der Gefangenschaft 1977 provozierte im ganzen Land spontane Demonstrationen.
Als Teil der Sahelzone machte Mali in den 70er Jahren die verheerenden Folgen der Dürrekatastrophe durch. Die Dürre verwandelte riesige Gebiete einst zumindest teilweise als Weide- und Ackerland nutzbarer Flächen in Wüstenland, was zu großen Verlusten an Ernte und Vieh führte. Zugleich bedeutete sie für die vielen Wüstennomaden das Ende eines jahrhunderte alten Lebensstils. Die Angehörigen dieser Nomadenstämme bevölkern heute als Flüchtlinge die malischen Städte.