Exegese
Die Exegese ist eine Interpretation von mündlichen, dinglichen oder schriftlichen Äußerungen. Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich Auslegung.
Jede Auslegung, "Über-Setzung" bzw. Deutung findet mit dem Bemühen um Verstehen statt. Den Hintergrund des möglichen Verstehens klärt die Hermeneutik. Hier wird geklärt, woraufhin bzw. vor welchem Hintergrund man etwas verstehen möchte.
Die methodische Reflexion der Exegese und ihres Handwekszeuges klärt dagegen, wenn sie sich wissenschaftlich versteht, eine Methodenlehre der Exegese. Hier wird Rechenschaft über die einzelnen exegetischen Arbeitsschritte abgegeben.
Exegese von Kunstwerken
Mit der Deutung von Kunstwerken beschäftigt sich die Musikwissenschaft oder die Kunstwissenschaft.
Exegese von Texten
Exegese im Sinne der Auslegung schriftlicher Texte wird in der Theologie, der Jurisprudenz, der Geschichtswissenachaft und der Literaturwissenschaft betrieben.
Exegese in der Theologie (Bibelauslegung)
historisch-kritische Exegese
Die berühmteste aller exegetischen Methoden, Standard für alle Deutung, ist die historisch-kritische Exegese. Diese Methode versucht, die historischen "Fakten", soweit diese erschließbar sind, zu klären: Entstehungsgeschichte, Formengeschichte, zeitgenössische politische Situation, Archäologie usw. gehören hier dazu. Diese Methode hilft z.B., die Person Jesu besser zu verstehen, hilft zu unterscheiden, was Jesus wahrscheinlich selbst gesagt hat, von dem, was andere ihm in den Mund gelegt haben. Sie versteht die Schriften aus ihrem zeitgeschichtlichen Kontext heraus: Dann wird einem z.B. bewusst, dass Jesus Jude war, dass die Alttestamentarische Regel "Aug um Aug, Zahn um Zahn" zum damaligen Zeitpunkt ein echter menschenrechtlicher Fortschritt war, dass im Unterschied zu altrömischen Wundererzählungen Jesus Kranke immer fragt, ehe er sie heilt (außer es handelt sich um Dämonen). Antike Könige vollziehen ihre Wunderkräfte hingegen ungefragt. Der Nachteil dieser Methode: Sie verliert oft den Bezug zum konkreten heutigen Glaubensleben und zersplittert sich in Details.
narrative Exegese
feministische Exegese
Gemeinsam ist den einzelnen Richtungen der feministischen Bibelauslegung das Interesse, die Rolle und das Leben von Frauen in der Bibel zu erforschen und stärker im allgemeinen Bewußtsein zu verankern. Zudem hinterfragt sie kritisch das Männer- und Frauenbild der Bibel, deren Texte wohl alle von Männern verfasst worden sind. Schließlich will sie biblische Inhalte für Frauen in der heutigen Zeit nachvollziehbar machen.
Bedeutende feministische Exegetinnen sind Dorothee Sölle, Luise Schottroff, Carola Moosbach, Maria Jepsen, Marie-Theres Wacker.
tiefenpsychologische Exegese
Der bedeutendste tiefenpsychologische Exeget ist Eugen Drewermann.
befreiungstheologische Exefese
dogmatische, fundamentalistische und existenziale Exegese
Während die dogmatische Exegese versucht, aus den Schriften Grundparameter des Glaubens herauszuarbeiten, die für alle Menschen von Bedeutung sind, also stark systematisch-philosophisch arbeitet, ignoriert die fundamentalistische Exegese die Gesetzmäßigkeiten jeder Schriftauslegung und nimmt die Texte 1:1 für bare Münze und versucht so, die Bibel der Perspektivität und Historizität von Wahrheit zu entziehen. So ignoriert man den mythologischen Charakter der Schöpfungsgeschichte und verwechselt die Geschichte von Adam und Eva mit einem Tatsachenbericht. Auch die existenziale Exegese gehört zu den sachorientierten Auslegungsarten: Hier wird versucht, menschliche Grundverfasstheiten aus den Texten zu schälen. Ein (zweifellos vereinfachendes) Beispiel: Während der Fundamentalist versucht, die Geschichtlichkeit Adams und Evas nachzuweisen, versucht der Existenzialanalytiker zu zeigen, dass Adam und Eva Archetypen sind für urmenschliche Grundzüge: Zerrissen zwischen Naivität und Neugier, Skepsis und Machtwille entfremdet er sich von sich selbst und vom Mitmenschen. Der dogmatisch Orientierte wiederum wird in einer Exegese in dieser Erzählung die Ursache der Entfremdung von Gott sehen: Weil der Mensch sich lieber von der Schlange verunsichern lässt als sein Vertrauen auf Gott zu setzen, ist er nicht im Paradies, sondern lebt in einer zerrissenen Welt voll Mühe und Plage. Aber er ist frei zu wählen.