Akupunktur

Akupunktur (Lat.: acus = Nadel, pungere = stechen), auf Hochchinesisch zhēn jiǔ (針灸), ist ein Teilgebiet der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM).
Historisches
Tätowierungen, die bei der Gletscherleiche Ötzi von etwa 3340 v. Chr. gefunden wurden, dienten möglicherweise therapeutischen Zwecken und befinden sich teilweise in der Nähe aus der chinesischen Medizin bekannter klassischer Akupunkturpunkte. [1]
Die erste zur Zeit bekannte schriftliche Erwähnung der Akupunktur und Moxibustion stammt aus dem zweiten Jahrhundert vor Christus. Der chinesische Historiker Sima Qian erwähnt in seinen Aufzeichnungen erstmals Steinnadeln. Neuere Grabfunde enthalten Indizien, dass ähnliche Instrumente bereits vor circa 5000 bis 6000 Jahren verwendet worden sein könnten. Alternativ zu Steinnadeln wurden damals auch Bambussplitter oder Fischgräten verwendet.
Die älteste Sammlung chinesischer medizinischer Schriften Innere Klassiker des Gelben Kaisers (Huangdi Neijing) aus der Zeit zwischen 200 Jahre vor und nach der Zeitenwende integriert die Aku-Moxi-Therapie in die damalige Medizin und beschreibt verschiedene Nadeln (aus Metall), Stichtechniken, Indikationen für die Anwendung bestimmter Punkte. In diesem Werk wurden bereits 160 klassische Punkte entlang der wichtigsten Leitbahnen beschrieben. Das erste historisch eindeutig datierbare Werk über Aku-Moxi ist Der Systematische Aku-Moxi-Klassiker (Zhenjiu jiayjing) von Huang Fumi (215–282). Darin werden eine klare Terminologie, eine Topologie von 349 Akupunkturpunkten und systematische Hinweise auf deren Wirkung beschrieben. Weitere historische Werke sind die Erläuterungen der 14 Hauptleitbahnen von Hua Boren (1341), die Untersuchungen über die acht unpaarigen Leitbahnen von Li Shizhen (1518–1593), sowie die Summe der Aku-Moxi-Therapie von Yang Jizhon (1601).
Die erste Erwähnung der Akupunktur (das Stechen mit Nadeln zu therapeutischen Zwecken) in Europa findet man im Jahr 1675. Der Holländer De Bondt erwähnt in W. Pisos Werk De utriusque Indiae Beobachtungen über diese Therapieform aus Japan. Der Begriff Akupunktur wurde von Pekinger Jesuitenmönchen im 17. Jahrhundert geprägt; er setzt sich aus den lateinischen Wörtern acus (= Nadel) und punctura (= Stich) zusammen, bedeutet also „Therapie mit Nadeln“. 1683 verfasste Willem Ten Rhyne (Arzt der Ostindischen Handelskompanie) einen ausführlichen Bericht in dem er die klinischen Wirkungen der Nadelstichtherapie beschreibt und auch den Begriff der Akupunktur erstmals erwähnt. Die erste bekannte deutschsprachige Veröffentlichung über Akupunktur stammt aus dem Jahr 1824. Es handelt sich dabei um eine Übersetzung von A Treatise on Acupunturation des Engländers James M. Churchill.
Die geschwächte Mandschu-Dynastie versuchte Ende des 19. Jahrhunderts China zu modernisieren, was unter anderem ein Verbot der Akupunktur beinhaltete. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch. Auch spätere politische Bestrebungen im kommunistischem China, Akupunktur zu verbieten, um die gewünschte Umorientierung des Gesundheitssystems in Richtung eines wissenschaftlichen Fundaments zu fördern, setzten sich nicht durch. Stattdessen gelangte die Kommunistischen Partei Chinas zu der Auffassung, dass das Land zu wenige nach wissenschaftlichen Standards ausgebildete Mediziner besaß, um es allein mit ihnen medizinisch versorgen zu können. Daher wurden etwa 500.000 praktizierende Traditioneller Chinesischer Medizin ins staatliche Gesundheitssystem eingestellt. Dies war mit der Hoffnung verbunden, dass sie mit der Zeit immer stärker wissenschaftliche Arbeitsweisen übernehmen würden. Trotzalledem sind TCM und Akupunktur bis heute in China neben der wissenschaftlich betriebenen Medizin weit verbreitet und wurden inzwischen sogar ins universitäre Bildungssystem integriert.[2]
Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts drang die Traditionelle Chinesische Medizin und mit ihr die Akupunktur verstärkt in den Westen vor.
Konzept der Akupunktur
Das chinesische Wort für Akupunktur besteht aus zwei Teilworten, die die Hauptanwendung der Akupunktur beschreiben, nämlich
- dem Einstechen der Nadel in die Akupunkturpunkte und
- dem Erwärmen (Moxibustion) der Punkte.

In der Akupunktur wird die Existenz von 361 Akupunkturpunkten angenommen, die auf den Meridianen angeordnet sind. Demnach gibt es zwölf Hauptmeridiane, die jeweils spiegelverkehrt auf beiden Körperseiten paarig angelegt sind, acht Extrameridiane und eine Reihe von so genannten Extrapunkten. Nach Meinung der Anhänger der Traditionellen Chinesischen Medizin wird durch das Einstechen der Nadeln der Fluss des Qi beeinflusst. Die Akupunktur gehört zu den Umsteuerungs- und Regulationstherapien. Noch älter als die Akupunktur ist die Akupressur. Hier werden die Punkte mit Hilfe der Fingerkuppen massiert.
Das Konzept der Ohrakupunktur (auch Auriculotherapie genannt) wurde vom französischen Arzt Paul Nogier entwickelt. 1954 berichtete er erstmals in der Deutschen Zeitschrift für Akupunktur über seine Erfahrungen und 1961 stellte er seine Diagnose- und Therapieform auf einem Akupunkturkongress in Deutschland vor. Die Behandlung über das Ohr ist zwar auch aus der chinesischen Akupunktur bekannt, es werden dort jedoch nur wenige Punkte – und diese auch nur selten – verwendet. Daneben besteht noch das Konzept der koreanischen Handakupunktur, bei der die Meridiane fast komplett auf den Händen abgebildet sind, sowie das der Schädelakupunktur mit Abbildung der Meridiane auf den Schädel. Ähnliche Vorstellungen stecken auch hinter der Fußakupunktur.
Körpereigene Reizmethoden sind auch in anderen Kulturen bekannt. Bei den Arabern die Skarifizierung der Haut z.B. bei Hexenschuss und bei den Bantu die Perforation der Ohrläppchen.
Durchführung
Eine Akupunktursitzung dauert etwa 20 bis 30 Minuten. Dabei wird der Patient ruhig und entspannt gelagert, typischerweise liegt er oder sitzt bequem. Vor dem Einstich einer Nadel wird die Stelle und die unmittelbare Umgebung leicht massiert. Während einer Sitzung werden immer so wenige Nadeln wie möglich gestochen, maximal 16. Auch nach der Akupunktur sollte der Patient eine Zeit lang noch entspannt verharren. Eine komplette Therapie umfasst in der Regel zehn bis 15 solcher Sitzungen.
Haltung der wissenschaftlichen Medizin
Ein Teil der wissenschaftlichen Medizin sieht es weiterhin als Aufgabe der Forschung an, der hinter der Akupunktur stehenden Theorie der Meridiane und Akupunkturpunkte wissenschaftlich nachzugehen. Ein anderer Teil hält diese Theorie für dermaßen abwegig, dass er keinen Bedarf für genauere Nachforschungen mehr sieht, zumal alle bisherigen Untersuchungen keinen signifikanten Unterschied zwischen Stechen in Akupunkturpunkte und Stechen in beliebige Punkte („Scheinakupunktur“) finden konnten.
Da auch die von der TCM angenommenen Wirkmechanismen nicht nachgewiesen werden konnten, diese sogar wissenschaftlichen Erkenntnissen über Funktion und Aufbau des menschlichen Körpers widersprechen, und auch kein anderer Wirkmechanismus stichhaltig nachgewiesen werden konnte, wird für diese Wirksamkeit allgemein der wohlbekannte Placebo-Effekt verantwortlich gemacht (Siehe auch: Ockhams Rasiermesser). Dieser ist dadurch zu erklären, dass sich während der Behandlung jemand sehr eingehend mit dem Patienten beschäftigt und Suggestion und Autosuggestion als Wirkungsprinzip genutzt werden. Diese und ähnliche Ergebnisse aus anderen Bereichen der Alternativmedizin haben zu einer verstärkten Diskussion darüber geführt, wie dieser Effekt auch in der wissenschaftlichen Medizin besser ausgenutzt werden kann.
Sowohl Befürworter als auch Gegner der Akupunktur warnen davor, bei schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs, Multiple Sklerose oder Schlaganfall Akupunktur anzuwenden. Befürworter begründen dies damit, dass dies Gegenanzeigen seien, die die Krankheit durch eine fördernde Wirkung der Akupunktur noch verschlimmern könnten und somit – beispielsweise bei Krebserkrankungen – die Zellen zur Vermehrung anregen würden. Eine solche fördernde Wirkung – wie etwa eine Zellvermehrung – wird von der wissenschaftlichen Medizin jedoch bestritten. Gegner halten hingegen den Einsatz von Akupunktur bei schwerwiegenden Erkrankungen für gefährlich, da konventionelle Maßnahmen häufig nicht oder erst zu spät eingesetzt werden.
Gerac-Akupunktur-Studien
Mit den gerac-Studien (german acupuncture trials) wurde 2002 die bislang größte weltweite prospektive und randomisierte Untersuchung gestartet, die untersuchen sollte, ob Akupunktur Patienten helfen kann. Denn:
„Trotz der weiten Verbreitung und der hohen Akzeptanz der Akupunktur bei den Patienten sind kontrollierte Akupunktur-Studien selten (sicherlich nicht zuletzt wegen der hohen Kosten) und zeigen widersprüchliche Ergebnisse. Aus einer aktuellen Analyse bisheriger Forschungsergebnisse schlossen Wissenschaftler, dass bei den meisten untersuchten Krankheitsbildern die Wirksamkeit einer Akupunkturbehandlung nicht eindeutig nachgewiesen ist. Die Autoren der Analyse stellen übereinstimmend fest, dass weitere, qualitativ hochwertige, randomisierte und kontrollierte Studien notwendig sind, um die Wirksamkeit von Akupunkturbehandlungen sicher zu beurteilen.“
Am 16. November 2005 wurden die Ergebnisse der gerac-Studie zu den Indikationen Migräne und Spannungskopfschmerz präsentiert [3]. Im April 2006 erschien die Veröffentlichung in Lancet zur gerac Migräne-Studie [4]. Dabei stellte Prof. Dr. Hans-Christoph Diener von Universitätsklinikum Essen bezüglich der Wirksamkeit zusammenfassend fest:
„Die Akupunktur stellt beim chronischen Kopfschmerz eine effektive und risikoarme Ergänzung des therapeutischen Konzepts dar, was eine Anwendung der Akupunktur im Rahmen der schmerztherapeutischen Behandlung rechtfertigt. Allerdings ist eine Scheinakupunktur fast genau so wirksam wie eine klassische chinesische Akupunktur[5].“
Ergänzend ist festzuhalten, daß das Vorgehen bei der o.g. "klassisch chinesischen Akupunktur" teilstandardisiert und -schematisiert, an die chinesische Akupunktur angelehnt war. [6]
Akupunkteure wenden ein, die konkreten bei der s.g. "Scheinakupunktur" verwendeten Punkte seien falsch gewählt worden, sie seien großteils keine Scheinpunkte, sondern wirksame Akupunkturpunkte [7]. Inwieweit eine Kontrolle erfolgte, ob die teilnehmenden Ärzte (die in den Glauben versetzt worden waren, bei der Scheinakupunktur tatsächlich unwirksame Punkte zu stechen) z.B. aus ethischen Gründen heraus, auch s.g. "Verumpunkte" ergänzten wurde bislang nicht veröffentlicht.
Prof. Diener sagte: "Ärzte können sich die teuren Akupunkturkurse sparen. Sie können die Nadeln einfach irgendwohin stechen".[8] Schon damals wurden Stimmen laut, die eine wirksame Verblindung dieser Studie bezweifelten: "Auch ist nicht auszuschließen, dass der eine oder andere Patient sich vor der Behandlung mit Akupunktur und TCM beschäftigt hat und sich gewundert hat, dass (in der Scheinakupunktur) gar keine Nadeln am Kopf gesetzt wurden." [9]
Im Dezember 2005 wurde die Ergebnisse der gerac-Gonarthrose-Studie veröffentlicht. [10] Das zentrale Ergebnis war, dass keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Wirksamkeit von Akupunktur und Scheinakupunktur festgestellt werden konnten, beides jedoch wirksamer war als die konventionelle Standardtherapie zur Behandlung von gonarthrosebedingten chronischen Schmerzen.
Kritiker stellen die Frage, ob bei einer Teilstudie, der gerac-Gonarthrose-Studie, wirklich handwerklich sauber gearbeitet wurde und ob nicht Patienten und Telefoninterviewer vorzeitig entblindet wurden. [11] [12] Zur Diskussion um die Entblindung aller GERAC Studien siehe auch [13]. Der detaillierte Studienplan war vor Studienende in Bibliotheken ausleihbar [13] und im Internet einsehbar [14]. Siehe dazu auch folgende Beitraege in der Aerztezeitung: [14], [15], [16]. Ein GERAC Autor gab Entblindungen sogar zu [17].
Weiterhin weisen Kritiker der gerac-Studien darauf hin, dass echte doppelblinde Studienbedingungen nicht hergestellt werden konnten. Der Akupunkteur, der „die nach bestem Wissen falschen“ Punkte wählt, wird wohl als „Droge Arzt“ einen weniger wirksamen Placebo-Effekt ausüben können. Da diese Fehlerquelle jedoch einen etwaigen Unterschied zwischen echter und Scheinakupunktur verstärken würde, aber kein signifikanter Unterschied messbar war, scheint sie keine große Rolle gespielt zu haben.
Da „irgendeine“ Akupunkturbehandlung wesentlich erfolgreicher als eine konventionelle Therapie ohne Nadelstiche war, kann daraus geschlossen werden, dass entweder alleine die Reizung der Haut mit Nadeln einen schmerzlindernden Effekt hervorruft und/oder dass eine konventionelle Behandlung im Rahmen einer solchen Studie einen Nocebo-Effekt (s.u. Placebo-Effekt) besitzt, da dieser Gruppe eine besondere Therapieform vorenthalten wurde.
Die Studienergebnisse der GERAC LWS Teilstudie wurden bisher nicht in wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht, die ein Peer Review erfordern. [12]. Zum Design dieser Studie siehe [15]. Kritik bezieht sich unter anderem auf die vorzeitige Veroeffentlichung des Studienplanes, so dass Probanden durch dessen Lektuere entblindet werden konnten, weil sie eigentlich geheimzuhaltende Akupunkturpunkte erfuhren [18] [19].
Ein Auszug aus dem Pruefplan zeigt diese Problematik „….Obligatory points are Ub 23, 40, 60, and Ki3 for dorsal pain or Ub 23, Gb 34, 41 and Ki3 for lateral pain…. selected from Ub 24–34…. For sham acupuncture, six needles on either side of the lateral part of the back and two needles on the lower limb are applied superficially (depth of needle insertion ,0.5 cm) at acknowledged nonacupuncture points….” Lokalisationen von Akupunkturpunkten finden auch Laien leicht unter [20].
Studien im Rahmen des „Modellvorhabens Akupunktur“
Einige deutsche Krankenversicherungen, unter Führung der Techniker Krankenkasse, betreiben ein bis Oktober 2008 befristetes „Modellvorhaben Akupunktur“, in dem überprüft werden soll, ob es sinnvoll wäre, sie in den Leistungskatalog aufzunehmen. Dieses Projekt wird vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie des berliner Universitätsklinikums Charité wissenschaftlich unterstützt und beinhaltet drei Studien:
- Acupuncture Safety and Health Economics Studies (ASH)
- Acupuncture in Routine Care Studies (ARC)
- Acupuncture Randomized Trials (ART)
Ergebnisse wurden unter anderem im Deutschen Ärzteblatt präsentiert [16] [17].
Jedoch gibt es massive Zweifel, ob die ART-Studien (u. a. [18] und [19]) wissenschaftlich sauber durchgeführt wurden. Unter anderem kam es zu vorzeitigen und entblindenden Veröffentlichungen. [21] [12] und [20]. Die Studienpläne mit genauer Angabe von zu stechenden Akupunkturpunkten wurden vor oder während der laufenden Studie veröffentlicht, sodaß die Probanden diese nachlesen konnten, was potentiell zur Entblindung führte [21] [22] [23][24]. Auszüge daraus [25] [26]. Die Autoren der Studie schrieben selbst Unblinding of patients recruited or observed after the protocol publication .... is theoretically possible .... [27]. Entblindete Blindstudien sind allerdings von zweifelhaftem Wert: "Success of blinding is a fundamental issue in many clinical trials. The validity of a trial may be questioned if this important assumption is violated." (Bang, H. et al., Assessment of blinding in clinical trials, Controlled Clinical Trials 25 (2004) 143-56). Denn entblindete Probanden neigen dazu das Ergebnis durch vorurteilbehaftetes handeln massiv zu verfälschen: "When unblinded, participants may introduce bias through use of other effective interventions, differential reporting of symptoms, psychological or biological effects of receiving a placebo (although recent studies show conflicting evidence), or dropping out..") (Devereaux PJ, Bhandari M, Montori VM, Manns BJ, Ghall WA, Guyatt GH, Double blind, you have been voted off the island!. McMaster University, Hamilton, Ontario, Canada. Evidence-Based Mental Health. 5(2):36-7, 2002 May).
Siehe dazu auch die Beitraege in den Archives of Internal Medicine und im Deutschen Aerzteblatt, in denen der ART Studie vorzeitige Entblindung vorgeworfen wird:
sowie die Uebersicht unter [30]
Weitere Studien
Ein anderer Ansatz zur Erforschung der Akupunktur besteht in dem Versuch, mögliche physiologische Wirkungsmechanismen aufzudecken und wissenschaftlich haltbare Nachweise der Ortslokalisation von Organ-, Schmerz und Triggerpunkten zu erbringen.
Eine Studie wies in der Magnetresonanztomographie nach, dass die Aktivierung eines traditionell mit den Augen assoziierten Akupunkturpunktes am Fuß okzipitale Regionen des Cortex stimulierte.[22]
Bei einer weiteren im Mai 2005 veröffentlichen Studie wurde eine Gruppe von 14 Patienten einmal mit echten und einmal mit Tricknadeln, die die Haut nicht verletzen, akupunktiert. Für die Patienten sei dies nicht zu unterscheiden gewesen. Die Gehirnaktivität der Patienten wurde während der Behandlung mit einem Positronen-Emissions-Tomographen (PET) aufgezeichnet. Das Ergebnis war, dass bei den Patienten sowohl bei der Behandlung mit den Tricknadeln als auch bei der mit den echten Nadeln eine deutliche Aktivität der Hirnregionen festzustellen war, die beim Auftreten eines Placebo-Effekts eine Rolle spielen. Dabei gab es einen signifikanten Unterschied: bei der Behandlung mit den echten Nadeln, wurde eine stärkere Aktivität in der Inselrinde (Insula) festgestellt als bei der mit den Nadelattrappen. Hier wurde also ein spezifischer physiologischer Unterschied des Stechens mit Nadeln zum Stechen mit Tricknadeln nachgewiesen.[23] Es handelt sich jedoch nicht um einen Effekt, der spezifisch für die Akupunktur ist. Eine Aktivität der Inselrinde wurde auch in einer im August 2005 veröffentlichten PET-basierten Studie über die neurologischen Vorgänge beim Auftreten eines durch Spritzen eines Placebos (Kochsalzlösung) ausgelösten Placebo-Effekts festgestellt.[24]
Das National Institute of Health (NIH), eine Organisation der US-Gesundheitsbehörde, veröffentlichte 1997 eine Stellungnahme, die die offizielle Meinung des Instituts nach Auswertung verschiedener Akupunktur-Studien darstellt. Es bemängelt die mangelhafte handwerkliche Qualität der meisten Studien z. B. in Bezug auf die Größe der betrachteten Probandengruppen und ihrer Konzeption. Weiterhin werde die Situation durch den Umstand verkompliziert, dass es schwer sei, Kontrollgruppen so zu konzipieren, dass man die Effekte von Akupunktur, Scheinakupunktur und Placebo klar voneinander abgrenzen kann. Dies führe zu mehrdeutigen Ergebnissen. Trotzdem ist es der Meinung, dass es vielversprechende Ergebnisse gibt, die darauf hindeuten, dass Akupunktur in manchen Bereichen als ergänzende Behandlungsmethode nützlich sein könnte. Außerdem weißt es auf Studienergebnisse hin, die darauf hindeuten, dass Akupunktur Ausschüttungen von Opioiden und anderer Peptide im zentralem Nervensystem und Änderungen neuroendokriner Funktionen verursacht. Diese Forschungsergebnisse seien vielversprechend genug, um weitere Forschung in diesem Bereich zu rechtfertigen, da sie Erklärungsansätze für die therapeutischen Effekte von Akupunktur liefern könnten. Insgesamt gäbe es einen ausreichenden Nachweis für den Wert der Akupunktur, um eine weitere Ausweitung ihrer Anwendung im Bereich der konventionellen Medizin und weitere Forschung rechtfertigen zu können. [25]
Haltung der Krankenkassen
Alle Privatkassen, Beihilfen und die POST B zahlen Akupunktur normalerweise im Rahmen der GOAE [31].
Gesetzliche Krankenkassen: Am 18. April 2006 gab der Gemeinsame Bundesausschuss bekannt, dass die Akupunktur im Falle von chronischen Rücken- und Knieschmerzen im Rahmen einer Schmerztherapie als Kassenleistungen anerkannt wird. Die Behandlung von Kopfschmerzen durch Akupunktur wird nicht in den Leistungskatalog aufgenommen, da kein Vorteil gegenüber der Standardtherapie festgestellt worden ist. [26] Ärzte, die Akupunktur bei den Krankenkassen abrechnen wollen, müssen die Zusatzbezeichnung Akupunktur oder das so genannte Akupunkturdiplom besitzen und ab 2008 zwei jeweils 80-stündige Ausbildungen zu den Themen Psychosomatik und Schmerztherapie nachweisen müssen. [27]. Verschiedene Verzeichnisse listen Verstragaerzte oder Veratragsaerztinnen (fruher Kassenaerzte genannt), die die Zusatzbezeichnung Akupunktur haben, so z. B. [32] oder die Arztsuche unter [33].
Bis zum heutigen Tage (7. September 2006) wurde der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) noch nicht im Bundesanzeiger veröffentlicht. Die Akupunktur-Richtlinie ist somit noch nicht rechtskräftig. Somit können noch keine Aussagen zu den endgültigen Qualifikationsvoraussetzungen gemacht werden, da die Richtlinie vom G-BA darüberhinaus nochmals überarbeitet wird. Deshalb zahlen fast alle gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland zur Zeit (5.10.2006) weiterhin Akupunktur im Rahmen der Modellprojekte, also bei den Indikationen chronischer Kreuz-, Kopf-, Kniearthroseschmerz, sowie Migräne. Zur Arztsuche kann man sich u.a. o.g. Verzeichnisse bedienen.
In der Schweiz ist die Akupunktur die einzige alternativ-medizinische Leistung, die von der Grundversicherung abgedeckt wird.
Einsatzgebiete
Als anerkannte Hauptindikation für eine Akupunkturbehandlung gelten chronische Schmerzen, wenn kein körperlicher Befund vorliegt.
Sie wird aber auch zur Linderung von Beschwerden bei Pollinosis (Heuschnupfen) und die Anwendung in der Gynäkologie zur Geburtsvorbereitung, bei Schwangerschaftserbrechen und Regelbeschwerden eingesetzt.
Ferner wird Akupunktur im Bereich der (Akupunktur-)Anästhesie bei kleineren Eingriffen z.B. Zahnbehandlungen angewandt.
Die Weltgesundheitsorganisation gibt Indikationen für Akupunktur u.a. in folgenden Bereichen an:
- Erkrankungen des Atmungssystems (z.B. akute Nasennebenhöhlenentzündung)
- gastrointestinale Störungen (z.B. chronischen Magengeschwüren)
- Bronchialasthma
- neurologische Störungen (z.B. nach Schlaganfällen)
- Augenerkrankungen (z.B. zentrale Retinitis)
- muskuloskeletale Erkrankungen (z.B. Zervikobrachialsyndrom)
- Erkrankungen im Mundbereich (z.B. Schmerzen nach Extraktionen, Gingivitis). [28]
Das Consensus Panel des National Institutes of Health (NIH) bemängelt zwar die handwerkliche Qualität vieler Studien, weist aber auf vielversprechende Ergebnisse hin, die auf eine Wirksamkeit in den folgenden Bereichen hindeuten: [25]
- Übelkeit und Erbrechen nach einer Chemotherapie oder Operationen
- postoperative Zahnschmerzen
- Übelkeit,Ödeme und Ischialgien während der Schwangerschaft
- Geburtsvorbereitende Akupunktur
Bereiche in denen Akupunktur nach Meinung des NIH als ergänzende Behandlung sinnvoll sein könnten sind:
- Suchterkrankungen
- in der Rehabilitationstherapie nach einem Schlaganfall
- Kopfschmerzen
- Rückenschmerzen
- Regelbeschwerden
- Epicondylitis
- Fibromyalgie
- myofasziale Schmerzen
- Arthrose
- Karpaltunnelsyndrom
- Bronchialasthma
Nebenwirkungen
Im Allgemeinen treten bei sachgemäßer Handhabung der Akupunktur kaum Nebenwirkungen auf, wie auch erste Ergebnisse der gerac 2002 bestätigten. Möglich sind
- beim Arbeiten mit unsterilen Nadeln – wie dies z. B. in China selbst oft der Fall ist – Infektionskrankheiten wie Hepatitis B, -C und auch AIDS. Allerdings ist die Infektionsgefahr deutlich geringer als bei Kanülen – die Haut scheint gegenüber massiven Stahlnadeln eine höhere Keimresistenz zu besitzen bzw. durch das Kanülenlumen kann eine größere Menge potentiell kontaminierten Blutes übertragen werden.
- Organverletzungen wie z. B. ein Pneumothorax (selten) durch eine unbeabsichtigte Verletzung der Lunge.
- die Ausbildung eines Hämatoms an der Einstichstelle
- bei sehr langen Verweildauern von silbernen Akupunkturnadeln kam es laut wissenschaftlichen Studien in einigen Fällen zu einer dauerhaften Verfärbung der Haut die als Argyrose bezeichnet wird.
Wer darf/sollte nicht akupunktiert werden?
Es gibt verschiedene Gruppen von Menschen, bei denen manche Ärzte von einer Akupunkturbehandlung abraten, zum Beispiel
- Menschen mit Erkrankungen der Haut (Ekzeme, Nesselsucht, Dermatitis etc. an den lokal betroffenen Stellen)
- Menschen mit bestimmten Nervenkrankheiten und Sensibilitätsstörungen der Haut (zum Beispiel Polyneuropathien mit eingeschränktem Schmerzempfinden an den lokal betroffenen Stellen)
- Menschen mit schweren psychischen Störungen (zum Beispiel Schizophrenie, Manie, Wahn)
- Epileptiker (wegen der Gefahr eines epileptischen Anfalls)
- Menschen mit schweren ansteckenden Krankheiten (beispielsweise Tuberkulose)
- Menschen mit bestimmten Tumorarten
- Menschen mit einem schlechten Allgemeinzustand
- Babys und kleine Kinder
Säuglinge und Kleinkinder können mit der japanischen Kinderakupunktur (Shônishin) behandelt werden. Diese Behandlungsform kommt ohne Nadeln aus, die Haut wird nicht verletzt. Die Akupunkturpunkte, Reflexzonen und Meridianen werden durch Druck, lineares Streichen und Klopfen stimuliert. Eine Meridianmassage kann ergänzend vorgenommen werden. Des Weiteren besteht die Möglichkeit einer Laser- und Elektroakupunktur.
Ärzte, die die Wirksamkeit von Akupunktur auf den Placebo-Effekt zurückführen, werden Patienten, die nicht an Akupunktur glauben, ebenfalls diese Therapieform nicht empfehlen, da bei ihnen der gewünschte Effekt nicht auftreten wird.
Menschen mit niedrigem Blutdruck bzw. Kollapsneigung sollten während der Akupunkturbehandlung liegen und sich danach eine Weile ausruhen.
Elektro-Akupunktur darf bei Epileptikern nicht angewandt werden, weil der elektrische Strom epileptische Anfälle auslösen könnte. Auch Menschen mit einem Herzschrittmacher dürfen nicht elektro-akupunktiert werden, weil der elektrische Strom das Gerät irritieren könnte.
Siehe auch
- Alternativmedizin
- Ohrakupunktur
- Implantatakupunktur
- Softlaser (Laserakupunktur, Lasernadelakupunktur, Blutakupunktur)
- Schröpfen
- Reiki
- Franz Anton Mesmer
- Handauflegen
- Pendel (Esoterik)
Literatur
- Hans P. Ogal, Wolfram Stör und Yu-Lin Lian: Seirin Bildatlas der Akupunktur, KVM-Verlag, ISBN 3-932119-40-1
Weblinks
- Informationen zu verschiedenen Akupunkturformen (akupunktur.info)
- Diashows Akupunktur klinische Praxis in Peking am WHO Collaborating Centre for TM
- gerac.de – Offizielle Webseite der gerac-Studien
- daegfa.de – DÄGfA - Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur
- Akupunktur in Skeptic's Dictionary
- Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)
- Akupunktur im open directory project
- Ausbildung in Akupunktur im Verzeichnis open directory project
Quellen
- ↑ L. Dorfer, M. Moser et al.: 5200-Year-Old Acupuncture in Central Europe?, Science, 9. Oktober 1998, Vol. 282
- ↑ Arthur Taub: ACUPUNCTURE: Nonsense With Needles
- ↑ Ärzteblatt[1]
- ↑ The Lancet [2]
- ↑ Gerac- Ergebnisse Ergebnisse der gerac-Kopfschmerzstudien
- ↑ Molsberger A.:Pressemitteilung von Studienleiter Molsberger
- ↑ Schriftwechsel mit Bundesgesundheitsminiterium einschließlich Informationen und akademischer Stellungnahmen aus China
- ↑ Morgenpost[3]
- ↑ Ärzteblatt[4]
- ↑ S. Witte, H.-P. Scharf , U. Mansmann, K. Streitberger, C. Klose, C. Knauer, J. Krämer, N. Victor: Wirksamkeit und Sicherheit von Akupunktur bei gonarthrosebedingten chronischen Schmerzen: Multizentrische, randomisierte, kontrollierte Studie, Dezember 2005
- ↑ Dieter Wettig: Die gerac-Gonarthrose-Studie – Wurden Patienten und Telefoninterviewer vorzeitig entblindet?, zuletzt zugegriffen am 26. April 2006
- ↑ a b c Dieter Wettig: ART- und gerac-Akupunkturstudien: Eine Chronologie, zuletzt zugegriffen am 26. April 2006 Referenzfehler: Ungültiges
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-Tag. Der Name „Entblindung-Chronologie“ wurde mehrere Male mit einem unterschiedlichen Inhalt definiert. - ↑ Entblindung der Studie[5] (Beitrag zur Entblindung der Studie in den Annals of Internal Medicine)
- ↑ Ärztezeitung 2005[6]
- ↑ Ärztezeitung 2005[7]
- ↑ Ärztezeitung 2005[8]
- ↑ Molsberger A.: [9]
- ↑ [10]
- ↑ [11]
- ↑ [12]
- ↑ Dieter Wettig: Die ART-Akupunktur-Studien: Vorzeitig entblindet?, zuletzt zugegriffen am 26. April 2006
- ↑ Z. H. Cho, S. C. Chung, J. P. Jones, J. B. Park, H. J. Park, H. J. Lee, E. K. Wong, B. I. Min: New findings of the correlation between acupoints and corresponding brain cortices using functional MRI, 25. August 1997
- ↑ J. Pariente, P. White, R. S. Frackowiak, G. Lewith: Expectancy and belief modulate the neuronal substrates of pain treated by acupuncture., 1. Mai 2005; 25(4): S. 1161–1167
- ↑ J.-K. Zubieta, J. Bueller, L. Jackson, D. Scott, Y. Xu, R. Koeppe, T. Nichols, C. Stohler: Placebo Effects Mediated by Endogenous Opioid Activity on µ-Opioid Receptors, The Journal of Neuroscience, 24. August 2005, 25(34):7754–7762
- ↑ a b National Institutes of Health: Acupuncture. NIH Consensus Statement, 3.–5. November 1997, 15(5): S. 1–34
- ↑ Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses: Akupunktur zur Behandlung von Rücken- und Knieschmerzen wird Kassenleistung, 18. April 2006
- ↑ Sabine Rieser: Entscheidung zu Akupunktur als Kassenleistung stößt auf Kritik, Deutsches Ärzteblatt, 19. April 2006
- ↑ V. Sierpina, M. Frenkel: Acupuncture: A Clinical Review., Southern Medical Journal, März 2005; 98 (3), S. 330–337