Josef Wiedemann (Orgelbauer)
Josef Wiedemann (* 26. Juni 1819 in Zusamzell; † 4. Februar 1868) in Bamberg war ein deutscher Orgelbauer.
Leben
Josef Wiedemann absolvierte nach zweieinhalb Jahren Schreinerlehre eine Ausbildung zum Orgelbauer bei Cyprian Briechle (auch: Priechle) in Kettershausen.[1] Seine Wanderung führte ihn über München, Ebersberg, Wasserburg und Traunstein nach Salzburg, wo er beim Orgelbauer Ludwig (Louis) Mooser von 1843 bis 1844 als Geselle Anstellung fand. Von 1844 bis 1846 war er Geselle bei Jacob Deutschmann in Wien. Bis 1849 hielt er sich weiterhin in Wien auf. Wo er in dieser Zeit angestellt war, ist nicht belegt, vermutlich aber bei Deutschmann.
Am 14. Juli 1849 brach er wiederum zur Wanderung auf, die ihn über Prag, Dresden und Leipzig nach Bamberg führte. Am 1. August 1849 annoncierte die Orgelbauerswitwe Eva Bischof im Bamberger Tagblatt, dass sie Josef Wiedemann als Werkführer angestellt habe.[2]
Er heiratete Eva Bischof am 18. Februar 1850, reparierte im selben Monat die Orgel der Pfarrkirche Stegaurach und erhielt nach Begutachtung der Orgel durch eine unabhängige Kommission am 5. April 1850 seine Meisterprüfungsurkunde mit der Note „vorzüglich“. Sein Gesuch zur Ansässigmachung als selbständiger Orgelbauer in Bamberg wurde daraufhin vom Magistrat der Stadt Bamberg bewilligt.[3]
Von 1850 bis zu seinem Tod am 4. Februar 1868 verfertigte Wiedemann ca. 60 Orgeln. Sein Wirkungsgebiet war schwerpunktmäßig der Bamberger Raum, doch auch im Frankenwald, dem Grenzgebiet zur Oberpfalz, im Steigerwald sowie im Raum Kitzingen und Würzburg baute er neue Kirchenorgeln.[4]

Die Werkstattnachfolge trat sein Stiefsohn David Friedrich Bischof an, der sich später Friedrich Wiedemann nannte. Bis zu seinem Tod 1878 baute dieser ca. 40 weitere Orgeln im Wirkungsgebiet des Stiefvaters.[5]
Werke (klangliche und technische Charakteristik)
Josef Wiedemanns Werkstatt fertigte als handwerklicher Kleinbetrieb Kirchenorgeln zunächst in traditioneller Manier. Meist waren es einmanualige, selten zweimanualige Werke auf Schleifladen. Sie stehen in einer ungebrochenen Tradition zum barocken Orgelbau Frankens.
In der Klanggestaltung finden sich noch traditionelle, aus dem Barock stammende Elemente: Die Prinzipalreihe besitzt eine markante Klangkrone, die meist aus Quinte und Mixtur 2’ oder 1’ besteht. In den 8’-Registern hingegen gibt es eine Tendenz zu einer stärkeren Grundtönigkeit als dies im fränkischen Barock der Fall war. Die noch vorhandenen Wiedemann-Orgeln zeigen sich als kräftig intoniert und haben noch nicht die Weichheit und Subtilität der süddeutschen Orgelromantik, wie sie von den direkten Konkurrenten Steinmeyer (Oettingen) oder Schlimbach (Würzburg) entscheidend geprägt wurde.
In der Anlage seiner Orgeln war Wiedemann flexibel. Er baute meist freistehende Spieltische mit Blick auf den Altar, es existieren aber ebenso Orgeln mit Spielschrank, seitenspielige Instrumente sowie hinterspielige Brüstungsorgeln.
Um 1862 begann Wiedemann, die von Walcker (Ludwigsburg) eingeführte Kegellade zu verwenden. Teils stellte er nur das Pedalwerk auf Kegelladen, teils Manual(e) und Pedal. Wiedemanns Ausführung der Kegellade mangelte es allerdings an Zuverlässigkeit, und seine Überarbeitung der Orgel im Bamberger Dom (1863-1868) wurde zum Anlass jahrelanger Querelen, die erst mit dem Tod Josef Wiedemanns und dem technischen Neubau der Orgel durch Steinmeyer endeten.[6][7]

Der Stiefsohn und Werkstattnachfolger Friedrich Wiedemann kehrte zurück zur Schleiflade in den Manualwerken, baute aber im Pedal weiterhin Kegelladen.
Von den 102 gebauten Orgeln von Vater und Stiefsohn Wiedemann sind nach derzeitigem Forschungsstand 27 Orgeln ganz oder teilweise (klingendes Werk) erhalten. 16 davon sind von Josef gebaut, 11 von Friedrich Wiedemann.
Werke (Auswahl)
- 1849/1850: Stegaurach, Pfarrkirche, Umbau. Kein historischer Bestand.
- 1852: Wallfahrtskirche Birklingen b. Iphofen, I/P, 5 Register, Gehäuse, Windladen und Teile des Pfeifenwerks erhalten.
- 1856: Gunzendorf b. Auerbach (Oberpfalz), Pfarrkirche, I/P, 10 Register, Gehäuse erhalten.
- 1856: Oberschwarzach, Pfarrkirche, II/P, 16 Register, kein historischer Bestand.
- 1859: Weilersbach, Wallfahrtskirche, I/P, 11 Register, vollständig erhalten. Manual und Pedal auf Schleifladen.
- 1859: Oberthulba, Pfarrkirche, II/P, 30 Register, kein historischer Bestand.
- 1860: Frammersbach, Pfarrkirche, II/P, 19 Register, kein historischer Bestand.
- 1861: Prölsdorf, Pfarrkirche, I/P, 13 Register, vollständig erhalten. Manual und Pedal auf Schleifladen. Größte erhaltene Orgel Josef Wiedemanns. Letzte Restaurierung: Thomas Eichfelder, Bamberg, 2016.[8]
- 1862: Bamberg, Kapuzinerkirche, II/P, vermutlich erste Kegelladenorgel in beiden Manualen. 1878 nach Bamberg St. Elisabeth transferiert und 1893 von Steinmeyer technisch neu gebaut. Prospekt und große Teile des Pfeifenwerks von Wiedemann erhalten.
- 1862: Bamberg, Sebastianikapelle, I/P, 7 Register, vollständig erhalten einschließlich der Keilbalganlage. Manual und Pedal auf Schleifladen.
- 1863: Albertshausen b. Bad Kissingen, Pfarrkirche, I/P, 11 Register, vollständig erhalten. Manual Schleiflade, Pedal Kegellade.
- 1863-1865: Bamberg, Dom. Umbau der vorhandenen Orgel auf Kegelladen. Kein historischer Bestand.
- 1865: Ebern, Pfarrkirche, II/P, 19 Register, kein historischer Bestand.
- 1866: Großgressingen b. Ebrach, Rochuskapelle, I/P, 6 Register. Orgel wurde um 1980 mit einer Zusatzlade um vier Register erweitert, Prospekt sowie Laden und Pfeifenwerk von Wiedemann erhalten.
- 1867: Stappenbach, Kuratiekirche, I/P, 9 Register, erhalten.
- 1868: Großbardorf, Pfarrkirche, II/P, 20 Register, Kegelladen in allen Werken. Nach dem Tod Josef Wiedemanns durch den Stiefsohn Friedrich Bischof (Wiedemann) fertiggestellt. Kein historischer Bestand.
Werke von Friedrich Wiedemann (= David Friedrich Bischof), Auswahl
- 1870: Scheßlitz, Pfarrkirche, II/P, 20 Register, kein historischer Bestand.
- 1870: Binsfeld b. Karlstadt, Pfarrkirche, I/P, 12 Register, umgebaut erhalten.
- 1872: Peulendorf, Filialkirche, I/P, 11 Register, erhalten und durch Benedikt Friedrich, Oberasbach, restauriert. Dabei wurde der originale Prospekt nach einer Foto-Vorlage aus den 1950ern rekonstruiert.
- 1873: Burgellern, Filialkirche, I/P, 9 Register, erhalten und durch Andreas Hemmerlein, Cadolzburg, restauriert. Keilbalganlage auf dem Kirchenboden rekonstruiert.
- um 1876: Triefenstein, Klosterkirche. Orgel von Adam Philipp Schleich (1695), umgebaut und erweitert von Franz Zettler (1785-1791). Umbau und Spielbarmachung. Die noch vorhandene Klaviatur stammt aus der Hand Friedrich Wiedemanns.
- 1876: Mürsbach, Pfarrkirche, II/P, 17 Register. Bis 2002 leicht verändert erhalten, dann abgebrochen und durch Neubau ersetzt. Die Wiedemann-Orgel wurde ins Orgelzentrum Valley verbracht und ist dort im "klingenden Depot" spielbar aufgestellt.
- 1877: Mistendorf, Pfarrkirche, op. 102, I/P, 11 Register. Gehäuse und große Teile des Pfeifenwerks erhalten.
- 1878: Ruppertshütten, Kuratiekirche, I/P. Letztes Werk Friedrich Wiedemanns. Nach dessen Tod wurde das Werk von Johann Wolf, Bayreuth, aufgestellt.[9]
Literatur
- Hermann Fischer, Theodor Wohnhaas: Lexikon süddeutscher Orgelbauer. Wilhelmshaven 1994.
- Harald Nehr: Zwei fast vergessene Orgelbauer. In: Fränkischer Sonntag. 31. August 2008, S. 7.
Einzelnachweise
- ↑ Quelle: Ansässigmachungsgesuch Josef Wiedemanns vom 27.2.1850, in: Stadtarchiv Bamberg, Akt C 9 62 124.
- ↑ Hermann Fischer/Theodor Wohnhaas: Historische Orgeln in Oberfranken, München/Zürich 1985, ISBN 9783795403850, S. 46
- ↑ Die biographischen Angaben entstammen der Auswertung der Quellen im Stadtarchiv Bamberg, Akt C9 62 124.
- ↑ Hermann Fischer/Theodor Wohnhaas: Lexikon süddeutscher Orgelbauer. Wilhelmshaven 1994, S. 467.
- ↑ In Friedrich Wiedemanns letztem vollendeten Werk (Pfarrkirche Mistendorf) wurde die Bleistiftmarkierung „op. 102“ gefunden. Im kurz zuvor erbauten Instrument von Mürsbach, Pfarrkirche, fand man die Inschrift „op. 100“. Quelle: Kartei Hermann Fischer, Aschaffenburg.
- ↑ Ulrich Theißen: Königin der Vielfalt – Gegenwart und Geschichte der Bamberger Orgeln. St. Ottilien 2011, S. 44-60.
- ↑ Hermann Fischer/Theodor Wohnhaas: Historische Orgeln in Oberfranken, München/Zürich 1985, ISBN 9783795403850, S. 18
- ↑ Hermann Fischer/Theodor Wohnhaas: Historische Orgeln in Unterfranken, München/Zürich 1981, ISBN 9783795404246, S. 234
- ↑ Walter Löffler; Horst Hünsch (Hrsg.), 1502-2002 Ruppertshütten, Stoffsammlung zur 500-Jahr-Feier des Dorfs Ruppertshütten. Ruppertshütten 2002.
Personendaten | |
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NAME | Wiedemann, Josef |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Orgelbauer |
GEBURTSDATUM | 26. Juni 1819 |
GEBURTSORT | Zusamzell |
STERBEDATUM | 4. Februar 1868 |