Esoterik
Esoterik bezeichnet seit der Antike ein religiöses Geheimwissen, welches nur einem inneren Kreis von Eingeweihten zugänglich ist. Der Name leitet sich aus dem griechischen Adjektiv "esôterikós" ab, das mit "zum inneren Kreis gehörig" übersetzt werden kann. Heute wird der Begriff "Esoterik" im Sinne einer Betrachtungsweise, auch mit okkulten und magischen Praktiken verwendet. Esoteriker übersetzen den Begriff auch alternativ mit "nach innen gerichtet" als Abgrenzung zur Exoterik (dem nach aussen, ins Materielle gerichteten).
Geschichte
Das "mystische Wissen" der Esoterik wird in der Tradition der auf Hermes Trismegistos zurückgehenden antiken Geheimlehre auch als Hermetik bezeichnet und von Skeptikern wie z.B. Atheisten aus Vernunftgründen abgelehnt.
Die klassische Esoterik war schulmäßig in Orden, Logen und esoterischen Schulen organisiert und pflegte ein exklusives Sonderwissen. Neben den Zigeunern überlieferten sie altes Gedankengut wie Tarot, Astrologie und Zahlenmystik. Auch die Lehren von Gnosis, Hermetik, Kabbala, Alchemie, den Rosenkreuzern u.v.m. zählen zu den esoterischen Überlieferungen.
Im Viktorianischen Zeitalter hatte die Esoterik, damals allerdings mehr als Okkultismus, mit den verschiedensten Formen der Orakel schon einmal eine Blütezeit erlebt. Etwas gemäßigter ist hier die Bewegung des Spiritualismus, die auch eine Brücke zu den fernöstlichen Religionen schlägt. Der eher auf Phänomene reduzierte Anteil esoterischer Praxis findet sich in den verschiedenen Ausprägungen der Magie.
In den letzten 150 Jahren hat sich die Esoterik inhaltlich zu einer Weltanschauung gewandelt, die sich als allumfassend und universalreligiös sieht und das "Ur-Wissen" aller Religionen zu vereinen sucht. Aufgrund der "Esoterik-Welle" seit den 80iger Jahren ist die Esoterik zu einer Massenbewegung mit Breitenwirkung geworden, die viele teilweise wiedersprüchliche Teilströmungen umfasst.
Einordnung
Die Esoterik gilt als Pseudowissenschaft betreffend die Seele des Menschen, ist jedoch als Ausdruck individueller Spiritualität gesellschaftlich teilweise akzeptiert. Somit ist die Esoterik definitiv keine Wissenschaft im Sinne der Moderne. Heute ist sie viel eher auch Sammelbegriff für weltanschauliche Strömungen, die Elemente der Spiritualität, der Astrologie, des Okkultismus etc. mit einbeziehen.
Die heterogene Ansammlung heutiger Esoterik aus kulturellen, religiös-philosophischen, anthropologischen oder kosmologischen Elementen ist deutlich. Esoterik lässt sich weder soziologisch noch kulturell festlegen. In der Esoterik sammelt sich Wissen aus unterschiedlichen Religionen, Philosophien und Lebensanschauungen, während z.B. die christlichen Hauptrichtungen eine Vermischung von verschiedenen Religionen ablehnen. Da es sich, im Gegensatz zur Spiritualität, bei der Esoterik also nicht um ein persönliches religiöses Erleben, sondern um eine Vielzahl einzelner Angebote und Wege zur Realisation einer individuellen religiösen Erfahrung handelt, gibt es in der Esoterik viele Menungsverschiedenheiten bis hin zu Glaubensstreitigkeiten.
Menschen mit naturwissenschaftlicher Geisteshaltung werden auch Leugner genannt, da diese selten und schwerlich Zugang zu esoterischen Themen bekommen.
Glaube/Inhalt
Gott wird in der Esoterik nicht immer als persönliches Gegenüber, sondern auch als die höchste Schwingung, als die vollkommene Liebe, aufgefasst. Der Unterschied zwischen Gott, Mensch, Tier, Pflanze, Erde wird nur graduell gesehen. Die Wirklichkeit wird als Erscheinungsform fließender Energie aufgefasst.
Die modernen Esoteriker glauben in der Regel an die Reinkarnation, meistens an die westliche Variante, verbunden mit der Vorstellung, dass sich die Seele von Leben zu Leben evolutionär zum Besseren entwickle. Schicksalsschläge werden als "Wille des Schicksals" (zum Lernen oder zur Läuterung) und auch als vor Antritt des Lebens selbst ausgesucht betrachtet. Für Esoteriker ist vieles im heutigen Leben eine logische Folge vorangegangener Leben. Esoteriker sehen darin auch ein Ursache/Wirkungsprinzip des Karmas, Kritiker hingegegen werfen hier den Esoterikern Realitätsflucht vor. Der scheinbare Gegensatz von täglicher Selbstverantwortung (Konstruktivismus) und Schicksalsglaube (Fatalismus) wird als weiteres Beispiel für die als wesentlich empfundene Polarität aller Dinge verstanden.
Das Innenleben und die Seele werden im Vergleich zum praktischen Leben sehr stark thematisiert. Viele Esoteriker sind der Meinung, das Leben von sich und anderen (z.B. bei Krankheit oder psychischen Beschwerden) mittels der persönlichen Einstellung und Gedankenkraft sehr stark beeinflussen zu können.
Die Esoterik entleiht sich Elemente aus verschiedenen Religionen und bringt sie in den esoterischen Kontext. So werden in der Esoterik auch Jesus, Buddha und Mohammed als Weisheitslehrer angesehen. Der Engelglaube wird durch die Bibel, aber auch durch eigene oder publizierte Erfahrungen begründet. Auch der Glaube an Außerirdische (UFOs) ist innerhalb der Esoterik zu finden.
Praktisch befasst sich die Esoterik oftmals mit Empfehlungen zum Gebet oder der Meditation, zur persönlichen und universellen Liebe, dem Umgang mit der Schöpfung, Lebenszielen, der Reflexion von Schicksalsschlägen, dem Umgang mit Naturelementen (Wasser bzw. Wasseradern im Erdreich, Edelsteine, Düfte, Arzneimittel), der Ernährung oder, im Einzelfall, auch zur Sexualität. Weitere Praktiken, die von einigen Menschen zur Esoterik gezählt werden sind Channeling, Astrologie, Tarot, Pendel, Wünschelrute, IGing, Numerologie, D'tail Weisen und manche Methoden der Alternativmedizin wie Homöopathie, Reiki, Aura Soma, Bachblüten, Psychokinesiologie, Feng Shui, Edelsteintherapie, Reinkarnationstherapie oder Familienstellen .
Missbrauch
Weil esoterische Themen bei Teilen der Bevölkerung großes Interesse hervorrufen, ist die Verbreitung von esoterischem Material ein riesiger Markt. Neben den Bereichen, die bei den Anwendern positive Effekte hervorrufen, die auf Suggestion und Erwartung beruhen und als Placebo-Effekt für den Einzelnen durchaus eine Hilfe darstellen können, werden viele Artikel verkauft, die meist nur auf den finanziellen Nutzen der Hersteller ausgerichtet sind. Dies reicht bis hin zu Propagandamaterial für Sekten und Selbstdarsteller. Dass viele Menschaen trotzdem esoterischen Themen gegenüber aufgeschlossen sind, ist verständlich, weil wie oben erwähnt, die Esoterik mit dem Anspruch antritt, Spiritualität, Hilfe und Orientierung zu geben, also natürlich auch Menschen anzieht, die jenes besonders benötigen und die deshalb besonders leicht zu beirren sind.
Aktualität
In Deutschland fällt die Ausübung esoterischer Praxis unter die Freiheit der Religionsausübung. Wichtig für die Entwicklung in der Nachkriegszeit wurden hier die Vereinigung OARCA (Omnia Arkana), die Zeitschrift esotera, sowie die Schriften des Psychotherapeuten Thorwald Dethlefsen. In der Schweiz fand die Esoterik starken Anklang, wichtige Figuren wären hier das Medium Oskar Rudolf Schlag, der Ex-Pfarrer Hans-Dieter Leuenberger sowie der Kreis um die Zeitschrift Spuren mit dem Herausgeber Martin Frischknecht.
siehe auch: Glaube, Hermetik, Liste bedeutender Esoteriker; New Age, Okkultismus, Astrologie, Spiritualität, Religionen der Welt, Mystik,Biofoton, Wassermannzeitalter
Literatur
Julius Evola, Magie als Wissenschaft vom Ich 1985, ISBN 3715700726
Hugo Stamm, Achtung Esoterik. Zwischen Spiritualität und Verführung. 2000, Pendo-Verlag, ISBN 3-85842-388-2
- Rezension: "Esoterik ist heute ein ausgeklügeltes System zur raschen Befriedigung übersinnlicher Bedürfnisse." Diese kühne These vertritt der Zürcher Journalist und Weltanschauungsfachmann Hugo Stamm in seinem neuen Buch. Esoterik sei, so Stamm, gnadenlos kommerzialisiert und verhindere eher das "Ringen um wahre mystische Erkenntnisse", als sie zu ermöglichen. Gute Gründe führt Stamm für seine Thesen an. Mit peniblen Recherchen und profunder Sachkenntnis nimmt er die "Glaubensfabrik moderne Esoterik" aufs Korn. Dass er dabei weder ironisch noch überheblich wird, unterscheidet sein Buch etwa von Werken kirchlicher Weltanschauungsbeauftragter. Stamm geht dem Phänomen mit journalistischem Pathos statt mit apologetischem Anspruch nach. Als Zeitungsredakteur hat er kein anderes Terrain zu verteidigen als die journalistische Sorgfaltspflicht -- und die erfüllt er in beeindruckender Weise.
Marc Roberts: Das neue Lexikon der Esoterik. München: Goldmann, 1995 (TB 12237)
Jörg Wichmann: Die Renaissance der Esoterik. Eine kritische Orientierung. Stuttgart : Kreuz-Verlag, 1990 (Wichmann, geb. 1958, studierte Religionswissenschaften, Philosophie und Psychologie. Er gibt einen grundlegenden Überblick über das Gesamtgebiet der Esoterik, wobei er auf Stamms Pathos verzichtet, aber dort, wo Kritik angesagt ist, diese überzeugend formuliert.)
Weblinks
- Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften setzt sich kritisch mit Esoterik auseinander
- RelInfo - Esoterik Eher skeptisch, aber gut recherchiert
- [1] Esoterische Lehrerin, pro esoterisch, aber umfassend und informativ
- Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen - Download Faltblatt "Esoterik"
- Nebelpfade - das heidnisch-esoterische Portal